OGH vom 29.02.2012, 15Os6/12i (15Os7/12m, 15Os8/12h)
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Linzner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dariusz Z***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1, Abs 3 und Abs 4 dritter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde des Angeklagten Dariusz Z***** gegen den Beschluss gemäß §§ 285a Z 1, 285b Abs 1 StPO des Landesgerichts Steyr vom , GZ 11 Hv 126/11a 47, und dessen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr vom , GZ 11 Hv 126/11a 30, sowie die (neuerliche) Anmeldung dieser Rechtsmittel nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde und dem Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten Dariusz Z***** wird nicht Folge gegeben.
Die neuerliche Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und die Anmeldung der Berufung dieses Angeklagten werden zurückgewiesen.
Dem Angeklagten Z***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche des Angeklagten Adam D***** enthält, wurde Dariusz Z***** des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1, Abs 3 und Abs 4 dritter Fall StGB (1./) sowie des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (2./) schuldig erkannt.
Nach dem Inhalt des gemäß § 271 Abs 1a StPO verfassten Protokollvermerks über die unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die polnische Sprache durchgeführte Hauptverhandlung (ON 29) verzichtete (auch) der Angeklagte Dariusz Z***** nach Verkündung des Urteils und nach Rücksprache mit seinem Verteidiger auf Rechtsmittel. Dessen ungeachtet erklärte er mit Eingabe vom (ON 44, Übersetzung ON 46), mit dem Urteil nicht einverstanden zu sein und dagegen eine „Berufung an die höhere Instanz“ einzulegen, womit ersichtlich Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet wurden.
Mit Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom (ON 47) wurde die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß §§ 285a Z 1, 285b Abs 1 StPO mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Angeklagte Dariusz Z***** durch seine zuvor genannte nach vollständiger Rechtsmittelbelehrung und Rücksprache mit seinem Verteidiger unter Beiziehung der Dolmetscherin abgegebene Prozesserklärung auf eine Nichtigkeitsbeschwerde wirksam verzichtet habe.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten Dariusz Z*****, die mit einem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung sowie einer neuerlichen Anmeldung dieser Rechtsmittel verbunden ist. Der Beschwerde und dem Antrag welche jeweils auf das Vorbringen gestützt werden, der Angeklagte hätte erst mit Zustellung des genannten Beschlusses davon Kenntnis erlangt, dass er (angeblich) auf Rechtsmittel verzichtet habe und deren spätere Anmeldung daher unzulässig sei, die „diesbezügliche“ Belehrung durch den Vorsitzenden und seinen Verteidiger sowie die „diesbezügliche“ Übersetzung der Dolmetscherin nicht richtig verstanden und daher irrtümlich und ungewollt einen somit unwirksamen Rechtsmittelverzicht erklärt kommt, wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführt, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Änderung gemäß § 24 StPO der Verteidigung, keine Berechtigung zu.
Ein von der hier nicht in Frage stehenden Prozessfähigkeit abhängiger Rechtsmittelverzicht ist unwiderruflich, ein behaupteter Irrtum für die Wirksamkeit der darauf zurückzuführenden prozessualen Verzichtserklärung nur im Fall einer diesen bewirkenden verfehlten (oder unvollständigen) Rechtsmittelbelehrung (über Inhalt, Voraussetzungen oder mögliche Folgen einer Rechtsmittelerklärung) beachtlich (RIS Justiz RS0100103, RS0116751; Ratz , WK StPO § 284 Rz 8 f mwN).
Eine die Verzichtserklärung bewirkende fehlerhafte Rechtsbelehrung behauptet der Beschwerdeführer der somit die Tatsachenannahmen eines nach vollständiger Rechtsmittelbelehrung und Rücksprache mit dem Verteidiger unter Beiziehung der Dolmetscherin ausdrücklich erklärten Rechtsmittelverzichts im angefochtenen Beschluss nicht in Frage stellt nicht. Das behauptete Missverständnis einer Belehrung ist demnach unbeachtlich und vermag daher die Wirksamkeit der Erklärung des Rechtsmittelverzichts nicht zu hindern. Die Zurückweisung der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde erfolgte somit zu Recht (§ 285a Z 1 StPO).
Aus dem solcherart wirksam erklärten Rechtsmittelverzicht folgt weiters, dass auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 364 Abs 1 StPO) gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung schon von vornherein nicht in Betracht kommt. Denn die (3 tägige) Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung (§§ 284 Abs 1, 294 Abs 1 StPO) wurde vorliegend nicht versäumt, sondern stand vielmehr mit der wirksamen Verzichtserklärung nicht mehr offen. Solcherart kann mit der Wiedereinsetzung als einem zur Beseitigung der Folgen einer Versäumung einer Prozesshandlung, nicht aber zu deren Beseitigung und/oder Korrektur dienenden Instrument ein Rechtsmittelverzicht nicht korrigiert werden (RIS Justiz RS0101182 [T2] = 15 Os 48/09m [15 Os 49/09h, 15 Os 82/09m]).
Bezieht sich ein Wiedereinsetzungsantrag wie hier auch auf eine Nichtigkeitsbeschwerde, so kommt dem Obersten Gerichtshof die Entscheidung darüber auch hinsichtlich der Berufung zu, weil § 364 Abs 2 Z 3 StPO auf die Kompetenz zu meritorischer Erledigung des Rechtsmittels in abstracto abstellt. Demgemäß waren die neuerliche Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und die wiederholte Anmeldung der Berufung zurückzuweisen ( Ratz , WK StPO § 285a Rz 2; zuletzt 15 Os 48/09m [15 Os 49/09h, 15 Os 82/09m]).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.