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VfGH vom 29.11.2016, E2151/2015

VfGH vom 29.11.2016, E2151/2015

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch die Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Privat- und Familienlebens, die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot betreffend einen nigerianischen Staatsangehörigen wegen verfassungswidriger Interessenabwägung sowie durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wegen Gesetzlosigkeit; im Übrigen Ablehnung der Beschwerde

Spruch

I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit seine Beschwerde gegen die Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005, die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 und das Einreiseverbot gemäß § 53 Fremdenpolizeigesetz 2005 sowie die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 18 Abs 1 Z 6 BFA-Verfahrensgesetz abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am seinen – ersten – Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies mit Bescheid vom den Antrag ab und verfügte die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Nigeria. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom ab.

2. Am stellte der Beschwerdeführer seinen – zweiten – Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des BFA vom wurde sein Antrag abgewiesen (Spruchpunkte I und II) und ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III); weiters wurde gemäß § 18 Abs 1 Z 6 BFA-VG einer Beschwerde gegen den Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV), gemäß § 53 Abs 1 FPG ein fünfjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V) und gemäß § 13 Abs 2 Z 1 AsylG 2005 der Verlust des Rechts zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem ausgesprochen (Spruchpunkt VI).

Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom ab.

3. In der gegen diese Entscheidung gemäß Art 144 B VG erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) und auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass die Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis zu Nigeria nicht die aktuelle Lage und Situation widerspiegeln würden (insbesondere auch nicht hinsichtlich der Aktivitäten der Boko Haram in der fraglichen Region) und die Quellen der Feststellungen nicht angegeben seien, dass das Bundesverwaltungsgericht sich nicht mit dem konkreten Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandersetze und dass die Interessenabwägung iSd Art 8 EMRK mangelhaft sei. Der Beschwerdeführer führe nämlich seit 2008 eine Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsangehörigen. Im Jahr 2011 sei der gemeinsame Sohn, der auch österreichischer Staatsbürger sei, geboren worden. Insbesondere die Behauptung des Bundesverwaltungsgerichts, der weitere Fortbestand dieser Lebensgemeinschaft würde im Dunkeln liegen, da gerade derart belastete Beziehungen nach der allgemeinen Lebenserfahrung oftmals scheitern würden, selbst wenn es gemeinsame Kinder geben sollte, sei nicht nachvollziehbar und ohne Begründungswert.

4. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Gerichtsakten sowie die Akten des Verwaltungsverfahrens vor dem BFA vor. Im Übrigen haben sich weder das Bundesverwaltungsgericht noch das BFA am Verfahren beteiligt.

II. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

A. Soweit sich die Beschwerde gegen die Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK, der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbots sowie der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs 1 Z 6 BFA-VG richtet, ist sie begründet:

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Bundesverwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichts, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn das Verwaltungsgericht das Erkenntnis mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s. etwa VfSlg 13.302/1992 mit weiteren Judikaturhinweisen, 14.421/1996, 15.743/2000). Schließlich ist von einem willkürlichen Verhalten auch auszugehen, wenn das Verwaltungsgericht die Rechtslage gröblich bzw. in besonderem Maße verkennt (zB VfSlg 18.091/2007, 19.283/2010 mwN, 19.475/2011).

2. Eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG greift regelmäßig in das Privat- oder Familienleben eines Fremden ein. Sie ist gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Vornahme einer Interessenabwägung im Sinne dieser Bestimmung ist das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität zu beachten (VfSlg 18.223/2007, 18.224/2007, 18.748/2009). Bei der Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots gemäß § 53 FPG ist einerseits das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft; andererseits ist auf die familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen (). Ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 ist zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens geboten ist. Auch dabei ist das Vorliegen eines Familienlebens und dessen Intensität zu berücksichtigen.

3. Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner bisherigen strafgerichtlichen Verurteilungen eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und der Sicherheit darstellt, und stellt dem die familiären Bindungen des Beschwerdeführers gegenüber:

"Zugunsten des Beschwerdeführers ist (lediglich) zu berücksichtigen, dass er in einer Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsangehörigen lebt und mit dieser ein Kind hat. Allerdings wird dieser Umstand entscheidend dadurch relativiert, dass die Lebensgemeinschaft bereits durch die zweimalige Anhaltung des Beschwerdeführers in Strafhaft unterbrochen wurde. Dazu kommt, dass ihn weder seine Lebensgemeinschaft bzw. seine Vaterschaft, noch der Umstand, dass er von der Familie seiner Lebensgefährtin jahrelang finanziell unterstützt wurde, davon abhielt, vom Burgenland aus weiter in der Wiener Drogenszene gewerbsmäßig Kokain zu dealen.

In der Beschwerde wird die Behauptung aufgestellt, dass der Beschwerdeführer in den Familienverband seiner Lebensgefährtin gut eingebunden sei. In Wahrheit ergab die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass der Beschwerdeführer zwar mit der Familie seiner Lebensgefährtin im selben Haushalt lebt, allerdings konnte festgestellt werden, dass er ein regelrechtes Doppelleben führt. So nahmen die Eltern seiner Lebensgefährtin den Beschwerdeführer in dem Glauben bei sich auf, dass es sich bei ihm um einen unbescholtenen nigerianischen Flüchtling handelt.

[...]

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass seine beharrlichen Verstöße gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit weder durch das Bestehen einer Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsangehörigen noch durch seine Vaterschaft aufgewogen werden können. Außerdem liegt der weitere Fortbestand dieser Lebensgemeinschaft ohnehin im Dunkeln, da gerade derart belastete Beziehungen nach der allgemeinen Lebenserfahrung oftmals scheitern, selbst wenn es gemeinsame Kinder geben sollte."

4. Dieser Abwägungsprozess entspricht den verfassungsrechtlichen Vorgaben aus folgenden Gründen nicht:

4.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat es unterlassen, der Frage nachzugehen, welche Auswirkungen das Aufenthaltsverbot auf die Familienmitglieder des Beschwerdeführers, insbesondere auf das Wohl des etwa vierjährigen Sohnes des Beschwerdeführers hätte, mit dem dieser im gemeinsamen Haushalt wohnt (vgl. dazu EGMR , Fall Udeh , Appl. 12020/09, Z 52 ff.). Dabei ist auch hinsichtlich der Beziehung zu seiner Lebensgefährtin zu beachten, dass die Lebensgemeinschaft mit dieser – wie aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht – bereits seit 2008/2009 besteht (vgl. auch dazu EGMR, Fall Udeh, Z 50). Der – geradezu zynisch anmutenden – Feststellung "Außerdem liegt der weitere Fortbestand dieser Lebensgemeinschaft ohnehin im Dunkeln, da gerade derart belastete Beziehungen nach der allgemeinen Lebenserfahrung oftmals scheitern, selbst wenn es gemeinsame Kinder geben sollte." kommt in diesem Zusammenhang keinerlei Begründungswert zu. Diese Behauptung ist durch nichts belegt und gibt lediglich die – erkennbar von Vorurteilen geleitete – persönliche Sichtweise des erkennenden Mitglieds des Bundesverwaltungsgerichts wieder. Auf eine solche Vermutung – das Bundesverwaltungsgericht bleibt jeden konkreten Nachweis schuldig – kann im Rahmen der Beurteilung der familiären Beziehung keine Argumentation gestützt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher das angefochtene Erkenntnis mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt.

4.2. Dem Bundesverwaltungsgericht ist bei der Abwägung ein (weiterer) Rechtsirrtum insofern unterlaufen, als es die Verurteilungen des Beschwerdeführers bei der Abwägung nicht bloß im Rahmen der möglichen Gefährdung öffentlicher Interessen berücksichtigt, sondern noch einmal als das Gewicht seiner Integration mindernd bewertet. Demgegenüber sind bei der unter Beachtung des Art 8 Abs 2 EMRK vorzunehmenden Interessenabwägung die Gründe, die für den Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sprechen, jenen gegenüber zu stellen, die dagegen sprechen. Eine der gebotenen Gesamtabwägung vorgelagerte zusätzliche Schwächung oder Verstärkung einzelner Gründe infolge ausgewählter gegenteiliger Gründe entspricht nicht diesem Abwägungskonzept ().

5. Betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde – die einen trennbaren Spruchpunkt bildet () – liegt aus folgenden Gründen Willkür vor:

5.1. § 18 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I 87/2012 idF BGBl I 70/2015, lautet:

"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1.-5. [...]

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. […]

[...]

(2)-(7) [...]"

5.2. In der angefochtenen Entscheidung wird unter Punkt "3.2. Zur anzuwendenden Rechtslage:" folgender Text wiedergegeben:

"§18 Abs 1 Z 6 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr 87/2012, in der Fassung BGBl I Nr 70/2015, lautet:

Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§18. (1) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1. …

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. …

(2) …"

5.3. Dieser Text weicht von der authentischen Fassung des § 18 Abs 1 BFA-VG idF BGBl I 70/2015 maßgeblich ab: Die "Kann-Bestimmung" des Abs 1 wurde zu einer "Ist-Bestimmung" umgeschrieben.

5.4. In der Begründung der angefochtenen Entscheidung führt das Bundesverwaltungsgericht aus:

"Mit Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 1 Z 6 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt, weil 'gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist'.

Die Voraussetzung des § 18 Abs 1 Z 6 BFA-Verfahrensgesetz ist erfüllt, sodass die belangte Behörde der vorliegenden Beschwerde zu Recht die aufschiebende Wirkung aberkannte."

Das Bundesverwaltungsgericht führt bei seiner Entscheidung hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung keine – mit der Anwendung einer Kann-Bestimmung notwendig verknüpfte – Interessenabwägung durch, sondern stellt auf das bloße Vorliegen der Voraussetzungen ab. Damit stützt es seine Begründung zweifelsfrei auf die oben wiedergegebene "Ist-Bestimmung" (s. Pkt. 5.2.), die nicht dem Rechtsbestand angehört. Ein bloßer Schreibfehler bei der Wiedergabe der Norm ist ausgeschlossen. Das Bundesverwaltungsgericht ist damit gesetzlos vorgegangen, es hat die Rechtslage völlig verkannt und dadurch den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt (VfSlg 12.173/1989, 14.206/1995, 15.650/1999).

B. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs 2 B VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde behauptet weiters die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auch im Hinblick auf die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 und des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG 2005 (s. Pkt. I.3.). Im Zusammenhang damit wurde auch der Verlust des vorläufigen Aufenthaltsrechts gemäß § 13 Abs 2 Z 1 AsylG 2005 erklärt bzw. keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt.

Die in diesem Zusammenhang gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere auch der der hinreichenden Qualität der Länderfeststellungen, nicht anzustellen.

III. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die die Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK, die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot sowie die die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 1 Z 6 BFA-VG betreffenden Teile der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die angefochtene Entscheidung ist in diesem Umfang aufzuheben.

2. Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen und diese gemäß Art 144 Abs 3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 bzw. § 19 Abs 3 Z 1 iVm § 31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2016:E2151.2015