VfGH vom 26.02.2018, E2144/2017
Leitsatz
Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes durch Nichtzulassung eines kosovarischen Staatsangehörigen zu einer Beschäftigung als Schlüsselarbeitskraft; Beschwerde einem Anlassfall gleichzuhalten
Spruch
I.Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II.Der Bund (Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.400,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
1.Der Beschwerdeführer ist kosovarischer Staatsangehöriger. Am beantragte der (zukünftige) Arbeitgeber die Zulassung des Beschwerdeführers als Schlüsselkraft (Koch) gemäß § 12b Z 1 des Bundesgesetzes vom , mit dem die Beschäftigung von Ausländern geregelt wird (Ausländerbeschäftigungsgesetz – AuslBG), BGBl 218 idF BGBl I 25/2011.
2.Mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung wurde die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Beschwerdeführers als Schlüsselkraft nach § 12b Z 1 AuslBG als unbegründet abgewiesen. Begründend wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die für eine Zulassung zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft erforderliche Mindestpunkteanzahl gemäß Anlage C des AuslBG nicht erreicht habe.
3.In der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde wird die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander behauptet und vorgebracht, dass die Voraussetzungen des § 12b Z 1 AuslBG unter Zugrundelegung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden über seine Ausbildung erfüllt seien, weshalb der Beschwerdeführer als Schlüsselkraft zuzulassen und ihm ein Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot-Karte zu erteilen wäre.
4.Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
4.1.Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G281/2017, die Wortfolge "die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C angeführten Kriterien erreichen und" in § 12b Z 1 sowie die Anlage C "Zulassungskriterien für sonstige Schlüsselkräfte gemäß § 12b Z 1" des AuslBG, BGBl 218/1975 idF BGBl I 25/2011, als verfassungswidrig aufgehoben.
4.2.Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art 140 Abs 7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg 10.616/1985, 11.711/1988); darüber hinaus muss der das Verwaltungsverfahren einleitende Antrag vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. 2.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes gestellt worden sein (VfSlg 17.687/2005).
4.3.Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am ; der dieses Gesetzesprüfungsverfahren einleitende Beschluss wurde am bekannt gemacht. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe, der der vorliegenden Beschwerde vorausgegangen ist, ist beim Verfassungsgerichtshof am eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; da der ihr zugrunde liegende, das Verwaltungsverfahren auslösende Antrag ausweislich der Verwaltungsakten auch vor Bekanntgabe des Prüfungsbeschlusses, nämlich am , gestellt worden ist, ist der ihr zugrunde liegende Fall somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
Das Bundesverwaltungsgericht wendete bei Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses die als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzesbestimmungen an. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.
5.Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 19 Abs 4 VfGG abgesehen.
6.Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– enthalten.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2018:E2144.2017 |
Schlagworte: | VfGH / Anlassfall, Ausländerbeschäftigung, Aufenthaltsrecht |
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