VfGH vom 06.10.2021, E2893/2020
Leitsatz
Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im Anlassfall
Spruch
I.Die Beschwerdeführer sind durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II.Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.248,40 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
1.1. Nachdem die Vollversammlung der Gemeindegutsagrargemeinschaft Neustift am ua ihren Substanzverwalter zum Ersatzmitglied des Ausschusses gewählt hatte, beantragten die Gemeinde Neustift im Stubaital, die genannte Agrargemeinschaft und der Gewählte die Feststellung, dass der Letztgenannte noch Substanzverwalter dieser Agrargemeinschaft sei. Zudem beantragte die genannte Gemeinde ua die Feststellungen, sie sei weder zur Kundmachung, dass das Amt des Substanzverwalters wegen Eintrittes eines Unvereinbarkeitsgrundes ende bzw geendet habe, noch dazu verpflichtet, anstelle des Dritteinschreiters einen neuen Substanzverwalter zu bestellen. Der Drittbeschwerdeführer beantragte schließlich die Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei, die Wahl zum Ersatzmitglied des Ausschusses der Gemeindegutsagrargemeinschaft Neustift anzunehmen.
1.2. Nach ersatzloser Behebung des diese Feststellungsanträge als unzulässig zurückweisenden Bescheides der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde durch das Landesverwaltungsgericht Tirol stellte die genannte Verwaltungsbehörde im fortgesetzten Verfahren mit Bescheid vom ua fest,
– dass mit der Wahl des Drittbeschwerdeführers zum Ersatzmitglied des Ausschusses der Gemeindegutsagrargemeinschaft Neustift anlässlich der Vollversammlung am dessen Amt als Substanzverwalter der genannten Agrargemeinschaft geendet habe;
– dass der Dritteinschreiter verpflichtet sei, seine Wahl anlässlich der genannten Vollversammlung zum Ersatzmitglied des Ausschusses anzunehmen;
– dass die Gemeinde Neustift verpflichtet sei, die Beendigung des Amtes des Substanzverwalters gemäß § 36b Abs 2 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (in der Folge: TFLG 1996) kundzumachen und unverzüglich für den Rest der Funktionsperiode einen neuen Substanzverwalter gemäß § 36b Abs 3 leg cit zu bestellen.
1.3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Tirol mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und bestätigte den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides mit der Maßgabe, dass die Verpflichtung der Gemeinde Neustift zur Kundmachung der Beendigung ua des Amtes des Substanzverwalters gemäß § 36b Abs 3 letzter Satz TFLG 1996 festgestellt wurde.
1.4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen (§35 Abs 4 vierter Satz und § 36b Abs 4 erster Satz TFLG 1996) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
2. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litb B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "sowie mit dem Eintritt eines Unvereinbarkeitsgrundes nach Abs 4" in § 36b Abs 3 und des § 36b Abs 4 erster Satz TFLG 1996, LGBl 74 (WV), in der Fassung LGBl 70/2014 ein. Mit Erkenntnis vom , G44/2021, stellte er fest, dass die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen verfassungswidrig waren.
3. Die Beschwerde ist begründet.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat verfassungswidrige Gesetzesbestimmungen angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war.
Die Beschwerdeführer wurden also durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist ein Streitgenossenzuschlag in der Höhe von € 327,–, Umsatzsteuer in der Höhe von € 501,40 sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2021:E2893.2020 |
Schlagworte: | VfGH / Anlassfall |
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