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VfGH vom 13.06.2017, E1837/2015

VfGH vom 13.06.2017, E1837/2015

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im Anlassfall

Spruch

I.Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung von gesetzwidrigen Verordnungsbestimmungen in seinen Rechten verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II.Das Land Steiermark ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.Der Beschwerdeführer leidet seit seiner Geburt an einer schweren Erkrankung. Auf Anregung der Mutter des Beschwerdeführers wurde deshalb mit Beschluss des Bezirksgerichtes Graz-West vom für ihren Sohn eine Sachwalterin für alle Angelegenheiten iSd § 268 Abs 3 Z 3 ABGB bestellt.

1.1.Der Beschwerdeführer wird sowohl im eigenen Familienverband als auch von professionellen Pflegepersonen betreut. Dabei fallen nach Angaben seiner Eltern monatlich Kosten iHv € 1.700,– an, die größtenteils medizinischer Natur sind oder auf spezielle Nahrungsmittel und Heilbehelfe entfallen. Damit der Beschwerdeführer Arzt- und Krankenhaustermine wahrnehmen kann, benötigt er zudem Begleitpersonen und auch eine Kommunikationshilfe für Gespräche mit dem medizinischen Personal. Auch kann der Beschwerdeführer ohne persönliche Assistenz nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und etwa Freizeitaktivitäten oder Ausflüge unternehmen. Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer beim Bürgermeister der Stadt Graz den Antrag, ihm die Leistung eines "Persönlichen Budgets" gemäß § 22a Steiermärkisches Behindertengesetz (im Folgenden: StBHG) zu gewähren, damit er eine derartige persönliche Assistenz finanzieren könne und ihm ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werde.

1.2.Mit Bescheid vom wies der Bürgermeister der Stadt Graz diesen Antrag ab. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark mit Erkenntnis vom ab.

2.Dagegen richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und eine Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich der Punkte 1.2. und 2.1. der Anlage 1 VII.A. der LEVO-StBHG 2015 behauptet wird. Inhaltlich führt die Beschwerde aus, dass § 22a StBHG – anders als die genannten Punkte der LEVO-StBHG 2015 – weder eine Personal-, Organisations-, Anleitungs- und Finanzkompetenz noch die Geschäftsfähigkeit des jeweiligen Leistungsbeziehers verlange und die Verordnung aus diesem Grund gesetzwidrig sei.

3.Die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat die Gerichtsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

II.Erwägungen

1.Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 139 Abs 1 Z 2 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Abschnittes "Persönliches Budget (PERS BUD) VII.A." in der Anlage 1 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom über die Festlegung von Leistungen und Leistungsentgelten sowie Kostenzuschüssen nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz (StBHG Leistungs- und Entgeltverordnung 2015; LEVO-StBHG 2015), LGBl für Steiermark 2/2015 idF LGBl für Steiermark 19/2015, ein. Mit Erkenntnis vom , V71/2016, hob er in der Anlage 1 der genannten Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung Punkt 1.2. (mit der Überschrift Zielgruppe) sowie in Punkt 2.1. die Wortfolge "Finanzkompetenz: Befähigung über die finanziellen Mittel verfügen zu können" als gesetzwidrig auf.

2.Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat gesetzwidrige Verordnungsbestimmungen angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

III.Ergebnis

1.Der Beschwerdeführer wurde somit durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung von gesetzwidrigen Verordnungsbestimmungen in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.515/1985).

2.Das Erkenntnis war daher aufzuheben.

3.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4.Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2017:E1837.2015
Schlagworte:
VfGH / Anlassfall

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