VfGH vom 26.06.2020, E3603/2019
Leitsatz
Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im Anlassfall
Spruch
I.Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II.Der Bund (Bundesministerin für Landesverteidigung) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
1. Der Beschwerdeführer steht als Brigadier des Österreichischen Bundesheeres in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Der Beschwerdeführer war Vorsitzender der Disziplinarkommission für Soldaten im Bundesministerium für Landesverteidigung. Seine Mitgliedschaft in der Disziplinarkommission wurde auf Grund eines gegen den Beschwerdeführer geführten gerichtlichen Strafverfahrens wegen des Verdachtes der Verletzung des Amtsgeheimnisses gemäß § 310 StGB ruhend gestellt. Seither hat ein Stellvertreter des Vorsitzenden seine Aufgaben übernommen. In dieser Funktion erließ dieser auch die "Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (DKS) für das Kalenderjahr 2019 mit Wirksamkeit vom ", kundgemacht im Verlautbarungsblatt II des Bundesministeriums für Landesverteidigung Nr 20/2019 vom .
2. Im Zusammenhang mit dem gegen den Beschwerdeführer geführten Strafverfahren hat dieser am "Selbstanzeige" erhoben und die Einstellung des Verfahrens gemäß § 62 Abs 2 Heeresdisziplinargesetz 2014 (HDG 2014) beantragt. Das diesbezügliche Schreiben wurde vom Leiter der Abteilung "Disziplinar- und Beschwerdewesen" am selben Tag übernommen. Der Beschwerdeführer wurde daraufhin mit Schreiben des Disziplinarvorgesetzten vom zum verfahrensrechtlichen Parteiengehör aufgefordert. Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs den Antrag, dass seine "Selbstanzeige" vom unverzüglich der Disziplinarkommission vorgelegt werden möge. Zudem brachte der Beschwerdeführer am selben Tag erneut eine gleichlautende "Selbstanzeige" direkt bei der Disziplinarkommission ein. Mit einem "Für den Bundesminister" gezeichneten Schreiben vom wurde die "Selbstanzeige" des Beschwerdeführers der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vorgelegt; am langte sie bei der Disziplinarkommission ein.
3. Mit Einleitungsbeschluss der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom wurde gegen den Beschwerdeführer ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Das vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Rechtsmittel wurde mit Beschwerdevorentscheidung der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom abgewiesen. In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer am einen Vorlageantrag. Der vom Beschwerdeführer an den Verfassungsgerichtshof gerichtete, auf Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG gestützte Verordnungsprüfungsantrag wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , V33/2019, zurückgewiesen.
4. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom unter Berichtigung des Spruches der Beschwerdevorentscheidung die Beschwerde abgewiesen.
Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst aus, dass auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens der hinreichende Verdacht einer sehr schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung bestehe und auch kein Einstellungsgrund vorliege. Der Spruch sei jedoch zu präzisieren. Die vom Beschwerdeführer geäußerten Bedenken hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Zusammensetzung bzw der Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission würden aus näher dargelegten Überlegungen nicht geteilt, weswegen von der Anrufung des Verfassungsgerichtshofes abgesehen werde.
5. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
6. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 139 Abs 1 Z 2 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Wortfolge "mit Wirksamkeit vom " im Titel der Verordnung; des Punktes I. im Umfang des Einleitungssatzes "Mit Wirksamkeit vom wird verfügt:" sowie der Festlegung der Zuständigkeit und Zusammensetzung des Senates 1 und des Punktes II. über die Verhinderung des Senatsvorsitzenden zur Gänze, ein. Mit Erkenntnis vom , V344/2020 ua, hob er die "Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (DKS) für das Kalenderjahr 2019 mit Wirksamkeit vom ", kundgemacht im Verlautbarungsblatt II des Bundesministeriums für Landesverteidigung Nr 20/2019 vom , zur Gänze auf.
7. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
7.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
7.2. Der Beschwerdeführer wurde also durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.303/1984, 10.515/1985).
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2020:E3603.2019 |
Schlagworte: | VfGH / Anlassfall |
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