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VfGH vom 12.12.2017, E3249/2016

VfGH vom 12.12.2017, E3249/2016

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Abweisung eines Antrags auf Datenlöschung und Vernichtung sämtlicher bei einem Finanzamt aufbewahrter Akten wegen denkunmöglicher Annahme des Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Aufbewahrung der Papierakten gegenüber dem Löschungsinteresse der Beschwerdeführerin

Spruch

I.Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II.Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.Mit Schreiben vom brachte die Beschwerdeführerin beim Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln einen Antrag auf Datenlöschung gemäß Art 3 und Art 8 EMRK sowie § 1 DSG 2000 ein. Dieses Anbringen enthält folgende Anträge:

"1.1. Ich beantrage die Vernichtung sämtlicher Papierakte, auch solcher in Ihren Archiven, und sämtlicher elektronischer Daten, welche in Bezug zu den Abgabenverfahren 2004, 2005 und 2006 stehen.

1.2. Sollten Sie jedoch der Ansicht sein, dass die Verwertung und Aufbewahrung der Akten den Verdacht auf strafbare Handlungen von Mitarbeitern der Finanzverwaltung begründet, wobei allfällige Verjährungsfristen durch die nochmalige Verbreitung der Informationen im Jahr 2014 unterbrochen wurden, so ersuche ich um Erstattung einer Anzeige gem. § 78 Abs 1 Strafprozessordnung bei der zuständigen Staatsanwaltschaft gegen jene Beamte der Finanzverwaltung, welche

a) für die Verwertung dieser Informationen in den Abgabenverfahren 2004-2006 verantwortlich waren,

b) für die weitere Aufbewahrung dieser Akten auch noch nach dem Abschluss des Abgabenverfahrens, sowie

c) möglicherweise für die weitere Verbreitung, sodass schließlich im Jahr 2014 Aktenteile beim Bundekanzleramt vorlagen und von diesem international verbreitet wurden.

d) In diesem Fall ersuche ich Sie um vollständige Übermittlung der Akten an die zuständige Staatsanwaltschaft, um eine allfällige Strafbarkeit dieser Handlungen und Unterlassungen zu prüfen.

1.3. Ich ersuche um Erledigung durch einen Bescheid, wobei Sie mir insbesondere mitteilen, ob Sie meinem Antrag auf Vernichtung der Akten nachkommen oder Sie die Akten an die Staatsanwaltschaft weiterleiten oder Sie die Akten weiter aufbewahren."

2.Mit Bescheid vom wies das Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln den "Antrag vom , eingebracht am betreffend Datenlöschung gem. Art 3 und Art 8 EMRK, Art 1 DSG 2000" ab. Einen Abspruch über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erstattung einer Anzeige an die Staatsanwaltschaft enthält der Bescheid des Finanzamts Hollabrunn Korneuburg Tulln nicht. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

3.Mit dem vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art 144 B-VG angefochtenen Erkenntnis vom wies das Bundesfinanzgericht die von der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln ab.

3.1.Dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

3.1.1.Im Jahr 2007 ermittelte das Landeskriminalamt Niederösterreich (LKA NÖ) "verdeckt" gegen die Beschwerdeführerin wegen des Verdachts der illegalen Prostitution. Im Zuge dieser Ermittlungen übermittelte das LKA NÖ dem zuständigen Finanzamt eine mit der Beschwerdeführerin aufgenommene Niederschrift vom , wonach die Beschwerdeführerin persönliche Dienstleistungen an fremde Personen gegen Entgelt erbrachte.

Nach der darauf folgenden Außenprüfung wegen des Verdachts nicht versteuerter Einkünfte schätzte das Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln die Einnahmen sowie die mit dieser Tätigkeit in Zusammenhang stehenden Ausgaben, unterzog die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Einkommensbesteuerung und erließ entsprechende Bescheide für die Jahre 2004 bis 2006.

Gegen diese Einkommensteuerbescheide erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Der Unabhängige Finanzsenat (UFS) gab der Berufung mit Entscheidung vom statt und hob die Einkommensteuerbescheide betreffend die Jahre 2004 bis 2006 auf.

Gegen diese Entscheidung des UFS erhob das Finanzamt Amtsbeschwerde. Diese wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 2009/13/0011, ab.

3.1.2.Mit Schriftsatz vom beantragte die Beschwerdeführerin gemäß § 27 Abs 1 Z 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000) bei der belangten Behörde vor dem Bundesfinanzgericht die Löschung der Daten, insbesondere zu ihrem Sexualleben. Diesem Antrag kam das Finanzamt nicht nach.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin am Beschwerde an die Datenschutzkommission mit der Begründung, dass sie sich in ihrem Recht auf Löschung der Daten verletzt erachte. Die Datenschutzkommission wies diese Beschwerde mit Bescheid vom ab, weil der Beschwerdeführerin ein auf Art 8 EMRK gestütztes Recht auf Löschung nur zukomme, wenn es in § 1 Abs 3 Z 2 DSG 2000 Deckung finde; die Prüfungskompetenz der Datenschutzkommission sei ausgeschlossen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Erkenntnis VfSlg 19.937/2014 sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung eines Löschungsbegehrens hinsichtlich der beim Finanzamt aufbewahrten Daten der Beschwerdeführerin, insbesondere zu ihrem Sexualleben vorliege. Das Recht auf Löschung nach dem Datenschutzgesetz 2000 sei eingeschränkt auf automationsunterstützte Daten und gelte nicht für Papierakten.

Hinsichtlich des Löschungsbegehrens wegen Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art 8 EMRK durch die weitere Aufbewahrung von das Sexualleben der Beschwerdeführerin betreffenden Daten im Papierakt führte der Verfassungsgerichtshof im genannten Erkenntnis aus, dass die Beschwerdeführerin ihren Anspruch auf Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der weiteren Aufbewahrung hinsichtlich (rechtmäßig oder rechtswidrig) ermittelter Daten durch einen Antrag beim zuständigen Finanzamt geltend machen könne.

3.2.Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis im Wesentlichen Folgendes aus:

Die belangte Behörde habe eine Außenprüfung hinsichtlich der Jahre 2004 bis 2006 durchgeführt und im Schätzungsweg Einkünfte der Beschwerdeführerin aus Gewerbebetrieb (Prostitution) festgesetzt. Die belangte Behörde sei zum Tätigwerden verpflichtet gewesen und habe Feststellungen für eine (Nicht-)Abgabenfestsetzung zu treffen gehabt. Diese von der Außenprüfung getroffenen Feststellungen dienten lediglich als Begründung der Bemessungsgrundlagen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2004 bis 2006 vom .

Bei diesen Feststellungen handle es sich um keine Daten im Sinne des Datenschutzgesetzes 2000, die verwertet werden könnten, "sondern um ein Konvolut von […] Schriftstücken, die nicht nach einem Suchkriterium abgefragt werden könnten, sondern die Grundlage für einen zu erlassenden Bescheid bilden."

Die getroffenen Feststellungen unterlägen sowohl gemäß Art 20 Abs 3 B-VG als auch nach der in der Bundesabgabenordnung als "lex specialis" enthaltenen abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht der Amtsverschwiegenheit. Zum Verhältnis des Art 20 Abs 3 B-VG (Amtsverschwiegenheit) zu Art 22 B-VG (Amtshilfe) sei auszuführen, dass nach herrschender Ansicht eine Behörde Daten, die der Amtsverschwiegenheit unterlägen, im Wege der Amtshilfe nicht an andere Organe (obwohl auch diese der Amtsverschwiegenheit unterliegen) weiterleiten dürfe. Sei jedoch Amtshilfe (Art22 B-VG) nur unter Beachtung von Geheimhaltungspflichten zu leisten, stelle Art 22 B-VG keine gesetzliche Verpflichtung im Sinne des § 48a Abs 4 litb BAO dar. Bei lediglich auf Art 22 B-VG gestützten Amtshilfeersuchen habe daher die ersuchte Abgabenbehörde – abgesehen von den allgemeinen Amtshilfevoraussetzungen (Erforderlichkeit, Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit) – zunächst zu prüfen, ob die betreffenden Umstände von der Amtsverschwiegenheit erfasst seien. Sei dies der Fall, sei – von § 48a Abs 4 litc BAO abgesehen – zu prüfen, ob die Offenbarung der Umstände im zwingenden öffentlichen Interesse im Sinne des § 48a Abs 4 litb BAO liege.

Die ordnungsgemäße Erfüllung der einem Hoheitsträger zukommenden Aufgaben liege im öffentlichen Interesse. Ein solches Interesse sei zwingend, wenn ohne eine solche Mitteilung ein Hoheitsträger außerstande wäre, eine ihm zukommende Aufgabe zu erfüllen. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes sei die Aufklärung gerichtlich strafbarer Handlungen stets im zwingenden öffentlichen Interesse gelegen. Auch bei Annahme eines zwingenden öffentlichen Interesses seien Weitergaben im Hinblick auf Art 18 B-VG nur dann zulässig, wenn hiefür eine gesetzliche Grundlage bestehe. Eine solche gesetzliche Grundlage seien vor allem Art 22 B-VG und § 80 Abs 1 StPO.

Einfachgesetzliche Vorschriften, die Auskünfte ausdrücklich für geboten erklären, fänden sich in Art 148b Abs 1 B-VG (gegenüber der Volksanwaltschaft), § 13 Abs 1 AHG, § 46 Abs 5 BDG (Disziplinarverfahren) und § 4 Abs 1 RechnungshofG, wonach die Behörde ihr Handeln rechtfertigen und Aktenteile vorlegen müsse.

Ein zwingendes öffentliches Interesse liege auch vor, wenn an einem zivilrechtlichen Verfahren eine Gebietskörperschaft beteiligt sei und sie an dessen Ausgang ein unabweisliches rechtliches oder wirtschaftliches Interesse habe. Im vorliegenden Fall könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin versuche, sich auf zivilrechtlichem Weg auch an der Abgabenbehörde schadlos zu halten; schon aus diesem Grund liege ein zwingendes öffentliches Interesse an der weiteren Aufbewahrung des Papieraktes vor.

Sowohl die Möglichkeit einer Antragstellung als auch eine Verpflichtung zur sofortigen Aktenvernichtung seien der Bundesabgabenordnung nicht zu entnehmen und der Verwaltungspraxis fremd. In den §§5 ff. Bundesarchivgesetz, BGBI. I 162/1999 idgF, werde ausdrücklich auf die Skartierung Bezug genommen, also auf die Praxis, dass Akten während einer bestimmten, mehrere Jahre dauernden "Skartierungsfrist" jedenfalls aufzubewahren seien.

Von § 48a BAO seien nicht nur steuerliche Verhältnisse (zB Gewinn- und Umsatzhöhe), sondern auch persönliche (zB Anzahl der unehelichen Kinder, Gesundheitszustand, Wohnverhältnisse, Vorstrafen) und betriebliche Verhältnisse erfasst, wie etwa Kalkulationen, Geschäftsverbindungen, Zahl der Arbeitnehmer und Bezugsquellen.

Hinsichtlich der Feststellungen der Abgabenbehörde habe die Partei das Recht auf Akteneinsicht, soweit dies zur Geltendmachung ihrer abgabenrechtlichen Interessen oder zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten erforderlich sei (§90 BAO).

Unstrittig stehe fest, dass die Einkommensteuer-Veranlagungen für die Jahre 2004 bis 2006 nach Durchführung des Rechtsmittelverfahrens vor dem UFS und dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2009/13/0011, nun rechtskräftig erledigt seien.

Daraus folge, dass der vorhandene Papierakt nicht mehr im Rahmen eines Veranlagungsverfahrens verwendet werden könne und die Beschwerdeführerin keine Beschwer mehr habe, weil keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgesetzt worden seien.

Akteneinsicht könne lediglich von einer Partei zur Geltendmachung ihrer abgabenrechtlichen Interessen oder zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten wahrgenommen werden. Durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2009/13/0011, wonach keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorlägen, habe auch die Beschwerdeführerin kein Recht mehr auf Akteneinsicht bezüglich dieser Veranlagungsjahre.

Auch die (ehemaligen) Beamten der Abgabenbehörden hätten mangels einer notwendigen Erfüllung ihrer gesetzlichen Befugnisse nicht mehr das Recht, Akteneinsicht zu nehmen. Hinsichtlich ihres in Wahrnehmung ihrer dienstrechtlichen Verpflichtungen erlangten Wissens unterlägen die (ehemaligen) Beamten sowohl der Amtsverschwiegenheit als auch im Speziellen der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht nach § 48a BAO.

Ungeachtet dieser Ausführungen überwiege aus folgenden Gründen das zwingende öffentliche Interesse an der Aufbewahrung des Papieraktes gegenüber dem grundrechtlich geschützten Recht der Beschwerdeführerin auf Privatleben:

Dem Finanzamt könne angesichts der Ausführungen in seinem Bescheid vom nicht entgegengetreten werden, wenn es von der Möglichkeit weiterer Anträge und Klagen seitens der Beschwerdeführerin ausgehe und folglich die Akten zur Verteidigung der Rechte und des rechtmäßigen Handelns der betroffenen Organe benötigt würden. Eine Amtshaftungsklage sowie eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs seien seitens der Beschwerdeführerin schon eingebracht worden, wenn auch das Amtshaftungsverfahren durch ewiges Ruhen beendet worden sei.

Nach § 6 Abs 1 AHG verjährten Ersatzansprüche in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekannt geworden sei, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung. Das Amtshaftungsgesetz enthalte auch Sonderbestimmungen über die Wahrung des Amtsgeheimnisses und über die Öffentlichkeit der Verhandlung (§13 AHG). Wie in der Beschwerde bzw. im Antrag auf Datenlöschung angedeutet worden sei, gehe die Beschwerdeführerin von einem Amtsmissbrauch aus. Demzufolge würde sich eine Strafdrohung mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ergeben, wonach gemäß § 6 Abs 1 zweiter Satz AHG die Verjährung erst zehn Jahre nach Entstehung des Schadens eintrete.

Wie bereits im Bescheid der belangten Behörde ausgeführt, bestehe die Möglichkeit, dass anlässlich eines möglichen Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte noch eine Stellungnahme abzugeben sei. Auch aus diesen Gründen bestehe ein öffentliches Interesse an der Aufbewahrung der Daten, damit die Rechtmäßigkeit des Behördenhandelns überprüft werden könne.

Eine Aufbewahrung des Papieraktes und der elektronischen Daten sei weiters unter dem Aspekt der Kontrolltätigkeit durch die Volksanwaltschaft (Art148b Abs 1 B-VG), eines Disziplinarverfahrens (§13 Abs 1 AHG und § 46 Abs 5 BDG), einer Auskunftserteilungspflicht gegenüber dem Rechnungshof, die eine Aktenvorlage einschließe (§4 Abs 1 RechnungshofG), sowie einer internen Revision gerechtfertigt.

Zu erwähnen sei ferner, dass für die Parteien nur dann ein Recht auf Akteneinsicht bestehe, wenn die Kenntnis der Akten(-teile) zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer abgabenrechtlichen Interessen oder zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten erforderlich sei. Abgabenrechtlichen Interessen diene die Akteneinsicht etwa, wenn eine Partei im Hinblick auf den in einer allfälligen Bescheidbeschwerde geltend zu machenden Eintritt der Bemessungsverjährung überprüfe, ob die Verjährungsfrist verlängernde Amtshandlungen (§209 Abs 1 BAO) aus den Verwaltungsakten ersichtlich seien. Keine Akteneinsicht sei jedoch mangels abgabenrechtlicher Interessen zu gewähren.

Rechtsschutzbeauftragte seien nach der Strafprozessordnung, nach dem Sicherheitspolizeigesetz, dem Finanzstrafgesetz und dem Militärbefugnisgesetz zu beauftragen. Im Abgabenrecht seien Rechtsschutzbeauftragte zur Wahrnehmung des besonderen Rechtschutzes nur im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren eingerichtet. Da kein Finanzstrafverfahren gegen die Beschwerdeführerin eingeleitet worden sei, sei auch kein Rechtsschutzbeauftragter zu bestellen gewesen, womit der Vorwurf der Beschwerdeführerin an die Abgabenbehörde ins Leere ginge.

Art8 EMRK schütze die "Privatheit des Lebens" gegen unnötige Kenntnisnahme durch den Staat. Aus diesem Grund greife auch eine Registrierung von Vorgängen des Privatlebens für Zwecke der öffentlichen Verwaltung in das Recht auf Privatleben ein. Durch den Umstand, dass die Beschwerdeführerin – nach dem Inhalt der an das Finanzamt gerichteten Anzeige – sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten habe, sei die Abgabenbehörde nicht in das Privatleben der Beschwerdeführerin eingetreten, sondern habe lediglich hinsichtlich der Höhe der Einnahmen sowie Ausgaben entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag Feststellungen getroffen.

Wikipedia bezeichne Prostitution (von lateinisch prostituiere: "nach vorn/zur Schau stellen, preisgeben") als Vornahme sexueller Handlungen gegen Entgelt. Da auch Einkünfte aus Prostitution der Einkommensbesteuerung unterlägen, habe die Abgabenbehörde nicht in das Privatleben der Beschwerdeführerin eingegriffen.

Bei Abwägung zwischen dem Interesse der Beschwerdeführerin an der Vernichtung der Papierakten und dem zwingenden öffentlichen Interesse an der weiteren Aufbewahrung der Papierakten über alle für die Abgabenerhebung maßgebenden Tatsachen sei der Aufbewahrung aus den ausgeführten Gründen das größere Gewicht beizumessen.

Es bestehe weiterhin ein zwingendes öffentliches Interesse an der Aufbewahrung der Akten, damit die Rechtmäßigkeit des Behördenhandelns jederzeit überprüft werden könne.

Zusammenfassend sei auszuführen, dass die auf Grund der Anzeige vorgenommene Außenprüfung von Amts wegen einzuleiten gewesen sei; die dokumentierten Feststellungen seien keine Datei im Sinne des Datenschutzgesetzes 2000 und fielen folglich nicht unter den Anwendungsbereich des Datenschutzgesetzes 2000. Der Papierakt und die elektronisch gespeicherten Daten würden lediglich für die Abgabenfestsetzung und etwaige Folgeverfahren herangezogen. Die Daten unterlägen sowohl der Amtsverschwiegenheit als auch der abgabenrechtlichen Geheimhaltung, Akteneinsicht sei nur mehr beschränkt möglich. Weitere Verfahren in diesem Zusammenhang seien nicht auszuschließen, folglich überwiege das öffentliche Interesse gegenüber dem privaten Interesse der Beschwerdeführerin.

Durch die verfassungsrechtlich vorgesehene Amtsverschwiegenheit und durch die einfachgesetzlich geregelte Geheimhaltungspflicht in der Bundesabgabenordnung sei eine Geheimhaltung der die Beschwerdeführerin betreffenden persönlichen Daten jedenfalls gewährleistet.

Zum Bezug auf Art 3 EMRK sei auf die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis VfSlg 19.937/2014, die auch im Bescheid vom zitiert wurden, zu verweisen ("[...] Durch die fortgesetzte Aufbewahrung der Daten beim Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln konnte die Bf. nicht in Ihrem Recht auf Unterbleiben einer erniedrigenden Behandlung gemäß Art 3 EMRK verletzt werden.").

Soweit die Beschwerdeführerin moniere, dass die Anzeige seitens des LKA NÖ unter Anwendung von Folter und erniedrigender Behandlung zustande gekommen sei und folglich nicht als Beweismittel herangezogen hätte werden dürfen, habe das Bundesfinanzgericht nicht zu entscheiden, ob eine andere Behörde ein Beweismittel rechtswidrig erlangt habe. Zu ergänzen sei, dass eine dem § 58 SPG entsprechende Bestimmung in der Bundesabgabenordnung nicht existiere.

Abschließend wies das Bundesfinanzgericht darauf hin, dass die Veröffentlichung gemäß § 23 Abs 3 BFGG unterbleibe.

4.In ihrer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 144 B-VG behauptet die Beschwerdeführerin im Wesentlichen die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung (Folter) unterworfen zu werden gemäß Art 3 EMRK, auf Datenschutz gemäß § 1 DSG 2000, auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK, auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art 13 EMRK, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art 2 StGG und Art 7 B-VG sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B-VG.

Die fortgesetzte Aufbewahrung von unter Verstoß gegen Art 3 EMRK erlangten Dokumenten betreffend die Beschwerdeführerin stelle eine anhaltende Verletzung des Art 3 EMRK, des Art 8 EMRK und des § 1 DSG 2000 dar. Aus dem Erkenntnis VfSlg 19.937/2014 sei nicht ersichtlich, ob der Verfassungsgerichtshof eine Verletzung des Art 3 EMRK lediglich im Hinblick auf die eingeschränkte Kognitionsbefugnis der Datenschutzkommission ausgeschlossen habe. Das Bundesfinanzgericht habe es im Rahmen der Beurteilung der Vorfrage unterlassen, die Rechtswidrigkeit der erfolgten Datenerlangung und -weitergabe festzustellen. Art 3 EMRK habe auch einen formellen Gehalt, der durch die zum Vorteil der staatlichen Behörden anhaltende Aufbewahrung der Dokumente und die damit verbundene psychische Folter der Beschwerdeführerin auf Grund der Gefahr einer Veröffentlichung verletzt werde. Die Aufbewahrung impliziere eine weitere Verwendung und Verbreitung der Dokumente. Im Hinblick auf Art 8 EMRK könne der Zweck der Dokumentation – auch vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 20 BAO – durch gelindere Mittel, wie beispielsweise die Aufbewahrung unter vollständiger Anonymisierung, erreicht werden. Schon die ursprüngliche Datenerlangung sei rechtswidrig erfolgt, was – ungeachtet der mangelnden gesetzlichen Grundlage für die Aufbewahrung – auch auf die Aufbewahrung der Daten durchschlage. Zudem erfüllten die aufbewahrten Daten schon längst nicht mehr ihren ursprünglichen Zweck. Mit dem rechtskräftigen Abschluss des Abgabeverfahrens im Jahr 2012 sei auch der neue Zweck der Datenaufbewahrung als Beweismittel im Abgabenverfahren weggefallen. Allfällige Amtshaftungsansprüche auf Grund des Abgabenverfahrens seien durch einen Vergleich erledigt worden, in einem internationalen Verfahren, beispielsweise vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, sei das belangte Finanzamt nicht Partei, weshalb eine dahingehende Begründung der belangten Behörde für die Aufbewahrung ins Leere gehe. Die Aufbewahrung der Akten sei keinesfalls verhältnismäßig, wenn sie schon gemäß § 63 Abs 1 SPG sofort bzw. gemäß § 58 Abs 1 Z 11 SPG spätestens im Jahr 2009 zu vernichten gewesen wären und schon ursprünglich nicht an die belangte Behörde weitergereicht werden hätten dürfen.

Die Beschwerdeführerin werde auch in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art 14 iVm Art 3 und Art 8 EMRK verletzt, weil sie als Frau gegenüber Männern benachteiligt werde. Die die Beschwerdeführerin betreffenden Informationen seien nämlich ursprünglich auf Grund von Gesetzen und Praktiken beschafft worden, die vor allem Frauen beträfen und diese aus diesem Grund systematisch diskriminierten.

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes sei zudem willkürlich, weil es die unzutreffenden Argumente der belangten Behörde lediglich wiederhole, ohne sich mit dem Beschwerdevorbringen auseinanderzusetzen, und die Vorfrage der Recht- und Verhältnismäßigkeit der ursprünglichen Datenbeschaffung nicht beantwortet habe. Die unterlassene Beantwortung der Vorfrage verletze die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf eine wirksame Beschwerde bzw. auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, weil es dadurch der Beschwerdeführerin im Falle einer Datenweitergabe und einer Untätigkeit des Rechtsschutzbeauftragten verunmöglicht werde, die Frage einer ursprünglichen, gesetzwidrigen Datenbeschaffung im Wege eines nachprüfenden Rechtsschutzes wirksam geltend zu machen.

5.Das Bundesfinanzgericht legte die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der belangten Behörde vor und sah – wie auch die belangte Behörde – von der Erstattung einer Äußerung ab.

II.Rechtslage

1.§1 und § 27 Datenschutzgesetz 2000, BGBl I 165/1999, idF BGBl I 83/2013 ("DSG 2000"), lauten:

"Artikel 1

(Verfassungsbestimmung)

Grundrecht auf Datenschutz

§1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art 8 Abs 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl Nr 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

(3) Jedermann hat, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, dh. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen

1. das Recht auf Auskunft darüber, wer welche Daten über ihn verarbeitet, woher die Daten stammen, und wozu sie verwendet werden, insbesondere auch, an wen sie übermittelt werden;

2. das Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten.

(4) Beschränkungen der Rechte nach Abs 3 sind nur unter den in Abs 2 genannten Voraussetzungen zulässig.

[…]

Recht auf Richtigstellung oder Löschung

§27. (1) Jeder Auftraggeber hat unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verarbeitete Daten richtigzustellen oder zu löschen, und zwar

1. aus eigenem, sobald ihm die Unrichtigkeit von Daten oder die Unzulässigkeit ihrer Verarbeitung bekannt geworden ist, oder

2. auf begründeten Antrag des Betroffenen.

Der Pflicht zur Richtigstellung nach Z 1 unterliegen nur solche Daten, deren Richtigkeit für den Zweck der Datenanwendung von Bedeutung ist. Die Unvollständigkeit verwendeter Daten bewirkt nur dann einen Berichtigungsanspruch, wenn sich aus der Unvollständigkeit im Hinblick auf den Zweck der Datenanwendung die Unrichtigkeit der Gesamtinformation ergibt. Sobald Daten für den Zweck der Datenanwendung nicht mehr benötigt werden, gelten sie als unzulässig verarbeitete Daten und sind zu löschen, es sei denn, daß ihre Archivierung rechtlich zulässig ist und daß der Zugang zu diesen Daten besonders geschützt ist. Die Weiterverwendung von Daten für einen anderen Zweck ist nur zulässig, wenn eine Übermittlung der Daten für diesen Zweck zulässig ist; die Zulässigkeit der Weiterverwendung für wissenschaftliche oder statistische Zwecke ergibt sich aus den §§46 und 47.

(2) Der Beweis der Richtigkeit der Daten obliegt – sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes angeordnet ist – dem Auftraggeber, soweit die Daten nicht ausschließlich auf Grund von Angaben des Betroffenen ermittelt wurden.

(3) Eine Richtigstellung oder Löschung von Daten ist ausgeschlossen, soweit der Dokumentationszweck einer Datenanwendung nachträgliche Änderungen nicht zuläßt. Die erforderlichen Richtigstellungen sind diesfalls durch entsprechende zusätzliche Anmerkungen zu bewirken.

(4) Innerhalb von acht Wochen nach Einlangen eines Antrags auf Richtigstellung oder Löschung ist dem Antrag zu entsprechen und dem Betroffenen davon Mitteilung zu machen oder schriftlich zu begründen, warum die verlangte Löschung oder Richtigstellung nicht vorgenommen wird.

(5) In jenen Bereichen der Vollziehung, die mit der Wahrnehmung der in § 26 Abs 2 Z 1 bis 5 bezeichneten Aufgaben betraut sind, ist, soweit dies zum Schutz jener öffentlichen Interessen notwendig ist, die eine Geheimhaltung erfordern, mit einem Richtigstellungs- oder Löschungsantrag folgendermaßen zu verfahren: Die Richtigstellung oder Löschung ist vorzunehmen, wenn das Begehren des Betroffenen nach Auffassung des Auftraggebers berechtigt ist. Die gemäß Abs 4 erforderliche Mitteilung an den Betroffenen hat in allen Fällen dahingehend zu lauten, daß die Überprüfung der Datenbestände des Auftraggebers im Hinblick auf das Richtigstellungs- oder Löschungsbegehren durchgeführt wurde. Die Zulässigkeit dieser Vorgangsweise unterliegt der Kontrolle durch die Datenschutzbehörde nach § 30 Abs 3 und dem besonderen Beschwerdeverfahren vor der Datenschutzbehörde nach § 31 Abs 4.

(6) Wenn die Löschung oder Richtigstellung von Daten auf ausschließlich automationsunterstützt lesbaren Datenträgern aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nur zu bestimmten Zeitpunkten vorgenommen werden kann, sind bis dahin die zu löschenden Daten für den Zugriff zu sperren und die zu berichtigenden Daten mit einer berichtigenden Anmerkung zu versehen.

(7) Werden Daten verwendet, deren Richtigkeit der Betroffene bestreitet, und läßt sich weder ihre Richtigkeit noch ihre Unrichtigkeit feststellen, so ist auf Verlangen des Betroffenen ein Vermerk über die Bestreitung beizufügen. Der Bestreitungsvermerk darf nur mit Zustimmung des Betroffenen oder auf Grund einer Entscheidung des zuständigen Gerichtes oder der Datenschutzbehörde gelöscht werden.

(8) Wurden im Sinne des Abs 1 richtiggestellte oder gelöschte Daten vor der Richtigstellung oder Löschung übermittelt, so hat der Auftraggeber die Empfänger dieser Daten hievon in geeigneter Weise zu verständigen, sofern dies keinen unverhältnismäßigen Aufwand, insbesondere im Hinblick auf das Vorhandensein eines berechtigten Interesses an der Verständigung, bedeutet und die Empfänger noch feststellbar sind.

(9) Die Regelungen der Abs 1 bis 8 gelten für das gemäß Strafregistergesetz 1968 geführte Strafregister sowie für öffentliche Bücher und Register, die von Auftraggebern des öffentlichen Bereichs geführt werden, nur insoweit als für

1. die Verpflichtung zur Richtigstellung und Löschung von Amts wegen oder

2. das Verfahren der Durchsetzung und die Zuständigkeit zur Entscheidung über Berichtigungs- und Löschungsanträge von Betroffenen

durch Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist."

2.Die §§48a und 90 Bundesabgabenordnung, BGBl 194/1961, idF BGBl I 20/2009 ("BAO"), lauten bzw. lauteten:

"E. Abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht.

§48a. (1) Im Zusammenhang mit der Durchführung von Abgabenverfahren, Monopolverfahren (§2 litb) oder Finanzstrafverfahren besteht die Verpflichtung zur abgabenrechtlichen Geheimhaltung.

(2) Ein Beamter (§74 Abs 1 Z 4 Strafgesetzbuch) oder ehemaliger Beamter verletzt diese Pflicht, wenn er

a) der Öffentlichkeit unbekannte Verhältnisse oder Umstände eines anderen, die ihm ausschließlich kraft seines Amtes in einem Abgaben- oder Monopolverfahren oder in einem Finanzstrafverfahren anvertraut oder zugänglich geworden sind,

b) den Inhalt von Akten eines Abgaben- oder Monopolverfahrens oder eines Finanzstrafverfahrens oder

c) den Verlauf der Beratung und Abstimmung der Senate im Abgabenverfahren oder Finanzstrafverfahren

unbefugt offenbart oder verwertet.

(3) Jemand anderer als die im Abs 2 genannten Personen verletzt die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht, wenn er der Öffentlichkeit unbekannte Verhältnisse oder Umstände eines anderen, die ihm ausschließlich

a) durch seine Tätigkeit als Sachverständiger oder als dessen Hilfskraft in einem Abgaben- oder Monopolverfahren oder in einem Finanzstrafverfahren,

b) aus Akten(inhalten) oder Abschriften (Ablichtungen) eines Abgaben- oder Monopolverfahrens oder eines Finanzstrafverfahrens oder

c) durch seine Mitwirkung bei der Personenstands- und Betriebsaufnahme anvertraut oder zugänglich geworden sind,

unbefugt offenbart oder verwertet.

(4) Die Offenbarung oder Verwertung von Verhältnissen oder Umständen ist befugt,

a) wenn sie der Durchführung eines Abgaben- oder Monopolverfahrens oder eines Finanzstrafverfahrens dient,

b) wenn sie auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgt oder wenn sie im zwingenden öffentlichen Interesse gelegen ist oder

c) wenn ein schutzwürdiges Interesse offensichtlich nicht vorliegt oder ihr diejenigen zustimmen, deren Interessen an der Geheimhaltung verletzt werden könnten.

[…]

D. Akteneinsicht.

§90. (1) Die Abgabenbehörde hat den Parteien die Einsicht und Abschriftnahme der Akten oder Aktenteile zu gestatten, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer abgabenrechtlichen Interessen oder zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten erforderlich ist. Blinden oder hochgradig sehbehinderten Parteien, die nicht durch Vertreter (§§80 ff) vertreten sind, ist auf Verlangen der Inhalt von Akten und Aktenteilen durch Verlesung oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten in sonst geeigneter Weise zur Kenntnis zu bringen.

(2) Von der Akteneinsicht ausgenommen sind Beratungsprotokolle, Amtsvorträge, Erledigungsentwürfe und sonstige Schriftstücke (Mitteilungen anderer Behörden Meldungen, Berichte und dergleichen), deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen dritter Personen herbeiführen würde.

(3) Gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig."

3.§6 Amtshaftungsgesetz BGBl 20/1949, idF BGBl I 122/2013 ("AHG"), lautet:

"§6. (1) Ersatzansprüche nach § 1 Abs 1 verjähren in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekanntgeworden ist, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung. Ist dem Geschädigten der Schaden nicht bekanntgeworden oder ist der Schaden aus einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, entstanden, so verjährt der Ersatzanspruch erst nach zehn Jahren nach der Entstehung des Schadens. Die Verjährung wird durch die Aufforderung gemäß § 8 für die dort bestimmte Frist oder, wenn die Aufforderung innerhalb dieser Frist beantwortet wird, bis zur Zustellung dieser Antwort an den Geschädigten gehemmt.

(2) Rückersatzansprüche nach § 1 Abs 3 und § 3 verjähren in sechs Monaten nach Ablauf des Tages, an dem der Rechtsträger den Ersatzanspruch dem Geschädigten gegenüber anerkannt hat oder rechtskräftig zum Ersatz verurteilt worden ist."

III.Erwägungen

Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

1.Ein Eingriff in das durch Art 8 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte – unter Gesetzesvorbehalt stehende – Recht ist dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende verwaltungsgerichtliche Entscheidung ohne jede Rechtsgrundlage ergangen ist, auf einer dem Art 8 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn das Verwaltungsgericht bei Erlassung der Entscheidung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hat; ein solcher Fall liegt nur vor, wenn das Verwaltungsgericht einen so schweren Fehler begangen hat, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn es der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen verfassungswidrigen, insbesondere einen dem Art 8 Abs 1 EMRK widersprechenden und durch Art 8 Abs 2 EMRK nicht gedeckten Inhalt unterstellt hat (vgl. VfSlg 11.638/1988, 15.051/1997, 15.400/1999, 16.657/2002).

2.Ein solcher Fehler ist dem Bundesfinanzgericht unterlaufen:

Der Verfassungsgerichtshof setzte sich in seinem (Vor-)Erkenntnis VfSlg 19.937/2014 ausführlich mit dem – im Wesentlichen gleichgerichteten – Vorbringen der Beschwerdeführerin und der Möglichkeit der Löschung von Daten in Papierakten auseinander:

"[…]

5.5. Der Verfassungsgerichtshof geht somit – wie auch der Verwaltungsgerichtshof – davon aus, dass ein unstrukturierter 'Papierakt' keine 'Datei' iSd § 4 Z 6 DSG 2000 ist und auch Verweise in den elektronisch gespeicherten Daten auf den Papierakt nicht zwingend dazu führen, dass der Papierakt, auf den so verwiesen wird, dadurch zu einer 'Datei' wird. Mit einzelnen Verweisen auf den Papier- bzw. Kopienakt, die selbst keine Rückschlüsse auf die dort enthaltenen Informationen zulassen, werden die im Papierakt aufbewahrten Inhalte nicht nach einem Suchkriterium zugänglich oder strukturiert und damit nicht Teil einer 'Datei' iSd § 4 Z 6 DSG 2000.

5.6. Durch die in den beim Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln elektronisch gespeicherten Daten enthaltenen Hinweise auf den 'Prüfbericht' bzw. die Niederschrift und die nicht näher spezifizierten Verweise auf die 'Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung' sowie die Aktenzahl werden die im Papierakt befindlichen Daten der Beschwerdeführerin nicht strukturiert zugänglich. Daraus folgt, dass es sich bei dem beim Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln aufbewahrten Papierakt nicht um eine Datei im Sinne des § 4 Z 6 DSG 2000 handelt.

6. Soweit die Beschwerdeführerin ihr Löschungsbegehren auf die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Privatleben gemäß Art 8 EMRK durch die weitere Aufbewahrung von das Sexualleben der Beschwerdeführerin betreffenden Daten im Papierakt stützt und sich durch die auf 'Dateien' iSd § 4 Z 6 DSG 2000 eingeschränkte Prüfkompetenz der Datenschutzkommission im Recht auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art 13 EMRK verletzt erachtet, ist Folgendes festzuhalten:

6.1. Der Verfassungsgerichtshof sprach im Erkenntnis VfSlg 18.092/2007 aus, dass 'nach Lage des vorliegenden Falles aus Art 8 EMRK hinsichtlich der Löschungsverpflichtung kein weiter reichendes Recht abzuleiten ist als aus der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 3 des – zur Umsetzung der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. 1995 L 281, S 31, ergangenen – DSG 2000'.

In dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Fall waren die den Beschwerdeführer betreffenden Protokollbucheintragungen durch Schwärzung der Daten Namen, Geburtsdatum und Anschrift 'unkenntlich gemacht' sowie die entsprechenden Aktenzahlen und Hinweise auf das Delikt auf den Steckzetteln geschwärzt worden; damit war nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes der Papierakt 'personenbezogen (dh. mit dem Namen des Beschwerdeführers) nicht mehr auffindbar'. 'Angesichts dessen' ging der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass 'die Zugänglichkeit (Erkennbarkeit) der ihn betreffenden personenbezogenen Daten im 'Kopienakt' bzw. 'Papierakt' derart reduziert wurde, dass diesbezüglich von einem Eingriff in das aus Art 8 EMRK erfließende Recht auf Achtung des Privatlebens nicht mehr die Rede sein kann'.

Im Erkenntnis VfSlg 18.963/2009 sprach der Verfassungsgerichtshof unter Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg 18.092/2007 neuerlich aus, dass 'aus den Garantien der Art 8 und 13 EMRK grundsätzlich keine weiter reichenden Ansprüche abgeleitet werden können als aus der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 3 DSG 2000'.

6.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte fällt die Aufbewahrung von das Privatleben einer Person betreffenden Daten in den Anwendungsbereich des Art 8 Abs 1 EMRK (EGMR , Fall Amann, Appl. 27.798/95, newsletter 2000, 50; , Fall Rotaru, Appl. 28341/95, newsletter 2000, 96; , Fall Kheleli, Appl. 16.188/07, newsletter 2011, 305); eine Einschränkung auf solche Daten, die in besonders strukturierter Weise aufgeschlossen sind, kann der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht entnommen werden.

Die Beschwerdeführerin in dem der Rechtssache Kheleli gegen die Schweiz (EGMR , Appl. 16.188/07, newsletter 2011, 305) zugrunde liegenden Fall wurde über Jahre hinweg im polizeilichen Informationsregister und im Polizeiakt als 'Prostituierte' geführt. Auf ihr Verlangen änderte die Genfer Polizei zwar die Berufsbezeichnung der Beschwerdeführerin im Informationsregister von 'Prostituierte' auf 'Schneiderin', strich jedoch nicht den Vermerk im Polizeiakt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte eine Verletzung von Art 8 EMRK fest, weil die Bezeichnung 'Prostituierte' als Beruf der Beschwerdeführerin, die niemals wegen unzulässiger Ausübung der Prostitution verurteilt worden sei, u.a. im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs in die Rechte der Beschwerdeführerin in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig war.

6.3. Im Sinne der dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte besteht für den Verfassungsgerichtshof kein Zweifel, dass das Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln im vorliegenden Fall durch die Aufbewahrung bzw. durch die nicht erfolgte Löschung der das Privatleben betreffenden Daten der Beschwerdeführerin im Papierakt in ihr durch Art 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Privatleben eingegriffen hat.

6.4. Da das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Löschung gemäß § 1 Abs 3 DSG 2000 sowie – in verfassungskonformer Auslegung – das Recht auf Löschung gemäß § 27 Abs 1 DSG 2000 auf 'Dateien' iSd § 4 Z 6 DSG 2000 eingeschränkt ist, ist jedoch der Auffassung der Datenschutzkommission aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten, dass sie das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach ihr ein auf Art 8 EMRK gestütztes Recht auf Löschung zukomme, nur insoweit zu prüfen habe, als dieses Recht auch in § 1 Abs 3 Z 2 DSG 2000 Deckung finde. Die Frage, ob sich ein Löschungsanspruch (auch) für Papierakten aus Art 8 EMRK ergäbe, war daher von der Datenschutzkommission mangels Zuständigkeit nicht zu prüfen.

7. Soweit die Datenschutzkommission in ihrer Gegenschrift vorbringt, dass der Beschwerdeführerin mit einem Löschungsersuchen an die ermittelnden Sicherheitsbehörden ein taugliches Verfahren zur Löschung der sie betreffenden, nicht automationsunterstützt verarbeiteten Daten zur Verfügung gestanden wäre, weil die Sicherheitsbehörden im Falle einer Löschung auch die Übermittlungsempfänger gemäß § 27 Abs 8 DSG 2000 von der Löschung zu verständigen gehabt hätten, ist zur Klarstellung ergänzend darauf hinzuweisen, dass eine Löschungsverpflichtung auf Grund einer Übermittlung gemäß § 27 Abs 8 DSG 2000 das Vorliegen einer 'Datei' iSd § 4 Z 6 DSG 2000 voraussetzt. Dies ist aber im vorliegenden Fall zu verneinen (vgl. die Ausführungen oben unter Punkt 5.).

8. Die vom Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln anwendbaren Rechtsvorschriften, insbesondere die Bestimmungen der BAO, enthalten keine ausdrücklichen Regelungen über einen wirksamen Rechtsbehelf gegen die fortgesetzte Aufbewahrung der Daten der Beschwerdeführerin bzw. über eine wirksame Durchsetzung des Löschungsbegehrens der Beschwerdeführerin hinsichtlich der im Papierakt des Finanzamts Hollabrunn Korneuburg Tulln enthaltenen Daten. Vor dem Hintergrund des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes gemäß Art 8 iVm Art 13 EMRK, aber auch gemäß § 1 Abs 1 DSG 2000, hat die Beschwerdeführerin dennoch das Recht, ihren Anspruch auf Entscheidung durch das zuständige Finanzamt über die Rechtmäßigkeit der weiteren Aufbewahrung hinsichtlich (rechtmäßig oder rechtswidrig) ermittelter Daten geltend zu machen. Das gegenüber allen Behörden (und auch Privaten) geltende Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs 1 DSG 2000 gewährleistet auch ein subjektives Recht darauf, dass eine unverhältnismäßige weitere Verwendung von Daten beendet wird. Dieses Recht ist – anders als das bei der Datenschutzkommission bzw. nunmehr bei der Datenschutzbehörde durchsetzbare Recht auf Löschung gemäß § 1 Abs 3 DSG 2000 – nicht auf automationsunterstützt verarbeitete Daten oder manuelle Dateien eingeschränkt. Werden demnach Papierakten aufbewahrt, deren weitere Verwendung gegen Art 8 EMRK verstößt, ergibt sich aus dem Recht auf Geheimhaltung ein Recht auf physische Vernichtung der Papierakten durch die Behörde. Das Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln hat die entsprechenden Daten daher entweder zu vernichten oder einen Bescheid zu erlassen, mit dem das Begehren der Beschwerdeführerin abgewiesen wird, wobei im zweiten Fall die Abwägungsentscheidung zwischen dem grundrechtlich geschützten Privatleben der Beschwerdeführerin und den öffentlichen Interessen an der weiteren Aufbewahrung der Daten zu begründen ist. Gegen einen abweisenden Bescheid stünde der Beschwerdeführerin der Rechtsweg an das Bundesfinanzgericht und in der Folge allenfalls an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts offen.

9. Zu der darüber hinaus in der Beschwerde geltend gemachten Verletzung im Recht auf Unterbleiben einer erniedrigenden Behandlung nach Art 3 EMRK ist festzuhalten, dass die Art und Weise der Durchführung der verdeckten Ermittlung durch Organe des Landespolizeikommandos Niederösterreich nicht Gegenstand des Verfahrens vor der Datenschutzkommission war. Durch die fortgesetzte Aufbewahrung der Daten beim Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln konnte die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Recht auf Unterbleiben einer erniedrigenden Behandlung gemäß Art 3 EMRK verletzt werden."

3.Ausgehend von den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis war es daher Aufgabe des Finanzamtes und in der Folge des Bundesfinanzgerichtes, die entsprechenden Daten, deren Verarbeitung einen Eingriff in das Privatleben gemäß Art 8 EMRK darstellten, entweder zu vernichten oder aber einen Bescheid zu erlassen, mit dem das Begehren der Beschwerdeführerin abgewiesen wird. Im zweiten Fall sei – so der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 19.937/2014 – die Abwägungsentscheidung zwischen dem grundrechtlich geschützten Privatleben der Beschwerdeführerin und den öffentlichen Interessen an der weiteren Aufbewahrung der Daten zu begründen.

4.Das Bundesfinanzgericht begründet die Abweisung der von der Einschreiterin erhobenen Beschwerde im Wesentlichen mit den im Abgabenrecht vorherrschenden Grundsätzen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, der Amtswegigkeit des Verfahrens, der Erforschung der materiellen Wahrheit, der Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, der freien Beweiswürdigung und der Unbeschränktheit der Beweismittel, an die sich die belangte Behörde gehalten habe. Die belangte Behörde vor dem Bundesfinanzgericht sei auf Grund der Kenntnisnahme der von der Beschwerdeführerin angebotenen Leistungen im Internet verpflichtet gewesen, amtswegig ein Verfahren einzuleiten und die Sachverhaltselemente zu erforschen. Die Verwertung allfälliger durch eine Rechtsverletzung in den Besitz der Abgabenbehörde gelangter Beweismittel durch die Abgabenbehörde werde mangels Beweisverwertungsverbot nicht verhindert. Die Feststellungen im – letztlich im Rechtsmittelverfahren vor dem UFS (bestätigt durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2009/13/0011) aufgehobenen – Bescheid basierten nicht allein auf der Anzeige des Landeskriminalamtes Niederösterreich, sondern auf den Ergebnissen einer Außenprüfung unter Mitwirkung der Beschwerdeführerin. Die Festsetzung der Abgabeverpflichtung der Beschwerdeführerin sei im Folgenden mangels Aufzeichnungen derselben unter Berücksichtigung ihres Vorbringens im Schätzungsweg ermittelt worden. Bei den Feststellungen im Zuge der Außenprüfung handle es sich um keine verwertbaren Daten iSd Datenschutzgesetzes 2000, sondern um die Grundlagen für die Erlassung des Abgabenbescheides, zu deren Geheimhaltung die Abgabenbehörde gemäß Art 20 Abs 3 B-VG und der entsprechenden Regelung des § 48a BAO verpflichtet und deren Weitergabe iSd § 48a Abs 4 BAO beschränkt sei. § 48a BAO berücksichtige nicht nur steuerliche, sondern auch persönliche Verhältnisse. Die Bundesabgabenordnung enthalte keine Vorschriften hinsichtlich einer sofortigen Aktenvernichtung, das Bundesarchivgesetz nehme auf eine Skartierung – also die Aufbewahrung von Akten während einer mehrjährigen Frist – Bezug.

Im Hinblick auf eine etwaige Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen durch die Beschwerdeführerin (auch) gegenüber der Abgabenbehörde liege ein zwingendes öffentliches Interesse an der weiteren Aufbewahrung des Papieraktes vor. Daran ändere auch nichts, dass das abgabenrechtliche Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen und eine Amtshaftungsklage sowie eine Anzeige wegen Amtsmissbrauches durch ewiges Ruhen beendet worden seien. Das öffentliche Interesse bestehe auch im Hinblick auf ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die nachträgliche Kontrolltätigkeit der Volksanwaltschaft, Disziplinarverfahren sowie eine Auskunftspflicht gegenüber dem Rechnungshof und einer internen Revision. Die Akteneinsicht sei auf Grund des Abschlusses des Abgabenverfahrens beschränkt. Das zwingende öffentliche Interesse an der Aufbewahrung der Akten überwiege folglich das private Interesse der Beschwerdeführerin an der Vernichtung der Akten.

5.Entgegen den Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes im angefochtenen Erkenntnis geht es bei der Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vernichtung der Papierakten nicht darum, ob das belangte Finanzamt im konkreten Fall im Hinblick auf die Einkommensteuer von Amts wegen tätig werden musste oder nicht. Es geht vielmehr darum, ob und in welchen Unterlagen in den Papierakten Informationen über das Privatleben der Beschwerdeführerin enthalten sind und in der Folge darum, ob das öffentliche Interesse an der weitergehenden Aufbewahrung (Nichtvernichtung) sämtlicher dieser Unterlagen höher wiegt als das grundrechtliche geschützte Interesse der Beschwerdeführerin gemäß Art 8 EMRK.

Das angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes setzt sich mit der Abwägung zwischen dem Interesse der Beschwerdeführerin gemäß Art 8 EMRK und dem öffentlichen Interesse an der Aufbewahrung (Nichtvernichtung) der Unterlagen (Papierakte) über das Privatleben der Beschwerdeführerin allerdings aus verfassungsrechtlicher Perspektive in unzureichender Weise auseinander:

Die Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes, wonach von der Möglichkeit weiterer Anträge und Klagen seitens der Beschwerdeführerin ausgegangen werden könne und folglich die Akten zur Verteidigung der Rechte und des rechtmäßigen Handelns der betroffenen Organe benötigt würden, sind nicht nachvollziehbar. Das Bundesfinanzgericht selbst führt nämlich aus, dass die Beschwerdeführerin eine Amtshaftungsklage eingebracht habe, das Verfahren jedoch durch ewiges Ruhen beendet worden sei. Daraus folgt aber, dass – zumal in der Vereinbarung des ewigen Ruhens in der Regel ein materiell-rechtlicher Verzicht des Klägers liegt (vgl. Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht9, 2017, Rz 549) – das Amtshaftungsverfahren als beendet anzusehen und die Aufbewahrung der Papierakten zu diesem Zweck nicht mehr notwendig ist. Hinsichtlich der im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes erwähnten Anzeige wegen Amtsmissbrauches fehlt jede nähere Auseinandersetzung. Es wird nicht dargetan, ob noch ein entsprechendes Verfahren anhängig ist oder nicht.

Des Weiteren ist – entgegen der Auffassung des Bundesfinanzgerichtes – nicht nachvollziehbar, inwieweit die Aufbewahrung des Papieraktes unter dem Aspekt der Kontrolltätigkeit durch die Volksanwaltschaft (Art148b Abs 1 B-VG), eines Disziplinarverfahrens (§13 Abs 1 AHG und § 46 Abs 5 BDG), einer Auskunftserteilungspflicht gegenüber dem Rechnungshof, die eine Aktenvorlage einschließt (§4 Abs 1 RechnungshofG), sowie einer internen Revision notwendig ist. Zum Ersten wird im angefochtenen Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes an keiner Stelle ausgeführt, dass derartige Verfahren anhängig sind. Zum Zweiten hat das Bundesfinanzgericht nicht dargetan, inwiefern derartige Verfahren zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes überhaupt eine Notwendigkeit zur Aufbewahrung der Unterlagen betreffend das Privatleben der Beschwerdeführerin gemäß Art 8 EMRK noch begründen könnten.

Schließlich führt das Bundesfinanzgericht aus, es bestehe die Möglichkeit, dass anlässlich des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte noch eine Stellungnahme abzugeben sei, für welche die Papierakten benötigt würden. Auch diese Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes im angefochtenen Erkenntnis können nicht darlegen, dass das öffentliche Interesse an der Aufbewahrung der Papierakten das grundrechtliche Interesse der Beschwerdeführerin gemäß Art 8 EMRK an der Vernichtung der Papierakten überwiegt. An keiner Stelle des angefochtenen Erkenntnisses wird näher ausgeführt, ob ein derartiges Verfahren tatsächlich noch anhängig ist, in welchem Verfahrensstadium sich dieses befindet, ob im Rahmen dieses Verfahrens noch eine Stellungnahme abzugeben sein werde und aus welchem Grund dafür die Papierakten noch vonnöten seien. Der Hinweis auf die Möglichkeit eines künftigen Verfahrens beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vermag in diesem Fall ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufbewahrung der Papierakten gegenüber dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht der Beschwerdeführerin auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK nicht zu begründen.

6.Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Privatleben gemäß Art 8 EMRK verletzt worden ist, weil das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis in denkunmöglicher Weise vom Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufbewahrung der Papierakten gegenüber dem Löschungsinteresse der Beschwerdeführerin ausgegangen ist.

7.Hinsichtlich des Antrages der Beschwerdeführerin auf Löschung "sämtlicher elektronischer Daten" verweist der Verfassungsgerichtshof auf seine diesbezüglichen Ausführungen im erwähnten Erkenntnis VfSlg 19.937/2014.

IV.Ergebnis

1.Die Beschwerdeführerin ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3.Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2017:E3249.2016
Schlagworte:
Datenschutz, Privat- und Familienleben

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