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VfGH vom 10.10.2017, E2446/2015 ua

VfGH vom 10.10.2017, E2446/2015 ua

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit der im Niederösterreichischen Jagdgesetz 1974 vorgesehenen grundsätzlichen Verpflichtung der Grundeigentümer zur Duldung der flächendeckenden Bejagung; kein unverhältnismäßiger Eigentumseingriff angesichts der öffentlichen Interessen der Biodiversität, des Artenreichtums, der Vermeidung von Wildschäden und der Weidgerechtigkeit sowie im Hinblick auf die Möglichkeit der Verfügung des Ruhens der Jagd unter der Voraussetzung einer schalenwilddichten Umfriedung des Grundstücks; Abweisung der Beschwerden von Grundeigentümern gegen die Versagung der Jagdfreistellung ihrer Grundstücke

Spruch

I.Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Erkenntnisse nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden. Die Dritt- und Viertbeschwerdeführer sind auch nicht in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden.

Die Beschwerden werden abgewiesen.

II.Die Beschwerde der Drittbeschwerdeführer wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführer durch das angefochtene Erkenntnis in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.Die Beschwerdeführer sind Eigentümer von in Niederösterreich gelegenen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken. Gemäß dem Niederösterreichischen Jagdgesetz 1974 (im Folgenden: Nö JagdG 1974) sind sie Mitglieder der örtlichen Jagdgenossenschaft. Da sie die Jagd grundsätzlich ablehnen, stellten die Beschwerdeführer Anträge an die zuständigen Bezirkshauptmannschaften, ihre Grundstücke von der Jagd freizustellen.

1.1.Der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer sind Eigentümer näher bezeichneter land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke mit einer Gesamtfläche von rund 33,3 ha bzw. 35,5 ha, die im Genossenschaftsjagdgebiet der Jagdgenossenschaft Gschwendt gelegen sind. Mit Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft Zwettl vom beantragten die Beschwerdeführer jeweils, ihre Grundstücke zu "jagdrechtlich befriedeten Bezirken" zu erklären und die "Beendigung der Zwangsmitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft Gschwendt" festzustellen. Weiters beantragten die Beschwerdeführer festzustellen, dass auf ihren Grundstücken Tiere nicht geschossen bzw. Wildstücke nicht erlegt werden dürfen (1.), Hegemaßnahmen, zB Fütterungen, nicht durchgeführt werden dürfen (2.), alle jagdlichen Maßnahmen, zB Fallenstellen, zu unterlassen sind (3.), jagdliche Einrichtungen, zB Fütterungen, Lecksteine, Kirrungen, Wildkameras und Ansitze, nicht errichtet werden dürfen (4.) sowie die Entfernung allfälliger bestehender jagdlicher Einrichtungen der Jägerschaft aufgetragen oder dem Grundeigentümer gestattet wird (5.).

Der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer begründeten ihre Anträge auf das Wesentlichste zusammengefasst damit, dass entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die Verpflichtung zur Duldung der Jagd für Grundstückseigentümer, welche die Jagd ablehnen, eine unverhältnismäßige Belastung darstelle. Diese Rechtsprechung sei auf die Rechtslage in Niederösterreich übertragbar. Als Tierfreunde wollten der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer nicht, dass auf ihren Grundstücken freilebende Wildtiere geschossen werden. Sie lehnten die Jagd – unabhängig von den benutzten Waffen und angewendeten Methoden – grundsätzlich ab und befürworteten eine Wiederansiedlung von heimischen Beutegreifern wie Wolf und Luchs und die Unterlassung von Fütterungsmaßnahmen zur Kontrolle der Wildtierpopulation. Der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer könnten zudem ihre Grundstücke nicht angstfrei betreten, zumal von dem im Zuge der Jagd notwendigen Gebrauch von Schusswaffen eine latente Gefahr ausgehe.

1.2.Die Drittbeschwerdeführer sind Miteigentümer näher bezeichneter land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke mit einer Gesamtfläche von rund 1,8 ha, die in den Genossenschaftsjagdgebieten der Jagdgenossenschaften Mollendorf-Jasenegg und Rantenberg gelegen sind. Mit Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft Melk vom beantragten die Drittbeschwerdeführer, ihre Grundstücke zu "jagdrechtlich befriedeten Bezirken" zu erklären und die "Beendigung der Zwangsmitgliedschaft in den Jagdgenossenschaften Mollendorf-Jasenegg und Rantenberg" festzustellen.

1.3.Die Viertbeschwerdeführer sind Eigentümer näher bezeichneter land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke mit einer Gesamtfläche von rund 5,0 ha, die im Genossenschaftsjagdgebiet der Jagdgenossenschaft Maiersdorf gelegen sind. Mit Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom beantragten die Viertbeschwerdeführer, ihre Grundstücke zu "jagdrechtlich befriedeten Bezirken" zu erklären und die "Beendigung der Zwangsmitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft Maiersdorf" festzustellen.

Die Viertbeschwerdeführer begründeten ihren Antrag auf das Wesentlichste zusammengefasst damit, dass entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die Verpflichtung zur Duldung der Jagd für Grundstückseigentümer, welche die Jagd ablehnen, eine unverhältnismäßige Belastung darstelle. Die EMRK gelte auch in Österreich und entfalte innerstaatliche Wirksamkeit. Die Grundstücke der Viertbeschwerdeführer seien gemäß dem Nö JagdG 1974 – weil sie das Mindestausmaß für die Feststellung als Eigenjagd nicht erreichen – zwangsweise einem Genossenschaftsjagdgebiet zugeordnet. Ein Ausscheiden der Viertbeschwerdeführer aus der Jagdgenossenschaft sehe das Nö JagdG 1974 nicht vor. Daher könnten sie nicht verhindern, dass auf ihren Grundstücken gejagt und Tiere getötet werden. Die Viertbeschwerdeführer lehnten die Jagd auf Grund ihrer ethischen Überzeugung grundsätzlich ab und plädierten für eine Regulierung des Wildbestandes durch natürliche Mechanismen, insbesondere durch die Wiederansiedlung großer Beutegreifer. Das Nö JagdG 1974 berücksichtige diese ethischen Überzeugungen der Viertbeschwerdeführer nicht und verstoße daher gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.

2.Die zuständigen Bezirkshauptmannschaften wiesen die Anträge der Beschwerdeführer auf Jagdfreistellung und Feststellung der Beendigung der Mitgliedschaft in der jeweiligen Jagdgenossenschaft zurück. Begründend führten die Bezirkshauptmannschaften auf das Wesentlichste zusammengefasst aus, dass im Nö JagdG 1974 ein Verfahren zur Jagdfreistellung von Grundstücken nicht vorgesehen sei. Nach Ablauf der gesetzlichen Frist zur Anmeldung von Eigenjagdgebieten habe die zuständige Behörde gemäß § 12 Abs 5 Z 2 Nö JagdG 1974 jeweils auszusprechen, dass die verbleibenden Grundstücke das Genossenschaftsjagdgebiet bilden. Sämtliche Eigentümer von Grundstücken, die im festgestellten Genossenschaftsjagdgebiet gelegen seien, bilden gemäß § 18 Abs 1 Nö JagdG 1974 die Jagdgenossenschaft.

3.Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wies die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden ab, weil das Nö JagdG 1974 eine Jagdfreistellung aus den von den Beschwerdeführern genannten Gründen nicht vorsehe.

3.1.Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich begründete diese Erkenntnisse auf das Wesentlichste zusammengefasst jeweils damit, dass das Jagdrecht aus dem Grundeigentum erfließe, mit diesem verbunden sei und als selbständiges Recht nicht begründet werden könne. Nach § 17 Abs 2 des Nö JagdG 1974 könne zudem auf entsprechenden Antrag hin das Ruhen der Jagd verfügt werden, wenn das betreffende Grundstück schalenwilddicht (Gitter, Zaun, Mauer usw.) derart umfriedet sei, dass der Zutritt fremden Personen ohne Beschädigung oder Übersetzung der Umfriedung auf einem anderen Weg als durch die an der Umfriedung angebrachten schließbaren Türen und Tore unmöglich sei. Die Beschwerdeführer hätten so die Möglichkeit gehabt, ihre Grundstücke – eine entsprechende Umfriedung vorausgesetzt – von der Bejagung ausnehmen zu lassen und so ihren ethischen Bedürfnissen zu entsprechen.

3.2.Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte im Erkenntnis betreffend die Beschwerde der Viertbeschwerdeführer zudem aus, dass es die Bedenken der Viertbeschwerdeführer hinsichtlich der Verfassungskonformität des Nö JagdG 1974 nicht teile. Der Verfassungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom , G7/2016, ausgesprochen, dass die der niederösterreichischen Regelung vergleichbaren Bestimmungen des Kärntner Jagdgesetzes 2000 (im Folgenden: K-JG) nicht verfassungswidrig seien, weil sich die Sach- und Rechtslage in Kärnten wesentlich von den den Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zugrunde liegenden Fällen unterscheide. Die in Kärnten für das Ruhen der Jagd vorgesehene Umfriedung sei verhältnismäßig. Diese Möglichkeit könne auch von Personen in Anspruch genommen werden, die die Jagd aus ethischen Gründen ablehnen. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich sei diese Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auf Niederösterreich übertragbar. Das Nö JagdG 1974 gleiche dem K-JG weitgehend, insbesondere in Bezug auf eine planmäßige Jagdbewirtschaftung gemäß §§80 ff Nö JagdG 1974 und in Bezug auf das Ruhen der Jagd gemäß § 17 Abs 2 Nö JagdG 1974. Auch sei die zu Kärnten festgestellte Sachlage mit jener in Niederösterreich vergleichbar. Wie in ganz Österreich bestehe auch in Niederösterreich ein spezifisches Interesse an einer flächendeckenden Jagdbewirtschaftung, insbesondere auf Grund der in ganz Österreich herrschenden Schalenwilddichte. Die Bestimmungen des Nö JagdG 1974 betreffend das Ruhen der Jagd entsprechen im Wesentlichen der Regelung in Kärnten und seien daher nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich verhältnismäßig und verfassungskonform.

4.Gegen diese Entscheidungen richten sich die vorliegenden, auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerden.

4.1.Der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer behaupten die Verletzung in Rechten wegen Anwendung der als verfassungswidrig bezeichneten Gesetzesbestimmungen der §§1 Abs 1 iVm 4 iVm 10 iVm 25 Abs 3 Nö JagdG 1974, LGBl 6500-29 idF 84/2015, und beantragen die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Erkenntnisse. Auszugsweise wird in den Beschwerden jeweils Folgendes vorgebracht:

"Das Niederösterreichische Jagdgesetz LGBl 6500-29 zuletzt geändert durch LGBl Nr 84/2015, sieht eine zwangsweise Bejagung von Grundstücken vor. Dies gilt insbesondere für Grundstücke mit einer Fläche von weniger als 115qm [gemeint wohl ha], die in einem Genossenschaftsjagdgebiet zusammengefasst sind.

Grundstückseigentümer haben keine Möglichkeit, auch nicht aus ethischen Überlegungen, die Jagd auf ihren Grundstücken zu verbieten. Dies gilt sowohl für Eigenjagdbesitzer, die gemäß § 52 Abs 3 NÖ-JG bei sonstiger Ersatzvornahme einen Jagdverwalter bestellen oder die Jagd verpachten müssen, auch wenn sie aus ethischen Gründen die Jagd ablehnen, als auch für Grundstückseigentümer, deren Grundstücke in einer Genossenschaftsjagd zusammengefasst sind. Diese haben überhaupt keine Möglichkeit auf die Jagdausübung Einfluss zu nehmen.

Zwar wird eine pauschale Entschädigung für das Jagdrecht bezahlt, diese ist jedoch betraglich vernachlässigbar. Für Verbissschäden durch das Wild wird keine gesonderte Entschädigung gezahlt. Im Übrigen sei darauf verwiesen, dass es dem Beschwerdeführer nicht auf Entschädigungszahlungen ankommt, sondern er die Jagd in der heute praktizierten Form aus ethischen Überzeugungen ablehnt.

Die Rechtslage in Niederösterreich entspricht damit fast deckungsgleich jener in Deutschland vor dem Gesetz zur Änderung jagdrechtlicher Vorschriften vom . Mit dem zitierten Gesetz wurde § 6a in das Bundesjagdgesetz aufgenommen. Dadurch wurde es in Deutschland für Grundeigentümer möglich, einen Antrag zu stellen, wonach Grundstücke jagdfrei erklärt werden können, wenn der Eigentümer glaubhaft macht, die Jagd aus ethischen Gründen abzulehnen (jagdfreie Bezirke).

Die genannte Änderung des deutschen Bundesjagdgesetzes erfolgte aufgrund einer Entscheidung des EGMR: Mit Urteil vom zu Beschwerde Nr 9300/07 hat die Große Kammer des EGMR festgestellt, dass das deutsche Jagdrecht und die darin vorgesehene Zwangsbejagung gegen Art 1 des 1. Zusatzprotokolls der MRK verstoßen. Dabei hat der EGMR im Wesentlichen auch jene Aspekte berücksichtigt, die in Österreich für eine Verfassungsmäßigkeit des durch das Niederösterreichische Jagdrecht erfolgenden Eingriffs in die Freiheit des Eigentums vorgebracht werden könnten, nämlich insbesondere eine Abwägung zwischen dem Eigentumseingriff und öffentlichen Interessen. Während die kleine Kammer im Urteil vom noch von der Rechtmäßigkeit des Eingriffs ausging (und die Interessenabwägung zugunsten der Bejagung ausging), hat die Große Kammer des EGMR mit Urteil vom [gemeint wohl 2012] entschieden, dass die Zwangsbejagung jedenfalls (und unabhängig von einer etwaigen Entschädigung) dann gegen Art 1 des 1. Zusatzprotokolls der MRK verstößt, wenn der Grundstückseigentümer die Jagd aus ethischen Gründen ablehnt. Ein Eigentümer ist in seiner eigentumsrechtlichen Disposition grundsätzlich durch die Gewährleistungen von Art 1 des 1. Zusatzprotokolls der MRK geschützt.

Beim Urteil des EGMR vom zur Rechtslage in Deutschland handelt es sich um die Fortsetzung einer gefestigten Rechtsprechung des EGMR, da sinngemäß ähnliche Urteile bereits in Hinblick auf das Jagdrecht in Frankreich und Luxemburg ergangen waren.

Nichts anderes gilt auch für Österreich, wo der MRK und ihren Zusatzprotokollen ja Verfassungsrang zukommen.

Im konkreten Fall sind die Ausführungen des EGMR im Urteil vom aufgrund der deckungsgleichen Rechtslage in Niederösterreich und Deutschland (vor dem Gesetz zur Änderung jagdrechtlicher Vorschriften vom ) unmittelbar auch für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Niederösterreichischen Jagdgesetzes heranzuziehen.

Bei einem Vergleich des Niederösterreichischen Jagdgesetzes mit der vom EGMR im Urteil vom zu beurteilenden Rechtslage in Deutschland ist festzustellen, dass die Interpretation von Art 1 des 1. Zusatzprotokolls der MRK durch den EGMR auch mit der Niederösterreichischen Rechtslage nicht in Einklang zu bringen ist.

Die im Niederösterreichischen Jagdrecht vorgesehene Zwangsbejagung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken (sowohl betreffend Eigenjagden als auch betreffend Genossenschaftsjagdgebieten) widerspricht somit Art 1 des 1. Zusatzprotokolls der MRK und damit österreichischem Verfassungsrecht."

4.2.Die Drittbeschwerdeführer behaupten die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und in Rechten wegen Anwendung von als verfassungswidrig bezeichneten Gesetzesbestimmungen und beantragen die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Erkenntnisse, für den Fall der Ablehnung oder Abweisung die Abtretung ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Auszugsweise wird in der Beschwerde Folgendes vorgebracht:

"IV Verfassungswidriger Normvollzug

Wenn das NÖ Jagdgesetz es nicht vorsieht, dass Grundbesitzer jagdrechtlich befriedete Bezirke sowie die Beendigung der Zwangsmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften beantragen können, dann liegt jene Konstellation vor, dass der Gesetzgeber einen Fall nicht geregelt hat, den er erkennbar geregelt hätte, wenn er die Regelungsbedürftigkeit erkannt hätte. Daher liegt eine Gesetzeslücke, eine 'planwidrige Unvollständigkeit' innerhalb des positiven Rechts, gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung, vor. Der zusammengehörende Komplex von Einzelnormen ist dann unvollständig, wenn eine Regelung für einen ganzen Lebensbereich, der nach den Grundsätzen der subjektiven oder objektiven Auslegung zu erwarten wäre, fehlt. Gesetzeslücken sind vom Rechtsanwender im Wege der Analogie zu schließen, wenn Erwägungen der Gerechtigkeit das erfordern und schwerer wiegen als Gründe der Rechtssicherheit.

V. Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes

1. Unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht auf Eigentumsfreiheit

Die Bf haben keine Wahlmöglichkeit, ob auf ihren Grundstücken die Jagd ausgeübt wird oder nicht. Die Grundstücke der Bf befinden sich in einem Genossenschaftsjagdgebiet. Die Jagd wird damit gemäß § 4 Abs 2 Z 2 NÖ JagdG durch die Jagdgenossenschaft ausgeübt. Aber selbst Eigenjagdbesitzer müssen gemäß § 52 Abs 3 NÖ JagdG, auch wenn sie die Jagd aus ethischen Gründen ablehnen, bei sonstiger Ersatzvornahme einen Jagdverwalter bestellen oder die Jagd verpachten.

§17 NÖ JagdG garantiert kein Ruhen der Jagd im Sinne der Unterbindung der Jagd auf eigener Grundfläche.

Nach § 17 Abs 2 NÖ JagdG kann der Eigentümer das Ruhen der Jagd zwar beantragen, aber nur für die Dauer einer Jagdperiode und nur nachdem er eine 'schalenwilddichte Umfriedung', also ein Gitter, einen Zaun oder eine Mauer um sein gesamtes Grundstück errichtet hat. Eine solche Umfriedung ist unzumutbar, zumal sie einerseits mit enormen Kosten verbunden wäre und andererseits die Wildtiere am natürlichen Ein- und Auswechseln hindern würde und somit auch den Zuzug natürlicher Feinde, um das natürliche Gleichgewicht aufrecht zu erhalten, verunmöglichen oder erschweren würde (dazu unten).

Insofern ist auch der Abs 4 des § 17 NÖ Jagdgesetzes, in welchem keine 'Herstellungen' angebracht werden dürfen, die das etwa einwechselnde Wild hindern, wieder auszuwechseln widersprüchlich zu Abs 2, der ja 'schalenwilddichte Umfriedungen' verlangt. Des Weiteren existiert durch die Zwangsmitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft selbst bei 'Ruhen der Jagd' stets ein Jagdausübungsberechtigter, der nach § 17 Abs 5 und 6 NÖ Jagdgesetz dazu berechtigt ist, sich das Wild auf einem umfriedeten, dem Ruhen der Jagd für eine Jagdperiode unterliegendem Grundstück, anzueignen (!) und angeschossenes oder krankes Wild zu töten.

Das 'Ruhen der Jagd' nach § 17 NÖ Jagdgesetz stellt daher kein Ruhen der Jagd im Sinne einer Unterbindung der Jagd auf eigener Grundfläche dar. Abs 5 und 6 des § 17 NÖ Jagdgesetz schließt eine Unterbindung der Jagd sogar aus. Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb das Landesverwaltungsgericht NÖ zu dem Schluss kommt (Seite 5 des Erkenntnisses), dass durch § 17 NÖ Jagdgesetz eine ethisch begründete Ablehnung der Jagd möglich wäre. Die Bf verfügen über kein wirksames Mittel, um die Ausübung der Jagd auf ihren Grundstücken zu verhindern.

Das Landesverwaltungsgericht NÖ führt aus, dass das NÖ Jagdgesetz einen Antrag auf Jagdfreistellung aus den von den Bf genannten Gründen nicht vorsieht (Seite 5 des Erkenntnisses). Das Jagdrecht fließe aus dem Grundeigentum, sei mit diesem verbunden und könne nicht als selbständiges Recht begründet werden.

Das Landesverwaltungsgericht NÖ hat sich der von Jagdbefürwortern vertretenen Ansicht angeschlossen, dass die Gefahr von Wildschäden an land- und forstwirtschaftlichen Kulturen durch eine geordnete Jagdwirtschaft hintanzuhalten sei und diese im allgemeinen Interesse liege.

a) Das öffentliche Interesse

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes muss die Beschränkung des Eigentumsrechtes i.S.d. Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls der EMRK auf einem öffentlichen Interesse beruhen, zu dessen Verfolgung geeignet und im Hinblick darauf erforderlich sein.

Das Landesverwaltungsgericht NÖ stellt bei seiner Auslegung des 'allgemeinen Interesses' auf das von Jagdbefürwortern stets vorgebrachte 'Argument' der Wildschäden an land- und forstwirtschaftlichen Kulturen ab, deren Vermeidung nur durch 'ordnungsgemäße und flächige Bejagung' und 'Hege des Wildes' erreicht werden könne.

Biodiversität, Artenreichtum und die Vermeidung von Wildschäden liegen richtigerweise im gesamtwirtschaftlichen und öffentlichen Interesse, werden jedoch nicht durch eine geordnete Jagdwirtschaft und Hege erreicht. Diese sind weder erforderliche noch geeignete Mittel zur Zweckerreichung, nämlich der Aufrechterhaltung des ökologischen Gleichgewichtes.

Der größte Feind der Artenvielfalt ist die Jagd. Die Jagd provoziert ganz im Gegenteil vielfach Wildschäden. Jagd bedeutet eine Störung des natürlichen Gleichgewichts der Öko-Systeme. Sie kann zur Ausdünnung oder Ausrottung von Tierarten führen.

Rehe sind z.B. von ihrer Natur her Bewohner von Wiesen und dem Waldrand. Erst die Jagd treibt die Tiere in den Wald hinein, wo sie dann keine – für sie lebenswichtigen – Gräser und Kräuter finden und ihnen nichts anderes bleibt, als an Knospen zu knabbern.

Forschungen zeigen, dass so genannte Beutegreifer nicht für die Regulation, d.h. die zahlenmäßige Kontrolle ihrer Beutetiere, verantwortlich sind. Beutegreifer erbeuten bevorzugt alte, kranke und schwache Tiere bzw. fressen Aas und tragen so zu einem gesunden Wildbestand bei. Ein Jäger, der auf große Distanz schießt, kann nur in den seltensten Fällen beurteilen, ob ein Tier krank oder alt ist. Da Jäger aber vor allem auf prächtige Tiere, nämlich Trophäenträger, aus sind, führt die von Menschen praktizierte Jagd dagegen in aller Regel zu einer naturwidrigen Fehlauslese. Wolf, Luchs und Braunbär wurden in Europa durch die Jagd praktisch ausgerottet, der Adler stark dezimiert – und die Rückkehr dieser Arten wird durch die Jagd aktiv verhindert. Mit dem Abschuss von Mardern, Füchsen und Wieseln dezimieren Jäger zudem die noch vorhandenen Beutegreifer. Damit die Jäger genug Abschüsse tätigen bzw. verkaufen können, werden Rehe, Hirsche und Wildschweine massiv gefüttert und diese unnatürliche Fütterung als "Hege" bezeichnet.

Die 'geordnete Jagdwirtschaft' – wie das Landesverwaltungsgericht NÖ auf Seite 5 seines Erkenntnisses ausführt – liegt also keineswegs im öffentlichen Interesse, weil sie kein geeignetes oder erforderliches Mittel darstellt, Wildschäden hintanzuhalten, sondern ganz im Gegenteil solche sogar erst verursacht.

Auch ein 'gravierender Eingriff in die Eigentumsfreiheit der umliegenden Grundeigentümer' ist gerade dann auszuschließen, wenn Grundeigentümer aus Jagdgenossenschaften austreten. Jagd bedeutet eine Störung des natürlichen Gleichgewichts der Öko-Systeme. Sie kann zur Ausdünnung oder Ausrottung von Tierarten führen. Jäger sind Naturnutzer, aber keine Naturschützer. In vom WWF gepachteten Jagdrevieren des Nationalparks Hohe Tauern, in welchen weder gejagt noch zugefüttert wird, wurde eine Untersuchung durchgeführt, die belegt, dass Wildtiere auch ohne jegliche Zufütterung ein selbst reguliertes Gleichgewicht erreichen, ohne dabei den Wald zu schädigen. Im Kanton Genf in der Schweiz gibt es seit Anfang der 1970er Jahre ein Jagdverbot. Faunainspektor Gottlieb Dandliker sieht eine sehr positive Entwicklung für die Tierwelt durch das Jagdverbot. Verschiedenste andere Studien, auch internationale, haben das bestätigt.

b) Geeignetheit

Das Grundrechtseingriff ist nicht geeignet, den erstrebten Zweck, die Aufrechterhaltung des ökologischen Gleichgewichtes zu erreichen oder wenigstens zu fördern. Dies schon gar nicht bei Vornahme einer unverzichtbaren Prognose. Gerade für zukünftige Generationen wird es von Bedeutung sein, das ökologische Gleichgewicht auf geeignete Art und Weise wieder herzustellen und aufrecht zu erhalten.

c) Erforderlichkeit

Der Grundrechtseingriff ist auch nicht erforderlich, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Unter mehreren in Betracht kommenden Maßnahmen muss die gewählte Maßnahme das mildeste Mittel sein, welches die Bf am wenigsten belastet. Es reicht, wenn der Zweck, die Aufrechterhaltung des ökologischen Gleichgewichtes, mit gleicher Wahrscheinlichkeit durch eine andere Maßnahme, hier der Nichtbejagung der Tiere auf dem eigenem Grundstück, erreicht werden kann. Im Anlassfall handelt es sich ja sogar nicht bloß um eine andere, sondern eine geeignetere Maßnahme.

Die Bf werden durch das angefochtene Erkenntnis und das NÖ Jagdgesetz in ihrem Recht auf Achtung des Eigentums (Art1 1. Zusatzprotokoll EMRK) alleine und in Verbindung mit Art 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) verletzt. Den Bf wird als Grundstückseigentümer eine unverhältnismäßige Belastung durch die Verpflichtung auferlegt, Dritten – wie sich auch aus § 17 Abs 5 und 6 NÖ Jagdgesetz ergeben würde – Jagdrechte auf ihrem Land zu übertragen, so dass diese davon in einer Weise Gebrauch machen können, die den Überzeugungen der Eigentümer zuwiderlaufen. Der Verstoß gegen Artikel 1 1. Zusatzprotokoll der EMRK liegt zweifelsfrei vor.

Diese unverhältnismäßige Belastung des Eingriffs in das Eigentumsrecht wird in dieser Verbindung durch das Diskriminierungsverbot nach Art 14 EMRK zusätzlich untermauert.

In Bezug auf die Rechte und Freiheiten der EMRK ist durch Art 14 EMRK jede Diskriminierung untersagt, die Garantien der EMRK werden so nach ständiger Rechtsprechung des EGMR um das Gebot der Nichtdiskriminierung ergänzt (etwa EGMR, , Gaygusuz./.AUT, Nr 17371/90, Z 36).

Auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem fällt unter das Diskriminierungsverbot des Art 14 EMRK. Der Eigentumseingriff, der an sich eine Verletzung der EMRK darstellt steht in eventu auch in Verbindung mit Art 14 EMRK und stellt somit einen Verstoß gegen diesen dar, weil er im Gesamten als Diskriminierung einzuordnen ist. Auch das 'Ruhen der Jagd' nach § 17 NÖ Jagdgesetz, das – wie oben erörtert – kein tatsächliches Ruhen darstellt, diskriminiert Grundeigentümer die für ihren Grund und Boden eine andere (beziehungsweise: die effektive) Art der Erhaltung eines natürlichen Ökosystems, des Schutzes der Tiere und der Umwelt vorsehen. Durch diese Gleichbehandlung von wesentlich ungleichen Sachverhalten wird Art 14 EMRK verletzt.

2. Unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht auf Gewissensfreiheit

Aus dem Bundestierschutzgesetz ist die Jagd grundsätzlich ausgenommen. Das NÖ Jagdgesetz handel[t] nicht vom Tierschutz und erlaubt generell die sogenannte 'weidgerechte' Jagd. Bei der Jagd gilt somit kurioser Weise, dass die JägerInnen bestimmen dürfen, welche Jagdmethoden 'weidgerecht' und legal sind und welche nicht.

Den Blattschuss, also den sofortigen Tod des angeschossenen Tieres, gibt es in der Praxis kaum. Einerseits kommen die Jäger in den meisten Fällen nicht nahe genug an Wildtiere heran um exakt zu treffen, andererseits streuen Schrotladungen z.B. schon gute 4 m nach 50 m Flugdistanz.

Angeschossene Tiere, die zunächst entkommen und dann elendiglich verenden, sind somit der Normalzustand. Bei abendlicher Jagd und bei der Jagd auf Wildschweine wird im Jagdprüfungsbehelf sogar ausdrücklich empfohlen, die sogenannte 'Nachsuche' nach verletzten Tieren erst am nächsten Tag bzw. nach geraumer Zeit zu machen. Gerade Wildschweine können kaum beim ersten Schuss getötet werden und aufgrund ihrer Gefährlichkeit bei Verwundung wird von jagdlicher Seite empfohlen, solange zuzuwarten, bis das angeschossene Tier genügend geschwächt ist.

Das Recht auf Ablehnung der Jagd aus Gewissensgründen fällt in den Schutzbereich des Art 9 EMRK. Die Überzeugung der Bf die Jagd auf ihren Grundstücken aus Gründen des Tierschutzes nicht dulden zu wollen erreicht auch den Grad 'von Entschiedenheit, Geschlossenheit und Wichtigkeit' und 'verdient in einer demokratischen Gesellschaft Achtung' (diese Grundsatzerklärung ist in dem Urteil Schneider./.Luxemburg, Nr 2113/04, Rdnr.82, wiederholt worden).

Diese Schlussfolgerung ist vor allem zu treffen, wenn berücksichtigt wird, dass sich aus der EMRK sowohl ein abgeleiteter Tierschutz ergibt als auch das Recht auf Gewissensfreiheit geschützt wird, aber kein Recht zu jagen garantiert wird:

Die Europäische Union hat den Schutz von Tieren als 'fühlende Wesen' die höchste Rechtsstellung zuerkannt, indem sie ihn in dem 'Protokoll über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere' zum Vertrag von Amsterdam anführt. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union bekräftigt, dass 'die Union und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung' tragen (Artikel 13 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union).

Des Weiteren hat der österreichische Verfassungsgesetzgeber eine wichtige Verfassungsreform verabschiedet indem Tierschutz 2013 zum Staatsziel erhoben wurde. Dem Rechtsgefühl der Rechtsgemeinschaft entspricht es somit, dem Tierschutz Verfassungsrang einzuräumen, um dem Gebot des sittlich verantworteten Umgangs des Menschen mit dem Tier als fühlendes Wesen Rechnung zu tragen. Darüber hinaus verweist § 285a Satz 1 ABGB seit 1988 darauf, dass Tiere keine Sachen sind und durch besondere Gesetze geschützt werden (sollten).

Die philosophische Haltung der Bf, die darin besteht, Tiere zu schützen, steht im absoluten Einklang mit dem von der Konvention gewährten abgeleiteten Tierschutz.

Die Bf befinden sich in einem echten Gewissenskonflikt: Sie bleiben entweder ihren Überzeugungen treu und widersetzen sich der Ausübung der Jagd auf ihren Grundstücken oder sie dulden die Jagd, was ihren Gewissen zuwiderläuft und in einer demokratischen Gesellschaft nicht hinnehmbar und zumutbar ist.

Die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem fällt auch hier unter das Diskriminierungsverbot des Art 14 EMRK. Ein Jagdgegner darf in seiner Gewissensfreiheit gegenüber einem Jagdbefürworter nicht durch Jagdgesetze diskriminiert werden.

3. Unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht auf Vereinsfreiheit

Die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft verstößt des Weiteren gegen die Vereins- und Versammlungsfreiheit (Art11 EMRK) für sich genommen und in Verbindung mit Artikel 14 EMRK. Das Recht sich frei mit anderen zusammenzuschließen muss auch das Recht inkludieren, einer Jagdgenossenschaft beizutreten oder nicht. Diese höchstpersönliche Freiheit jedes Einzelnen wird durch eine Zwangsmitgliedschaft verunmöglicht. Ein Eingriff in dieses Grundrecht müsste ein legitimes Ziel verfolgen und in einem demokratischen Rechtsstaat notwendig sein. Dies ist dann der Fall, wenn ein dringendes soziales Bedürfnis für den Eingriff in dieses Recht besteht ('Mittel-Zweck-Relation'). Die Zwangsmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften stellt jedenfalls kein dringendes Bedürfnis für einen Eingriff dar. Biodiversität, Artenreichtum und die Vermeidung von Wildschäden liegen richtigerweise im gesamtwirtschaftlichen und öffentlichen Interesse, werden jedoch nicht durch Bejagung und Hege erreicht (siehe oben)."

4.3.Die Viertbeschwerdeführer behaupten die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und in Rechten wegen Anwendung von als verfassungswidrig bezeichneten Gesetzesbestimmungen und beantragen die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Erkenntnisse. Auszugsweise wird in der Beschwerde Folgendes vorgebracht:

"IV Verfassungswidriger Normvollzug

§17 Abs 2 NÖ Jagdgesetz suggeriert einen völlig falschen Sachverhalt und ist nicht nachvollziehbar, weshalb die BG auf Seite 10 ihrer rechtlichen Ausführungen zu dem Ergebnis kommt, dass das 'Ruhen der Jagd' einer Jagdfreistellung gleichkomme. Das Wild gehört auch im Sinne des § 17 Abs 2 dem Jagdausübungsberechtigten. Das heißt, dass es den BF nicht einmal erlaubt wäre, ein durch jägerlichen Fehlschuss verletztes Reh – wie es ihrem Gewissen entsprechen würde – veterinärmedizinisch versorgen zu lassen und gesund zu pflegen, wenn sie es auf ihrem Grundstück vorfinden würden. Die Intention des NÖ JagdG ist der absolute 'Schutz der Jagd'.

Eine verfassungskonforme Auslegung des NÖ JagdG, insbesondere § 17 Abs 2 NÖ JagdG und Lückenschließung hätte die BG im Lichte der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, in dem Sinne vorzunehmen gehabt, dass sie eine Entscheidung zu treffen gehabt hätte, durch welche die Verpflichtung, die Jagd auf ihren Grundstücken zu dulden, obwohl die BF diese aus Gewissensgründen ablehnen, für die BF eine unverhältnismäßige Belastung bedeuten würde und folglich eine Verletzung von Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls der EMRK, von Art 9 und 11 EMRK gegeben sei."

Zur behaupteten Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes bringen die Viertbeschwerdeführer im Wesentlichen vor wie die Drittbeschwerdeführer. Darüber hinaus führen sie aus, dass das Nö JagdG 1974 nicht nur Regelungen für die Bejagung von Schalenwild, sondern auch von Füchsen, Hasen, Mardern, Dachsen, Iltissen, Wieseln, Murmeltieren, Schnepfen, Enten, Haselhühnern, Auerhühnern, Birkhühnern, Wildgänsen usw. enthalte. Das Vorliegen von "Waldverbiss" sei geradezu der Beweis dafür, dass die Jagd die öffentlichen Interessen nicht effektiv sicherstellen könne. In Niederösterreich seien kaum Berufsjäger tätig, die Jagd werde vorwiegend durch "Hobby- und Sonntagsjäger" betrieben.

Das Grundstück der Viertbeschwerdeführer liege nicht in einer alpinen biogeographischen Region. Das Waldgebiet der Viertbeschwerdeführer sei kein Bergwald, die Alpenkonvention und ihre Protokolle seien daher in ihrem Fall nicht anzuwenden. Außerdem sehe auch das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention im Bereich Bergwald (Protokoll "Bergwald") vor, dass im Interesse des Naturschutzes eine mit den Gesamtbedürfnissen der Region abgestimmte Wiedereinbürgerung von Beutegreifern zu befürworten sei.

5.Die Bezirkshauptmannschaften Zwettl, Melk und Wiener Neustadt haben die Verwaltungsakten vorgelegt.

5.1.Die Bezirkshauptmannschaft Zwettl hat Gegenschriften zum Vorbringen des Erst- und des Zweitbeschwerdeführers erstattet, in denen den Beschwerdebehauptungen jeweils auszugsweise wie folgt entgegengetreten wird:

"Wie auch das Landesverwaltungsgericht NÖ in seiner ebenfalls angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, entspricht der angefochtene Bescheid der BH Zwettl vollinhaltlich der derzeit anzuwendenden Rechtslage.

Den Ausführungen des Beschwerdeführers, eine schalenwilddichte Einfriedung seiner Grundstücke zur Erlangung des Feststellens des Ruhens der Jagd auf seinen Grundstücken wäre ihm nicht möglich gewesen, ist entgegenzuhalten, dass in der Praxis eine Umfriedung sehr wohl möglich wäre. Der Beschwerdeführer wollte sie lediglich wegen des damit verbundenen Aufwandes nicht ausführen. Daher ist auch der Einwand, das Verbieten der Jagd aus ethischen Gründen wäre rechtlich nicht möglich, nicht zutreffend. Bei Erfüllung der im § 17 Abs 2 des NÖ Jagdgesetzes festgelegten Voraussetzungen ist das Feststellen des Ruhens der Jagd sogar ohne Angabe von Gründen, daher auch aus ethischen Gründen zulässig.

Der Einwand, dass die pauschale Entschädigung für die Ausübung der Jagd auf seinen Grundstücken vernachlässigbar hoch wäre und für Verbiss Schäden keine Entschädigung bezahlt würde ist ebenso wenig stichhaltig. Einerseits steht es dem Grundeigentümer frei, über den Jagdausschuss auf eine höhere Jagdpacht hinzuwirken, falls er die derzeit vereinbarte als zu niedrig erachtet. Andererseits sind im NÖ Jagdgesetz eigene Bestimmungen für ein Verfahren zum Ersatz von Wildschäden vorgesehen. Der Geschädigte muss lediglich seine Schadenersatzansprüche im Rahmen eines solchen Verfahrens geltend machen."

5.2.Die Bezirkshauptmannschaften Melk und Wiener Neustadt sahen jeweils von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

6.Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat die Akten der verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegt und sah jeweils von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

7.Die Niederösterreichische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der den von den Beschwerdeführern vorgebrachten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Nö JagdG 1974 wie folgt entgegengetreten wird:

7.1.In Niederösterreich herrsche – wie auch in anderen Bundesländern – der Grundsatz der flächenhaften Bejagung. Sämtliche Grundstücke gehörten von Gesetzes wegen zu einem Jagdgebiet, und zwar entweder zu einem Eigen- oder Genossenschaftsjagdgebiet. Für dieses grundsätzliche Ordnungssystem, auf dem die Jagdbewirtschaftung nach dem Nö JagdG 1974 aufbaue, sei es unbeachtlich, ob auf Grundstücken die Jagd ruht. Grundstücke, die nicht die notwendige Größe für die Feststellung als Eigenjagdgebiet erreichen, werden dem örtlichen Genossenschaftsjagdgebiet zugeordnet. Dieses werde durch den – durch die beteiligten Grundeigentümer gewählten – Jagdausschuss verwaltet.

7.2.Eine der wesentlichsten Zielsetzungen des Nö JagdG 1974 sei die Schaffung und Erhaltung eines artenreichen, ausgewogenen und gesunden Wildbestandes und die Rücksichtnahme auf land- und forstwirtschaftliche Interessen. Dabei hätten die Jagdausübung und die Wildhege insbesondere so zu erfolgen, dass die Erhaltung des Waldes und seiner Wirkungen nicht gefährdet werde (§2 Nö JagdG 1974). Um dieses Ziel zu erreichen, habe der Gesetzgeber die grundsätzliche Systementscheidung getroffen, dass alle Grundstücke – mit Ausnahme von Flächen, auf denen die Jagd auf Grund des Gesetzes oder einer behördlichen Anordnung ruht – zu bejagen seien. Eine Herausnahme einzelner Flächen aus der Bejagung führe dazu, dass sich dort das Wild aufhalte und vermehre, ohne dass dessen Zahlen reduziert werden könnten. Dies würde nicht nur auf den "befriedeten Flächen" selbst, sondern auch auf den benachbarten Grundstücken zu vermehrten Wildschäden führen. Im Falle von Schäden an der Waldkultur bestünde zudem die Gefahr, dass der Wald seine Funktionen und Wirkungen für die Gesellschaft nicht mehr effektiv erfüllen könne. Die rechtzeitige Wiederbewaldung und Verjüngung der Wälder wäre in Gefahr.

Über 75 % der Waldfläche Niederösterreichs erfülle eine besondere Schutz- oder Wohlfahrtsfunktion. Nicht nur die Wälder im Anwendungsbereich der Alpenkonvention (die im Südosten Niederösterreichs im Alpenbogen gelegenen Wälder), sondern auch die Wälder des sommerwarmen Ostens (Weinviertel und Industrieviertel) und die Wälder des Nordens (Waldviertel) erfüllten wichtige Funktionen für die Gesellschaft.

7.3.Im Falle einer "Jagdfreistellung" einzelner Grundstücke könne Österreich seinen internationalen Verpflichtungen insbesondere aus der Alpenkonvention, aber auch aus der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie, nicht wirksam nachkommen. Dies gelte auch für Niederösterreich, weil Teile des Landesgebietes im Alpenraum liegen und auch andere Schutzgebiete betroffen seien.

7.4. Im Falle einer "Jagdfreistellung" einzelner Grundstücke seien auch erhebliche Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen zu befürchten. Dies könne im Extremfall sogar die Versorgung der Bevölkerung gefährden. Wenn beispielsweise die Jagd in einem Waldstück untersagt werde, in dem sich Schwarzwild ungehindert vermehren könne, könne dies für umliegende landwirtschaftliche Kulturen dramatische Folgen haben. Dies könne bis zur Unbrauchbarkeit der Flächen gehen. Nach einem "Durchpflügen" durch Schwarzwild brauche zB eine Wiese mehrere Jahre bis sie wieder zur Futterproduktion verwendet werden könne.

7.5.Die Jagdausübung und damit die effektive Jagdbewirtschaftung werde im Falle einer "Jagdfreistellung" einzelner Grundstücke ohne Umfriedung wesentlich erschwert. Dies widerspreche dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Jagdwirtschaft, welche das private Interesse an der Herausnahme einzelner Grundstücke aus der grundsätzlichen Bejagungspflicht überwiege.

7.6.Grundeigentümer seien nicht gezwungen, die Ausübung der Jagd auf ihren Grundstücken zu dulden, insbesondere wenn diese die Jagd aus ethischen Überlegungen ablehnen. Es stehe ihnen frei, einen Antrag auf Erklärung des Ruhens der Jagd auf ihren Grundstücken zu stellen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere eine schalenwilddichte Umfriedung, vorliegen.

Grundeigentümer würden nicht gezwungen, selbst an der Jagd teilzunehmen. Sie würden auch nicht dazu gezwungen, durch eine eigene Entscheidung die Jagdausübung auf ihren Grundstücken "freizugeben", woraus ein Gewissenskonflikt entstehen könne. Vielmehr habe bereits der Gesetzgeber diese Systementscheidung zugunsten einer flächenhaften Bejagungspflicht getroffen. Aus der Gewissensfreiheit könne schließlich niemand das Recht ableiten, dass die Rechtsordnung nur nach seinen Vorstellungen gestaltet werde.

7.7.Dem Jagdausübungsberechtigten stehe als Ausfluss seines Jagdausübungsrechtes das ausschließliche Recht zur Aneignung von Wild, Abwurfstangen etc. zu. Beim Jagdausübungsrecht handle es sich um ein nach Art 1 1. ZPEMRK geschütztes Eigentumsrecht, das grundsätzlich – auf Grund der Verbindung des Jagdrechtes mit Grund und Boden – dem Grundeigentümer zustehe. Der Gesetzgeber habe aber aus öffentlichen Interessen an einer geordneten Jagdwirtschaft ein Regelungssystem geschaffen, dass nicht jeder Eigentümer kleiner Grundstücke die Jagd auf seinen Grundstücken selbst ausüben könne, sondern dass diese Flächen zu Jagdgebieten einer gewissen Mindestgröße zusammengefasst werden und das Jagdausübungsrecht dann jeweils an einen Jagdausübungsberechtigten weitergegeben werde. Eine Ausnahme bestehe für Eigenjagdgebiete, bei denen die Grundstücke eines Eigentümers ein Mindestausmaß erreichen, das für die Feststellung eines Jagdgebietes ausreiche und das Jagdausübungsrecht dann dem Grundeigentümer selbst zustehe. Der Gesetzgeber sei bei der Schaffung dieses Ordnungssystems davon ausgegangen, dass die in Österreich (in Niederösterreich) heimischen Wildarten einen relativ großen Lebensraum beanspruchen und eine – für die öffentlichen Interessen (insbesondere der Wildschadensprävention) erforderliche – geordnete Jagdwirtschaft nur im Rahmen solcher Planungsräume möglich sei.

Im Rahmen einer geordneten Jagdwirtschaft bestehe ein öffentliches Interesse an der Erlegung von angeschossenem oder krankem Wild auch auf Flächen, auf denen die Jagd ruht. Dies ergebe sich einerseits aus Gründen der Weidgerechtigkeit ("dem jagdlichen Tierschutz") und andererseits aus Gründen der Seuchenprävention bzw. -bekämpfung. Die Verpflichtung zur Erlegung von angeschossenem oder krankem Wild stelle daher eine Verpflichtung im öffentlichen Interesse dar und keine Berechtigung im privaten Interesse des Jagdausübungsberechtigten.

7.8. Im Gegensatz zur Rechtslage in Kärnten, die dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G7/2016, zugrunde lag, müsse in Niederösterreich eine Fläche nicht "wilddicht", sondern lediglich "schalenwilddicht" umfriedet sein, um ein Ruhen der Jagd auszulösen. Dadurch entfalle insbesondere ein Eingraben der Umfriedungen, sodass die Herstellung solcher Umfriedungen mit – zur Rechtslage in Kärnten – vergleichsweise geringem Aufwand verbunden sei. Die Kosten derartiger Einfriedungen betragen ca. € 12,- bis € 15,- je Laufmeter. Solche Umfriedungen stellten sicher, dass außerhalb eine geordnete Jagdwirtschaft gewährleistet werde und innerhalb die Jagd ruhen könne. Die eingeschränkten Befugnisse des Jagdausübungsberechtigten auf Flächen, auf denen die Jagd ruhe, seien zur Sicherstellung wichtiger öffentlicher Interessen erforderlich.

7.9.Den befürchteten negativen Folgen einer Nichtbejagung einzelner Grundstücke, die nicht durch eine schalenwilddichte Umfriedung umschlossen seien, könne ausschließlich durch eine aktive Bejagung aller Flächen, also einschließlich der betroffenen Grundflächen, zumindest zu bestimmten Zeiten begegnet werden. Weder ein Vertreiben des Wildes von den jagdfreien Flächen noch eine Wildlenkung durch Futtermittelvorlage seien ausreichend, um eine geordnete Jagdwirtschaft sicherzustellen.

Eine alternativ vorzusehende zwangsweise Beteiligung der Eigentümer von zu jagdfrei erklärten Grundstücken an Ausgleichszahlungen für Wildschäden sei im Hinblick auf die Freiheit des Eigentums problematisch. Außerdem scheine eine solche Regelung nicht geeignet, Wildschäden effektiv hintanzuhalten und eine gerechte Lastenverteilung zu gewährleisten. Dies könne letztlich nur durch "Kulturschutzzäune", also dem Einzäunen gefährdeter land- und forstwirtschaftlicher Kulturen sichergestellt werden.

Im Falle der Jagdfreistellung von Grundstücken ohne wilddichte Umfriedung bliebe schließlich unklar, was beim Auftreten von Wildschäden auf diesen Flächen geschehen solle, insbesondere wenn die Schutz- oder Wohlfahrtsfunktion des Waldes gefährdet werde. In diesen Fällen seien gegebenenfalls forstrechtlich Kulturschutzzäune zwingend vorzuschreiben, was wiederum einer Umfriedung nach § 17 Abs 2 Nö JagdG 1974 gleichkäme. Ähnliches gelte auch für landwirtschaftliche Kulturen. Eine Jagdfreistellung erfordere somit in jedem Fall eine angemessene Umfriedung.

7.10.Die Anzahl der Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Wild sei nicht unerheblich. Auch in Niederösterreich wechsle Wild nachts aus Einstands- in Äsungsgebiete und quere dabei häufig Verkehrsflächen. Dies betreffe nicht nur alpine, sondern auch dicht besiedelte Ballungsräume südlich von Wien und im Zentralraum des Landes. Die wesentlichen diesbezüglichen Aussagen in dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G7/2016, träfen daher auch auf Niederösterreich zu.

7.11.Insbesondere zur Beschwerde der Viertbeschwerdeführer legte die Niederösterreichische Landesregierung die Stellungnahme eines jagdfachlichen Amtssachverständigen zu fachlichen Aspekten der vorgebrachten Bedenken vor. Diese lautet auszugsweise:

"Jagd beinhaltet die nachhaltige Nutzung der Naturressource Wildtiere in einem Umfeld, das seit Jahrhunderten vom Mensch beeinflusst bzw. zu seinen Gunsten verändert wurde. Das ökologische Gleichgewicht wird in einer Kulturlandschaft auch durch die Regulationsmaßnahmen der Jagd bei verschiedensten Wildtieren mitgestaltet.

Nicht die Jagd per se provoziert Wildschäden, sondern Wildschäden entstehen definitionsgemäß immer dann, wenn durch den Einfluss von Wildtieren auf ihren Lebensraum den, in diesen Lebensräumen wirtschaftenden Menschen, ein monetär bewertbarer Schaden entsteht.

'Seit Urzeiten haben sich Wild und Wald als zwei Bestandteile desselben Ökosystems gemeinsam entwickelt und wechselseitig angepasst. Erst durch die starken Eingriffe des Menschen wurden manche Wildarten nicht nur zur Gefahr für den Wald, sondern auch zu Konkurrenten des Menschen. Pflanzenfresser konkurrieren mit den Nutzungsansprüchen der Land- und Forstwirtschaft und Raubtiere wurden zu Konkurrenten der Viehwirtschaft' (REIMOSER 1998).

Ob Landwirtschaft oder Waldwirtschaft, alle Wirtschaftsformen, die mit Naturressourcen arbeiten bzw. auf diese angewiesen sind, sind anfällig für Einflüsse der Wildtiere. Die weitaus meisten Wildschäden entstehen durch die natürliche arteigene Nahrungsaufnahme der vorkommenden Wildtiere. Eine Regulation dieser Einflüsse auf das Wirtschaftseigentum kann nur durch ein durchdachtes und nachhaltiges Wildtiermanagement, zu dem auch die Regulation durch Entnahme (Bejagung) zählt, der 'fressenden' Wildtiere erfolgen.

Es ist unrichtig, dass Beutegreifer bevorzugt alte, kranke und schwache Tiere erbeuten bzw. fressen. Fleischfressende Beutegreifer sind in aller Regel Opportunisten, die jenes Fleisch fressen bzw. erbeuten, das ihnen mit wenig Energieaufwand zufällt. Logischerweise sind, wenn vorhanden, langsame oder geschwächte Tiere leichter zu erbeuten, das Beutespektrum richtet sich jedoch hauptsächlich nach der Verfügbarkeit. Sind keine alten oder kranken bzw. leicht zu erbeutende Tiere vorhanden, wird jeder Beutegreifer auch gesunde und vitale Tiere jagen.

Der moderne Jäger kann aufgrund seiner Ausbildung und Ausrüstung selbstverständlich auf größere Distanz beurteilen, ob ein Tier vital oder nicht vital ist. Gerade das Erlernen dieser Fertigkeit, Wildtiere 'anzusprechen' bildet einen Hauptteil der jagdlichen Ausbildung, ohne deren positiven Abschluss (Jagdprüfung) in Niederösterreich keine Jagdausübung möglich bzw. gesetzlich verboten ist. Zudem zählen das Erkennen von Wildtierkrankheiten und einschlägiges Wissen über die Anatomie der Wildtiere zu den Grundlagen jeder Jägerausbildung in Österreich (STERNATH et al. 2010).

Die weitaus meisten jagdbaren Tiere werden auf Distanzen unter 200 m erlegt. Moderne Jagdwaffen mit gezogenem Lauf (Kugelgewehre) sind in Abhängigkeit der verwendeten Zieloptik und Munition geeignet, präzise Schüsse auch über 200 m punktgenau ins Ziel zu bringen. Zudem weist moderne Jagdmunition eine günstige Einschuss Entfernung (GEE) auf, die in der Regel zwischen 150 m und 200 m liegt.

Die GEE ist jene Entfernung, bei der das abgefeuerte Projektil auf seiner Geschoßbahn zum zweiten Mal die Visierlinie des Zielfernrohres schneidet wenn es auf 100 m in einer Höhe von 4 cm über der Visierlinie liegt. Im Bereich der GEE ist daher ein punktgenauer und damit weidgerechter Schuss ohne Änderung des Haltepunktes auch für ungeübte Schützen auf alles heimische Schalenwild möglich.

Die angeführten großen Beutegreifer (Bär, Wolf und Luchs) wurden in Europa nicht durch die Jagd ausgerottet, vielmehr war es, wie o.a. die Konkurrenz der Raubtiere zur menschlichen Viehhaltung und Siedlungstätigkeit, die zur Verfolgung und Verdrängung der Tiere in Gebiete mit weniger Bevölkerung führte. Ausgerottet wurden diese Beutegreifer in Europa nicht, da sich in den ost- bzw. südosteuropäischen Ländern wie etwa in Polen und der Slowakei aber auch im ehemaligen Jugoslawien, in Bulgarien und Rumänien Bestände an Bären, Wölfen und Luchsen gehalten haben. Gerade von diesen Populationen erfolgt nun die Wiederbesiedlung durch Migration im zentraleuropäischen Raum. Abgesehen von den damit verbundenen Konfliktpotentialen in dichtbesiedelten und nach wie vor intensiv landwirtschaftlich genutzten Kulturlandschaften, erscheint es zweifelhaft, dass diese Beutegreifer allein in der Lage sein werden, die Bestände der bereits in hoher Zahl vorhandenen Schalenwildarten zu regulieren. Vor Allem die Bestände der wichtigsten Kulturfolger wie Reh- und Schwarzwild, die sich auch im urbanen Bereich etablieren konnten (z.B. Schwarzwild in den Grünanlagen und Gärten der Großstädte Wien und Berlin), können wohl kaum durch Großbeutegreifer reguliert werden, ohne dass diese Beutegreifer selbst ein Problem bzw. eine Gefahr für Menschen im Siedlungsbereich darstellen. Hier kann nur eine geregelte Jagd Abhilfe schaffen.

Selbst wenn man den vom Beschwerdeführer angeführten Beispielen fachlich folgen könnte, sind diese nicht mit der vom Beschwerdeführer geforderten Situation vergleichbar. In der Schweiz, den Niederlanden aber auch im Nationalpark Hohe Tauern sind ganze Landstriche bzw. das gesamte Land aus der Jagd komplett ausgenommen und tragen alle betroffenen Grundeigentümer diese Entscheidungen mehr oder weniger mit.

Dahingegen fordert der Beschwerdeführer einzelne Grundstücke aus der Jagd auszunehmen, wodurch vergleichsweise kleine Flecken entstehen würden, auf denen die Jagd durch Großraubtiere 'ersetzt' werden sollte.

Alle vom Beschwerdeführer angeführten Großraubtiere benötigen jedoch bereits artspezifisch bedingt Aktionsradien, die zum Teil hunderte Quadratkilometer umfassen (Wolf, Luchs oder Bär). Hier müssten benachbarte Grundeigentümer bzw. die Grundeigentümer und auch Bewirtschafter großer Gebiete die dauernde Präsenz dieser Beutegreifer akzeptieren bzw. erdulden.

Ad Fütterung:

Sehr viele Wildtiere würden wahrscheinlich ohne Winterfütterung auskommen, wenn sämtliche Naturräume wieder frei passierbar wären. Könnte beispielsweise das Rotwild von menschlicher Infrastruktur ungehindert zwischen Sommer- (Bergregionen) und Winterlebensräumen (Talböden) migrieren, wie es für diese Tierart natürlich wäre, könnte z.B. auf eine Winter- Erhaltungsfütterung des Rotwildes in den Vorlagen der Alpen verzichtet werden. Diese Migrationen sind jedoch nicht mehr möglich, menschliche Infrastrukturen durchschneiden in ganz Europa diese Weitwanderrouten, eine artgerechte Winterfütterung des Rotwildes kann zur Vermeidung von Wildschäden in der Land- und Forstwirtschaft erforderlich sein. Eine Form dieser Notzeiterhaltungsfütterung zur Vermeidung von Rotwildschäden sind Wintergatter, in denen das Rotwild artgerecht über den Winter gebracht wird.

Ad Berufsjäger, hauptberufliche Jäger, Freizeitjäger:

Der Berufsjäger in NÖ ist prinzipiell nicht dazu berufen, das öffentliche Interesse an der Wildregulation zu befrieden.

Ein Berufsjäger bewirtschaftet in der Regel eine bestimmte Jagdfläche nach den Zielvorgaben seines Arbeitgebers. Diese, oft privaten Vorgaben können auch intensive Jagdwirtschaft mit hohen Wildständen zum Ziel haben und sind damit völlig konträr zu den Empfehlungen des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer meint offensichtlich, dass 'hauptberufliche Jäger' für die öffentliche Hand die Regulation der Wildbestände übernehmen sollen und führt das Beispiel des Schweizer Kantons Genf an, wo es ohne Jäger 'besser ginge'. Dazu führt REIMOSER (2017) aus, dass die Kosten für das Wildtiermanagement ('bezahlte Jäger') in Genf mit 1,12 Milliarden Euro angegeben werden, wobei etwa € 500.000,- für Wildschadensprävention und Wildschadensentschädigung aufgewendet werden müssen.

Insgesamt fällt je Hektar land- und forstwirtschaftlicher Fläche und Jahr ein Betrag von € 74.- an, der vom Steuerzahler finanziert werden muss.

Ähnlich gelagert ist die Situation in den Niederlanden, auch dort werden Wildtiere, die seit dem Jagdverbot zu Schaden gehen, deutlich anders reguliert, verdeutlicht am Beispiel der Graugans:

Seit die Gänsejagd in den Niederlanden im Jahr 1999 nahezu vollständig verboten wurde, nahmen die Wildgans-Bestände überhand.

Seit Jahren werden die Tiere nun ab Ende Mai bis Mitte Juni, wenn die Graugänse in die Mauser kommen und nicht mehr richtig fliegen können, von "Kammerjägern" zusammengetrieben und in Gruppen vergast. Die 'Regulierer' bekommen fünf Euro je vergaster Graugans vom Staat ausbezahlt.

Zumindest 2014 wurden etwa 250.000 flugunfähige Graugänse in Container und Kleingatter getrieben und dann mit Kohlendioxid vergast. Im selben Jahr wurden landwirtschaftliche Schäden, durch Gänse verursacht, in der Höhe von 16 Mio. Euro von der öffentlichen Hand entschädigt (topagraronline auf www.topagrar.com/news und andere).

Dem gegenüber trägt in Österreich der 'zahlende Jäger' diese Aufwendungen bzw. entschädigt der verantwortliche Jäger den Grundeigentümer im Schadensfall. Würde man analog zum Genfer Modell in Österreich ausschließlich 'bezahlte Jäger' für das Wildtiermanagement heranziehen, würden Kosten in der Höhe von mindestens 700 Mio. bis eine Milliarde Euro jährlich für den Steuerzahler anfallen. Tatsächlich errechnet sich laut REIMOSER ein volkswirtschaftlicher Stellenwert der aktuellen Jagdwirtschaft in Österreich mit 475 Mio. Euro beziffert, d.h. vereinfacht gerechnet, würden bei Abschaffung der Jagd in Österreich neben den Aufwendungen der öffentlichen Hand zusätzlich wirtschaftliche Einbußen von etwa 400 Mio. Euro drohen.

Ad Schwarzwild:

Die erhöhten Schwarzwildbestände sind kein niederösterreichisches Problem sondern ein gesamteuropäisches Thema. Schwarzwild wird seit Jahrzehnten durch landwirtschaftliche Maßnahmen (Maisanbau, etc.) begünstigt und neigt bei idealen Bedingungen zur Massenvermehrung.

Natürliche Regulationsmechanismen sind diverse Viruserkrankungen, wie sie bereits im Osten der EU grassieren. Diese Krankheiten sind in der Regel auf Hausschweine übertragbar und würden im Seuchenfall unweigerlich zu enormen wirtschaftlichen Verlusten führen. Hier greift die jagdliche Nutzung ein und verhindert bzw. verzögert bis dato ein Ausbreiten dieser Seuchen. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass auch der vom Beschwerdeführer zitierte Fauna Inspektor DANDLIKER (2014) ausführte, dass auch im Jagdverbotsexperiment Genf (siehe oben) gewisse Schwierigkeiten bzw. Herausforderungen in der Wald-Wildfrage auftauchen und man vor Allem beim Schwarzwild nicht gänzlich ohne Regulation auskommt.

Ad Wild und Wald:

Nicht die Jagd treibt die Tiere in den Wald sondern die Landnutzung des Menschen. Zudem sind die meisten Wildtiere waldaffin, sie nutzen den Wald entweder zur Deckung (Verstecken), zur Äsung (Nahrungsaufnahme) oder zu beidem (REIMOSER 1998).

Ad die Jagd als Artenfeind:

Ungeregelte Jagdentnahme von Wildtieren könnte Arten gefährden, derartige illegale Jagdformen passieren jedoch hauptsächlich in Ländern und Gebieten, wo die dort lebende Bevölkerung unkontrolliert Wildtierbestände 'bejagt' um ihren Bedarf an Fleisch zu decken. In afrikanischen Ländern gefährdet diese illegale Jagd nach 'bushmeat' sehr viele Arten des Regenwaldes und der Savanne (Quelle: homepage der B&RD, www.berggorilla.org; Berggorilla & Regenwald Direkthilfe e.V., Gefahren für die Gorillas). Dagegen hat die 'nachhaltige' Jagd laut REIMOSER als Teil der Land- und Forstwirtschaft, als Regulator in der Kulturlandschaft und auch im Naturschutz eine solide gesellschaftspolitische und rechtliche Basis. Der Naturschutzbeitrag der Jagd ist auch international untermauert (EBNER et al., 2009). In der von Menschen gestalteten Kulturlandschaft können Populationen von sog. 'Kulturfolgern' zu Ungunsten der sog. 'Kulturflüchter' stark anwachsen und andere Arten bedrängen bzw. lokal vernichten. Die Regulation der Kulturfolger und Opportunisten unter den Arten durch nachhaltige Jagd trägt zur Entlastung jener Arten bei, die durch diverse Aktivitäten des Menschen benachteiligt sind (REIMOSER 2017).

Ad Selbstregulierung der Arten:

Der Schluss von CONSIGLIO, KRUUK und WOHLLEBEN, dass alle natürlichen Tierpopulationen homöostatische (selbstregelnde) Mechanismen besitzen, um ihre Populationsdichte dem Ressourcenniveau anzupassen, ist bekannt. Jedoch wird bezweifelt, dass diese Mechanismen in der Kulturlandschaft einwandfrei funktionieren, da die Tiere anders konditioniert sind. Ohne Regulation durch die Jagd können nur Krankheiten und Seuchen als Regelmechanismen fungieren. Genau hier liegt jedoch das nicht kalkulierbare Risiko für die Zivilgesellschaft, dass z.B. Wildtierseuchen, wie etwa Schweinepest und Tuberkulose, auf Nutztierbestände und unter Umständen den Menschen übergreifen und sehr große volkswirtschaftliche Schäden verursachen können.

Wenn KRUUK in dem Sinne zitiert wird, dass ein Jäger nicht die Fähigkeit besitzt, kranke und schwache Tiere von gesunden zu unterscheiden, wird vom Beschwerdeführer völlig ignoriert, dass die Jagdstrategien von Hyänen in der zum Großteil unberührten afrikanischen Savanne völlig anders sind als jene des mitteleuropäischen Einzeljägers in der Kulturlandschaft. Aufgrund der intensiven jagdlichen Ausbildung und Kenntnis der Biologie der jagdbaren Wildtiere ist jeder Jäger in der Lage, bei der Einzeljagd vom Ansitz aus, alte, kranke oder schwache Tiere zu erkennen.

Hierzu wird auf die Ausführungen zur jagdlichen Ausbildung und Ausrüstung weiter oben in der ggs. Stellungnahme verwiesen.

Die Beschwerdeführer unterliegen zudem offensichtlich dem Irrtum, dass moderne Jagd ausschließlich in der Entnahme von alten, kranken und schwachen Tieren bestünde. Moderne und nachhaltige Jagd bedeutet jedoch zusätzlich die Gewinnung von wertvollem, gesundem Wildbret für die Ernährung der Gesellschaft.

Würden lediglich alte, kranke und schwache Tiere erlegt, deren Wildbret aus lebensmittelhygienischen Gründen nicht oder kaum zu verwerten sind, würde die Jagd dem Grundsatz der nachhaltigen Nahrungsbeschaffung völlig zuwider laufen. Die Regulierung durch Jagd erfolgt bei allen jagdbaren Wildarten hauptsächlich in den jüngsten Altersklassen, indem der jährliche Zuwachs bestmöglich abgeschöpft werden soll. Bei den als Nahrungsmittel verwertbaren Wildarten liefern gerade diese jungen Individuen das qualitativ hochwertigste Fleisch und nicht die kranken und schwachen Tiere."

8.Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat eine Äußerung erstattet, in der den von den Beschwerdeführern vorgebrachten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Nö JagdG 1974 wie folgt entgegengetreten wird:

8.1.Das Nö JagdG 1974 sehe vor, dass der Grundeigentümer von Grundstücken in einem Genossenschaftsjagdgebiet verpflichtet ist, die Jagdausübung auf seinen Grundstücken durch Dritte zu dulden. Diese Duldungspflicht werde durch das öffentliche Interesse an der Hintanhaltung von Wildschäden im Wald gerechtfertigt. Bei "Jagdfreistellungen" wären negative Auswirkungen, insbesondere vermehrte Wildschäden, zu erwarten.

Der Österreichische Waldbericht 2015 zeige die Bedeutung des Waldes für das öffentliche Interesse: Ca. 30 % der österreichischen Waldfläche von 3,99 Mio. ha, das entspreche 47,6 % der Staatsfläche, komme als Leitfunktion die Schutzfunktion und 6,7 % die Wohlfahrtsfunktion zu. Dabei sei zu beachten, dass bei 49 % des Standortschutzwaldes im Ertrag und bei 53 % des Standortschutzwaldes außer Ertrag die notwendige Verjüngung nicht gegeben sei. Dies entspreche einer Fläche von 421.800 ha. Diese Beeinträchtigung sei maßgeblich auf Wildeinfluss zurückzuführen, weil lediglich 8 % der verjüngungsnotwendigen Waldflächen nicht negativ von Wild beeinflusst seien.

Der Bericht des Rechnungshofes "Schutz- und Bannwälder in Salzburg, Tirol und Vorarlberg" zeige die monetäre Bewertung der mit dem Wildeinfluss verbundenen Auswirkungen: Ein Vergleich der Kosten für Erhaltungsmaßnahmen des Schutzwaldes mit jenen von Sanierungsmaßnahmen und mit technischen Ersatzmaßnahmen habe eine Relation von 1:15:146 ergeben. Anstelle von € 1.000,- für Sanierungsmaßnahmen müssten ersatzweise € 146.000,- für technische Schutzmaßnahmen aufgewendet werden, wenn der Schutzwald seine Aufgabe nicht mehr erfüllen könne. Wirtschaftlich betrachtet betrage der "Ertrag aus der Schutzwirkung" von einem Hektar Wald ca. € 3.500,- jährlich, dem lediglich eine durchschnittliche jährliche Jagdpacht von € 18,- bis 20,- gegenüberstehe. Ein intakter und lebender Schutzwald sei somit wertmäßig höher zu bewerten als andere mögliche Nutzungsformen.

Der Verbiss durch Schalenwild sei ein wesentlicher Hemmfaktor für die Verjüngung im Schutzwald, dessen Stabilität dadurch negativ beeinflusst werde. Das Wildeinflussmonitoring der Österreichischen Waldinventur weise eine sehr hohe Verbissbelastung von Schutzwaldflächen aus, beispielsweise seien in Salzburg 56,6 %, in Tirol 56,8 % und in Vorarlberg 71,2 % der gesamten Waldfläche von starkem Wildeinfluss betroffen.

Für Niederösterreich weise das Wildeinflussmonitoring des Bundesforschungszentrums für Wald 2004 bis 2015 im Beurteilungszeitraum 2013 bis 2015 einen Anteil von 65,22 % der Probeflächen aus, die von starkem Wildverbiss betroffen seien. Ein solcher starker Wildverbiss bedeute, dass der Verjüngungszeitraum der Fläche erheblich verlängert werde und Mischbaumarten ausfallen. Bei anhaltendem starkem Wildverbiss sei ein landeskultureller oder wirtschaftlicher Schaden auf der betroffenen Fläche zu erwarten.

Auch der Wildschadensbericht 2015, der gemäß § 16 Abs 6 ForstG 1975 zu erstellen und dem Nationalrat vorzulegen ist, weise übermäßige Wildschäden aus.

Insgesamt könne aus den zitierten Dokumenten abgeleitet werden, dass auf die österreichischen, somit auch auf die niederösterreichischen Wälder ein Wildeinfluss in einem Ausmaß und einer Dauer einwirke, bei dem von einem landeskulturellen oder wirtschaftlichen Schaden auszugehen sei. Nach Einschätzung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft seien die zu anderen Bundesländern festgestellten Entwicklungen auch auf Niederösterreich übertragbar.

8.2.Die Jagdausübung sei in Gebieten, in denen die Jagd ruht, im Allgemeinen ausgeschlossen. Wenn dies für größere Waldflächen gelte, sei davon auszugehen, dass sich Wild verstärkt in diesen Gebieten aufhielte. Daraus resultieren höhere Wildschäden auf diesen, aber auch auf angrenzenden Flächen.

Durch eine Zersplitterung von Jagdgebieten durch "Jagdruhensenklaven" werde die Jagdausübung erschwert. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , G7/2016, ausgeführt habe, werde so der Wildbestand unzweckmäßig gelenkt und konzentriert. Die von den Beschwerdeführern beabsichtigte "Jagdfreistellung" lasse daher eine weitere Erhöhung der Wildschäden erwarten.

Nach § 1 Abs 1 Nö JagdG 1974 müssten die Jagdausübung und die Wildhege so erfolgen, dass die Erhaltung des Waldes und seiner Wirkungen nicht gefährdet werde. Nach § 100 Abs 2 Nö JagdG 1974 habe die Behörde im Falle einer Gefährdung von Wald jagdliche Maßnahmen anzuordnen und dabei insbesondere auch Abschussaufträge zu erteilen. Diese Vorschriften stehen im Zusammenhang mit der Verfassungsbestimmung des § 16 Abs 5 ForstG 1975, nach der dem Leiter des Forstaufsichtsdienstes beim Amt der Landesregierung ein Antragsrecht und Parteistellung in derartigen Verfahren zukomme.

8.3.161 Gemeinden Niederösterreichs seien im Geltungsbereich der Alpenkonvention gelegen. Dies entspreche 31,65 % der Landesfläche. Nach dem Protokoll "Bergwald" sei der Bergwald als naturnaher Lebensraum zu erhalten. Die Vertragsparteien haben insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass eine natürliche Waldverjüngung erfolge und ein gut strukturierter Bestandesaufbau mit standortgerechten Baumarten angestrebt werde. Dazu seien nicht tragbare Schäden im Wald und in landwirtschaftlichen Kulturen durch Weidevieh und Wild zu vermeiden, insbesondere indem der Wildbestand durch geeignete Maßnahmen geregelt werde.

8.4.Eine dem Nö JagdG 1974 entsprechende Jagdausübung, die insbesondere die Vermeidung waldgefährdender Wildschäden bezwecke, liege in hohem Maße im öffentlichen Interesse. Die Wahrung dieses bedeutenden Allgemeininteresses könne bei einer über die gegenwärtigen Möglichkeiten hinausgehenden Einschränkung der Jagdausübung nicht mehr hinreichend gewahrt werden. Auch in Niederösterreich bestehe am Wald und an der Erhaltung seiner Wirkungen ein besonderes öffentliches Interesse. Die niederösterreichischen Wälder besitzen zu 10 % die Schutzfunktion, zu 15 % die Wohlfahrtsfunktion und zu 3 % die Erholungsfunktion als Leitfunktion. Ein besonderes öffentliches Interesse an den niederösterreichischen Wäldern bestehe bei 49 % auf Grund der Schutzfunktion, bei 53 % auf Grund der Wohlfahrtsfunktion und bei 3 % auf Grund der Erholungsfunktion. Das öffentliche Interesse am Schutz vor Wildschäden sei daher nach Ansicht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gegenüber dem Interesse an der uneingeschränkten Nutzbarkeit des Eigentums mit dem Zwecke einer "Jagdfreistellung" als überwiegend anzusehen.

Bei den möglichen Auswirkungen von "Jagdfreistellungen" auf den Wald müsse neben dessen Schutzfunktion auch dessen Wohlfahrtsfunktion beachtet werden: Die unbeeinträchtigte Entwicklung des Waldes sei deshalb bedeutsam, weil insbesondere erst ein älterer forstlicher Bewuchs zur Regelung des Wasserhaushaltes beitragen könne.

Die Freistellung einzelner, nicht umfriedeter Grundstücke von der Jagdausübung erfordere einen hohen Verwaltungsaufwand und erschwere die Jagdausübung bzw. den Vollzug des Nö JagdG 1974 in hohem Maße. Außerdem sei für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Eigentumseinschränkung auf Grund der Duldungspflicht der Jagd zu beachten, dass eine "Jagdfreistellung" höhere Wildschäden an umgebenden Grundstücken verursachen könne, die im Eigentum von Dritten stehen.

9.Die Dritt- und Viertbeschwerdeführer haben Äußerungen erstattet, in denen jeweils die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Nö JagdG 1974 weiter ausgeführt werden:

9.1.Das Nö JagdG 1974 gehe von einer zwangsweisen Bejagung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken aus. Grundstücke unter einer bestimmten Größe gehören zu einem Genossenschaftsjagdgebiet, auf dem die Ausübung der Jagd der Jagdgenossenschaft zustehe. Die Beschwerdeführer hätten keine Wahlmöglichkeit, ob auf ihren Grundstücken die Jagd ausgeübt werde oder nicht. Diese Duldungspflicht werde durch kein öffentliches Interesse gerechtfertigt. Die Jagdausübung sei auch zur Aufrechterhaltung des ökologischen Gleichgewichts nicht geeignet und verfolge somit kein öffentliches Interesse. Die intensive Jagdwirtschaft und Hege des Wildes fördere sogar den Wildverbiss und den unerwünscht hohen Wildbestand.

9.2.Die Beschwerdeführer verfügten über kein wirksames Mittel, um die Ausübung der Jagd auf ihren Grundstücken zu verhindern. Auch Grundstücke, auf denen die Jagd ruht, seien dem Jagdgebiet zuzurechnen. Damit gehe auch die Ausübung der Jagd – wenn auch in geringerem Umfang – einher.

Durch die Zwangsmitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft gebe es auch für Grundstücke, auf denen die Jagd ruht, einen Jagdausübungsberechtigten, der zur Aneignung des Wildes und zur Tötung von angeschossenem oder krankem Wild berechtigt sei. Auch im Falle eines schädigenden Überhandnehmens des Wildes, das vom Jagdausübungsberechtigten zu beurteilen sei, könne dieses unabhängig vom Ruhen der Jagd erlegt werden. Die Beschwerdeführer könnten auch bei Ruhen der Jagd einem verletzten oder angeschossenen Wildtier auf ihren Grundstücken nicht helfen, weil dies dem Aneignungsrecht des Jagdausübungsberechtigten widerspreche. Daher seien die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Eigentumsfreiheit eingeschränkt.

Um ein Ruhen der Jagd zu begründen, müssten Grundstücke durch eine schalenwilddichte Umfriedung, die die Anforderungen des § 17 Abs 2 Nö JagdG 1974 erfüllen muss, dauernd umschlossen sein, die das Wild am Ein- und Auswechseln hindere. Eine solche Umfriedung sei für die Beschwerdeführer mit unzumutbaren Kosten verbunden, widerspreche ihrem Verständnis von der Förderung des ökologischen Gleichgewichtes und garantiere keine vollständige Freistellung von der Ausübung der Jagd auf den umschlossenen Grundstücken.

9.3.Biodiversität, Artenreichtum und die Vermeidung von Wildschäden lägen im gesamtwirtschaftlichen und öffentlichen Interesse. Die Jagdwirtschaft und die Wildhege dienten jedoch nicht deren Verwirklichung. Vielmehr sei die Jagd der größte Feind der Artenvielfalt. Beutegreifer seien viel geeigneter, den Wildtierbestand zu regulieren, weil diese zu einer natürlichen Selektion von alten und schwachen Tiere beitragen würden. Große Beutegreifer seien in Europa aber praktisch ausgerottet und deren Rückkehr werde durch die Jagd aktiv verhindert. Die Jagdwirtschaft führe durch Wildhege und -fütterung zu einem unnatürlichen Selektionsdruck. Die Jagdwirtschaft erzeuge somit das Gegenteil des bezweckten Zieles, nämlich Überpopulationen von Wildtieren und übermäßige Wildschäden. Dies werde durch den trotz Bejagung belegten Wildverbiss untermauert. Schließlich werde die Jagd in Niederösterreich nur zu einem geringen Anteil von professionellen Berufsjägern und überwiegend von "Hobby- und Sonntagsjäger[n]" ausgeübt.

9.4.Die Grundstücke der Beschwerdeführer lägen nicht in einer alpinen biogeographischen Region. Das Waldgebiet der Beschwerdeführer sei kein Bergwald iSd Alpenkonvention. Diese sei ebenso wie ihre Protokolle auch von Deutschland und Frankreich ratifiziert worden, ohne dass dies Auswirkung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gehabt habe.

Das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention im Bereich Bergwald (Protokoll "Bergwald") sehe vor, dass die Vertragsstaaten im Interesse des Naturschutzes eine mit den Gesamtbedürfnissen der Region abgestimmte Wiedereinbürgerung von Beutegreifern befürworten. Dadurch solle ein natürlicher Selektionsdruck auf die Wildbestände erzeugt werden.

9.5.In den vom WWF gepachteten Jagdrevieren des Nationalparks Hohe Tauern, in welchen weder gejagt noch zugefüttert werde, habe sich gezeigt, dass Wildtiere auch ohne äußere Faktoren ein selbst reguliertes Gleichgewicht erreichen. Ähnliche Erfahrungen gebe es im Kanton Genf in der Schweiz, in dem seit 1974 ein Jagdverbot herrsche. Dass sich die Natur auch ohne Bejagung selbst reguliere, werde auch von Experten und Wissenschaftlern bestätigt. Es bedürfe daher keines permanenten Jagddrucks, um Wild aus Gebieten fernzuhalten, die besonders von Schäden betroffen seien.

9.6.In den Ländern, für die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Jagdfreistellung aus ethischen Gründen bereits anerkannt habe (Frankreich, Luxemburg und Deutschland), seien bislang keine negativen Auswirkungen einer Jagdfreistellung von nicht umfriedeten Grundstücken hervorgekommen.

10.Der Verfassungsgerichtshof führte am eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher insbesondere Fragen zum Verhältnis der Jagd bzw. einer allfälligen Nichtbejagung einzelner Grundstücke und dem ökologischen Gleichgewicht, zum Wildeinfluss auf land- und forstwirtschaftliche Kulturen, zum Zweck und zur Ausgestaltung der Umfriedung gemäß § 17 NÖ JagdG 1974 und zum Ruhen der Jagd erörtert wurden.

II.Rechtslage

Das Nö JagdG 1974, LGBl 6500-29 idF 109/2015, lautet samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

"I. Jagdrecht und Jagdrechtsausübung

A. Allgemeine Bestimmungen

§1

Begriff des Jagdrechtes

(1) Das Jagdrecht besteht in der ausschließlichen Befugnis, innerhalb eines bestimmten Jagdgebietes in freier Wildbahn dem Wild nachzustellen, es zu fangen, zu erlegen und sich anzueignen; es umfaßt ferner die ausschließliche Befugnis, sich verendetes Wild, Fallwild, Abwurfstangen sowie die Eier des Federwildes anzueignen. Diese Befugnis besteht auch in umfriedeten Eigenjagdgebieten.

(2) Das Jagdrecht unterliegt den Beschränkungen dieses Gesetzes.

§2

Hege, Weidgerechtigkeit und Jagdwirtschaft

(1) Mit dem Jagdrecht ist die Berechtigung und Verpflichtung verbunden, das Wild unter Rücksichtnahme auf die Interessen der Land- und Forstwirtschaft zu hegen, damit ein artenreicher und gesunder Wildstand sich entwickeln kann und erhalten bleibt. Die Jagdausübung und die Wildhege haben insbesondere so zu erfolgen, dass die Erhaltung des Waldes und seiner Wirkungen nicht gefährdet wird.

(2) Die Jagd ist in einer allgemein als weidgerecht anerkannten Weise und unter Beobachtung der Grundsätze einer geordneten Jagdwirtschaft auszuüben. Sie kann auch in der Form der Beizjagd (Falknerei) und Hüttenjagd ausgeübt werden.

[…]

§4

Jagdrecht des Grundeigentümers

(1) Das Jagdrecht ist untrennbar mit dem Eigentum am Grund und Boden verbunden. Es steht daher dem jeweiligen Grundeigentümer zu und kann als selbständiges dingliches Recht nicht begründet werden.

(2) Jagdberechtigt im Sinne dieses Gesetzes sind

1. in Eigenjagdgebieten (§6) und umfriedeten Eigenjagdgebieten (§7) die Grundeigentümer,

2. in Genossenschaftsjagdgebieten (§10) die Jagdgenossenschaft (§18).

§5

Ausübung des Jagdrechtes

(1) Das Jagdrecht wird entweder als Eigenjagd oder Genossenschaftsjagd ausgeübt.

(2) Die Ausübung des Jagdrechtes in seiner Gesamtheit kann nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes im Wege der Verpachtung (§§14, 28, 38, 39, 40 und 51) und im Wege der Bestellung eines Jagdverwalters (§§42 und 52) an dritte Personen übertragen werden.

(3) Personen, die eine Jagderlaubnis erhalten haben (Jagdgäste) oder auf Grund eines ihnen erteilten Auftrages Wildabschüsse vorzunehmen haben (Abschußbeauftragte), sind nicht Jagdausübungsberechtigte im Sinne dieses Gesetzes.

§6

Eigenjagdgebiet

(1) Die Befugnis zur Eigenjagd steht in der Regel dem Eigentümer einer zusammenhängenden Grundfläche von mindestens 115 Hektar zu, welche eine für die zweckmäßige Ausübung der Jagd geeignete Gestaltung und insbesondere Breite besitzt (Eigenjagdgebiet). Hiebei macht es keinen Unterschied, ob diese ganze Grundfläche in einer Gemeinde liegt oder sich auf das Gebiet mehrerer Gemeinden erstreckt. Auch macht es keinen Unterschied, ob der Eigentümer eine physische oder juristische, eine einzelne Person oder eine Mehrheit von Personen ist; im letzteren Falle muß jedoch der Besitz räumlich ungeteilt sein.

(2) Die Befugnis zur Eigenjagd wird auch dem Eigentümer einer an der Landesgrenze gelegenen Grundfläche, die das nach dem Abs 1 erforderliche Mindestausmaß nicht erreicht, dann eingeräumt, wenn diese Grundfläche und eine in den Bundesländern Burgenland, Oberösterreich, Steiermark oder Wien demselben Eigentümer gehörende zusammenhängende Grundfläche insgesamt die Voraussetzungen des Abs 1 erfüllen und wenn außerdem nach den jagdrechtlichen Vorschriften des Nachbarlandes diese Fläche aus dem gleichen Grund als Eigenjagdgebiet festgestellt wird.

§7

Umfriedetes Eigenjagdgebiet

(1) Die Befugnis zur Eigenjagd steht auch dem Eigentümer einer zusammenhängenden Grundfläche von mindestens 115 ha zu, welche der Wildhege gewidmet und hiefür geeignet ist und die gegen das Auswechseln des gehegten Schalenwildes und das Einwechseln des außerhalb vorkommenden Schalenwildes vollkommen abgeschlossen wird (umfriedetes Eigenjagdgebiet). Die Vorschriften der Abs 3, 6 und 7 sowie der §§81 Abs 1, 83 Abs 7, 84 Abs 1, 85 Abs 4, 87 Abs 3 und 6, 94b, 95 Abs 1 Z 6, Abs 3 und 95a betreffend umfriedete Eigenjagdgebiete gelten für diese Flächen erst mit Beginn des Jagdjahres, das der Fertigstellung der schalenwilddichten Einfriedung folgt. Die Fertigstellung ist der Behörde unverzüglich zu melden.

(2) Werden umfriedete Eigenjagdgebiete anerkannt bzw. Gehege und Zoos nach § 3a errichtet bzw. bewilligt und liegen die hiefür verwendeten Flächen innerhalb solcher Flächen, für welche die Zuerkennung der Eigenjagdbefugnis anerkannt wird, sind die außerhalb der umfriedeten Eigenjagdgebiete bzw. Gehege und Zoos nach § 3a gelegenen Flächen für sich allein auf das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§6, 9 und 15 zu prüfen.

(3) Für die in einem umfriedeten Eigenjagdgebiet gehaltenen Wildarten müssen:

- ausreichende natürliche oder künstliche Fütterungsmöglichkeiten und

- geeignete Biotope

vorhanden sein. Die Zahl der gehaltenen Wildtiere muß diesen Voraussetzungen und der Sozialstruktur der jeweiligen Wildarten entsprechen.

(4) Die Bezirksverwaltungsbehörde kann die Verminderung des Wildstandes verfügen, wenn die Voraussetzungen nach Abs 3 nicht erfüllt sind. Maßnahmen nach den §§99 und 100 bleiben davon unberührt.

(5) Entspricht ein Jagdgehege nicht mehr den gesetzlichen Erfordernissen, hat die Bezirksverwaltungsbehörde die Anerkennung als Jagdgehege zu widerrufen und die Flächen für die restliche Dauer der Jagdperiode als Eigenjagdgebiet anzuerkennen, wenn die Voraussetzungen der §§6 und 9 gegeben sind.

(6) Der Jagdausübungsberechtigte ist verpflichtet Aufzeichnungen zu führen, in denen

1. alle Zu- und Abgänge,

2. die erlegten Stücke und das Fallwild, getrennt nach Wildarten und Geschlechtern, sowie

3. der jährliche Gesamtbestand, getrennt nach Wildarten

einzutragen sind. Die Aufzeichnungen sind mindestens drei Jahre aufzubewahren und der Bezirksverwaltungsbehörde stets zur Einsichtnahme zur Verfügung zu halten. Die Landesregierung hat mit Verordnung nähere Bestimmungen über die Aufzeichnungspflicht unter Bedachtnahme auf Z 1 bis 3 sowie Abs 3 zu regeln.

(7) Stellt die Bezirksverwaltungsbehörde fest, daß ein umfriedetes Eigenjagdgebiet nicht mehr den Anerkennungsvoraussetzungen entspricht oder die gesetzlichen Erfordernisse nicht eingehalten werden, hat sie mit Bescheid die zur Erreichung des rechtmäßigen Zustandes notwendigen Maßnahmen anzuordnen.

(8) Bei wiederholten schweren Verstößen gegen Bestimmungen betreffend die Wildhege hat die Behörde die Anerkennung zu widerrufen und die Flächen als Eigenjagdgebiet anzuerkennen, wenn die Voraussetzungen der §§6 und 9 zutreffen. Treffen die Voraussetzungen der §§6 und 9 nicht zu, sind die Flächen dem Genossenschaftsjagdgebiet zuzuweisen.

(9) Einfriedungen von Flächen, die im Laufe der Jagdperiode die Eigenschaft als umfriedetes Eigenjagdgebiet verlieren, sind unverzüglich zu entfernen, soferne diese Einfriedungen nicht auf Grund anderer rechtlicher Vorschriften oder im Sinne des § 99 zulässig sind. § 3a Abs 10 und 11 sind sinngemäß anzuwenden.

[…]

§10

Genossenschaftsjagdgebiet

(1) Die im Bereich einer Gemeinde gelegenen Grundstücke, die nicht als Eigenjagdgebiet anerkannt sind, bilden das Genossenschaftsjagdgebiet.

(2) Als Genossenschaftsjagdgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist auch ein gemeinschaftliches Genossenschaftsjagdgebiet (§13 Abs 1 und 2) sowie jeder selbständige Teil eines Genossenschaftsjagdgebietes (§13 Abs 3) anzusehen.

(3) Ein Jagdeinschluß, hinsichtlich dessen ein Vorpachtrecht ausgeübt wurde (§14 Abs 3), gehört gleichwohl zum Genossenschaftsjagdgebiet.

§11

Jagdperiode und Jagdjahr

(1) Die Jagdperiode umfaßt neun Jagdjahre. Der Beginn und das Ende der laufenden Jagdperiode sind im Internet zu veröffentlichen.

(2) Das Jagdjahr läuft vom 1. Jänner bis 31. Dezember.

B. Bildung und Änderung von Jagdgebieten

§12

Feststellung der Eigenjagd- und Genossenschaftsjagdgebiete

(1) Grundeigentümer haben ihren Anspruch auf Anerkennung der Befugnis zur Eigenjagd (§6) bzw. deren Erweiterung um zusätzliche Grundstücke bei der Bezirksverwaltungsbehörde zu beantragen. Ein Anspruch auf Anerkennung der Befugnis zur Eigenjagd in Form eines umfriedeten Eigenjagdgebietes (§7) ist für die kommende Jagdperiode binnen 6 Wochen nach dem 30. Juni des vorletzten Jagdjahres der laufenden Jagdperiode bei der Bezirksverwaltungsbehörde zu beantragen und kann nur für Grundstücke gestellt werden, die zum Zeitpunkt der Antragstellung zu einem anerkannten umfriedeten Eigenjagdgebiet gehören. Der Antrag hat die beanspruchten Vorpachtrechte und eventuelle Abrundungen zu enthalten.

(2) Dem Antrag auf Anerkennung der Befugnis zur Eigenjagd sind beizulegen:

- ein Grundstücksverzeichnis, aus dem alle Grundstücke mit ihrer Bezeichnung und Größe ersichtlich sind,

- Grundbuchsauszüge, die nicht älter als drei Monate sind,

- ein Katasterplan, aus dem die zur Eigenjagd beantragten Grundstücke ersichtlich sind.

(3) Dem Antrag auf Erweiterung eines Eigenjagdgebietes (§6) sind beizulegen:

- ein Grundstücksverzeichnis, aus dem die zusätzlichen Grundstücke mit ihrer Bezeichnung und Größe ersichtlich sind,

- Grundbuchsauszüge, die nicht älter als drei Monate sind,

- ein Katasterplan, aus dem die zusätzlichen, zur Eigenjagd beantragten Grundstücke ersichtlich sind.

(4) Die Landesregierung hat mit Verordnung Drucksorten bzw. Formulare zu bestimmen, die bei der Geltendmachung des Anspruches der Befugnis zur Eigenjagd zu verwenden sind.

(5) Nach Prüfung des Antrages hat die Bezirksverwaltungsbehörde insbesondere auszusprechen,

1. welche (zusätzlichen) Grundstücke als Eigenjagdgebiete anerkannt werden, welches Flächenausmaß die einzelnen Gebiete aufweisen und wem die Befugnis zur Eigenjagd darauf zusteht (Eigenjagdberechtigter),

2. daß die verbleibenden Grundstücke mit der ziffernmäßig anzugebenden Gesamtfläche das Genossenschaftsjagdgebiet bilden,

3. daß bei Eigenjagdgebieten (§6) die Wirksamkeit dieser Feststellung mit Beginn des nächsten Jagdjahres beginnt,

4. daß bei umfriedeten Eigenjagdgebieten (§7) die Wirksamkeit dieser Feststellung für die Dauer der nächsten Jagdperiode gilt.

Die Grundeigentümer können den Antrag auf Anerkennung der Befugnis zur Eigenjagd gemäß § 7 auf einen solchen gemäß § 6 ändern.

(6) Ein Verzicht des Eigenjagdberechtigten auf die anerkannte Eigenjagdbefugnis ist der Behörde mitzuteilen. Diese hat davon die Obmänner der betroffenen Jagdausschüsse zu informieren und die Flächen den jeweiligen Genossenschaftsjagdgebieten mit Bescheid zuzuordnen, in dem nötigenfalls Maßnahmen nach den §§14 und 15 zu treffen sind. Die Wirksamkeit der Zuordnung der Eigenjagdflächen zu den jeweiligen Genossenschaftsjagdgebieten beginnt mit Beginn des nächsten Jagdjahres.

(7) Im Verfahren zur Bildung und Änderung von Jagdgebieten haben neben den Grundeigentümern, die den Antrag gestellt haben, betroffene Eigenjagdberechtigte und Jagdgenossenschaften Parteistellung.

§13

Vereinigung und Zerlegung von Genossenschaftsjagdgebieten

(1) Wenn zwei oder mehrere Jagdausschüsse bis längstens sechs Wochen nach dem 30. Juni des vorletzten Jagdjahres der laufenden Jagdperiode beschließen, daß die benachbarten Genossenschaftsgebiete oder Teile derselben zu einem gemeinschaftlichen Jagdgebiet zu vereinigen sind, so kann die Bezirksverwaltungsbehörde diese Vereinigung dann verfügen, wenn sie im Interesse eines zweckmäßigen einheitlichen Jagdbetriebes gelegen ist.

(2) Umfaßt ein Genossenschaftsjagdgebiet weniger als 115 ha und wird es nicht nach den Bestimmungen des vorhergehenden Absatzes mit einem anderen Genossenschaftsjagdgebiet vereinigt oder gemäß § 14 Abs 4 an einen Eigenjagdberechtigten auf Grund eines diesem zustehenden Vorpachtrechtes verpachtet, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde dieses Genossenschaftsjagdgebiet mit einem benachbarten Genossenschaftsjagdgebiet zu vereinigen, wenn eine solche Vereinigung möglich und mit Rücksicht auf eine zweckmäßige Jagdbewirtschaftung angezeigt ist.

(3) Wenn der Jagdausschuß die Zerlegung eines Genossenschaftsjagdgebietes in mehrere selbständige Genossenschaftsjagdgebiete vor dem in Abs 1 bezeichneten Zeitpunkt beschließt, so kann die Bezirksverwaltungsbehörde diese Zerlegung dann verfügen, wenn sie im Interesse der Jagd- oder der Land- und Forstwirtschaft gelegen und durch die Gestaltung des Geländes gerechtfertigt ist; doch darf die Fläche keines dieser selbständigen Genossenschaftsjagdgebiete weniger als 115 ha betragen.

(4) Durch Gebietsänderungen gemäß § 8 der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl 1000, wird der Umfang der Genossenschaftsjagdgebiete, unbeschadet der Bestimmungen des § 16, nicht berührt. Im Falle der Gebietsänderung gemäß §§9 und 10 der NÖ Gemeindeordnung 1973 bildet das Gebiet jeder solcherart entstandenen neuen Gemeinde, die bisher kein eigenes Genossenschaftsjagdgebiet besaß, mit Beginn der nächsten Jagdperiode ein selbständiges Genossenschaftsjagdgebiet. § 16 gilt sinngemäß.

[…]

§17

Ruhen der Jagd

(1) Die Jagd ruht:

- auf Friedhöfen,

- in Häusern und Gehöften samt den dazu gehörigen, durch Umfriedung vollständig abgeschlossenen Höfen und Hausgärten,

- auf Flächen, auf denen Wild im Sinne des § 3a gehalten wird,

- auf öffentlichen Anlagen.

(2) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat ferner das Ruhen der Jagd auf die Dauer der nächstfolgenden Jagdperiode über Antrag des Jagdausübungsberechtigten oder des Eigentümers für solche Grundstücke zu verfügen, die durch eine schalenwilddichte Umfriedung (Gitter, Zaun, Mauer usw.) dauernd derart umschlossen sind, daß der Zutritt fremden Personen ohne Beschädigung oder Übersetzung der Umfriedung auf einem anderen Wege als durch die an der Umfriedung angebrachten schließbaren Türen und Tore unmöglich ist.

(3) Auf Grundflächen, die durch landesübliche Zäune gegen den Eintritt oder Austritt des Weideviehes verhagt sind, findet die Bestimmung des Abs 2 keine Anwendung.

(4) Auf den in den Abs 1 und 2 bezeichneten Grundstücken dürfen keine Herstellungen angebracht werden, die das etwa einwechselnde Wild hindern, wieder auszuwechseln.

(5) Dem Jagdausübungsberechtigten steht die Befugnis zu, sich das Wild, das sich auf den in den Abs 1 und 2 bezeichneten Grundstücken gefangen hat oder dort gefallen oder verendet ist, sowie etwa dort aufgefundene Abwurfstangen und Eier des Federwildes anzueignen und angeschossenes oder krankes Wild zu töten.

(6) Im Falle eines schädigenden Überhandnehmens von Haarraubwild, Hasen, wilden Kaninchen und Schwarzwild auf Flächen, auf denen die Jagd ruht, kann die Bezirksverwaltungsbehörde den Jagdausübungsberechtigten beauftragen, nach Verständigung des Grundeigentümers unter Bedachtnahme auf die Schonzeiten und die Vorschriften des § 96 dieses Wild zu fangen oder zu erlegen.

[…]

C. Verwaltung der Genossenschaftsjagd

§18

Jagdgenossenschaften

(1) Die Eigentümer jener Grundstücke, welche zu einem nach den Bestimmungen des § 12 Abs 5 Z 2 festgestellten Genossenschaftsjagdgebiete gehören, bilden eine Jagdgenossenschaft. Diese ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zur Ausübung der Jagd auf dem Genossenschaftsjagdgebiet (Genossenschaftsjagd) befugt.

(2) Der Jagdgenossenschaft kommt Rechtspersönlichkeit zu. Die Organe der Jagdgenossenschaft sind der Jagdausschuß und der Obmann des Jagdausschusses.

(3) Die Mitglieder der Jagdgenossenschaft (Abs1) haben Anspruch auf einen angemessenen Pachtschilling.

[…]

D. Ausübung und Nutzung der Genossenschaftsjagd

§25

Arten der Nutzung

(1) Die Genossenschaftsjagd ist mit den aus den §§14 Abs 8, 38 und 42 sich ergebenden Ausnahmen entweder im Wege des freien Übereinkommens oder der öffentlichen Versteigerung ungeteilt zu verpachten.

(2) Die Verpachtung hat für die Dauer der Jagdperiode zu erfolgen.

(3) Den einzelnen Mitgliedern der Jagdgenossenschaft steht in dieser ihrer Eigenschaft die Ausübung der Jagd auf dem Genossenschaftsjagdgebiet nicht zu.

[…]

§37

Aufteilung des Pachtschillings

(1) Der Pachtschilling, einschließlich eines im Sinne des § 15 Abs 4 etwa entrichteten Entgeltes, ist abzüglich der die Jagdgenossenschaft belastenden Kosten (insbesondere des Aufwandersatzes der Gemeinde) auf alle Eigentümer der das Genossenschaftsjagdgebiet bildenden Grundstücke unter Zugrundelegung des Flächenausmaßes der Grundstücke aufzuteilen. Dabei haben jedoch jene Grundstücke außer Betracht zu bleiben, auf denen die Jagd ruht (§17 Abs 1 und 2).

(2) Der auf einen Jagdeinschluß (§14 Abs 3) entfallende Pachtschilling ist nur unter die Eigentümer jener Grundstücke, die den Jagdeinschluß bilden, zu verteilen.

(3) Innerhalb von vier Wochen nach dem jeweiligen Erlag des jährlichen Pachtschillings hat der Jagdausschuß ein unter Mitwirkung der Gemeinde erstelltes Verzeichnis der auf die einzelnen Grundbesitzer nach dem zugrundegelegten Maßstab (Abs1) entfallenden Anteile durch zwei Wochen im Gemeindeamt zur öffentlichen Einsicht aufzulegen. Bagatellbeträge sind zu kennzeichnen. Die Auflegung ist von der Gemeinde kundzumachen.

(4) (entfällt)

(5) Nach Bestimmung der Anteile ist vom Jagdausschuß über die Verwendung des eventuell nicht abgeholten bzw. überwiesenen Pachtschillings ein Beschluß zu fassen. Die vorgesehene Verwendung hat im allgemeinen Interesse der Land- und Forstwirtschaft oder des ländlichen Raumes zu liegen. Ein solcher Beschluß bedarf der Zustimmung von mindestens zwei Drittel der Mitglieder des Jagdausschusses.

(6) Weiters kann der Jagdausschuß nach Bestimmung der Anteile beschließen, daß anstelle von der Gemeinde der Pachtschilling vom Obmann

- ausbezahlt oder

- bei Bekanntgabe der Bankverbindung überwiesen

werden kann. Hinsichtlich der Fristen und der Kundmachung gilt Abs 7 sinngemäß.

(7) Die Gemeinde hat an der Amtstafel kundzumachen, daß die Grundeigentümer ihre Anteile innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Einsichtsfrist gemäß Abs 3 beim Gemeindeamt, bei Vorliegen eines Beschlusses nach Abs 6 beim Obmann des Jagdausschusses, abholen bzw. die Überweisung der Beträge unter Angabe der Bankverbindung verlangen können. Weiters ist in der Kundmachung darauf hinzuweisen, daß allfällige Überweisungsspesen vom Anteil abgezogen, Bagatellbeträge nicht überwiesen und nicht abgeholte bzw. überwiesene Anteile zugunsten des vom Jagdausschuß beschlossenen Verwendungszwecks verwendet werden. Der Verwendungszweck ist ausdrücklich anzuführen.

(8) Nach Ablauf der in Abs 7 genannten Frist sind die nicht abgeholten bzw. nicht überwiesenen Beträge dem vom Jagdausschuß beschlossenen Verwendungszweck zuzuführen.

(9) Der Jagdausschuß hat der Gemeinde für ihren Aufwand eine Pauschalentschädigung zu leisten. Die Pauschalentschädigung ist vom Pachtschilling abzuziehen (Abs1). Die Pauschalentschädigung beträgt 5 % der Höhe des Pachtschillings, mindestens jedoch € 200,–. Dieser Mindestbetrag vermindert oder erhöht sich unter Berücksichtigung der Verbraucherpreise, wobei Schwankungen bis zu 5 % nicht zu berücksichtigen sind. Der so errechnete Betrag ist auf einen vollen Euro-Betrag aufzurunden und von der Landesregierung mit Verordnung festzulegen.

(10) Die Landesregierung hat mit Verordnung die Höhe des Bagatellbetrages unter Berücksichtigung der Buchungskosten festzulegen.

[…]

§42

Genossenschaftsjagdverwalter

(1) Wenn zu Beginn der Jagdperiode eine den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechende Verpachtung der Genossenschaftsjagd nicht erfolgt ist oder ein bestehendes Pachtverhältnis im Laufe der Jagdperiode erlischt oder aufgelöst wird, so ist für die Zeit bis zur Verpachtung ein Genossenschaftsjagdverwalter zur Ausübung der Jagd und zur Betreuung des Genossenschaftsjagdgebietes zu bestellen. Für die durch Gebietsänderungen entstandenen Genossenschaftsjagdgebiete (§13) hat das gemäß § 24 zum Verwalter bestellte Mitglied der Jagdgenossenschaft den Genossenschaftsjagdverwalter zu bestellen.

(2) Ungeachtet der erfolgten Bestellung eines Genossenschaftsjagdverwalters ist binnen drei Monaten die Verpachtung für den Rest der Jagdperiode in die Wege zu leiten.

(3) Kommt eine Verpachtung gemäß Abs 2 nicht zustande, dann ist eine Versteigerung vorzunehmen, sobald angenommen werden kann, daß diese erfolgversprechend ist.

[…]

§60

Jagdprüfung

(1) Die Jagdprüfung ist bei jener Prüfungskommission abzulegen, in deren Wirkungsbereich sich der Wohnsitz (§1 Abs 6 Meldegesetz 1991, BGBlNr 9/1992 i.d.F. BGBl I Nr 161/2013) des Prüfungswerbers befindet. Jene Prüfungswerber, die über keinen Wohnsitz in Niederösterreich oder Wien verfügen, haben die Jagdprüfung an der beim NÖ Landesjagdverband eingerichteten Prüfungskommission abzulegen. Die vor einer unzuständigen Prüfungskommission abgelegte Jagdprüfung ist kein geeigneter Nachweis der jagdlichen Eignung (§58 Abs 3 Z 2).

(2) Der Prüfungswerber muß das 16. Lebensjahr vollendet haben. Prüfungswerber vom vollendeten 16. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr dürfen zur Prüfung nur antreten, wenn sie die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und eine nach den waffenrechtlichen Vorschriften erforderliche Ausnahmebewilligung zum Besitz von Jagdwaffen und Jagdmunition nachweisen.

(3) Für den Wirkungsbereich jeder Bezirksgeschäftsstelle des NÖ Landesjagdverbandes (§125 Abs 4), sowie am Sitz des NÖ Landesjagdverbandes ist vom NÖ Landesjagdverband je eine Prüfungskommission auf die Dauer von sechs Jahren zu bilden. Sie besteht aus dem Vorsitzenden, zwei weiteren Mitgliedern und der erforderlichen Zahl von Ersatzmitgliedern. Die Ersatzmitglieder sind im Falle der Verhinderung des Vorsitzenden oder eines Mitgliedes heranzuziehen. Ist der Vorsitzende verhindert, ist eines der zwei weiteren Mitglieder als Stellvertreter des Vorsitzenden heranzuziehen.

(4) Die Prüfung ist nicht öffentlich; sie besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Der Prüfungswerber hat zunächst im mündlichen Teil der Prüfung die zur ordnungsgemäßen Ausübung der Jagd unerläßlichen Kenntnisse in folgenden Prüfungsgegenständen nachzuweisen:

1. die für die Ausübung der Jagd maßgebenden Rechtsvorschriften einschließlich der grundlegenden Bestimmungen des Natur-, Tier- und Umweltschutzrechtes, Forstrechtes sowie des Waffenrechtes,

2. Handhabung, Wirkung und Behandlung der jagdlich gebräuchlichen Waffen und Munition sowie die hiebei zu beobachtenden Vorsichtsmaßregeln,

3. Erkennungsmerkmale und Lebensweise des wichtigsten heimischen Wildes,

4. Jagdbetrieb und Wildhege sowie der Wechselwirkungen zwischen dem Wild und seiner Umwelt,

5. der wichtigsten Jagdfachausdrücke und Jagdgebräuche,

6. Jagdhundehaltung und Jagdhundeführung,

7. Behandlung des erlegten Wildes und Wildfleischhygiene,

8. der wichtigsten zum Zwecke der ersten Hilfeleistung bei jagdlichen Unfällen zu ergreifenden Maßnahmen.

(5) Im praktischen Teil der Prüfung hat der Prüfungswerber an Hand von Waffen und von Munition, die üblicherweise bei der Jagd verwendet werden, nachzuweisen, daß er mit deren Handhabung hinreichend vertraut ist und ein Mindestmaß an Schießfertigkeit besitzt. Die praktische Prüfung im Schießen ist erst nach bestandenem mündlichen Teil der Prüfung und grundsätzlich auf einer Schießstätte des NÖ Landesjagdverbandes vorzunehmen. Steht eine derartige Schießstätte in angemessener Entfernung vom Sitz der Prüfungskommission nicht zur Verfügung, so ist die praktische Prüfung im Schießen auf der nächst gelegenen behördlich genehmigten Schießstätte vorzunehmen.

(6) Das Prüfungsergebnis hat auf 'geeignet' oder 'nicht geeignet' zu lauten. Es ist vom Vorsitzenden dem Prüfungswerber mündlich mitzuteilen und schriftlich zu bescheinigen. Für den die Eignung des Prüfungswerbers feststellenden Beschluß ist Stimmenmehrheit erforderlich.

(7) Die Prüfung ist vor jener Prüfungskommission zu wiederholen, welche die Nichteignung ausgesprochen hat. Jede Wiederholungsprüfung hat den gesamten im Abs 4 angeführten Prüfungsstoff zu umfassen, wenn der Prüfungswerber im mündlichen Teil der Prüfung nicht entsprochen hat. Hat der Prüfungswerber nur im praktischen Teil der Prüfung nicht entsprochen, dann hat sich die Wiederholungsprüfung nur auf diesen Teil zu beschränken. Jede Wiederholung einer Prüfung ist frühestens nach drei Monaten zulässig.

(8) Ein Prüfungswerber darf nur zur Prüfung antreten, wenn er die in der NÖ Landesverwaltungsabgabenverordnung 2001, LGBl 3800/1, festgesetzte Verwaltungsabgabe an den NÖ Landesjagdverband entrichtet hat. Die Gebühr verbleibt dem NÖ Landesjagdverband zur Deckung seines Aufwandes (Abs9).

(9) Sämtlichen Mitgliedern der Prüfungskommission ist für jeden geprüften Prüfungswerber eine Entschädigung, die von der Landesregierung mit Verordnung festgesetzt wird und den Betrag von € 15,– nicht überschreiten darf, zu leisten und sind die ihnen erwachsenen Barauslagen zu ersetzen.

(10) Die näheren Vorschriften über den Vorgang bei der Abnahme der Prüfung und die hiebei zu verwendenden Drucksorten werden durch Verordnung der Landesregierung getroffen.

[…]

V. Vorschriften für die Jagdbetriebsführung, jagdliche Verbote

§80

Abschußplan

(1) Der Abschußplan hat zu enthalten:

1. die Gesamtfläche des Jagdgebietes und dessen Gliederung nach Benützungsarten,

2. die Wildschadenssituation im Jagdgebiet (insbesondere Anzahl der bekanntgewordenen Wildschäden, Ausmaß der geschädigten Flächen und deren Kulturgattung, schädigende Wildart),

3. den durchgeführten Abschuß der letzten 3 Jahre und das Fallwild, dies kann entfallen, wenn ein Wechsel beim Jagdausübungsberechtigten eingetreten ist,

4. den Antrag für den im laufenden und den zwei darauf folgenden Jagdjahren durchzuführenden Abschuß,

5. eine Aufgliederung des zum Abschuß beantragten Schalenwildes in männliche und weibliche Stücke, ausgenommen die im Lauf des Jahres gesetzten Kälber, Kitze und Lämmer (Nachwuchsstücke),

6. eine Unterteilung der trophäentragenden Wildstücke mit Ausnahme der Gamskitze und Muffelschafe in Altersklassen,

7. für Auer- und Birkhahnen die Anzahl der im Jagdgebiet vorhandenen und zum Abschuß beantragten Stücke.

Der Abschußplan gemäß den Z 5 und 6 ist unter Berücksichtigung des Wildstandes und der Geschlechterverhältnisse gleichmäßig auf alle drei Jahre zu verteilen.

(2) Der revierübergreifende Abschußplan hat zu enthalten:

1. die Angaben nach Abs 1 Z 1 bis 3, 5 und 6,

2. den Antrag für den im laufenden Jagdjahr durchzuführenden Abschuß;

3. die Bezeichnungen der angrenzenden Jagdgebiete, auf die sich der revierübergreifende Abschuß beziehen soll.

[…]

§83

Rechtswirkungen der Abschußverfügung, Ausnahmen

(1) Der Abschuß von Auer- und Birkhahnen sowie von Schalenwild, mit Ausnahme des Schwarzwildes, ist nur aufgrund einer von der Bezirksverwaltungsbehörde getroffenen Abschußverfügung zulässig.

(2) Der Abschuß hat sich im allgemeinen auf alle Revierteile zu erstrecken, auf denen das zum Abschuß bestimmte Wild vorkommt. Er kann sich aber auch auf einzelne Revierteile konzentrieren, wenn dies im Interesse der Land- und Forstwirtschaft oder der Jagdwirtschaft zur Vermeidung von Wildschäden notwendig erscheint.

(3) Der Jagdausübungsberechtigte hat den Abschuß jährlich zu erfüllen. Jede Unterschreitung des verfügten Abschusses ist in der Abschußliste zu begründen. Vom verfügten Abschuß kann, außer bei einer Verfügung nach § 81 Abs 6, in folgender Weise abgewichen werden:

1. Bei

- weiblichem Wild (ausgenommen Gamsgeißen),

- Nachwuchsstücken und

- noch nicht zweijährigen Stücken trophäentragender Wildarten

kann der Abschuß über die in der Abschußverfügung festgesetzte Anzahl hinausgehen.

2. Bei Trophäenträgern kann anstelle des Abschusses in einer älteren Altersklasse der Abschuß in der jüngsten Altersklasse erfolgen.

Der Jagdausübungsberechtigte kann nur dann gemäß Z 1 abweichen, wenn zumindest ein Stück der jeweiligen Altersklasse oder des jeweiligen Geschlechts verfügt ist. Weicht der Jagdausübungsberechtigte bei Trophäenträgern ab, ist die zeitliche Reihenfolge der Abschüsse dabei unbeachtlich.

(4) Auf die Abschußverfügung ist jedes im Jagdgebiet erlegte oder gefallene Wildstück anzurechnen. Angeschossenes Wild, das in einem fremden Jagdgebiet zur Strecke gekommen ist, ist auf die Abschußverfügung für jenes Jagdgebiet anzurechnen, dessen Jagdausübungsberechtigten das Wildstück, bei Trophäenträgern die Trophäe zufällt.

(5) Wild, das infolge einer Verletzung Qualen oder einem Siechtum ausgesetzt oder das seuchenkrank oder seuchenverdächtig ist, kann über die Abschußverfügung hinaus abgeschossen werden. Die Erlegung ist unverzüglich nach dem Abschuß durch Anführung der hiefür maßgebenden Gründe der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen. Für Wildstücke, die wegen einer Verletzung erlegt werden mußten, ist eine Bestätigung eines Tierarztes über die Art und die Ursache der Verletzung der Anzeige anzuschließen.

(6) Als seuchenkrank oder seuchenverdächtig abgeschossene Wildstücke sind sofort an eine staatliche Untersuchungsanstalt für Tierseuchen einzuschicken, der Befund ist der Bezirksverwaltungsbehörde vorzulegen.

(7) Auf das in umfriedeten Eigenjagdgebieten gehaltene Schalenwild finden die Abs 1 bis 5 keine Anwendung.

[…]

§87

Wildfütterung

(1) Kirrfütterung (Kirrung) ist das punktuelle Anlocken von Wild außerhalb von Fütterungen durch Vorlage geringer Mengen artgerechter Futtermittel, um das Wild zu beobachten oder zu erlegen.

(2) Ablenkungsfütterung ist die Fütterung von Wild mit artgerechten und attraktiven Futtermitteln zur Vermeidung von Wildschäden. Bei einer Ablenkungsfütterung darf das Wild weder beunruhigt noch bejagt werden.

(3) Schalenwild, ausgenommen Schwarzwild, ist während einer Notzeit und während des Vegetationsbeginnes in artgerechter Weise zu füttern, soweit dies

- zur Vermeidung von Wildschäden oder

- zur Ergänzung der natürlichen Äsung

erforderlich ist. Die Fütterung außerhalb einer Notzeit und des Vegetationsbeginnes ist nur in umfriedeten Eigenjagdgebieten erlaubt.

(4) Die Fütterung von Rotwild innerhalb einer Entfernung von 200 m von der Grenze eines Jagdgebietes bedarf der Bewilligung durch die Bezirksverwaltungsbehörde. Die Bezirksverwaltungsbehörde kann die Bewilligung erteilen, wenn

- die Fütterung sonst nicht durchgeführt werden kann und

- für die Nachbarreviere daraus keine Nachteile zu erwarten sind.

Die Genehmigung ist zeitlich zu befristen.

(5) Die Errichtung von Futterstellen für Rotwild ist der Bezirksverwaltungsbehörde acht Wochen vorher anzuzeigen. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat innerhalb dieser Frist die Errichtung zu verbieten, wenn dadurch Gefahren für land- und forstwirtschaftliche Kulturen zu erwarten sind. Die Entfernung der Futterstellen für Rotwild ist der Bezirksverwaltungsbehörde spätestens vier Wochen vorher, längstens jedoch bis 30. Juni, anzuzeigen. Die Behörde hat die Entfernung, erforderlichenfalls unter Vorschreibung von Bedingungen und Auflagen zu untersagen, wenn die Voraussetzungen des Abs 3 weiterhin vorliegen.

(6) Die Fütterung von Schwarzwild ist mit Ausnahme der Ablenkungsfütterung in der Zeit vom 1. März bis 31. Oktober, der Kirrfütterung und der Fütterung in umfriedeten Eigenjagdgebieten verboten. Ablenkungsfütterungen von Schwarzwild müssen technisch so ausgestaltet sein, daß vorgelegte Futtermittel von anderen Schalenwildarten nicht aufgenommen werden können.

(7) Die Kirrfütterung (Kirrung) von Schalenwild ist verboten. Ausgenommen davon ist die Kirrung von:

- Schwarzwild,

- Rotwild in Jagdgebieten, in denen eine ordnungsgemäße Rotwildfütterung (§87 Abs 3) betrieben wird,

- Rotwild in Jagdgebieten, die sich an einer ordnungsgemäßen Rotwildfütterung (§87 Abs 3) beteiligen.

(8) Die Bezirksverwaltungsbehörde kann die Entfernung von Fütterungen jeder Art verfügen, wenn sie Bestimmungen dieses Gesetzes oder einer dazu erlassenen Verordnung widersprechen.

[…]

§88

Jagdeinrichtungen, Benützung nicht öffentlicher Wege, Einsprünge

(1) Dem Jagdausübungsberechtigten ist die Errichtung von Anlagen für den Jagdbetrieb (Wildzäune, Jagdhütten, ständige Ansitze, Futterstellen, Jagdsteige u. dgl.) nur mit Zustimmung des Grundeigentümers gestattet. Die Bezirksverwaltungsbehörde kann jedoch auch ohne diese Zustimmung die Bewilligung zur Errichtung notwendiger Jagdeinrichtungen unbeschadet der nach anderen gesetzlichen Vorschriften etwa sonst noch erforderlichen Genehmigungen dann erteilen, wenn dem Grundeigentümer der Sachlage nach die Duldung der Anlage zugemutet werden kann. Der Grundeigentümer hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, die von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bemessen ist. Die auf Grund einer behördlichen Bewilligung errichteten Anlagen für den Jagdbetrieb sind, soweit dem nicht eine zivilrechtliche Vereinbarung entgegensteht, dem Jagdnachfolger auf sein Verlangen gegen angemessene Entschädigung zu überlassen.

(2) Die Benützung nicht öffentlicher Wege mit Fahrzeugen zum Zwecke der Wildbringung und der Wildfütterung ist insoweit gestattet, als zur Erreichung dieser Zwecke nicht öffentliche Wege in Anspruch genommen werden können. Der Inhaber des nicht öffentlichen Weges kann für Schäden, die vom Jagdausübungsberechtigten oder den von ihm in seinem Jagdbetrieb verwendeten oder zugelassenen Personen verursacht werden, eine angemessene Entschädigung beanspruchen, die im Streitfall von der Bezirksverwaltungsbehörde festzusetzen ist.

(3) Vorrichtungen, die einwechselndes Wild behindern, an jenen Stellen, wo es eingewechselt ist, wieder auszuwechseln (Einsprünge), dürfen nicht errichtet werden, sofern sie nicht für den Betrieb eines Rotwildwintergatters erforderlich sind.

(4) Ohne Bewilligung des Jagdausübungsberechtigten dürfen jagdfremde Personen Jagdeinrichtungen nicht benützen.

(5) (entfällt)

[…]

§99

Abhalten und Vertreiben des Wildes von Kulturflächen

(1) Jeder Grundbesitzer ist berechtigt, das seine Kulturen gefährdende oder schädigende Wild von diesen abzuhalten und zu diesem Zweck Zäune oder andere Umfriedungen zu errichten (Flächenschutz).

(2) Mit Zustimmung des Grundbesitzers oder aufgrund behördlichen Auftrages nach Abs 4 ist der Jagdausübungsberechtigte berechtigt, Schutzmaßnahmen nach Abs 1 sowie einen Einzelpflanzenschutz durch geeignete mechanische oder chemische Schutzmittel durchzuführen. Der Jagdausübungsberechtigte bleibt für Wildschäden, die trotz der von ihm zum Abhalten des Wildes getroffenen Vorkehrungen entstanden sind, ersatzpflichtig, wenn er nicht beweist, daß der Zweck seiner Vorkehrungen durch ein Verschulden des Geschädigten vereitelt worden ist. Verweigert der Grundbesitzer die Zustimmung zur Herstellung solcher Schutzmaßnahmen, obwohl sie zumutbar sind (Abs5), dann verliert er insoweit seinen Anspruch auf Ersatz von Wildschäden.

(3) Eine Verpflichtung zu Vorkehrungen nach Abs 1 und 2 besteht für den Grundeigentümer oder für den Jagdausübungsberechtigten nur nach Maßgabe einer vertraglichen Verbindlichkeit und für den Jagdausübungsberechtigten nach Maßgabe des Abs 4.

(4) Liegt eine Gefährdung von Wald (§100 Abs 2) vor und läßt sie sich durch Verminderung einer Wildart nicht rechtzeitig abwenden, hat die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Grundbesitzers, der Jagdgenossenschaft, der Bezirksbauernkammer, des Leiters des Forstaufsichtsdienstes oder von Amts wegen nach Anhörung des Bezirksjagdbeirates den Jagdausübungsberechtigten zu verhalten, die notwendigen Schutzmaßnahmen zur Vermeidung der Waldgefährdung vorzukehren.

(5) Die Schutzmaßnahmen sind so durchzuführen, daß sie den Grundbesitzer in der Bewirtschaftung und Benützung seines Grundes nicht unzumutbar behindern oder Pflanzen nicht schädigen sowie die Bodenfruchtbarkeit nicht beeinträchtigen. Sie dürfen nicht zum Fangen des Wildes geeignet sein, das Wild nicht verletzen oder an Gewässern zu keiner Gefährdung von Wild bei Hochwasser führen.

(6) Der Jagdausübungsberechtigte, der für einen Flächenschutz (Abs1) zu sorgen verpflichtet wurde, kann die ihm daraus entstandenen Kosten oder den Kostenersatz dem Jagdnachfolger anteilsmäßig aufrechnen. Der Berechnung der Anteile sind die notwendige Dauer und die Haltbarkeit des errichteten Flächenschutzes zugrunde zu legen.

(7) Jedermann ist befugt, jagdbares Haarwild und jagdbares Federwild außerhalb der Brut-, Nist- und Aufzuchtszeit von seinen Grundstücken durch hiezu bestimmte Personen, durch Klappern, Aufstellen von Wildscheuchen, Nachtfeuer und sonstige geeignete Vorkehrungen, jedoch nicht unter Benützung freilaufender Hunde, fernzuhalten und daraus zu vertreiben. Im Weingartengebiet ist der Hüter berechtigt, jagdbares Haarwild und jagdbares Federwild außerhalb der Brut-, Nist- und Aufzuchtszeit auch durch blinde Schreckschüsse zu verscheuchen; zur Ausübung der Jagd geeignete Waffen dürfen hiezu nicht verwendet werden. Die Benützung von Hunden ist nur dem Jagdausübungsberechtigten zum Zwecke des Austreibens von Rot- oder Schwarzwild aus Kulturflächen gestattet.

(8) Sollte sich beim Verscheuchen das flüchtende Wild verletzen oder zugrunde gehen, so erwächst dem Jagdausübungsberechtigten daraus kein Anspruch auf Ersatz.

(9) Zäune und Umfriedungen, die als Schutzmaßnahmen nicht oder nicht mehr erforderlich sind, sind unverzüglich zu entfernen, sofern sie nicht auf Grund anderer rechtlicher Vorschriften, insbesondere im Sinne des § 3a, zulässig sind.

[…]

B. Schadenersatzpflicht

§101

Haftung für Jagd- und Wildschäden

(1) Der Jagdausübungsberechtigte ist verpflichtet, in seinem Jagdgebiet den an Grund und Boden, an den land- und forstwirtschaftlichen Kulturen oder an deren noch nicht eingebrachten Erzeugnissen,

1. bei Ausübung der Jagd von ihm selbst, von seinen Jagdgästen, Jagdaufsehern und Treibern sowie durch die Jagdhunde dieser Personen verursachten Schaden (Jagdschaden),

2. vom Wild verursachten Schaden (Wildschaden), soferne dieser nicht auf Grundstücken eingetreten ist, auf denen die Jagd gemäß § 17 Abs 1 und 2 ruht,

nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu ersetzen.

(2) Zum Schadenersatz ist derjenige verpflichtet, der zur Zeit der Entstehung des Schadens jagdausübungsberechtigt war. Mitglieder einer Jagdgesellschaft haften zur ungeteilten Hand.

(3) Wenn der Geschädigte die vom Jagdausübungsberechtigten zur Abwehr von Wildschäden rechtmäßig getroffenen Schutzmaßnahmen (§99 Abs 2) unwirksam macht, dann verliert er seinen Anspruch auf Ersatz von Wildschäden."

Nach Art 1 Abs 1 iVm der Anlage zum Übereinkommen zum Schutz der Alpen (Alpenkonvention), BGBl 477/1995, fällt – im Gegensatz zu Frankreich und Deutschland, auf welche sich die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Chassagnou ua. gegen Frankreich (Urteil vom , Appl. Nr 25.088/94, 28.331/95 und 28.443/95) und Herrmann gegen Deutschland (Urteil vom , Appl. Nr 9300/07) beziehen – ein Großteil des Bundesgebietes Österreichs und insbesondere rund ein Drittel des Bundeslandes Niederösterreich in den Anwendungsbereich der Alpenkonvention.

Das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Berglandwirtschaft, BGBl III 231/2002 idF 115/2005, lautet auszugsweise wie folgt:

"Artikel 13

Land- und Forstwirtschaft als Einheit

Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass eine ganzheitliche Konzeption von Land- und Forstwirtschaft auf Grund ihrer sich ergänzenden und zum Teil voneinander abhängigen Funktionen in den Berggebieten erforderlich ist. Sie setzen sich deshalb dafür ein, dass

a) die naturgemäße Waldbewirtschaftung sowohl als zusätzliche Einkommensgrundlage der landwirtschaftlichen Betriebe als auch als Nebenerwerbstätigkeit der in der Landwirtschaft Beschäftigten gefördert wird;

b) den Schutz-, Nutz- und Erholungsfunktionen sowie den ökologischen und biogenetischen Funktionen des Waldes in einem standortgemäßen, landschaftlich ausgewogenen Verhältnis zu den landwirtschaftlich genutzten Flächen Rechnung getragen wird;

c) die Weidewirtschaft und der Wildbestand durch geeignete Maßnahmen so geregelt werden, dass nicht tragbare Schäden im Wald sowie auf landwirtschaftlichen Nutzflächen vermieden werden."

Das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bergwald, BGBl III 233/2002 idF 112/2005, lautet auszugsweise wie folgt:

"Artikel 2

Berücksichtigung der Ziele in den anderen Politiken

Die Vertragsparteien verpflichten sich, die Ziele dieses Protokolls auch in ihren anderen Politiken zu berücksichtigen. Dies gilt vor allem für folgende Bereiche:

a) Luftschadstoffbelastungen – Luftschadstoffbelastungen werden schrittweise auf jenes Maß reduziert, welches für die Waldökosysteme nicht schädlich ist. Dies gilt auch für Belastungen durch grenzüberschreitende Luftschadstoffe.

b) Schalenwildbestand – Schalenwildbestände werden auf jenes Maß begrenzt, welches eine natürliche Verjüngung standortgerechter Bergwälder ohne besondere Schutzmaßnahmen ermöglicht. Für grenznahe Gebiete verpflichten sich die Vertragsparteien, ihre Maßnahmen zur Regulierung der Wildbestände aufeinander abzustimmen. Zur Wiederherstellung eines natürlichen Selektionsdrucks auf die Schalenwildarten sowie im Interesse des Naturschutzes befürworten die Vertragsparteien eine mit den Gesamtbedürfnissen der Region abgestimmte Wiedereinbürgerung von Beutegreifern.

c) Waldweide – Die Erhaltung eines funktionsfähigen Bergwalds hat Vorrang vor der Waldweide. Die Waldweide wird daher soweit eingeschränkt oder erforderlichenfalls gänzlich abgelöst, dass die Verjüngung standortgerechter Wälder möglich ist,

Bodenschäden vermieden werden und vor allem die Schutzfunktion

des Waldes erhalten bleibt.

d) Erholungsnutzung – Die Inanspruchnahme des Bergwalds für Erholungszwecke wird soweit gelenkt und notfalls eingeschränkt, dass die Erhaltung und Verjüngung von Bergwäldern nicht gefährdet werden. Dabei sind die Bedürfnisse der Waldökosysteme zu berücksichtigen.

e) Waldwirtschaftliche Nutzung – Im Hinblick auf die Bedeutung einer nachhaltig ausgeübten Holznutzung für die Volkswirtschaft und die Waldpflege fördern die Vertragsparteien den verstärkten Einsatz von Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern.

f) Waldbrandgefahr – Die Vertragsparteien tragen der Waldbrandgefahr durch angemessene Vorsorgemaßnahmen und wirksame Brandbekämpfung Rechnung.

g) Fachpersonal – Da ein naturnaher und auf die Erfüllung aller Waldfunktionen ausgerichteter Waldbau ohne entsprechendes qualifiziertes Personal nicht möglich ist, verpflichten sich die Vertragsparteien, für ausreichendes und fachkundiges Personal Sorge zu tragen."

III.Erwägungen

1.Die – zulässigen, in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 Abs 1 VfGG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen – Beschwerden sind nicht begründet.

2.Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in den Fällen Chassagnou ua. gegen Frankreich (Urteil vom , Appl. Nr 25.088/94, 28.331/95 und 28.443/95), Schneider gegen Luxemburg (Urteil vom , Appl. Nr 2113/04) und Herrmann gegen Deutschland (Urteil vom , Appl. Nr 9300/07) im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die ethischen Überzeugungen des Grundeigentümers berücksichtigt und festgehalten, dass die Verpflichtung eines Grundeigentümers zur Duldung einer von ihm ethisch abgelehnten Tätigkeit geeignet ist, den zwischen dem Schutz des Eigentumsrechts und den Erfordernissen des Allgemeininteresses herbeizuführenden gerechten Ausgleich zu stören und dem betroffenen Grundeigentümer eine unverhältnismäßige Last aufzubürden, die mit Art 1 1. ZPEMRK unvereinbar ist (vgl. Fall Herrmann gegen Deutschland, Urteil vom , Appl. Nr 9300/07, Rz 80).

3.Der Verfassungsgerichtshof hat ausgehend von dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte das System der zwangsweisen Bejagung von Grundstücken nach dem Kärntner Jagdgesetz 2000 (K-JG) geprüft. Im Erkenntnis vom , G7/2016, kam der Verfassungsgerichtshof wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung zum Schluss, dass es sich bei den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen um Eigentumsbeschränkungen handelt. Im Zuge der Verhältnismäßigkeitsprüfung sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht auf die in Kärnten herrschende Situation übertragbar sei, die Bedenken des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dort nicht zuträfen und somit kein Verstoß gegen die Freiheit des Eigentums vorliege. Dies aus folgenden Gründen:

3.1.In Österreich ist die Schalenwilddichte und Diversität im europäischen Vergleich am höchsten. Die durchschnittlich anzunehmenden 15 Stück Schalenwild auf 100 ha hinterlassen deutliche Spuren im Waldbewuchs, insbesondere durch Verbiss und Schälung.

3.2.Die durch den Jagddruck und die Fütterung erreichte Wildlenkung wirkt –insbesondere in alpinen Lagen – einem unkontrollierten Wildwechsel über Verkehrsflächen und der damit einhergehenden Unfallgefahr entgegen.

3.3.Der Wildeinfluss verursacht in den österreichischen Wäldern einen jährlichen Schaden von etwa 70 Millionen Euro. Schon aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es daher notwendig, die Wildbestände grundsätzlich zu kontrollieren und zu reduzieren.

In alpinen biogeographischen Regionen besteht zudem wegen der dort vorherrschenden Gefährdung des Standorts durch die abtragenden Kräfte (Erosion) und die Schutzfunktion des Waldes ein besonderes öffentliches Interesse am Schutz des Waldes vor Wildschäden. Um Wild aus Gebieten fernzuhalten, die besonders von Schäden betroffen sind, bedarf es der Ausübung eines permanenten Jagddruckes.

3.4.Nach den Protokollen zur Durchführung der Alpenkonvention im Bereich Berglandwirtschaft, BGBl III 231/2002, (Protokoll "Berglandwirtschaft") und zur Durchführung der Alpenkonvention im Bereich Bergwald, BGBl III 233/2002, (Protokoll "Bergwald") ist die Republik Österreich völkerrechtlich verpflichtet, den Wildbestand durch geeignete Maßnahmen so zu regeln, dass nicht tragbare Schäden im Wald sowie auf landwirtschaftlichen Nutzflächen vermieden werden (Art13 litc Protokoll "Berglandwirtschaft") und Schalenwildbestände auf jenes Maß zu begrenzen, welches eine natürliche Verjüngung standortgerechter Bergwälder ohne besondere Schutzmaßnahmen ermöglicht (Art2 litb Protokoll "Bergwald").

3.5.In Kärnten wird das spezifische Interesse an einer flächendeckenden Jagdbewirtschaftung durch die alpine Topographie besonders deutlich und findet eine besondere Ausprägung in der wildökologischen Raumplanung gemäß §§55a ff. K-JG.

3.6.In Österreich – speziell in Kärnten – besteht ein spezifisches Interesse an einem geordneten Jagdbetrieb. Das K-JG verfolgt ausdrücklich die öffentlichen Interessen an der Erhaltung der günstigen Wirkungen des Waldes, eines artenreichen und gesunden Wildbestandes, eines ausgewogenen Naturhaushalts, der Erfordernisse der Land- und Forstwirtschaft und der wildökologischen Raumplanung. Die Jagdausübung umfasst dabei auch die Hege, also die Betreuung des Wildes, die Sicherung der Lebensgrundlage und das Entgegenwirken aller diesbezüglichen Störungen (§3 Abs 1 K-JG). Die Jagdausübung ist dabei nicht primär Freizeitbeschäftigung von Privatpersonen, sondern wird vielmehr von Personen ausgeübt, die unter Strafdrohung verpflichtet werden, Abschusspläne einzuhalten und andere begleitende Maßnahmen zu ergreifen, um ein wildökologisches Gleichgewicht aufrecht zu erhalten, das dem öffentlichen Interesse dient.

3.7.In Österreich – speziell in Kärnten – besteht folglich ein besonderes öffentliches Interesse an einer flächendeckenden Jagdbewirtschaftung. Das K-JG ist grundsätzlich landesweit anwendbar und sieht keine Ausnahmen für bestimmte Personen(-gruppen) oder staatliche Einrichtungen vor. Auch die Eigentümer größerer Grundstücke müssen die Jagdausübung dulden, sofern sie sie nicht selbst ausüben.

4.Diese Grundsätze können auf das Nö JagdG 1974 übertragen werden.

4.1.Das Eigentumsrecht ist nach Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK verfassungsrechtlich geschützt. Diese Eigentumsgarantie umfasst alle privatrechtlichen Vermögenspositionen (vgl. VfSlg 15.129/1998 mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. dazu VfSlg 6780/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg 12.227/1989, 15.367/1998, 15.771/2000) gilt der erste Satz des Art 5 StGG auch für Eigentumsbeschränkungen. Der Gesetzgeber kann aber angesichts des in Art 1 1. ZPEMRK enthaltenen Gesetzesvorbehalts Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (vgl. VfSlg 9189/1981, 10.981/1986 und 15.577/1999), soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. zB VfSlg 9911/1983, 14.535/1996, 15.577/1999 und 17.071/2003) und nicht unverhältnismäßig ist (vgl. etwa VfSlg 13.587/1993, 14.500/1996, 14.679/1996, 15.367/1998 und 15.753/2000).

4.2.Die dem Eigentümer eines Grundstückes gesetzlich auferlegte Verpflichtung zur Duldung der Ausübung der Jagd stellt eine Nutzungsregelung iSd Art 1 Abs 2 1. ZPEMRK dar (vgl. Fall Herrmann gegen Deutschland, Urteil vom , Appl. Nr 9300/07, Rz 72). Solche Nutzungsregelungen sind hoheitliche Maßnahmen, die einen bestimmten Gebrauch des Eigentums gebieten oder untersagen (Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6, 2016, 605 Rz 14); dies grundsätzlich unabhängig davon, ob die Maßnahme mit den ethischen Überzeugungen des Grundeigentümers vereinbar ist.

4.3.Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in den Fällen Chassagnou u.a. gegen Frankreich (Urteil vom , Appl. Nr 25.088/94, 28.331/95 und 28.443/95), Schneider gegen Luxemburg (Urteil vom , Appl. Nr 2113/04) und Herrmann gegen Deutschland (Urteil vom , Appl. Nr 9300/07) und des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis vom , G7/2016, handelt es sich bei den diese Duldungspflicht festlegenden Bestimmungen des Nö JagdG 1974 (§§4 Abs 2 Z 2, 10 Abs 1 und 18 Abs 1) um Eigentumsbeschränkungen, die einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in den von Art 1 Abs 1 1. ZPEMRK erfassten Schutzbereich darstellen: Alle im Bereich einer Gemeinde gelegenen Grundstücke, die nicht als Eigenjagdgebiet anerkannt sind, bilden das Genossenschaftsjagdgebiet. Die Jagdberechtigung in Genossenschaftsjagdgebieten steht der Jagdgenossenschaft, einer juristischen Person, der alle Eigentümer der betreffenden Grundstücke angehören, zu. Ein Eigentümer von Grundstücken im Genossenschaftsjagdgebiet ist somit grundsätzlich gezwungen, die Jagdausübung auf seinen Grundstücken durch dritte Personen zu dulden.

4.4.Diese Eigentumsbeschränkungen erweisen sich als gerechtfertigt: Die entsprechenden eigentumsbeschränkenden Bestimmungen des Nö JagdG 1974 verfolgen jene öffentlichen Interessen, welche der Verfassungsgerichtshof schon im Erkenntnis vom , G7/2016, für ganz Österreich festgestellt hat. Nach den Ergebnissen der Beschwerdeverfahren liegt in Niederösterreich eine mit Kärnten vergleichbare Situation vor. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung können die zur dortigen Rechtslage angestellten Überlegungen teilweise übertragen werden, teilweise sind aber im Vergleich zu Kärnten auch andere Gesichtspunkte für Niederösterreich maßgebend:

4.4.1.Die Beschwerdeführer anerkennen ausdrücklich die öffentlichen Interessen der Biodiversität, des Artenreichtums und der Vermeidung von Wildschäden. Die Beschwerdeführer erachten aber die Jagd als Störung des natürlichen Wirkungsgefüges der Ökosysteme, der kein öffentliches Interesse zukommt. Die Jagd stelle auch kein geeignetes oder erforderliches Mittel dar, Wildschäden hintanzuhalten.

Wenn der niederösterreichische Landesgesetzgeber die – unzweifelhaft im öffentlichen Interesse gelegenen – Ziele der Biodiversität, des Artenreichtums und der Vermeidung von Wildschäden durch eine flächendeckende Jagdbewirtschaftung (vgl. Pkt. 3.7.) zu erreichen sucht, kann der Verfassungsgerichtshof dem nicht entgegentreten. Durch das Nö JagdG 1974 wird ein System der Wildbewirtschaftung geschaffen, um einen artenreichen, ausgewogenen und gesunden Wildbestand unter Rücksichtnahme auf land- und forstwirtschaftliche Interessen zu erreichen (§2 Abs 1 Nö JagdG 1974). Die jagdgebietsbezogene Organisation der Jagdbewirtschaftung bezweckt, eine auf Grund der Bindung des Jagdrechtes an das Grundeigentum mögliche unkontrollierte Jagd jedes Grundeigentümers auf seinen Grundstücken zu vermeiden und eine systematische Jagdausübung unter Berücksichtigung der Größe der Wildtierlebensräume sicherzustellen. Dies setzt eine flächendeckende Jagdbewirtschaftung in großflächigen Planungsräumen (vgl. Pkt. 3.5.) voraus. Durch eine Herausnahme einzelner Grundflächen würde das System der Wildbewirtschaftung in seiner praktischen Effektivität gefährdet, wie dies die vom Verfassungsgerichtshof zur mündlichen Verhandlung geladenen Auskunftspersonen für das Gebiet der Wildbiologie und für das Gebiet der Forstwirtschaft und des Wildeinflusses deutlich gemacht haben.

Die flächendeckende Jagdbewirtschaftung soll außerdem gewährleisten, dass angeschossenes und krankes Wild zuverlässig durch den dazu berufenen und ausgebildeten Jagdausübungsberechtigten erlegt wird, was den öffentlichen Interessen der Weidgerechtigkeit (dem "jagdlichen Tierschutz") sowie der Seuchenvermeidung und Seuchenprävention dient (vgl. Pkt. 3.6.). Schließlich soll das Wild mit Lenkungseffekten durch Bejagung und Fütterung von wildschadensanfälligen Kulturen (zB Schutzwäldern) und Verkehrsflächen ferngehalten werden, um Wildschäden und Unfälle auf Grund von Wildwechsel hintanzuhalten (vgl. Pkt. 3.2. und 3.3.).

4.4.2.Die Beschwerdeführer bestreiten die Eignung der Jagd, die angestrebten öffentlichen Interessen zu erreichen oder wenigstens zu fördern. Die Jagd beeinflusse das natürliche Wirkungsgefüge der Ökosysteme und verursache Störungen der Artenvielfalt und Wildschäden.

Wildtiere haben auf Grund ihrer natürlichen Nahrungsaufnahme Auswirkungen auf die mit der Nutzung von Naturressourcen verbundenen Wirtschaftsformen, insbesondere der Land- und Forstwirtschaft, wie aus den Ausführungen des Amtssachverständigen in der Stellungnahme der Niederösterreichischen Landesregierung und der vom Verfassungsgerichtshof zur mündlichen Verhandlung geladenen Auskunftsperson für das Gebiet der Forstwirtschaft und des Wildeinflusses deutlich wird. Das ökologische Gefüge in einer Kulturlandschaft wird durch eine maßvolle Entnahme von Wildtieren im Wege der Bejagung beeinflusst.

Das System der Jagdbewirtschaftung nach dem Nö JagdG 1974 ist grundsätzlich geeignet, auf den Wildbestand einzuwirken und zur Artenvielfalt beizutragen: Die flächendeckende Bejagung ist grundsätzlich im gesamten Landesgebiet vorgesehen (vgl. Pkt. 3.7.). Die Vorschriften über die Abschussplanung (§§80 ff. Nö JagdG 1974) sehen eine grundsätzliche, strafbewährte Verpflichtung des Jagdausübungsberechtigten vor, den Abschussplan zu erfüllen. Die Abschussplanung nach dem Nö JagdG 1974 erfolgt, wie der Vertreter und der Amtssachverständige der Niederösterreichischen Landesregierung in der mündlichen Verhandlung ausführen, auf Grund einer revierübergreifenden Koordination. Dieser liegt somit eine – der wildökologischen Raumplanung (vgl. Pkt. 3.5.) vergleichbare – großflächige Planung zugrunde. Insgesamt sieht das Nö JagdG 1974 zahlreiche Verhaltensvorschriften und Strafbestimmungen vor, um einen geordneten Jagdbetrieb sicherzustellen (vgl. Pkt. 3.6.). Dieses Regelungssystem dient nicht dazu, Freizeitaktivitäten der Jäger zu schützen oder Personen die Möglichkeit zur Teilnahme an gemeinsamer Jagd zu bieten, sondern verfolgt ausschließlich Ziele des Allgemeininteresses.

4.4.3.Die Beschwerdeführer bestreiten auch die Erforderlichkeit der zwangsweisen flächendeckenden Bejagung. Das öffentliche Interesse an einer Aufrechterhaltung des ökologischen Wirkungsgefüges könne auch im Fall einer Jagdfreistellung einzelner Grundstücke wirksam erreicht werden.

Dem ist entgegenzuhalten, dass eine Jagdfreistellung von grundsätzlich jagdlich nutzbaren Flächen aus jagdfremden Motiven negative Folgen nach sich ziehen würde: Es würde zu einer signifikanten Vermehrung des Wildbestandes kommen, Wild würde sich auf diesen Flächen in übermäßiger Zahl einstellen, der Wildbestand würde dadurch unzweckmäßig gelenkt und in jagdfreien Gebieten und in deren Umgebung konzentriert werden. Anders als bei der absichtlichen Konzentration durch jagdliche Maßnahmen würde die Konzentration aber nicht an geeigneten Stellen und unter Vornahme jagdwirtschaftlich zweckmäßiger Begleitmaßnahmen erfolgen.

Diese Gefährdung des Waldes und der landwirtschaftlichen Kulturen durch Wildschäden kann nur durch eine Reduzierung der Wildbestände hintangehalten werden (vgl. Pkt. 3.1. und 3.3. und den vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vorgelegten Österreichischen Waldbericht 2015 und die Äußerung der Niederösterreichischen Landesregierung vom ). Trotz der in § 99 Nö JagdG 1974 vorgesehenen Maßnahmen – etwa die Abhaltung des Wildes, die Errichtung von Flächenschutzeinrichtungen oder die Vornahme von Einzelpflanzenschutzmaßnahmen – ist eine Reduzierung der Wildbestände zur effektiven Verfolgung der bestehenden öffentlichen Interessen notwendig. Dass dazu die flächendeckende Bejagung, wie sie in Niederösterreich vorgesehen wird, erforderlich ist, wird auch mit Blick auf österreichische Nationalparks, in denen die Jagdausübung teilweise eingeschränkt ist, sowie internationale Referenzgebiete, in denen die Jagd gänzlich abgeschafft ist, deutlich. Auch dort müssen Wildtiere beim Auftreten hoher Wildschäden oder beim Ausbruch von Wildseuchen getötet werden, wie aus den Aussagen der vom Verfassungsgerichtshof zur mündlichen Verhandlung geladenen Auskunftsperson für das Gebiet der Wildbiologie und der Auskunftspersonen der Dritt- und Viertbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung hervorgeht. Ein solches Wildtiermanagement erfolgt in solchen Gebieten mit jagdlichen Maßnahmen oder auch mit jagdähnlichen Eingriffen behördlicher Organe, die eine Reduzierung der Wildtierpopulation zur Folge haben.

Eine lebensraumangemessene Reduzierung der Wildbestände kann auch nicht flächendeckend durch die Wiederansiedlung großer Beutegreifer (Wolf, Luchs, Bär) sichergestellt werden: Dass derartige Beutegreifer allein in der Lage sein könnten, die großen Bestände der vorhandenen Schalenwildarten effektiv zu regulieren, ist aus heutiger Sicht nicht gesichert. Es kann daher dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er das bestehende System der Wildbewirtschaftung als besser geeignet erachtet als eine Wiederansiedlung großer Beutegreifer.

4.4.4.In der Bestreitung der Verhältnismäßigkeit der zwangsweisen flächendeckenden Bejagung durch die Beschwerdeführer machen diese auch geltend, dass ihnen als Grundeigentümer eine unverhältnismäßige Belastung durch die Verpflichtung auferlegt werde, die Jagdausübung durch Dritte auf ihren Grundstücken dulden zu müssen. Die so ausgeübte Jagd laufe den Überzeugungen der Beschwerdeführer zuwider. Das Recht auf Freiheit des Eigentums sei höher zu bewerten als das – nach Ansicht der Beschwerdeführer ohnehin nicht vorliegende – öffentliche Interesse an einer flächendeckenden Jagdbewirtschaftung.

In Niederösterreich besteht – wie in ganz Österreich – eine sehr hohe Schalenwilddichte und Diversität (vgl. Pkt. 3.1.), die im europäischen Vergleich am höchsten ist, wie aus den Aussagen der vom Verfassungsgerichtshof zur mündlichen Verhandlung geladenen Auskunftsperson für das Gebiet der Wildbiologie deutlich wird. Auf Grund der intensiven Naturnutzung des Menschen steht für das in sehr hoher Dichte vorkommende Wild immer weniger und immer schlechterer Lebensraum zur Verfügung. Nur durch regulatorische Eingriffe kann eine konfliktarme Koexistenz von Menschen und Wildtieren in solchen stark vom Menschen geprägten Kulturlandschaften gewährleistet werden, wie aus der Aussage der vom Verfassungsgerichtshof zur mündlichen Verhandlung geladenen Auskunftsperson für das Gebiet der Wildbiologie deutlich wird.

In Niederösterreich kommt es – wie in ganz Österreich – zu einem starken Wildeinfluss auf land- und forstwirtschaftliche Kulturen (vgl. Pkt. 3.3.). Dabei sind alle Landesteile Niederösterreichs gleichermaßen betroffen, auch die nördlichen, nicht in einer alpinen biogeographischen Region gelegenen und daher nicht unmittelbar mit Kärnten vergleichbaren Flächen des Wald- und Weinviertels. Die dem Wildeinfluss ausgesetzten Kulturen sind dabei zwar verschieden (das Waldviertel hat einen sehr hohen Waldanteil von ca. 60 % der Fläche, während das landwirtschaftlich intensiv genutzte Weinviertel lediglich über ca. 10 % Waldausstattung verfügt), der Wildeinfluss ist aber gleichermaßen hoch, wie aus den in der mündlichen Verhandlung erörterten Aussagen des Amtssachverständigen der Niederösterreichischen Landesregierung deutlich wird. Die erhöhten Schalenwildbestände haben auf den Wald großen Einfluss und verursachen einen immensen volkswirtschaftlichen und landeskulturellen Schaden: Wie aus dem Wildeinflussmonitoring 2013–2015 hervorgeht sind rund zwei Drittel der niederösterreichischen Waldflächen von starkem Wildverbiss betroffen, der zu einem verlängerten Verjüngungszeitraum der forstlichen Kulturen und einem Ausfall von Mischbaumarten führt (vgl. Pkt. 3.3.). In Niederösterreich besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der Walderhaltung bei ca. 75 % der Waldflächen, was der Vertreter des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in der mündlichen Verhandlung deutlich zum Ausdruck bringt. Im Hinblick auf landwirtschaftliche Kulturen in Niederösterreich existieren zwar keine validen Untersuchungen für die Höhe des verursachten wirtschaftlichen Schadens, weil viele Fälle unmittelbar zwischen Jagdausübungsberechtigten und Landwirten, insbesondere durch verstärkte Bejagung von schadensverursachenden Wildarten, geregelt werden. Ein volkswirtschaftlicher Schaden durch den Wildeinfluss gilt jedoch auch in der Landwirtschaft als gesichert, worauf die vom Verfassungsgerichtshof zur mündlichen Verhandlung geladene Auskunftsperson für das Gebiet der Wildbiologie und der Amtssachverständige der Niederösterreichischen Landesregierung in der mündlichen Verhandlung besonders hinweisen.

Hinzu kommen die Alpenkonvention und ihre Durchführungsprotokolle, die für Niederösterreich auf dem Gebiet von 161 Gemeinden in 11 von 20 Bezirken und der Statutarstadt Waidhofen an der Ybbs gelten. Die völkerrechtlichen Verpflichtungen, den Wildbestand durch geeignete Maßnahmen so zu regeln, dass nicht tragbare Schäden im Wald sowie auf landwirtschaftlichen Nutzflächen vermieden werden (Art13 litc Protokoll "Berglandwirtschaft") sowie Schalenwildbestände auf jenes Maß zu begrenzen, welches eine natürliche Verjüngung standortgerechter Bergwälder ohne besondere Schutzmaßnahmen ermöglicht (Art2 litb Protokoll "Bergwald"), betreffen damit rund ein Drittel der niederösterreichischen Landesfläche (vgl. Pkt. 3.4.).

Dem Nö JagdG 1974 liegt der Grundsatz einer flächendeckenden Jagdbewirtschaftung im gesamten niederösterreichischen Landesgebiet zugrunde (vgl. Pkt. 3.7.). Alle Grundstücke gehören einem Jagdgebiet, und zwar entweder einem Eigen- oder Genossenschaftsjagdgebiet, an. Die Jagdausübung erfordert die Erstellung und die Einhaltung von Abschussplänen (§§80 ff. Nö JagdG 1974) und die Fütterung des Wildes (§§87 f. Nö JagdG 1974). Dem Jagdausübungsberechtigten ist – unter bestimmten Umständen auch ohne die Zustimmung des Grundeigentümers – die Errichtung von Anlagen für den Jagdbetrieb sowie die Benützung nicht öffentlicher Wege zum Zwecke der Wildbringung und der Wildfütterung gestattet (§88 Nö JagdG 1974).

Aus allen diesen Gründen sieht das Nö JagdG 1974 eine grundsätzliche Verpflichtung zur flächendeckenden Jagdausübung vor. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes besteht nur auf Flächen, auf denen die Jagd ruht. Dort darf die Jagd im engeren Sinn, aber auch der Jagd- und Wildschutz, nicht ausgeübt werden (VwSlg. 15.326 A/2000; Gürtler/Lebersorger, Niederösterreichisches Jagdrecht7, 2010, § 17 Rz 5). Die Jagd ruht auf gesetzlich besonders geregelten Grundflächen, wie Friedhöfen, Häusern und Hausgärten, Gehegen und öffentlichen Anlagen, sowie auf durch eine schalenwilddichte Umfriedung vom restlichen Jagdgebiet abgetrennten Grundstücken (§17 Abs 1 und 2 Nö JagdG 1974). Wenn beliebige Grundstücke ohne das Erfordernis einer Einfriedung von der verpflichtenden Bejagung freigestellt werden könnten, würden die gemäß §§80 ff. Nö JagdG 1974 verfolgten Ziele einer geordneten Steuerung der Wildbestände in den Jagdgebieten des niederösterreichischen Landesgebietes in ihrer praktischen Wirksamkeit eingeschränkt. Insbesondere könnten auf diesen Grundstücken keine geeigneten Maßnahmen zur Erhaltung eines gesunden Wildbestandes, dh. zur Bestandskontrolle oder zum Schutz vor Wildkrankheiten, gesetzt werden.

Bei einer Abwägung der gesamten öffentlichen Interessen und der Schwere der Eigentumsbeschränkungen erweist es sich als nicht unverhältnismäßig, wenn der Gesetzgeber eine Ausnahme vom Grundsatz der flächendeckenden Bejagung lediglich auf Grundflächen vorsieht, auf denen die Jagd ruht und hiefür – von gesetzlich ausdrücklich festgelegten Fällen abgesehen – deren Umzäunung im Sinne des § 17 Abs 2 Nö JagdG 1974 verlangt. Diese Regelung kann auch von jemandem, der die Jagd aus ethischen Gründen ablehnt, in Anspruch genommen werden. Der Eingriff in das Eigentumsrecht ist daher verhältnismäßig.

4.5.Insofern verletzt die vom Nö JagdG 1974 vorgesehene Zwangsbejagung von Grundstücken nicht das Recht der Grundeigentümer auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art1 1. ZPEMRK). Den geltend gemachten Bedenken im Hinblick auf weitere verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte sind – einen Eingriff vorausgesetzt – die zum Eigentumsrecht dargelegten Erwägungen entgegenzuhalten.

4.6.Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Erkenntnisse nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden. Die Beschwerden sind daher insofern abzuweisen.

5.Die Dritt- und Viertbeschwerdeführer erachten sich unmittelbar durch die angefochtenen Erkenntnisse in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt. Bei der Unbedenklichkeit der gesetzlichen Grundlage scheidet aber eine in die Verfassungssphäre reichende Rechtsverletzung infolge rechtswidriger Gesetzesanwendung aus.

Die Beschwerden sind daher auch insofern abzuweisen.

IV.Ergebnis

1.Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Erkenntnisse nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte der Dritt- und Viertbeschwerdeführer hat nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden.

2.Die Beschwerden sind daher abzuweisen und die Beschwerde der Drittbeschwerdeführer ist gemäß Art 144 Abs 3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2017:E2446.2015
Schlagworte:
Jagdrecht, Eigentumseingriff, Wildschaden

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