OGH vom 02.03.2021, 15Os6/21b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen T***** B***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten T***** B***** sowie über die Berufung des Angeklagten S***** B***** gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom , GZ 64 Hv 45/20y-170, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten T***** B***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche der Angeklagten W***** S*****, S***** St***** und S***** B***** sowie Freisprüche aller Angeklagten hinsichtlich anderer Taten enthält, wurde T***** B***** je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (I./1./a./) sowie nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Z 3 SMG (I./1./c./), des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz und Abs 3 SMG (I./1./b./), des Vergehens der Entziehung von Energie nach § 132 „Abs 1 und 2“ (richtig: nur Abs 1) StGB (II./) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (V./) schuldig erkannt.
[2] Danach haben
I./ T***** B*****, W***** S***** und S***** B***** von bis in Z*****, A***** und andernorts „gemeinsam als Mittäter im Rahmen“ einer kriminellen Vereinigung (§ 278 Abs 2 StGB)
1./ vorschriftswidrig
a./ Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge in Form von 21.364 Gramm (brutto) Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 5,82 % bis 12,3 % THCA durch Aufzucht von zumindest 3.052 Cannabispflanzen mit einem Bruttoertrag von zumindest 7 Gramm pro Pflanze erzeugt;
b./ zumindest 658 Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift in Form von THCA-hältigem Cannabiskraut mit dem Vorsatz angebaut, dass es in Verkehr gesetzt werde;
c./ Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge durch den gewinnbringenden Verkauf einer Bruttomenge von zumindest 15 kg Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 5,82 % bis 12,3 % THCA an unbekannte Abnehmer überlassen;
II./ T***** B***** und W***** S***** als Mittäter im Zeitraum von bis in W***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz aus einer Anlage, die der Zuführung von Energie dient, Energie entzogen, indem sie Strom unter Umgehung des Stromzählers zum Betrieb einer Bitcoinmining-Serverfarm abzapften;
V./ T***** B***** zumindest am in R*****, wenn auch nur fahrlässig, Waffen, nämlich ein Springmesser und ein Butterflymesser, besessen, obwohl ihm der Besitz gemäß § 12 WaffG verboten war.
[3] Die dagegen nominell aus § 281 Abs 1 Z 5a und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten T***** B***** ist – in Übereinstimmung mit der zutreffenden Stellungnahme der Generalprokuratur – nicht im Recht.
Rechtliche Beurteilung
[4] Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5a) Undeutlichkeit, Unvollständigkeit, Widersprüchlichkeit und Aktenwidrigkeit (Z 5 erster, zweiter, dritter und fünfter Fall) reklamiert, verkennt er den wesensmäßigen Unterschied der Nichtigkeitsgründe und das daraus folgende Gebot zu deren gesonderter Ausführung (RIS-Justiz RS0115902). Die Z 5a des § 281 Abs 1 StPO wird solcherart ohne eine auf das Wesen dieses Nichtigkeitsgrundes bezogene Argumentation bloß nominell angesprochen.
[5] Aktenwidrigkeit im Sinn eines falschen Zitats einer Urkunde oder Aussage (Z 5 fünfter Fall) wird mit dem (gegen die Schuldsprüche zu Ⅰ./1./a./ bis c./ gerichteten) Vorbringen, das Schöffengericht habe die Feststellung eines Reinheitsgehalts des tatverfangenen Cannabiskrauts von 5,82 % THCA (US 10 f) auf ein in der Hauptverhandlung nicht vorgekommenes Beweismittel gestützt, nicht geltend gemacht (vgl RIS-Justiz RS0099431). Der dabei inhaltlich erhobene Einwand fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall; vgl RIS-Justiz RS0113209 [T2]) trifft nicht zu, weil die bekämpfte Feststellung nicht – wie behauptet – auf einen Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamts vom , sondern auf den in der Hauptverhandlung verlesenen (ON 169 S 44), einen THCA-Gehalt der in Z***** aufgefundenen 1.722 Gramm Blätter, Blüten und Fruchtstände von 5,82 % dokumentierenden Zwischenbericht vom (ON 8 S 2) gegründet wurde (US 24).
[6] Mit der Kritik (Z 5 erster Fall) mangelnder Differenzierung nach den nach Tatorten unterschiedlichen THCA-Gehalten ist die Rüge angesichts des den Sachverhaltsfeststellungen zugrunde gelegten geringeren Reinheitsgehalts von 5,82 % (US 24 f) nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgeführt (§ 282 StPO).
[7] Der Vorwurf, für die Annahme eines Bruttoertrags von 7 Gramm pro Cannabispflanze (US 10) liege weder ein Beweisergebnis noch eine Begründung vor (der Sache nach Z 5 vierter Fall), übergeht, dass diese (unter anderem) auf Gerichtsnotorietät gestützt wurde (US 24) und notorische Tatsachen weder eines Beweises noch einer Begründung bedürfen (RIS-Justiz RS0098570 [T8, T 20]). Die Thematisierung dieses Umstands in der Hauptverhandlung wird vom Rechtsmittelwerber zu Recht nicht bestritten (RIS-Justiz RS0119094; vgl bereits die – in der Hauptverhandlung vorgetragene (ON 169 S 4) – Anklageschrift [ON 125 S 2, 7]).
[8] Die (zu I./1./c./) gegen einen Verkaufserlös von 150.000 Euro argumentierende Rüge (nominell Z 5 dritter Fall) spricht keinen entscheidenden Umstand an (Ratz, WKStPO § 281 Rz 399).
[9] Dass die Angeklagten zu I./2./ infolge mangelnder Widerlegbarkeit ihrer diesbezüglichen Verantwortung (US 27) freigesprochen wurden, während zu I./1./c./ ein Schuldspruch gefällt wurde, stellt keinen inneren Widerspruch der Entscheidungsgründe iSd § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO dar (vgl RIS-Justiz RS0119089). Unter dem Aspekt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes gleichfalls unbeachtlich ist das Vorbringen, der Schuldspruch sei in Ansehung „sämtlicher objektiv vorliegender Beweismittel und Beweisergebnisse widersprüchlich“ (RIS-Justiz RS0119089 [T1]).
[10] Welcher Feststellung über entscheidende Tatsachen die angeblich übergangenen (Z 5 zweiter Fall) Einkommensnachweise des Angeklagten erörterungsbedürftig entgegenstehen sollen, legt die Beschwerde nicht dar (RIS-Justiz RS0130729, RS0098646).
[11] Im Übrigen unternimmt die Mängelrüge mit Spekulationen zu Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die unterschiedlichen THCA-Gehalte des sichergestellten Suchtgifts, zur Herkunft und Lagerung des Untersuchungsmaterials, der Bestreitung des festgestellten Bruttoertrags pro Cannabispflanze von 7 Gramm und Erwägungen zum Verkaufserlös und zur vom Angeklagten behaupteten Erzeugung von legalen Cannabinoiden bloß den unzulässigen Versuch, die dem Schöffensenat vorbehaltene Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in Frage zu stellen.
[12] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar (RIS-Justiz RS0116565), weshalb zwischen der Erzeugung (I./1./a./) von Suchtgift und dessen Überlassung (I./1./c./) keine echte Konkurrenz bestehen soll (vgl Hinterhofer/Tomasits in Hinterhofer SMG² § 28a Rz 96).
[13] Der Einwand (nominell Z 5 dritter Fall, der Sache nach Z 9 lit a) fehlender Feststellungen zur Überlassung bzw zum Verkauf von Suchtgift (I./1./c./) lässt die Konstatierung des Verkaufs von zumindest 15 kg Cannabiskraut an unbekannt gebliebene Suchtgiftabnehmer (US 11) außer Acht (RIS-Justiz RS0099810).
[14] Soweit die Beschwerde das Urteil uneingeschränkt bekämpft, inhaltlich aber zu den Schuldsprüchen II./ und V./ nicht argumentiert, war auf sie keine Rücksicht zu nehmen, weil auch bei ihrer Anmeldung Nichtigkeitsgründe nicht deutlich und bestimmt bezeichnet wurden (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).
[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten T***** B***** war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
[16] Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO ist anzumerken, dass die vom Schuldspruch II./ erfasste Tat – wie vom Erstgericht bereits aufgezeigt (US 3) – nicht § 132 Abs 1 und Abs 2 StGB, sondern infolge Verneinung der Entziehung von Energie in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert (vgl US 13) nur § 132 Abs 1 StGB zu subsumieren ist. Mangels eines darin gelegenen konkreten Nachteils für den Angeklagten besteht jedoch kein Anlass zu amtswegiger Wahrnehmung dieses Subsumtionsfehlers (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO). Insoweit ist das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung über die Berufung nicht an den fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS-Justiz RS0118870).
[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00006.21B.0302.000 |
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