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VfGH vom 23.09.2016, E1796/2016

VfGH vom 23.09.2016, E1796/2016

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten bzw subsidiär Schutzberechtigten für einen der Volksgruppe der Masalit zugehörigen Staatsangehörigen des Sudan mangels Auseinandersetzung mit der aktuellen Situation der Volksgruppe der Masalit im Herkunftsstaat

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Sudan, stellte nach seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet am einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer gab an, dass er aus Darfur stamme und der Volksgruppe der Masalit angehöre. Als Fluchtgrund führte er – im Wesentlichen – an, die Regierung habe ihm seine Landwirtschaft weggenommen, Dörfer seien niedergebrannt und viele Menschen getötet worden.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Asylstatus abgewiesen, ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Sudan ausgesprochen.

3. Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Begründend führte der Asylgerichtshof im Wesentlichen aus, dass das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit versagte, ohne jedoch auf die angeführte und festgestellte Volksgruppenzugehörigkeit der Masalit und eine allfällige daraus resultierende Gefahr einer Verfolgung eingegangen zu sein. Der Asylgerichtshof führte insbesondere aus, dass auf Grundlage der Länderberichte nicht von vornherein gesagt werden könne, dass die erforderliche Auseinandersetzung für die Beurteilung des Asylantrages bedeutungslos wäre. Eine diesbezügliche Asylrelevanz sei im Hinblick auf eine Verfolgung aus in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht von vornherein auszuschließen.

4. Nach Durchführung eines neuerlichen Ermittlungsverfahrens in Form einer Anfrage an die Staatendokumentation über die Lage der Ethnie der Masalit im Sudan, insbesondere in der Region Darfur, der Vorlage der Geburtsurkunde durch den Beschwerdeführer sowie einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom erneut ab und sprach seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Sudan aus.

5. Mit Beschluss vom behob das Bundesverwaltungsgericht den bekämpften Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die belangte Behörde nunmehr – im Gegensatz zum Vorverfahren – die Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers zu den Masalit verneine und sich dabei im Wesentlichen auf in Vorlage gebrachte gefälschte Dokumente stütze, was durch den Vertrauensanwalt der Österreichischen Botschaft bestätigt worden sei. Die belangte Behörde hätte der Auskunft des Vertrauensanwaltes kein derartiges Gewicht zumessen und nicht von weiteren Ermittlungsschritten Abstand nehmen dürfen. Das Bundesverwaltungsgericht regte hinsichtlich der Herkunft des Beschwerdeführers die Einholung eines fundierten Sprachgutachtens an. Zudem habe sich die belangte Behörde mit weiteren in Vorlage gebrachten Urkunden des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt und den Beschwerdeführer auch nicht erneut zu einem allfälligen in Österreich entstandenen Privat- und Familienleben befragt.

6. Mit Bescheid vom wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abermals ab, erteilte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass eine Abschiebung in den Sudan zulässig sei, und bestimmte als Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer Angehöriger der Volksgruppe der Masalit sei, seinem Vorbringen auf Grund von Ungereimtheiten jedoch die Glaubwürdigkeit abzusprechen sei. Die späten und gesteigerten Vorbringen, die von seinen erstmaligen Angaben abweichen würden, seien – auch unter Berücksichtigung der in Vorlage gebrachten gefälschten Unterlagen – unglaubhaft. Des Weiteren sei er nicht in der Lage, schlüssig und nachvollziehbar darzulegen, "weshalb es seinen Eltern möglich [sei], weiter im Tschad […] zu leben, während für ihn der einzige Ausweg die Flucht auch aus dem Tschad gewesen [sei]".

7. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung – zur Gänze ab. Die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Volksgruppe der Masalit sei durch ein Sprachgutachten vom bestätigt worden. Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten führte das Bundesverwaltungsgericht insbesondere aus, dass der Beschwerdeführer auf Grund von Steigerungen zum Fluchtvorbringen, zahlreichen Ungereimtheiten und offenen Widersprüchen eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Grund nicht glaubhaft habe machen können. Dabei führte das Bundesverwaltungsgericht insbesondere wie folgt aus:

"Wenn der Beschwerdeführer nunmehr vermeint, dass ihm aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Masalit Schutzwürdigkeit zukomme, ist dem entgegenzuhalten, dass der EGMR in seinen diesbezüglichen Urteilen (Urteil des EGMR vom , A.A. gegen Frankreich, Nr 18.039/11 und vom , A.A. gegen Schweiz, Nr 58802/12) davon ausgeht, dass die Volksgruppenzugehörigkeit isoliert betrachtet 'einen ersten Risikofaktor' bilden 'kann'. Auch wenn der EGMR in seinen Entscheidungen hervorhebt, dass die Menschenrechtssituation im Sudan, insbesondere auch für Oppositionelle, alarmierend ist und es offenkundig ist, dass die sudanesischen Behörden auch Interesse an zurückkehrenden Darfuris haben, ist den den Urteilen des EGMR zugrundeliegenden Fällen gemein, dass in beiden Fällen den betroffenen Personen Unterstützung von Rebellen bzw. oppositionelle Gesinnung unterstellt wurde und sie bereits im Herkunftsstaat einer konkreten Verfolgungshandlung durch die dortigen Behörden ausgesetzt waren, dies jedoch im gegenständlichen Fall nicht gegeben ist. Weder vermochte der Beschwerdeführer eine konkrete Verfolgungshandlung durch staatliche Behörden noch eine oppositionelle Gesinnung im Herkunftsstaat bzw. die Unterstützung einer Rebellenbewegung glaubhaft zu machen."

Zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Sudan führte das Bundesverwaltungsgericht u.a. Folgendes aus:

"Wie umseits bereits ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Art 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr 6 zur EMRK verletzt würde. Zunächst kann nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer im Sudan hier relevanten Übergriffen ausgesetzt wäre. Weiters kann nicht angenommen werden, dass der volljährige, gesunde, arbeitsfähige Beschwerdeführer aufgrund seiner Erwerbstätigkeit in der Landwirtschaft sein Einkommen erzielen konnte, nach einer Rückkehr dorthin in seiner Lebensgrundlage gefährdet wäre. Auch wenn der Beschwerdeführer vor Ort über keine Familienangehörigen mehr verfügen sollte, sollte ihm das Bestreiten seines Lebensunterhaltes und der Aufbau eines sozialen und familiären Netzes z.B. in Al Geneina, Karthoum oder an einem anderen Ort seines Herkunftsstaates möglich sein. Überdies ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach sich aus schlechten Lebensbedingungen keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 FrG ergibt (vgl. etwa ). Schließlich kann nicht gesagt werden, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers für diesen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Denn im Sudan ist eine Zivilperson nicht allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer solchen Bedrohung ausgesetzt."

8. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungs-gesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichbehand-lung von Fremden untereinander sowie in den Rechten nach Art 3 und 8 EMRK, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird. Begründend wird dazu u.a. ausgeführt:

"Obgleich das BVwG selbst anführt, dass nach der Judikatur des EGMR 'die Volksgruppenzugehörigkeit isoliert betrachtet 'einen ersten Risikofaktor' bilden 'kann'' […], unterlässt es das Gericht in Folge – soweit aus dem Erkenntnis ersichtlich – vollständig die Volksgruppenzugehörigkeit des BF entsprechend in die Entscheidungsfindung miteinzubeziehen. Es findet sich in der gesamten Entscheidung keinerlei Informationen zu der spezifischen, einzelfallbezogenen Gefahrenlage für Angehörige der Volksgruppe des BF. […] Das BVwG hat es trotz Vorliegens einer Vielzahl von Berichten zu der spezifischen Situation des BF und den eigenen Feststellungen zur allgemein desaströsen Menschenrechtssituation im Sudan vollständig unterlassen sich mit der Situation der Masalit auseinanderzusetzen. Gerade auch im Zusammenhang mit der Tatsache, dass das BVwG (vormals AsylGH) im vorangegangenen Verfahren auf Grundlage der mangelnden Auseinandersetzung der Erstbehörde mit der Volksgruppenzugehörigkeit des BF zweifach deren Bescheid behoben und zur Erlassung eines neuerlichen Bescheides zurückverwiesen hat, erscheint es auch für einen objektiven Dritten in keinster Weise nachvollziehbar, weshalb das BVwG die vorgebrachte anhaltende asylrelevante Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Masalit nun (entgegen der eigenen Kritik bzw. der der Vorgängerinstanz) ebenso unbeachtet lässt.

Dieses willkürliche, in die Verfassungssphäre eingreifend[e] Verhalten des BVwG durch die fehlende Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Vorbringen wird bereits dadurch verdeutlicht, dass sich die dem Erkenntnis inhärenten Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat des BF in keinster Weise mit der Situation der Masalit auseinandersetzen. Auch im Rahmen der Beweiswürdigung wie auch der rechtlichen Beurteilung unterlässt es das BVwG, die im Zuge des Verfahrens wiederholt vorgebrachte bestehende Gefährdungslage für Angehörige der Masalit zu würdigen. […]

Das BVwG hat es folglich vollständig unterlassen, sich mit der asylrelevanten Verfolgungsgefahr im Falle einer Rückkehr aufgrund der Zugehörigkeit zu der Volksgruppe der Masalit auseinanderzusetzen, damit das diesbezügliche Vorbringen des BF vollständig ignoriert und letztlich den konkreten Akteninhalt außer Acht gelassen." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

9. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte die Verwaltungsakten vor und das Bundesverwaltungsgericht die Gerichtsakten. Auf die Erstattung einer Gegenschrift wurde verzichtet.

II. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

2. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

3. Solche Fehler sind dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

3.1. Aus dem unter Punkt I. geschilderten Verfahrensverlauf geht hervor, dass der damals zuständige Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom bereits einen den Beschwerdeführer betreffenden Bescheid des Bundesasylamtes auf Grund der unterlassenen Auseinandersetzung mit der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Volksgruppe der Masalit behob; dies insbesondere weil eine Asylrelevanz auf Grund der Volksgruppenzugehörigkeit nicht ausgeschlossen habe werden können. Nachdem das Bundesasylamt im folgenden Verfahrensgang die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Volksgruppe der Masalit verneint hatte und auch dieser Bescheid vom Bundesverwaltungsgericht behoben worden war, ist im nunmehrigen Verfahrensgang – insbesondere unter Heranziehung eines Sprachgutachtens – festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer der Volksgruppe der Masalit angehört.

3.2. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes enthält nunmehr umfassende Länderberichte unter den Überschriften "Allgemeines", "Politische Lage", "Sicherheitslage", "Justiz/Korruption", "Sicherheitsbehörden", "Menschenrechte/Folter/unmenschliche Behandlung", "Armee/Wehrdienst", "Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit", "Haftbedingungen", "Todesstrafe", "Religionsfreiheit", "Ethnische Minderheiten", "Frauendiskriminierung", "Weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM)", "Homosexualität", "Grundversorgung/Wirtschaft", "Medizinische Versorgung" sowie "Behandlung nach der Rückkehr". Zur Situation der Volksgruppe der Masalit, der der Beschwerdeführer nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes angehört, finden sich jedoch keinerlei Ausführungen. Unter der Überschrift "Ethnische Minderheiten" werden zwar Ausführungen dazu getroffen, dass "Bürger in arabisch geprägten Regionen, welche nicht Arabisch sprechen, […] bei Bildung, Arbeit und in anderen Bereichen diskriminiert [werden und] Vorurteile, diskriminierendes und teilweise auch aggressives Vorgehen gegen Angehörige anderer ethnischer Gruppen […] weit verbreitet [ist], allerdings mit erheblichen regionalen Unterschieden", doch finden sich zur Volksgruppe der Masalit keine Ausführungen. Auch eine im Gerichtsakt enthaltene ACCORD-Anfragebeantwortung zur Volksgruppe der Masalit vom findet im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes keine Berücksichtigung. Zu vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten Zeitungsberichten aus den Jahren 2014 und 2015, die die Verfolgung der Masalit bestätigen würden, führt das Bundesverwaltungsgericht lediglich aus, dass diese die Einschätzung der Gesamtsituation im Sudan nicht zu ändern vermochten. Auch in der Begründung der Asylabweisung setzt sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Volksgruppen–zugehörigkeit des Beschwerdeführers nicht auseinander, sondern verweist im Ergebnis lediglich darauf, dass aus seiner Volksgruppenzugehörigkeit keine Verfolgung abgeleitet werden könne. Im Rahmen der Beurteilung zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten findet die Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers keinerlei Berücksichtigung.

3.3. Im – dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegenden – Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Thema "Volksgruppe Masalit, Darfur, Verfolgung von Rückkehrern" vom abgedruckt. In dieser wird insbesondere auf den zweiten Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes gegen den sudanesischen Präsidenten al Bashir wegen des Verdachts des Völkermordes in drei Fällen, namentlich gegen die Fur, Masalit und Zaghawa in Darfur, verwiesen und festgestellt, dass alle nicht-arabischen Darfuris (somit auch die Volksgruppe der Masalit) in Darfur einem realen Risiko ausgesetzt wären, unabhängig ihrer politischen oder sonstigen Ansichten, verfolgt zu werden. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei zu diesem Zeitpunkt nicht verlässlich verfügbar.

3.4. Vor dem Hintergrund dieser – im Zeitpunkt des angefochtenen Erkenntnisses bereits sechs Jahre alten – Länderberichte hätte sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung mit der Situation der Volksgruppe der Masalit im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers auseinandersetzen und aktuelle Feststellungen treffen müssen. In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die im Asylverfahren herangezogenen Länderberichte hinreichend aktuell sein müssen; dies betrifft insbesondere Staaten mit sich rasch ändernder Sicherheitslage (vgl. etwa VfSlg 19.466/2011; ; , U2557/2012; , U1159/2012 ua.; , E1542/2014). Die Länderberichte müssen dem Beschwerdeführer mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht werden (vgl. ; , E389/2016).

3.5. Obgleich der Gerichtsakt eine ACCORD-Anfragebeantwortung zur Volksgruppe der Masalit vom enthält, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis jegliche Auseinandersetzung mit einem – wie vom Asylgerichtshof auch in seiner Entscheidung vom angenommenen – wesentlichen Aspekt für die Begründung seiner Entscheidung unterlassen. Folglich ist dem Verfassungsgerichtshof eine nachprüfende Kontrolle des angefochtenen Erkenntnisses hinsichtlich der Frage, ob der Beschwerdeführer infolge seiner Volksgruppenzugehörigkeit eine asylrelevante Verfolgung im Sudan erlitten hat bzw. ihm eine solche droht und ob ihm auf Grund dessen eine innerstaatliche Fluchtalternative verschlossen ist, nicht möglich (vgl. auch VfSlg 19.235/2010; ).

4. Folglich ist das angefochtene Erkenntnis mit Willkür belastet.

III. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.

2. Das angefochtene Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2016:E1796.2016