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OGH vom 27.02.2019, 15Os7/19x

OGH vom 27.02.2019, 15Os7/19x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Kontr. Ziegler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Salwan B***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 15, 206 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom , GZ 22 Hv 46/18g-16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Salwan B***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 15, 206 Abs 1 StGB (I.) und des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 15, 201 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt.

Danach hat er im Sommer 2011 in O*****

I./ mit der am ***** 2002 geborenen C***** F*****, sohin mit einer unmündigen Person, den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung zu unternehmen versucht,

1./ „indem er sie im Freibad über der Bikinihose intensiv im Vaginalbereich betastete und versuchte, mit seiner Hand unter ihre Bikinihose zu greifen und seinen Finger in ihre Vagina einzuführen, wobei die Tat infolge der Flucht der C***** F***** beim Versuch blieb;

2./ indem er sie unter Anwendung von Körperkraft in eine HerrenToilette zog und ihre Hand gewaltsam in Richtung seines entblößten Penis zog, um sie dazu zu bewegen, an ihm einen Handverkehr durchzuführen, wobei die Tat infolge ihrer Weigerung und des Zurückziehens ihrer Hand beim Versuch blieb, und er sie unter Anwendung von Körperkraft in hockender Stellung gegen die Wand drückte und seinen Penis in Richtung ihres Mundes drückte, um diesen in ihren Mund einzuführen, um sie dazu zu bewegen, an ihm einen Oralverkehr zu vollziehen, wobei die Tat infolge ihrer Weigerung und des Wegdrehens ihres Gesichtes beim Versuch blieb“;

II./ durch die unter Punkt I.2. beschriebene Tat C***** F***** mit Gewalt zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich eines Oralverkehrs, zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Entgegen der Kritik der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung am gestellten Antrags auf Durchführung eines Lokalaugenscheins am Gelände des Frei- und Hallenbades zum Beweis dafür, dass der Angeklagte „die wider ihn erhobenen Tatvorwürfe aufgrund der örtlichen Gegebenheiten dort nicht unentdeckt vornehmen hätte können“ (ON 15 S 2), Verteidigungsrechte nicht geschmälert.

Denn der Antrag ließ jeglichen – hier jedenfalls gebotenen – Hinweis vermissen, aus welchen Gründen zu erwarten sei, dass die Durchführung des angestrebten Beweises das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben werde (RISJustiz RS0118123). Angesichts der – zeitlich nicht allzu ausgedehnten – Tathandlungen im Wasserbecken und in der Toilettenkabine eines Schwimmbades, dessen Besucheranzahl und -frequenz am Vorfallstag nicht bekannt ist, hätte der Angeklagte bei der Antragstellung konkret darlegen müssen, weshalb die Übergriffe in dieser Situation nicht „unentdeckt“ bleiben hätten können.

Ob die Zeugin F***** (zu I./2./, II./) aus der Toilettenkabine „flüchtete“ (US 4 zweiter Absatz) oder der Angeklagte sie gehen ließ (US 4 erster Absatz; ON 8 S 9), betrifft keine entscheidende Tatsache (zum Begriff siehe RISJustiz RS0117264), weshalb der Vorwurf unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) dieser Urteilspassage ins Leere geht. Dass der Angeklagte die Tatausführung nicht freiwillig (§ 16 Abs 1 StGB) aufgab, haben die Tatrichter mit der Feststellung, dass der Angeklagte seine Tat infolge der anhaltenden, heftigen Gegenwehr des Mädchens beendete, unmissverständlich dargelegt (US 4, 11 f).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) will nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel verhindern. Rügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RISJustiz RS0118780).

Mit dem Hinweis auf Widersprüche zwischen der polizeilichen Einvernahme (ON 2 S 29 ff) und der kontradiktorischen Vernehmung der Zeugin F***** (ON 8 S 3 f) betreffend die Frage, ob sie den Penis des Angeklagten tatsächlich angegriffen habe bzw ob es diesem gelungen sei, seinen Penis in ihrem Mund einzuführen, gelingt es der Rüge nicht, solche erheblichen Bedenken beim Obersten Gerichtshof zu erwecken. Mit diesbezüglichen Unsicherheiten in der Aussage des Tatopfers haben sich die Tatrichter im Übrigen auseinandergesetzt (US 9).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

Bleibt zu II. anzumerken, dass die Tat richtigerweise unter § 15, 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 zu subsumieren gewesen wäre (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO). Eine dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Bindung des Oberlandesgerichts bei der Entscheidung über die Berufung an den insoweit verfehlten Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz besteht nicht (RISJustiz RS0118870).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00007.19X.0227.000

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