zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 26.02.2018, E3656/2017

VfGH vom 26.02.2018, E3656/2017

Leitsatz

Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im Anlassfall

Spruch

I.Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Beschluss wird aufgehoben.

II.Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,− bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans und stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen den Beschwerdeführer in Spruchpunkt III. eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Im Weiteren wurde gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass gemäß § 55 Abs 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt V.), und der Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

2.Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung am zugestellt. Am brachte der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers per Email Beschwerde ein.

3.Mit Beschluss vom wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom gemäß § 16 Abs 1 BFA-VG als verspätet zurück.

4.Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung behauptet werden.

5.Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

5.1.Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G134/2017 ua., die Wortfolge "2, 4 und" sowie den zweiten Satz ("Dies gilt auch in den Fällen des § 3 Abs 2 Z 1, sofern die Entscheidung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist.") in § 16 Abs 1 BFA-VG, BGBl I 87/2012 idF BGBl I 24/2016, als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind.

5.2.Das Bundesverwaltungsgericht hat bei Erlassung der angefochtenen Entscheidung eine der als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzesbestimmungen angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Ausspruch, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind, hat auch für den Verfassungsgerichtshof die Wirkung, dass er die betreffenden Bestimmungen nicht mehr anzuwenden hat (vgl. etwa VfSlg 12.954/1991, 15.401/1999; ; , B308/11; , E543/2016).

6.Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt.

Der Beschluss ist daher aufzuheben.

7.Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 19 Abs 4 VfGG abgesehen.

8.Die Kostenentscheidung beruht auf § 88a Abs 1 iVm § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2018:E3656.2017
Schlagworte:
VfGH / Anlassfall

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.