VfGH vom 23.09.2019, E3143/2019

VfGH vom 23.09.2019, E3143/2019

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Verneinung der Parteistellung im Verfahren zur Verleihung einer Leiterstelle an einem Bundesrealgymnasium

Spruch

I.Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Beschluss im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) verletzt worden.

Der Beschluss wird aufgehoben.

II.Der Bund (Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.Der Beschwerdeführer bewarb sich – neben anderen Personen – um die in der Wiener Zeitung am ausgeschriebene Stelle eines Direktors am Bundesrealgymnasium ********************. In den vom Kollegium des Landesschulrates Niederösterreich erstatteten Besetzungsvorschlag vom wurden drei Bewerber aufgenommen, darunter auch der Beschwerdeführer. Mit Bescheid des damaligen Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung vom wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass ein Mitbewerber des Beschwerdeführers auf diese Stelle ernannt wurde.

2.Das Bundesverwaltungsgericht wies die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers mit Beschluss vom im Wesentlichen mit der Begründung als unzulässig zurück, dass dem Beschwerdeführer im Ernennungsverfahren keine Parteistellung und daher auch keine Beschwerdelegitimation zukomme. Zwar komme dem Beschwerdeführer als in den Besetzungsvorschlag aufgenommener Bewerber "im Lichte des am durch BGBl I Nr 138/2017 außer Kraft getretenen, aber im gegenständlichen Verfahren noch zur Anwendung gelangten Art 81b B-VG eine andere Rechtsposition zu, als allfälligen sonstigen, nicht in den Vorschlag aufgenommenen Bewerberinnen und Bewerbern". Das diesbezüglich ableitbare Recht des Beschwerdeführers habe aber lediglich darin bestanden, dass nur ein in den Besetzungsvorschlag aufgenommener Bewerber ernannt werde. Da dies geschehen sei, sei eine diesbezügliche Rechtsverletzungsmöglichkeit des Beschwerdeführers auszuschließen.

3.In seiner gegen diese Entscheidung gerichteten, auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

4.Das Bundesverwaltungsgericht hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht hat von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

II.Rechtslage

§248d des Bundesgesetzes vom über das Dienstrecht der Beamten (Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979BDG 1979), BGBl 333/1979 idF BGBl I 102/2018, lautet – auszugsweise – wie folgt:

"Übergangsbestimmung zur Novelle BGBl I Nr 138/2017

§248d. […]

(4) Bei der Besetzung von Planstellen für leitende Funktionen (5. Unterabschnitt des 7. Abschnittes des Besonderen Teiles) und für die Schul- und Fachinspektion (8. Abschnitt des Besonderen Teiles), für die die Kollegien der Landesschulräte oder des Stadtschulrates für Wien bis spätestens Besetzungsvorschläge beschlossen haben, sind die § 207f, 207g und 225 jeweils in der bis zum geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. § 207g ist auf Verfahren gemäß § 225 anzuwenden.

(5) […]"

III.Erwägungen

1.Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2.Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes verletzt, wenn das Verwaltungsgericht eine ihm gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn es in gesetzwidriger Weise seine Zuständigkeit ablehnt, etwa indem es zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

3.Wie der Verfassungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen (vgl zB VfSlg 12.782/1991, 15.926/2000, 19.061/2010; ; , E458/2015; , E1476/2017; , E1295/2018) ausgesprochen hat, kommt Bewerbern im Verfahren zur Verleihung einer Schulleiterstelle – ungeachtet der Rechtsnatur ihres Dienstverhältnisses (vgl VfSlg 19.670/2012; ) – Parteistellung iSd § 3 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG) bzw § 8 AVG zu, wenn sie in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag aufgenommen wurden. Die in einen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerber bilden eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft; sie haben ein Recht auf Teilnahme an dem durch den Besetzungsvorschlag konkretisierten Verwaltungsverfahren. Aus rechtsstaatlicher Sicht ist die Verwaltungsbehörde nicht befugt, durch einen der Rechtskontrolle nicht unterworfenen Verleihungsakt unter den in den gesetzlich vorgesehenen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerbern eine Auswahl zu treffen (vgl zB VfSlg 12.782/1991).

4.Vor dem Hintergrund der nach der einschlägigen Übergangsbestimmung (§248d Abs 4 BDG 1979) anwendbaren Rechtslage, wonach auch bei der Besetzung der hier verfahrensgegenständlichen Planstelle "die § 207f, 207g und 225 jeweils in der bis zum geltenden Fassung weiterhin anzuwenden" sind, kommt dem Beschwerdeführer – der in den (verbindlichen) Besetzungsvorschlag des Kollegiums des Landesschulrates Niederösterreich vom und somit vor dem aufgenommen wurde – im Verfahren zur Verleihung der Schulleiterstellung Parteistellung zu (vgl dazu IA 16/A BlgNR 26. GP, 47).

5.Da das Bundesverwaltungsgericht mit der bekämpften Entscheidung die Parteistellung verneinte und seine Beschwerde als unzulässig zurückwies, verweigerte es dem Beschwerdeführer gegenüber zu Unrecht eine Sachentscheidung.

IV.Ergebnis

1.Der Beschwerdeführer ist somit durch den angefochtenen Beschluss im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) verletzt worden.

2.Der Beschluss ist daher aufzuheben.

3.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4.Die Kostenentscheidung beruht auf § 88a Abs 1 iVm § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Ein-gabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2019:E3143.2019
Schlagworte:
Parteistellung Dienstrecht, Lehrer, Besetzungsvorschlag, Übergangsbestimmung

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