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VfGH vom 26.06.2020, E1689/2020

VfGH vom 26.06.2020, E1689/2020

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander sowie des Art 3 EMRK durch Abweisung des Asyl- und subsidiären Schutzstatus betreffend eine Staatsangehörige des Iraks; mangelnde Auseinandersetzung mit der medizinischen Versorgung der betagten Beschwerdeführerin in der Herkunftsregion

Spruch

I.Dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Eingabengebühr wird stattgegeben.

II.Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art 3 EMRK, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, und auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

III.Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Die neunzigjährige Beschwerdeführerin ist irakische Staatsangehörige und gibt an, der arabischen Volksgruppe sowie der sunnitischen Glaubensrichtung anzugehören. Sie leide an einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit, einer Stauungsbronchitis, COPD, einem Magengeschwür, einer labilen arteriellen Hypertonie, einer Rektusiastase sowie einer supraumbilicalen Hernie, welche beide keiner Operation bedürften, einer Nierenzyste und einer Lipostamosis pankreatis. Darüber hinaus sei bei der Beschwerdeführerin am eine Demenz mit Verhaltensstörung diagnostiziert worden. Laut Befund sitze die Beschwerdeführerin im Rollstuhl, allerdings liege kein höhergradiges neurologisches Defizit vor. Sie sei unselbstständig, unruhig, schlafe nicht, habe einen umgekehrten Tag-Nacht-Rhythmus und könne nicht alleine essen.

2. Am stellte die Beschwerdeführerin in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und brachte vor, sie habe auf Grund des Krieges Angst um ihr Leben und ihre Familie, weil sie von verschiedenen Kampfgruppen bedroht worden sei. In der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom gab ihr als Vertrauensperson hinzugezogener Sohn zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin an, dass er seine Mutter nicht im Irak alleine lassen habe wollen und sie sich daher seinen Fluchtgründen anschließe.

3. Mit Bescheid vom wurde ihr Antrag auf internationalen Schutz durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl abgewiesen, der Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt, der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zugesprochen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung unter Setzung einer Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise erlassen. Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, die Beschwerdeführerin habe keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht, weil sie sich auf das Fluchtvorbringen ihres Sohnes bezogen habe.

4. Das Bundesverwaltungsgericht wies die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in Bezug auf die Spruchpunkte I., II. und III. nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am mit dem am selben Tag mündlich verkündeten Erkenntnis als unbegründet ab. Die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses erfolgte am . Das Bundesverwaltungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl erfülle. Auch gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführerin die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre. Die Beschwerdeführerin habe im Irak familiäre Anknüpfungspunkte und Zugang zum Gesundheitssystem. Im konkreten Fall würden die bei ihr vorliegenden Erkrankungen, die derzeit durch die Einnahme von Medikamenten und häusliche Pflege behandelt würden, nach Prüfung der maßgeblichen Kriterien nicht die von der höchstgerichtlichen Judikatur beschriebene Schwere erreichen, die für eine Verletzung von Art 3 EMRK notwendig wäre. Ihre physischen und psychischen Beschwerden könnten im Irak versorgt werden und es seien keine Gründe ersichtlich, weshalb es der Beschwerdeführerin nicht zumutbar sei, im Irak eine entsprechende Versorgung durch staatliche Einrichtungen und ihre Familie in Anspruch zu nehmen. Eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom habe ergeben, dass es im Irak Gesundheitseinrichtungen für die Vorsorge und Behandlung von Menschen mit Behinderungen gebe. Bei der Organisation ihrer Betreuung könne ihr Sohn, mit welchem sie zurzeit in Österreich lebe, behilflich sein. Vor diesem Hintergrund seien bei der Beschwerdeführerin keine besonderen Bedürfnisse zu identifizieren, die sie als derart vulnerabel erscheinen ließen. Es sei für sie auf Grund der dort weiter aufhältigen Familienangehörigen möglich, im Irak ein Leben ohne unbillige Härten zu führen. Einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom sei zu entnehmen, dass ambulante und stationäre Behandlungen durch Psychiater und Psychologen im Irak und speziell in Bagdad verfügbar seien. Daher sei ihr der Status einer subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen. Auch die formellen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" gemäß § 57 AsylG 2005 lägen nicht vor.

5. In Bezug auf die Spruchpunkte IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides betreffend die Rückkehrentscheidung, die Zulässigkeit der Abschiebung und die Frist für die freiwillige Ausreise gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde statt, hob diese auf und erklärte eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs 2 und 3 BFA-VG für vorübergehend unzulässig. Begründend führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn, dessen Frau und deren gemeinsamen Kindern zusammenlebe und daher über ein Familienleben in Österreich verfüge. Hinsichtlich ihres Sohnes und dessen Familie sei ein Asylverfahren beim Bundesverwaltungsgericht als Familienverfahren anhängig, jedoch in zweiter Instanz noch nicht entschieden.

6. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B-VG, auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI Abs 1 BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, auf Leben gemäß Art 2 EMRK sowie gemäß Art 3 EMRK, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird. Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

6.1. Die Beschwerdeführerin sei in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B-VG verletzt worden, weil ihr Verfahren auf Grund einer Änderung der Geschäftsverteilung der Gerichtsabteilung des erkennenden Richters zugeteilt worden war. Eine derartige Verfügung müsse aber nachprüfbar und nachvollziehbar sein, weil ansonsten die Gefahr einer Einflussnahme auf die Zuteilung von Rechtssachen vorliege. Da die Gründe für die Abnahme einer bereits zugewiesenen Rechtssache nicht nachvollziehbar dargelegt worden seien, werde der Grundsatz der festen Geschäftsverteilung und damit das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt. Darüber hinaus sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Verfahren der Beschwerdeführerin losgelöst vom Familienverfahren ihres Sohnes, dessen Frau und deren gemeinsamer Kinder geführt werde.

6.2. Das Bundesverwaltungsgericht habe festgestellt, dass die Beschwerdeführerin an einer Vielzahl von Erkrankungen leide, habe sich jedoch nie mit ihrer Geschäftsfähigkeit auseinandergesetzt. Mit Beschluss vom habe das Bezirksgericht Linz einen einstweiligen Erwachsenenvertreter für die Beschwerdeführerin bestellt, weil sie ihre Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen könne. Da sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin in den letzten Wochen nicht drastisch verschlechtert habe, sei davon auszugehen, dass sie schon im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht geschäftsfähig war. Dem Bundesverwaltungsgericht seien entsprechende medizinische Dokumente vorgelegen und es habe auf Grund ihrer Demenzerkrankung ihre Abwesenheit bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung entschuldigt. Daher sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin ihre Angelegenheit im bisherigen Asylverfahren weder selbst zu besorgen vermochte noch wirksam vertreten worden sei.

6.3. Außerdem habe das Bundesverwaltungsgericht keine Feststellungen zum Pflege- und Betreuungsbedarf der Beschwerdeführerin getroffen und sich auf Grund ihrer entschuldigten Abwesenheit in der mündlichen Verhandlung keinen persönlichen Eindruck von ihr verschafft. Die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation enthaltenen und im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Informationen seien nicht in einen konkreten Zusammenhang mit der Situation der Beschwerdeführerin gesetzt worden. Soweit das Bundesverwaltungsgericht auf die Angaben der Beschwerdeführerin Bezug nehme, sei dem entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin keine eigenen Angaben gemacht habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe auch keine Feststellungen dazu getroffen, wo und unter welchen Umständen die Töchter der Beschwerdeführerin leben würden und ob diese in der Lage seien, sich um die Betreuung und Pflege der Beschwerdeführerin zu kümmern. Gerade angesichts ihres intensiven Betreuungsbedarfs, der Vielzahl an physischen und psychischen Krankheiten sowie ihrer eingeschränkten Mobilität reiche es nicht aus, lediglich festzustellen, dass noch Töchter der Beschwerdeführerin im Irak lebten. Schon vor ihrer Flucht habe die verwitwete Beschwerdeführerin bei ihrem Sohn und nicht bei einer der Töchter gelebt. Zu den übrigen Familienmitgliedern bestehe wegen Erbschaftsstreitigkeiten kein Kontakt mehr. Auf Grund der fehlenden Betreuungsmöglichkeiten und der für die Beschwerdeführerin unzugänglichen medizinischen Versorgung drohe ihr eine Verletzung ihrer durch Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte. Daher sei die Beschwerdeführerin durch die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in ihrem Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

II. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2. Das gemäß Art 3 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, wird durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes verletzt, wenn es eine Verletzung desselben nicht wahrnimmt. Ein solcher verfassungswidriger Eingriff liegt aber auch vor, wenn die Entscheidung in Anwendung eines der genannten Verfassungsvorschrift widersprechenden Gesetzes ergangen ist, wenn er auf einer dem genannten Grundrecht widersprechenden Auslegung des Gesetzes beruht oder wenn der Behörde grobe Verfahrensfehler unterlaufen sind (zB VfSlg 13.897/1994, 15.026/1997, 15.372/1998 und 16.384/2001).

3. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

3.1. Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

3.2. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt die im Lichte des Art 3 EMRK notwendige Auseinandersetzung mit der gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin im Hinblick auf eine, nach ihrer Rückführung in den Herkunftsstaat erfolgende, mögliche unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nicht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise vor und führt insbesondere keine hinreichende Prüfung des Einzelfalles anhand der Kriterien aus der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte durch (EGMR [GK], Fall Paposhvili, Appl 41.738/10; s. zur Maßgeblichkeit einer Prüfung des Einzelfalles anhand der Kriterien dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in vergleichbaren Fällen zB ua; , E3796/2018; , E3084/2019):

3.2.1. So stützt das Bundesverwaltungsgericht seine Erwägungen im angefochtenen Erkenntnis wesentlich auf die Annahme, die Beschwerdeführerin könne bei ihrer Rückkehr in den Irak medizinisch versorgt und von ihrer Familie oder in einer staatlichen Einrichtung gepflegt werden. Sie leide unter keiner lebensbedrohlichen Krankheit, die für sie erforderlichen Behandlungen und Medikamente seien im Irak erhältlich, das Krankenhauspersonal im Irak sei generell qualifiziert und sie habe als irakische Staatsbürgerin Zugang zum Gesundheitssystem.

3.2.2. Das Bundesverwaltungsgericht lässt entgegen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte das hohe Alter der verwitweten Beschwerdeführerin sowie ihre zahlreichen psychischen und physischen Gebrechen und damit ihre außerordentliche Vulnerabilität außer Betracht und misst diesem Umstand für die Beurteilung der Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK keine hinreichende Bedeutung zu (zur Maßgeblichkeit dieses Kriteriums EGMR [GK], Fall Paposhvili, Appl 41.738/10 [Z174]; s. dazu auch die Definition schutzbedürftiger Personen in Art 21 der Richtlinie 2013/33/EU zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen [Aufnahmerichtlinie], die ua ältere Menschen sowie Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen bzw psychischen Störungen nennt; ferner auch zu einem minderjährigen Beschwerdeführer).

3.2.3. Insbesondere fehlt auch eine Auseinandersetzung mit dem individuellen Zugang der Beschwerdeführerin zu den im Irak vorhandenen Medikamenten, Behandlungs- und Pflegemöglichkeiten, auf deren Vorhandensein das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung stützt (s EGMR [GK], Fall Paposhvili, Appl 41.738/10 [Z190]).

3.2.4. Dadurch, dass das Bundesverwaltungsgericht sich nicht ausreichend mit der gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin und ihrem Zugang zur von ihr benötigten Versorgung auseinandergesetzt hat, wurde die Beschwerdeführerin in ihrem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt.

4. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg. cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

5. Solche Fehler sind dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

5.1. Das Bundesverwaltungsgericht stellt betreffend die Herkunftsregion der Beschwerdeführerin fest, dass diese aus der Region Sadr City, einem Stadtteil von Bagdad, stammt und begnügt sich in Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten mit der Begründung, dass familiäre Anknüpfungspunkte und staatliche Einrichtungen zur (medizinischen) Versorgung der Beschwerdeführerin vorhanden seien. Dabei unterlässt es jedoch, sich konkret mit der aktuellen allgemeinen Lage in der Herkunftsstadt Bagdad auseinanderzusetzen und diese in der Begründung des Erkenntnisses mit der individuellen Situation der Beschwerdeführerin in Beziehung zu setzen (zu diesen Anforderungen in den Irak betreffenden Fällen vgl zB VfSlg 20.140/2017, 20.141/2017; ; , E4387/2017; , E1764/2018 ua; , E2025/2018 ua). Einer solchen Auseinandersetzung kommt im vorliegenden Fall besondere Bedeutung zu, weil die Sicherheitslage im Irak von Provinz zu Provinz variiert (s VfSlg 20.141/2017).

5.2. Die angefochtene Entscheidung ist aus diesen Gründen mit Willkür behaftet und erweist sich auch aus diesem Grund als verfassungswidrig.

III. Ergebnis

1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch das angefochtene Erkenntnis in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art 3 EMRK, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, und auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 3 Z 4 VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen, weil die Beschwerdeführerin Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Eingabengebühr genießt.

4. Damit erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebene Wirkung zuzuerkennen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2020:E1689.2020
Schlagworte:
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren

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