VfGH vom 09.10.2015, E1536/2014

VfGH vom 09.10.2015, E1536/2014

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht durch eine Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg über eine Beschwerde betreffend ein Zusammenlegungsverfahren wegen Zweifel an der Unabhängigkeit eines dem Gericht angehörenden fachkundigen Laienrichters aufgrund seiner untergeordneten Stellung gegenüber dem Leiter der erstinstanzlichen Agrarbehörde

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis in seinem durch Art 6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Das Land Salzburg ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Mit Bescheid vom erließ die Agrarbehörde Salzburg im Rahmen des Zusammenlegungsverfahrens Maierhofen-Großenegg in den Gemeinden Berndorf bei Salzburg und Nußdorf am Haunsberg den Zusammenlegungsplan. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg wies mit Erkenntnis vom die dagegen erhobene Beschwerde des als Eigentümer mehrerer Grundstücke davon betroffenen Einschreiters als unbegründet ab.

2. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im durch Art 6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht, sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird. Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

2.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) sowie in seinem durch Art 6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht dadurch verletzt, dass das den Zusammenlegungsplan bestätigende Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg in einer verfassungswidrigen Senatsbesetzung bzw. von einem auf Grund eines verfassungswidrigen Gesetzes gebildeten Senat gefällt worden sei. Der im erkennenden Senat mitwirkende fachkundige Laienrichter sei bestellter Referatsleiter in der Abteilung 4 des Amtes der Salzburger Landesregierung, in der auch die Agrarbehörde Salzburg eingerichtet sei. Der Leiter dieser Abteilung sei unmittelbar Dienstvorgesetzter dieses fachkundigen Laienrichters und zugleich Leiter der Agrarbehörde. Der fachkundige Laienrichter habe im vorliegenden Fall entschieden, in dem die Abteilung 4 des Amtes der Salzburger Landesregierung die Vertretung der Verwaltungsbehörde vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg wahrgenommen habe. Trotz der in § 7 des Gesetzes vom über die Organisation des Landesverwaltungsgerichtes in Salzburg (Salzburger Landesverwaltungsgerichtsgesetz – S.LVwGG) normierten Weisungsfreiheit der fachkundigen Laienrichter und seiner – grundsätzlich im Hinblick auf Art 6 EMRK ausreichenden – Funktionsdauer von sechs Jahren könne nicht bestritten werden, dass der im vorliegenden Fall erkennende fachkundige Laienrichter als Referatsleiter in der Abteilung 4 weisungsgebunden gegenüber dem Leiter dieser Abteilung und der Agrarbehörde sowie loyal gegenüber der Agrarbehörde sei, wodurch er gar nicht unbefangen und unparteiisch entscheiden habe können. § 108 Abs 1 Salzburger Flurverfassungs-Landesgesetz 1973 (in der Folge: Sbg. FLG 1973), nach dem zu fachkundigen Laienrichtern Landesbedienstete mit Erfahrung in Angelegenheiten der Bodenreform von der Landesregierung in der erforderlichen Anzahl zu bestellen seien, berücksichtige nicht, dass damit die Unabhängigkeit der Tätigkeit von Landesbediensteten als Senatsmitglieder des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg bereits dem Grunde nach augenscheinlich gefährdet sei.

2.2. Zudem habe der fachkundige Laienrichter im vorliegenden Zusammenlegungsverfahren auch als Amtssachverständiger eine Aufgabe wahrgenommen, indem er das vorhandene bzw. neu geschaffene landwirtschaftliche Wegenetz im Zusammenlegungsbereich Berndorf-Großenegg sachverständig im erstinstanzlichen Verfahren beurteilt habe, was für sich genommen bereits geeignet sei, einerseits an der Unabhängigkeit dieses Mitgliedes als Sachverständiger, andererseits an seiner Unabhängigkeit als Entscheidungsträger (zu dessen Aufgaben es u.a. gehöre, die Schlüssigkeit der eingeholten Sachverständigengutachten zu beurteilen) sowie an der Unbefangenheit der übrigen Mitglieder des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg in dieser Sache Zweifel aufkommen zu lassen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 15.507/1999 und 15.668/1999 mwN) reiche es für eine Verletzung des Art 6 EMRK bereits aus, wenn dem äußeren Anschein nach Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des (hier) Landesverwaltungsgerichtes Salzburg als Gericht bestünden.

3. Die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der den Beschwerdebehauptungen wie folgt entgegengetreten wird:

3.1.1. Zu den gegen § 108 Abs 1 letzter Satz Sbg. FLG 1973 und § 7 S.LVwGG geäußerten Bedenken werde darauf hingewiesen, dass es im Bereich der Bodenreform nach Art 12 Abs 2 B VG lange Zeit verfassungsgesetzlich vorgeschrieben gewesen sei, dass in den Berufungssenaten sachkundige stimmberechtigte Personen als Richter mitwirken würden. Da durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 die Landesagrarsenate und der Oberste Agrarsenat abgeschafft und gleichzeitig eine Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte eingerichtet worden sei, habe Art 135 Abs 1 B VG den Materiengesetzgeber dazu ermächtigt, auch für die neuen Landesverwaltungsgerichte die Beteiligung fachkundiger Laienrichter vorzusehen. In Angelegenheiten der Bodenreform sei dies mit § 108 Abs 1 Sbg. FLG 1973 geschehen. Bereits auf Grund der historischen Gegebenheiten (des früheren verfassungsgesetzlichen Gebotes der Beteiligung von sachkundigen Organwaltern) sei davon auszugehen, dass auch die neue Ausgestaltung der Laienbeteiligung, die im Großen und Ganzen dem früheren System entspreche, mit der Verfassung übereinstimme.

Selbst wenn dieser Auffassung bezüglich der historischen Situation nicht gefolgt werde, ergebe sich die Verfassungsmäßigkeit des § 108 Abs 1 letzter Satz Sbg. FLG 1973 aus dem der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entstammenden Gebot der verfassungskonformen Interpretation von Rechtsnormen, wonach eine Bestimmung im Zweifel derart auszulegen sei, dass sie im Einklang mit dem übergeordneten Verfassungsrecht stehe. Der Wortlaut der Norm lasse einigen Spielraum für Interpretationen, weil er bezüglich der Voraussetzungen der Laienrichtereigenschaft keine engeren als die beiden folgenden Einschränkungen vornehme: erstens müsse der fachkundige Laienrichter ein Landesbediensteter sei und zweitens müsse er Erfahrung in Angelegenheiten der Bodenreform mitbringen. § 108 Abs 1 leg.cit. enthalte keine Anordnung, dass dieser fachkundige Landesbedienstete aus der entsprechenden Abteilung des Amtes der Salzburger Landesregierung stammen müsse oder dass er ein der Verwaltungsbehörde beigegebener oder zur Verfügung stehender Sachverständiger iSd § 52 AVG sein müsse. So könne beispielsweise auch ein solcher Landesbediensteter als Laienrichter herangezogen werden, der zwar in der Vergangenheit für die entsprechende Abteilung tätig gewesen sei, nun aber – wie es durchaus üblich sei – in einem anderen Bereich des Landesdienstes beschäftigt sei, oder ein Landesbediensteter, der seine Erfahrung in Angelegenheiten der Bodenreform aus einer anderen Quelle bezogen habe und somit keinerlei Verbindung zur Verwaltungsbehörde habe.

Mangels eines dem entgegenstehenden Wortlautes sei der Norm jene Bedeutung beizumessen, die sie als nicht verfassungswidrig erscheinen lasse. Die beispielhaft genannten Interpretationsmöglichkeiten würden offenkundig dem Wortlaut des § 108 Abs 1 letzter Satz Sbg. FLG 1973 entsprechen. Hingegen gründe sich die Behauptung, die Bestimmung schaffe ex lege befangene Richtersenate, auf eine zu enge und daher nicht verfassungskonforme Interpretation der Norm.

3.1.2. § 7 S.LVwGG gelte grundsätzlich subsidiär gegenüber den spezielleren Normen der jeweiligen Verwaltungsvorschriften und enthalte darüber hinaus auch nur die fundamentalen Grundsätze, sodass im vorliegenden Fall daraus keine wie auch immer geartete Verfassungswidrigkeit abgeleitet werden könne.

3.2. Zum Vorbringen der Mitwirkung des Amtssachverständigen als Mitglied des Senates des Landesverwaltungsgerichtes werde darauf hingewiesen, dass sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , E707/2014, mit dem Thema der Weisungsgebundenheit von Amtssachverständigen, die von einem Landesverwaltungsgericht einem Verfahren beigezogen worden seien, auseinandergesetzt habe. Allein darin, dass Amtssachverständige in dienstlicher Hinsicht weisungsgebunden seien (vgl. Art 20 Abs 1 B VG), könne kein Grund für eine Befangenheit oder den Anschein einer Befangenheit gesehen werden.

Der Verfassungsgerichtshof habe im Hinblick auf die (Misch-)Verwendung von Verwaltungsbeamten (hier: Amtssachverständigen) als (weisungsfreie) Mitglieder eines Gerichts im Sinne des Art 6 EMRK, das über ähnliche Angelegenheiten entscheide wie über jene, mit denen die Beamten in ihrer sonstigen beruflichen Tätigkeit befasst seien, nur unter besonderen Umständen – nämlich im Fall einer funktionellen oder dienstlichen Unterordnung einzelner Mitglieder zu einer Verfahrenspartei – das Vorliegen eines äußeren Anscheins der Parteilichkeit angenommen. Hinsichtlich des Weisungsverhältnisses zwischen dem Amtssachverständigen und dem provisorischen Leiter der Abteilung 4 (Lebensgrundlagen und Energie) werde auf die obigen Ausführungen verwiesen. Im Amt der Salzburger Landesregierung würden die rechtlichen Aufgaben der Grundzusammenlegung im Referat 4/01 (Agrarrecht, Arbeitsinspektion, Jagd und Fischerei) erfüllt. Der in Rede stehende Amtssachverständige sei Leiter des Referates 4/07 (Agrarwirtschaft, Bodenschutz und Almen) und nur in diesem Bereich dem Abteilungsleiter funktionell und dienstlich untergeordnet. Diese Unterordnung umfasse keinesfalls die weisungsfreie Tätigkeit als Amtssachverständiger und auch nicht seine weisungsfreie Tätigkeit als Laienrichter beim Landesverwaltungsgericht. Jede – auch schon versuchte – Erteilung einer Weisung des Dienstvorgesetzten an diese Person – in Ausübung einer der beiden Funktionen – stelle bereits eine (straf-)gesetzwidrige Handlung dar. Dem provisorischen Leiter der Abteilung 4 ein derartiges Vorgehen per se zu unterstellen, sei unzulässig und erlaube auch nicht, daraus eine Anscheinsbefangenheit abzuleiten.

Für eine verfassungskonforme Mitwirkung der Amtssachverständigen als Laienrichter beim Landesverwaltungsgericht spreche ihre befristete Bestellung, das vor Amtsantritt zu leistende Gelöbnis zur gewissenhaften Erfüllung ihrer Amtspflichten und die Weisungsungebundenheit in Ausübung ihrer Funktion (§7 S.LVwGG). Die Laienrichter würden wie die übrigen Richter von der Landesregierung ernannt (§2 und § 7 leg.cit.).

Im Hinblick auf die Tätigkeit einer bestimmten Person als Amtssachverständiger im Berufungsverfahren vor dem Landesagrarsenat Salzburg werde auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, nach der der Befangenheitsgrund des § 7 Abs 1 Z 5 AVG (Mitwirkung an der Erlassung des Bescheides der unteren Instanz) nur für die unmittelbar an der Erzeugung der Entscheidung beteiligten Verwaltungsorgane gelte. Sachverständige, die wie im vorliegenden Fall lediglich mit der Erstellung eines Gutachtens im Beweisverfahren betraut gewesen seien und somit an der Schaffung einer Entscheidungsgrundlage – nicht jedoch an der Entscheidung selbst – mitgewirkt hätten, seien im Rahmen einer Tätigkeit als Laienrichter im Verwaltungsgericht nicht befangen. Ergänzend sei auszuführen, dass Zusammenlegungsverfahren durch einen stufenförmigen Aufbau gekennzeichnet seien und die nächste Stufe erst beschritten werden dürfe, wenn die vorhergehende Stufe in Rechtskraft erwachsen sei. Im vorliegenden Fall sei eine bestimmte Person in der Stufe der Erlassung des Bescheides "Plan der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen" im Rahmen des Berufungsverfahrens vor dem Landesagrarsenat Salzburg als Amtssachverständiger tätig gewesen. Im Zusammenlegungsverfahren sei danach der Bescheid "Anordnung der vorläufigen Übernahme der Grundabfindungen" erlassen worden, der in Rechtskraft erwachsen sei. Gegen den danach erlassenen Bescheid "Zusammenlegungsplan" habe der Einschreiter Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Salzburg erhoben. In dem dazu ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg habe der in Rede stehende Amtssachverständige als Laienrichter mitgewirkt. Eine Doppelfunktion dieser Person als Sachverständiger und zugleich als Entscheidungsträger in ein und demselben Verfahren(sabschnitt) sei nicht festzustellen.

4. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat die Gerichtsakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der es den Beschwerdebehauptungen Folgendes entgegenhält:

4.1. Hinsichtlich der behaupteten Befangenheit des fachkundigen Laienrichters aus seiner Tätigkeit als Gutachter im Rahmen eines Verfahrens vor dem Landesagrarsenat werde darauf hingewiesen, dass diese Thematik am Beginn des Beschwerdeverfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht besprochen worden sei und der fachkundige Laienrichter dabei eine Befangenheit seinerseits nicht erkannt habe. Diese Auffassung sei nach ausführlicher senatsinterner Erörterung auch von der Senatsvorsitzenden und vom Berichterstatter geteilt worden, weil die gutachterliche Tätigkeit des Laienrichters im Rahmen des seinerzeitigen Verfahrens vor dem Landesagrarsenat einen gänzlich anderen sachverhaltsmäßigen Bezug gehabt habe und somit eine Befangenheit des Laienrichters schon allein aus diesen faktischen Verhältnissen nicht anzunehmen gewesen sei. Gegenstand des damaligen Verfahrens sei eine singuläre Maßnahme im Rahmen einer Abänderung des "Planes der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen" zum betreffenden Zusammenlegungsverfahren gewesen, wozu vom nunmehr betroffenen fachkundigen Laienrichter eine gutachterliche Stellungnahme zum Verlauf eines Weges abgegeben worden sei. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht sei hingegen die Gesamtgrundabfindung des Beschwerdeführers, die in der Gegenüberstellung mit dem Altbestand in der Beurteilung aus den Gutachten der Agrarbehörde als deutlich innerhalb der diesbezüglichen Toleranzen gelegen beurteilt worden sei. Die Einzelmaßnahme aus dem Verfahren vor dem Landesagrarsenat sei dabei allein aus dem stufenförmigen Ablauf eines Zusammenlegungsverfahrens kein Verfahrensaspekt mehr.

4.2. In diesem Zusammenhang sei noch darauf hinzuweisen, dass der fachkundige Laienrichter im Verfahren vor dem Landesagrarsenat "nur" als Gutachter tätig gewesen sei und ihm als solchem im Sinne der diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Mitwirkung an der Entscheidung zuzumessen gewesen sei ().

4.3. Schließlich spreche gegen die Befangenheit des Laienrichters im konkreten Verfahren auch, dass er im Verfahren für den Landesagrarsenat gegutachtet habe, also für ein Gericht im Sinne des Art 6 EMRK, an dessen Stelle nunmehr das Landesverwaltungsgericht getreten sei. Von einer Anscheinsbefangenheit könnte allenfalls dann gesprochen werden, wenn der Laienrichter sein damaliges Gutachten im Verfahren vor der Agrarbehörde erstattet hätte. Dies sei aber gerade nicht der Fall, weil er es für die vormalige Berufungsbehörde im Rechtsmittelverfahren gegen den agrarbehördlichen Bescheid erstattet habe.

5. Der Beschwerdeführer erstattete eine Replik zur Gegenschrift der Agrarbehörde Salzburg und zur Äußerung des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. § 108 Sbg. FLG 1973, LGBl 1 idF LGBl 106/2013, lautete:

"Senatsentscheidungen des Landesverwaltungsgerichts;

Übermittlungspflicht

§108

(1) Über Beschwerden gegen Bescheide der Agrarbehörde in Zusammenlegungs- und Flurbereinigungsverfahren entscheidet das Landesverwaltungsgericht in Senaten, die aus einem Richter als Vorsitzendem, einem weiteren Richter als Berichterstatter sowie einem fachkundigen Laienrichter (§7 S.LVwGG) bestehen. Zu fachkundigen Laienrichtern sind von der Landesregierung Landesbedienstete mit Erfahrung in Angelegenheiten der Bodenreform in der erforderlichen Anzahl zu bestellen.

(2) Zu fachkundigen Laienrichtern dürfen nur Landesbedienstete des Dienststandes bestellt werden, gegen die, wenn sie Landesbeamte sind, kein Disziplinarverfahren anhängig ist. Sie haben der Bestellung zu fachkundigen Laienrichtern Folge zu leisten.

(3) Die Funktion als fachkundiger Laienrichter ruht:

1. während einer Außerdienststellung;

2. während eines Urlaubes von mehr als drei Monaten;

3. während des Ausbildungs-, Präsenz- und Zivildienstes; oder

4. wenn es sich um einen Landesbeamten handelt, von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss oder während einer Suspendierung.

(4) Das Landesverwaltungsgericht hat dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft schriftliche Ausfertigungen der in den Angelegenheiten dieses Gesetzes ergangenen Erkenntnisse zu übermitteln."

2. § 7 S.LVwGG, LGBl 16/2013 idF LGBl 101/2013, lautet:

"Fachkundige Laienrichterinnen und -richter

§7

(1) Die nachstehenden Bestimmungen finden Anwendung, soweit in den Verwaltungsvorschriften, die eine Beiziehung von fachkundigen Laienrichterinnen und Laienrichtern in die Senate des Landesverwaltungsgerichtes vorsehen, nicht anderes bestimmt wird.

(2) Zu fachkundigen Laienrichterinnen und Laienrichtern können nur Personen bestellt werden, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen und voll handlungsfähig sind. Sie sind von der Landesregierung jeweils auf die Dauer von sechs Jahren zu bestellen und haben vor Antritt ihres Amtes unter sinngemäßer Anwendung des § 3 das Gelöbnis zu leisten. Die Unvereinbarkeitsbestimmungen des § 4 Abs 1 finden sinngemäß Anwendung. Für jede fachkundige Laienrichterin und für jeden fachkundigen Laienrichter ist in gleicher Weise zumindest eine Ersatzrichterin oder ein Ersatzrichter zu bestellen und anzugeloben. Bei der Bestellung mehrerer Ersatzrichterinnen und Ersatzrichter ist gleichzeitig zu bestimmen, in welcher Reihenfolge diese die fachkundige Laienrichterin oder den fachkundigen Laienrichter im Fall der Verhinderung vertreten.

(3) Die fachkundigen Laienrichterinnen und -richter sowie die Ersatzrichterinnen und -richter sind in Ausübung ihrer Funktion an keine Weisungen gebunden.

(4) Das Amt als fachkundige Laienrichterin oder als fachkundiger Laienrichter sowie als Ersatzrichterin oder Ersatzrichter endet:

1. mit Ablauf der Bestellungsdauer, frühestens jedoch mit der Bestellung der nachfolgenden Laienrichterinnen und Laienrichter bzw Ersatzrichterinnen und richter;

2. mit dem schriftlich erklärten Verzicht auf das Amt (Abs5);

3. mit der Amtsenthebung (Abs6).

In den Fällen der Z 2 und 3 ist für den Rest der Funktionsdauer eine neue fachkundige Laienrichterin oder ein neuer fachkundiger Laienrichter bzw eine Ersatzrichterin oder ein Ersatzrichter zu bestellen.

(5) Der Verzicht ist der Präsidentin oder dem Präsidenten schriftlich zu erklären. Er wird, sofern in der Verzichtserklärung nicht ein anderer Zeitpunkt angegeben ist, eine Woche nach dem Einlangen wirksam. Die Präsidentin oder der Präsident hat den Verzicht einschließlich des Zeitpunkts des Wirksamwerdens der Landesregierung mitzuteilen.

(6) Eine fachkundige Laienrichterin, ein fachkundiger Laienrichter, eine Ersatzrichterin und ein Ersatzrichter sind vom Personal- und Disziplinarausschuss ihres bzw seines Amtes zu entheben, wenn sie bzw er

1. die volle Handlungsfähigkeit, die österreichische Staatsbürgerschaft oder eine nach den Verwaltungsvorschriften vorgesehene besondere Bestellungsvoraussetzung verliert;

2. aus gesundheitlichen Gründen ihre bzw seine richterlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen kann;

3. unentschuldigt ihre bzw seine Pflichten grob verletzt oder vernachlässigt hat oder

4. durch ihr bzw sein Verhalten das Ansehen des Amtes einer fachkundigen Laienrichterin oder eines fachkundigen Laienrichters bzw als Ersatzrichterin oder -richter gefährdet.

(7) Laienrichterinnen und -richter sowie Ersatzrichterinnen und -richter erhalten für die Teilnahme an Verhandlungen des Landesverwaltungsgerichtes einen Aufwandersatz, der unter sinngemäßer Anwendung des Kollegialorgane-Sitzungsentschädigungsgesetzes mit der Maßgabe zu ermitteln ist, dass die Höhe des Sitzungsgeldes 100 % der vollen Tagesgebühr nach den für Landesbedienstete jeweils geltenden reisegebührenrechtlichen Vorschriften beträgt."

3. § 18 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – in der Folge: VwGVG), BGBl I 33/2013, lautet:

"Parteien

4. § 18. Partei ist auch die belangte Behörde."

III. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2. Gemäß Art 6 Abs 1 erster Satz EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht gehört wird, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat.

3. Dem vorliegenden Fall liegt die Gesamtgrundabfindung des Beschwerdeführers im Rahmen des Zusammenlegungsverfahrens Maierhofen-Großenegg in den Gemeinden Berndorf bei Salzburg und Nußdorf am Haunsberg durch Erlassung des Zusammenlegungsplanes zugrunde. Dadurch werden die Eigentumsrechte des Beschwerdeführers sowie seine privatrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen berührt, weshalb Art 6 EMRK auf das hier zu beurteilende Verfahren anzuwenden ist (vgl. VfSlg 17.307/2004 und EGMR , Fall Wiesinger , Appl. 11.796/85, ÖJZ1992, 238 [239]).

4. Nach der mit der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte übereinstimmenden und auf Verwaltungsgerichte übertragbaren Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes haben die Unabhängigen Verwaltungssenate in Bezug auf die "Unparteilichkeit" und "Unabhängigkeit" ihrer Mitglieder den Erfordernissen eines Gerichts im Sinne des Art 6 EMRK zu genügen und daher eine Zusammensetzung aufzuweisen, die keinen berechtigten Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ihrer Mitglieder entstehen lässt. Dabei ist nicht nur eine allfällige tatsächliche Befangenheit entscheidend, sondern auch der "äußere Anschein der Parteilichkeit" (vgl. VfSlg 19.799/2013 und die dort zitierte Judikatur).

5. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat im vorliegenden Fall diesen Anforderungen nicht genügt:

6. Der in Rede stehende fachkundige Laienrichter war zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg Leiter des Referates 4/22 – Agrarwirtschaft, Bodenschutz und Almen in der Fachabteilung 4/2 – Landwirtschaft und ländlicher Raum, die wiederum in der Abteilung 4 des Amtes der Salzburger Landesregierung ("Lebensgrundlagen und Energie") angesiedelt war, in der auch die Fachabteilung 4/1 – Agrarbehörde Salzburg sowie (darunter) das Referat 4/12 – Technische Angelegenheiten der Zusammenlegung und Flurbereinigung eingegliedert waren. Der Leiter dieser Abteilung war zugleich Leiter der beiden genannten Fachabteilungen (somit auch der Agrarbehörde) und unmittelbarer Vorgesetzter des fachkundigen Laienrichters. Die Agrarbehörde Salzburg ist gemäß § 18 VwGVG als belangte Behörde Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

7. Zwar stellt der Umstand, dass ein fachkundiger Laienrichter eines Verwaltungsgerichtes Verwaltungsbeamter ist und als solcher in seiner sonstigen Tätigkeit weisungsgebunden ist, für sich allein noch keinen Grund dafür dar, an der Unabhängigkeit des Verwaltungsgerichtes zu zweifeln (vgl. VfSlg 15.668/1999 und EGMR , Fall Ringeisen , Serie A Nr 13).

8. Berechtigt sind allerdings Zweifel an der Unabhängigkeit einer Person, die einem Gericht iSd Art 6 EMRK angehört, wenn sie sich sowohl im Hinblick auf ihre Pflichten als auch auf die Organisation ihres Amtes im Verhältnis zu einer der Parteien in untergeordneter Stellung befindet (vgl. EGMR , Fall Sramek , Serie A Nr 84, und ).

9. Da der in Rede stehende fachkundige Laienrichter Referatsleiter in jener Abteilung des Amtes der Salzburger Landesregierung ist, in die auch die als belangte Behörde Parteistellung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren genießende Agrarbehörde Salzburg eingegliedert ist, sodass er sich gegenüber dem Leiter dieser Abteilung – der auch die Agrarbehörde leitet – in einer unmittelbar untergeordneten Stellung befindet, entspricht die Zusammensetzung des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg im vorliegenden Fall nicht den Anforderungen des Art 6 EMRK. Dies wiegt umso schwerer, als den Verwaltungsgerichten eine rechtsstaatliche Filterungsfunktion zukommt und die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes im Instanzenzug seit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I 51, nur noch bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung erfolgt (). Der im Instanzenzug anrufbare Verwaltungsgerichtshof vermag aber nicht mehr im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VfSlg 19.320/2011) die möglicherweise mangels Unabhängigkeit fehlende Gerichtsqualität der entscheidenden Verwaltungsgerichte zu ersetzen.

10. Der Beschwerdeführer wurde daher in seinem aus Art 6 EMRK abzuleitenden Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht verletzt (vgl. VfSlg 15.668/1999).

11. Die mangelnde Gerichtsqualität ist aber nicht dem Gesetz anzulasten, weil die – oben wiedergegebenen – gesetzlichen Bestimmungen über die Zusammensetzung des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg bei Entscheidungen über Beschwerden gegen Bescheide der – im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Parteistellung genießenden – Agrarbehörde Salzburg in Zusammenlegungs- und Flurbereinigungsverfahren eine personelle Besetzung erlauben (und im Hinblick auf Art 6 EMRK auch gebieten), bei der die bedenklich erscheinende Verquickung der Tätigkeit als fachkundiger Laienrichter im Verwaltungsgericht einerseits mit der Tätigkeit als Angehöriger jener Abteilung des Amtes der Salzburger Landesregierung, in der auch die Parteirechte im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht wahrgenommen werden, andererseits vermieden werden könnte.

IV. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung in seinem durch Art 6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht verletzt worden.

2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,– enthalten. Die als "ERV-Gebühr" geltend gemachten Barauslagen in Höhe von € 1,80 und die anteilige Umsatzsteuer von € 0,36 sind schon deshalb nicht zuzusprechen, weil diese bereits mit dem Pauschalsatz abgegolten sind (; , B1446/2012; vgl. auch VfSlg 16.857/2003).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2015:E1536.2014