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VfGH vom 08.06.2020, E1492/2019

VfGH vom 08.06.2020, E1492/2019

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Vorschreibung einer Einmalzahlung an die österreichische Finanzbehörde gemäß dem Steuerabkommen für Liechtenstein; keine Anwendung des Steuerabkommens bei Vorliegen eines Irrtums betreffend die Einmalzahlung von Zinserträgen für Einkünfte aus öffentlichen Quellen auf einem liechtensteinischen Gehaltskonto

Spruch

I.Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II.Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer verfügt über ein liechtensteinisches Gehaltskonto, das als Zahlstelle für seine im Fürstentum Liechtenstein erzielten Einkünfte dient. Am führte die liechtensteinische Bank gestützt auf Art 8 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die Zusammenarbeit im Bereich der Steuern samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen, BGBl III 301/2013 (in der Folge: Steuerabkommen Liechtenstein), zur Nachversteuerung von Zinserträgen eine Einmalzahlung iHv € 30.099,66 an die zuständige österreichische Finanzbehörde ab.

2. Am beantragte der Beschwerdeführer gestützt auf Art 14 Abs 3 des Steuerabkommens Liechtenstein die Rückerstattung der Einmalzahlung. Seinen Antrag begründete der Beschwerdeführer damit, irrtümlich die falsche Option angekreuzt zu haben. Er habe beabsichtigt, das Konto offenzulegen und nicht mittels Einmalzahlung die bisherigen Erträge zu besteuern. Es handle sich bei dem Konto um ein Gehaltskonto, wobei die Bezüge stets offengelegt und besteuert worden seien. Die Einmalzahlung sei in Anbetracht der sehr geringen Zinseinkünfte unverhältnismäßig.

3. Mit Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom wurde der Antrag abgewiesen.

4. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom als unbegründet ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG für zulässig.

Das Bundesfinanzgericht stellt fest, dass der im Inland ansässige Beschwerdeführer im Fürstentum Liechtenstein Einkünfte aus öffentlichen Quellen bezogen habe. Hiefür habe er ab dem Jahr 2010 ein Gehaltskonto bei einer liechtensteinischen Bank eingerichtet gehabt. Es seien in den Jahren 2010 bis 2013 Kapitalerträge iHv insgesamt CHF 232,50 erzielt worden, die in den jährlichen Steuererklärungen nicht deklariert worden seien.

Der Beschwerdeführer habe seinen Wohnsitz zum maßgeblichen Stichtag nach Art 3 Abs 2 des Steuerabkommens Liechtenstein () in Österreich gehabt und sowohl an diesem Stichtag als auch beim Inkrafttreten des Steuerabkommens Liechtenstein () über eine liechtensteinische Zahlstelle iSd Art 2 Abs 1 lite des Steuerabkommens Liechtenstein verfügt. Er sei damit nach Art 5 Abs 1 des Steuerabkommens Liechtenstein verpflichtet gewesen, der liechtensteinischen Zahlstelle bis zum Stichtag 3 () mitzuteilen, ob die Nachversteuerung von Zinserträgen durch Einmalzahlung erfolgen solle (Art8) oder eine Ermächtigung zur freiwilligen Meldung erteilt werde (Art10). Es stehe außer Streit, dass der Beschwerdeführer der liechtensteinischen Zahlstelle keine Ermächtigung zur freiwilligen Meldung nach Art 10 des Steuerabkommens Liechtenstein erteilt habe, weshalb diese verpflichtet gewesen sei, die nach Anhang I berechnete Einmalzahlung gemäß Art 8 des Steuerabkommens Liechtenstein zu erheben. Aus welchen Gründen eine solche Ermächtigung nicht erteilt worden sei, sei nach dem Steuerabkommen Liechtenstein nicht maßgeblich. Es sei auch unerheblich, ob das Vermögen auf dem Konto der liechtensteinischen Zahlstelle tatsächlich aus versteuerten oder unversteuerten Einkünften stamme bzw ob die Offenlegung der Zinserträge absichtlich oder nur versehentlich unterblieben sei. Der Umstand, dass das auf dem Konto des Beschwerdeführers verbuchte Einkommen in Österreich ordnungsgemäß versteuert worden sei, sei daher unbeachtlich. Das Steuerabkommen Liechtenstein sehe für jene Fälle, in denen keine unversteuerten Vermögenswerte vorliegen bzw nur geringfügige Zinserträge erzielt worden seien, die Möglichkeit zur freiwilligen Meldung vor. Im Falle der Nichterteilung einer solchen Ermächtigung komme zwingend die pauschale Nachversteuerung durch Einmalzahlung zur Anwendung.

Gemäß Art 14 Abs 3 des Steuerabkommens Liechtenstein bestehe gegenüber der österreichischen Abgabenbehörde ein Anspruch auf Rückerstattung, wenn die Einmalzahlung ohne rechtlichen Grund bezahlt worden sei. Die Wortfolge "ohne rechtlichen Grund" sei im Steuerabkommen Liechtenstein nicht definiert. In den Erläuterungen sei als Beispiel für eine grundlose Zahlung lediglich der Fall genannt, dass die betroffene Person zum relevanten Zeitpunkt nicht in Österreich ansässig gewesen sei (vgl die Erläut zur RV 2151 BlgNR 24. GP, 15). Ohne rechtlichen Grund sei eine Einmalzahlung jedenfalls dann erfolgt, wenn sich nachträglich herausstelle, dass eine (oder mehrere) der im Steuerabkommen Liechtenstein geregelten Voraussetzungen für die Einhebung nicht vorgelegen seien.

Das zuständige Finanzamt habe in Bezug auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Einhebung der Einmalzahlung ausdrücklich festgestellt, dass der Beschwerdeführer der liechtensteinischen Zahlstelle keine schriftliche Ermächtigung zur freiwilligen Meldung iSd Art 10 des Steuerabkommens Liechtenstein erteilt habe. Der Beschwerdeführer habe dies im Verfahren auch nicht bestritten. Eine nachträgliche Bekanntgabe (Offenlegung) von auf einem liechtensteinischen Konto zu gewissen Stichtagen verbuchten Vermögenswerten und Erträgen vermittle keinen Rechtsanspruch auf eine (auch nur teilweise) Rückerstattung der Einmalzahlung. Für das Bundesfinanzgericht sei damit erwiesen, dass die Einmalzahlung nicht "ohne rechtlichen Grund" bezahlt worden sei.

Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei die Einmalzahlung als unverhältnismäßig hoch anzusehen, jedoch seien die im vorliegenden Fall eingetretenen Rechtsfolgen nur auf das Unterbleiben einer Ermächtigung zur freiwilligen Meldung zurückzuführen. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer "irrtümlich die falsche Option angekreuzt" und damit "aus freiem Willen die weitaus ungünstigere Variante der Einmalzahlung gewählt" habe, führe nicht dazu, dass die Einmalzahlung rechtsgrundlos erfolgt sei.

In Bezug auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Bedenken sei auf die Ablehnungspraxis des Verfassungsgerichtshofes iZm Anträgen auf Rückerstattung der Abgeltungssteuer zu verweisen.

5. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums, sowie in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen Bestimmung eines Staatsvertrages (Art14 Abs 3 Steuerabkommen Liechtenstein) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Das Bundesfinanzgericht habe jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen und insbesondere keinerlei Feststellungen zur Frage des Vorliegens eines Willensmangels beim Beschwerdeführer getroffen. Die unterlassene Ermittlungstätigkeit berühre die entscheidungswesentliche Frage, ob im vorliegenden Fall von einer Einmalzahlung ohne rechtlichen Grund iSd Art 14 Abs 3 des Steuerabkommens Liechtenstein auszugehen sei. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes führten nur solche Einmalzahlungen zu einer Rückforderung, bei welchen das Geldinstitut keine Veranlassung gehabt habe, die Zahlung zu überweisen. Diese Interpretation der Wortfolge "ohne rechtlichen Grund" führe im vorliegenden Fall zu einer Bereicherung der Republik Österreich iHv rund € 30.100,– zu Lasten des irrtümlich handelnden Beschwerdeführers. Aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Art 137 B-VG lasse sich der Grundsatz ableiten, dass der Staat sich nicht durch eine irrtümlich geleistete Zahlung bereichern dürfe. § 1431 ABGB sei jedoch nicht nur im Verfahren nach Art 137 B-VG anzuwenden, sondern auch dann, wenn die Rechtsordnung – wie im Fall des Art 14 Abs 3 des Steuerabkommens Liechtenstein – ein spezielles Rückforderungsrecht bereitstelle. Die vom Bundesfinanzgericht vertretene Rechtsansicht, dass eine iSd § 1431 ABGB irrtümlich geleistete Zahlung von Art 14 Abs 3 des Steuerabkommens Liechtenstein nicht erfasst sei, erweise sich sohin als denkunmöglich.

Zudem behauptet der Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit der staatsvertraglichen Bestimmung des Art 14 Abs 3 des Steuerabkommens Liechtenstein. Hintergrund der Nachversteuerung durch Einmalzahlung nach Art 8 des Steuerabkommens Liechtenstein sei die durch Entrichtung eines Pauschalbetrages eintretende Amnestie von Personen, die in der Vergangenheit ihre im Fürstentum Liechtenstein erzielten Einkünfte in Österreich nicht ordnungsgemäß deklariert hätten. Der Beschwerdeführer habe seine Einkünfte demgegenüber – mit Ausnahme der im Vergleich zur abgeschöpften Einmalzahlung vernachlässigbar niedrigen Einkünfte aus Kapitalvermögen – stets ordnungsgemäß angegeben. Der Beschwerdeführer werde "in einem geradezu exorbitanten Maß bestraft" und handle es sich um keinen bloßen Härtefall. Vielmehr liege ein strukturelles Problem vor, wenn Art 14 Abs 3 des Steuerabkommens Liechtenstein zwar einen Rückerstattungsanspruch für den Fall vorsehe, dass die Einmalzahlung ohne rechtlichen Grund bezahlt worden sei, Bereicherungsansprüche nach § 1431 ABGB jedoch unberücksichtigt lasse.

6. Das Finanzamt Feldkirch und das Bundesfinanzgericht haben die Verwaltungs-bzw Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Das Steuerabkommen Liechtenstein lautet auszugsweise:

"Art5 Rechte und Pflichten der betroffenen Person

1. Eine betroffene Person, die am Stichtag 2 und beim Inkrafttreten dieses Abkommens bei derselben liechtensteinischen Zahlstelle gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe e Ziffer i ein Konto oder Depot unterhält, muss der liechtensteinischen Zahlstelle spätestens per Stichtag 3 schriftlich mitteilen, für welche der beim Inkrafttreten dieses Abkommens bestehenden Konten oder Depots die Nachversteuerung durch Einmalzahlung nach Artikel 8 erfolgen soll und für welche Konten oder Depots sie der liechtensteinischen Zahlstelle die Ermächtigung zur freiwilligen Meldung nach Artikel 10 gewahrt. Für sämtliche Vermögenswerte, die von liechtensteinischen Zahlstellen gemäß Art 2 Abs 1 Buchstabe e Ziffer ii verwaltet werden, muss entweder die Nachversteuerung durch Einmalzahlung vorgenommen oder die Ermächtigung zur freiwilligen Meldung gewahrt werden. Eine abgegebene Mitteilung ist ab Inkrafttreten dieses Abkommens unwiderruflich.

2. Entscheidet sich die betroffene Person zur Nachversteuerung durch Einmalzahlung nach Artikel 8, so stellt sie für die Begleichung der Einmalzahlung den erforderlichen Geldbetrag sicher.

3. Bei Konten oder Depots, bei denen die betroffene Person bis zum Stichtag 3 keine Mitteilung nach Absatz 1 abgibt, erfolgt die Nachversteuerung durch Einmalzahlung nach Artikel 8.

4. Ist der Konto- oder Depotinhaber mit der betroffenen Person nicht identisch, so ist die liechtensteinische Zahlstelle gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe e Ziffer i berechtigt, nach den Weisungen und Mitteilungen des Konto- oder Depotinhabers zu handeln.

[…]

Art14 Unvollständige oder zu Unrecht erfolgte Erhebung der Einmalzahlung

1. Erhebt die liechtensteinische Zahlstelle die Einmalzahlung nach Artikel 8 aufgrund eines Berechnungs- oder Abwicklungsfehlers nicht in vollständiger Höhe, so kann die liechtensteinische Zahlstelle der betroffenen Person den fehlenden Betrag zuzüglich eines Verzugszinses entsprechend Artikel 13 Absatz 2 nachbelasten. Die liechtensteinische Zahlstelle bleibt gegenüber der zuständigen liechtensteinischen Behörde jedenfalls zur entsprechenden Nachleistung verpflichtet. Dasselbe gilt für erhobene Verzugszinsen. Die zuständige liechtensteinische Behörde leitet nachgeleistete Einmalzahlungen einschließlich erhobener Verzugszinsen unverzüglich an die zuständige österreichische Behörde weiter.

2. In Fällen von Absatz 1 tritt für die betroffene Person die Wirkung nach Artikel 8 Absatz 6 auch ein, wenn die betroffene Person den Berechnungs- oder Abwicklungsfehler ohne grobes Verschulden nicht erkannt hat. Wird der Berechnungs- oder Abwicklungsfehler nach Absatz 1 korrigiert, tritt die Wirkung nach Artikel 8 Absatz 6 in jedem Fall ein.

3. Ist die Einmalzahlung ohne rechtlichen Grund bezahlt worden, so hat die betroffene Person gegenüber der zuständigen österreichischen Behörde einen Anspruch auf Erstattung der Einmalzahlung."

III. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

3. Ein solcher Fehler ist dem Bundesfinanzgericht unterlaufen:

3.1. Art 14 Abs 3 des Steuerabkommens Liechtenstein bestimmt, dass die betroffene Person gegenüber der zuständigen österreichischen Abgabenbehörde einen Anspruch auf Erstattung der Einmalzahlung hat, wenn die Einmalzahlung ohne rechtlichen Grund bezahlt worden ist. Eine Einmalzahlung erfolgt dann ohne rechtlichen Grund, wenn die im Abkommen geregelten Voraussetzungen für ihre Erhebung nicht vorliegen (vgl die Erläut zur RV 2151 BlgNR 24. GP, 15, wonach von einer Einmalzahlung ohne rechtlichen Grund auszugehen ist, wenn die betroffene Person zum relevanten Zeitpunkt nicht in Österreich ansässig gewesen ist).

Nach Art 5 Abs 1 des Steuerabkommens Liechtenstein muss eine betroffene Person, die am Stichtag 2 () und beim Inkrafttreten dieses Abkommens bei der liechtensteinischen Zahlstelle ein Konto oder Depot unterhält, der liechtensteinischen Zahlstelle spätestens per Stichtag 3 () schriftlich mitteilen, für welche der bei Inkrafttreten dieses Abkommens bestehenden Konten oder Depots die Nachversteuerung durch Einmalzahlung nach Art 8 des Steuerabkommens Liechtenstein erfolgen soll und für welche Konten oder Depots sie der liechtensteinischen Zahlstelle die Ermächtigung zur freiwilligen Meldung nach Art 10 des Steuerabkommens Liechtenstein gewährt. Wird eine Ermächtigung zur freiwilligen Meldung nach Art 10 des Steuerabkommens Liechtenstein nicht erteilt, ist die liechtensteinische Zahlstelle verpflichtet, die nach Anhang I berechnete Einmalzahlung gemäß Art 8 des Steuerabkommens Liechtenstein zu erheben.

Voraussetzung der Einmalzahlung ist somit eine entsprechende Willenserklärung, die die betroffene Person gegenüber der liechtensteinischen Zahlstelle abzugeben hat. Auch wenn diese gemäß Art 5 Abs 1 des Steuerabkommens Liechtenstein ab Inkrafttreten des Steuerabkommens Liechtenstein unwiderruflich ist, liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des Abkommens nicht vor, wenn der Erklärung wesentliche Willensmängel anhaften, die es sachlich rechtfertigen, dass der Erklärende den objektiven Inhalt der Erklärung nicht gegen sich gelten lassen muss.

3.2. Es ist nämlich zu beachten, dass die für Willensmängel geltenden zivilrechtlichen Normen, wie etwa über das Vorliegen eines Irrtums gemäß § 871 ABGB, nach anerkannter Auffassung auch für die Ausübung von in materiellen Steuergesetzen vorgesehenen Antragsrechten und für Prozesshandlungen der Parteien im Anwendungsbereich der BAO Geltung beanspruchen (vgl Jakom, EStG12, 2019, § 37 Rz 75 sowie Ritz, BAO6, 2017, § 85 Tz 1, § 255 Tz 8, § 308 Tz 12).

3.3. Hieraus folgt aber, dass ein Anspruch auf Erstattung gemäß Art 14 Abs 3 des Steuerabkommens Liechtenstein bestehen kann, wenn eine betroffene Person von einer unzutreffenden Vorstellung vom Inhalt und den Folgen der Erklärung ausgegangen ist und aus den Umständen dem Erklärungsempfänger ein solcher Irrtum offenbar auffallen musste (vgl Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4, § 871 Rz 41; zur Anwendbarkeit der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Privatrechts auf öffentlich-rechtliche Willenserklärungen vgl VfSlg 991/1928, 5386/1966, 8812/1980, 17.428/2004).

3.4. Eine solche Konstellation kann im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden: Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes hat das betreffende Konto als Gehaltskonto für Bezüge aus öffentlichen Quellen gedient und wurden offenkundig – abgesehen von geringen Kapitaleinkünften aus den durch die Gehälter bewirkten Guthabenständen – keine weiteren Zuflüsse auf diesem Konto erfasst, auf deren Regularisierung das Steuerabkommen Liechtenstein abzielt. Damit war auch für jeden verständigen Dritten davon auszugehen, dass die Bezüge aus öffentlichen Quellen vom Beschwerdeführer – wie auch von diesem im Verfahren dargelegt und vom Bundesfinanzgericht unwidersprochen geblieben – im Rahmen seiner jährlichen Einkommensteuererklärungen laufend erklärt wurden. In einem solchen Fall ist aber nicht auszuschließen, dass aus den Umständen dem Erklärungsempfänger auffallen musste, dass der Option der Einmalzahlung – auch in Anbetracht ihrer Höhe in Relation zu den erzielten Kapitaleinkünften – ein Willensmangel des Beschwerdeführers anhaftet.

3.5. Wenn das Bundesfinanzgericht daher ungeachtet des Einwandes des Beschwerdeführers, einem Irrtum unterlegen zu sein, die Rechtsauffassung vertritt, dass die Einmalzahlung auf Grund der abgegebenen Erklärung nicht ohne rechtlichen Grund geleistet worden sei, geht es in Verkennung der Rechtslage in unsachlicher Weise davon aus, dass ein Willensmangel des Erklärenden für das Bestehen eines auf Art 14 Abs 3 des Steuerabkommens Liechtenstein gestützten Erstattungsanspruches von vornherein unbeachtlich sei. In Folge dessen verabsäumt es das Bundesfinanzgericht, auf die vom Beschwerdeführer in seinem Antrag gegebene Begründung, dass er "irrtümlich die falsche Option angekreuzt" habe, einzugehen und hält überdies dazu im Widerspruch ohne nähere Begründung in seinen Entscheidungsgründen fest, dass der Beschwerdeführer "aus freiem Willen die weitaus ungünstigere Variante der Einmalzahlung gewählt hat".

3.6. Indem das Bundesfinanzgericht in grob fehlerhafter Verkennung der Rechtslage den für das Bestehen eines auf Art 14 Abs 3 des Steuerabkommens Liechtenstein gestützten Erstattungsantrages maßgebenden Sachverhalt unzureichend festgestellt hat, hat es Willkür geübt.

IV. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2020:E1492.2019
Schlagworte:
Einkommensteuer, Staatsverträge, Steuerschuld

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