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OGH vom 21.09.2011, 15Os4/11v

OGH vom 21.09.2011, 15Os4/11v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sommer als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Gerhard H***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom , GZ 23 Hv 50/09z 186, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Gerhard H***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in der Zeit vom bis einschließlich in H***** die ihm durch Rechtsgeschäft, nämlich Treuhandvereinbarung vom eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch einem anderen einen Vermögensnachteil zugefügt, wobei er durch die Tat einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, indem er einen Teil der ihm zum Zwecke der Investition in ein MTN Geschäft auf ein Treuhandkonto bei der V***** reg. GenmbH überwiesenen Gelder der N*****, nämlich 738.139,34 Euro, entgegen der schriftlichen Vereinbarung teils für sich, teils für Dritte verwendete.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 3, 5, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Mit seiner Kritik einer § 258 Abs 1 StPO widersprechenden Berücksichtigung bestimmt bezeichneter Aktenstücke bei der Urteilsbegründung (Z 5 vierter Fall) weist der Beschwerdeführer zutreffend darauf hin, dass die vom Erstgericht gewählte Formulierung „Einvernehmlich referiert iSd § 252 Abs 2a StPO gilt der gesamte Akteninhalt sowie die Akten 6 St 21/09g, Ur 105/07a gegen Andre B*****, 14 Se 48/07g und 26 Hs 15/07t samt den darin beigeschlossenen Akten. Auf weitere tatsächliche Vorträge zusätzlich zu den bereits verlesenen Textpassagen wird allseits ausdrücklich verzichtet . Trotz Aufforderung werden keine Anträge gestellt“ (ON 185 S 20) keinen den Erfordernissen des § 258 Abs 1 StPO genügenden tatsächlichen Vortrag solcher Aktenstücke zum Ausdruck bringt (vgl RIS-Justiz RS0098481 und RS0121833; Fabrizy , StPO 11 § 252 Rz 24; Kirchbacher , WK-StPO § 252 Rz 54, 56, 132 ff und 143; Lendl , WK-StPO § 258 Rz 5 und 9; Ratz , WK StPO § 281 Rz 460 f und 464; MatRV zur Strafprozessnovelle 2005, 22. GP BlgNR 679 13 f), die nicht schon im Zuge der Vernehmung des Angeklagten und der Zeugen ausdrücklich verlesen wurden (vgl RIS-Justiz RS0111533 [T7]; 14 Os 19/05h; 14 Os 129/02).

Erfolgversprechend ist eine in diesem Sinn erhobene Rüge dann, wenn die nicht vorgetragenen, gleichwohl aber in den Entscheidungsgründen verwerteten Beweismittel auch nicht auf andere Weise (§ 245 Abs 1 letzter Satz StPO,§§ 246 ff StPO oder § 252 Abs 1 und 2 StPO) in der Hauptverhandlung vorgekommen sind (vgl 13 Os 97/09b).

Trotz Verzichts der Beteiligten auf den Vortrag des erheblichen Inhalts von Aktenstücken durch den Vorsitzenden gemäß § 252 Abs 2a StPO ist deren Berücksichtigung im Urteil nach dem eindeutigen Wortlaut des § 258 Abs 1 zweiter Satz StPO daher unzulässig und begründet Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO.

Da nach dem Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 151 und ON 185) jedenfalls das Gutachten des Sachverständigen Mag. G***** (ON 44), die Unterlagen der A***** und die Erklärung nach § 40 BWG (S 219/I), aber auch der Inhalt der Treuhandvereinbarung und eine Passage aus der polizeilichen Vernehmung des Angeklagten vom (ON 7 S 33), welche allesamt in der Beweiswürdigung hinsichtlich der den Schuldspruch tragenden Tatsachenfeststellungen, insbesondere bei der Widerlegung der Verantwortung des Angeklagten, eine wichtige Rolle einnehmen (vgl US 12 ff, 19 ff, US 23, 30 f), in dieser auch nicht auf andere Weise vorgekommen sind, ist der Beschwerdeführer mit seinem diesbezüglichen Einwand unzureichender Begründung iSd § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO im Recht.

Aufgrund der schon deshalb notwendigen Kassation des Schuldspruchs samt Verweisung des Verfahrens an das Erstgericht zwecks Anordnung einer neuen Hauptverhandlung (§ 288 Abs 2 Z 1 StPO) können die übrigen Einwände des Nichtigkeitswerbers auf sich beruhen.

Das angefochtene Urteil war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Dr. Gerhard H***** bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) sofort aufzuheben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.