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OGH vom 04.03.2020, 15Os5/20d

OGH vom 04.03.2020, 15Os5/20d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Dr. Schöll als Schriftführer in der Strafsache gegen Evgheni B***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 84 Hv 63/19b-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Evgheni B***** des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (I./), der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II./) und des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach hat er am in W*****

I./ Peter G***** mit Gewalt gegen seine Person unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich dessen Rucksack mit darin befindlicher Geldbörse samt Bargeld von 1,05 Euro, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er das Opfer mit einem metallenen Tretroller niederschlug, ihm, als dieses auf dem Boden lag, einen Tritt gegen den Bauch versetzte und sodann mit dessen Rucksack weglief;

II./ durch die unter Punkt I./ genannte Tat eine ECard sowie eine „Gesundheitskarte“, beide ausgestellt auf Peter G*****, somit Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache oder eines Rechts gebraucht werden;

III./ durch die unter Punkt I./ genannte Tat ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen durfte, nämlich die Bankomatkarte des Peter G*****, mit dem Vorsatz, dessen Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, unterdrückt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und Z 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) hat das Schöffengericht die Verantwortung des Angeklagten, er hätte den weggenommenen Rucksack für seinen eigenen gehalten, nicht unerörtert gelassen (US 6). Indem der Rechtsmittelwerber moniert, das Erstgericht hätte die Verantwortung des Angeklagten „lediglich lapidar als unglaubwürdig“ abgetan, verkennt er, dass der psychologische Vorgang der Würdigung eines Beweismittels, somit auch die Aberkennung der Glaubwürdigkeit des Angeklagten aufgrund des von ihm in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks, einer Anfechtung entzogen ist. Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann unter dem Gesichtspunkt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangelhaft sein, wenn sich das Gericht beim Ausspruch über entscheidende Tatsachen mit gegen die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat (RISJustiz RS0099419 [T3], RS0106588). Solche spricht die Rüge jedoch nicht an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde behauptet, die Tatrichter hätten eine „reine Scheinbegründung“ (Z 5 vierter Fall) dafür angeführt, dass der Angeklagte erkannte, dass es sich bei dem Rucksack um jenen des Opfers handelte, und er ihn wegnehmen wollte, zumal sie diesem wegen dessen Alkoholisierung zur Tatzeit eine teilweise fehlerhafte Erinnerung konzedierten (US 6). Dabei orientiert sich der Angeklagte jedoch prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RISJustiz RS0119370). Das Erstgericht stützte sich bei seinen Feststellungen nämlich auf die für glaubwürdig erachteten Angaben des als Zeugen vernommenen Opfers, welches den Angeklagten sowohl im Ermittlungsverfahren als auch in der Hauptverhandlung widerspruchsfrei belastete, wobei seine Darlegung auch im Einklang mit dem durch Lichtbilder objektivierten Verletzungsbild steht (US 5 f).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) wendet sich gegen die Annahme der Qualifikation nach § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und führt aus, die rechtliche Beurteilung, wonach der Angeklagte den Tretroller als waffengleiches Mittel verwendet habe, wäre falsch. Wenn ein betrunkener Mensch einen Tretroller über seinem Kopf kreisen lasse und dieser Aktion ein friedliches Zusammensein der beiden Kontrahenten vorangegangen sei, dann wirke das Kreisenlassen des Tretrollers lediglich absurd und wäre nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit des Angriffs zu erhöhen und damit den Gewahrsamsbruch zu erleichtern. Mit dieser Argumentation leitet der Rechtsmittelwerber die geforderte rechtliche Konsequenz nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (vgl RISJustiz RS0118416): Er behauptet nämlich bloß die fehlende Gleichwertigkeit mit einer Waffe im Sinn des Waffengesetzes, ohne darzulegen, weshalb der metallene, schwere Tretroller, welchen der Angeklagte über seinem Kopf wie einen Propeller kreisen ließ und schließlich gegen das Opfer schleuderte, sodass dieses zu Boden stürzte (US 4), ungeeignet sein sollte, bei dessen Einsatz zur Gewaltanwendung gegen eine Person die Abwehrfähigkeit des Opfers unmittelbar herabzusetzen und solcherart den Gewahrsamsbruch zu erleichtern (RISJustiz RS0093928; Kienapfel/Schmoller BT II2§ 143 Rz 16; Eder/Rieder in WK² StGB § 143 Rz 18).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen. Ebenso war mit der angemeldeten „vollen“ Berufung zu verfahren, soweit diese eine Berufung wegen Schuld miteinschließt, weil ein solches Rechtsmittel gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Verfahrensgesetzen nicht vorgesehen ist (RISJustiz RS0098904 [T23]).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung wegen Strafe (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00005.20D.0304.000

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