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OGH vom 24.05.2017, 15Os32/17w

OGH vom 24.05.2017, 15Os32/17w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter D***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom , GZ 12 Hv 70/16x-154, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch Einziehungs-, Konfiskations- und Verfallserkenntnisse enthält, wurde der slowakische Staatsangehörige Peter D***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./) und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er

von Frühjahr 2015 bis in B***** vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich „Pico“ („Pervitin“, „Crystal-Meth“), enthaltend Methamphetamin in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge

A./ anderen überlassen, indem er im Urteil näher genannten Abnehmern insgesamt 6.888,5 Gramm Pico, enthaltend eine Reinsubstanz von 4.133,10 Gramm Methamphetamin, übergab, wobei er das Suchtgift teils um durchschnittlich 40 Euro pro Gramm gewinnbringend verkaufte, teils seinem Vater Peter D***** senior zur Weitergabe an eine Abnehmerin überließ, und zwar

1./ bis 72./ in vielfachen Angriffen im Urteil näher bezeichneten bekannten und unbekannten Abnehmern 6.108,5 Gramm;

73./ an Dada N***** in mehrfachen Angriffen zumindest 780 Gramm;

B./ durch die unter A./1./ bis 72./ genannten Verkäufe dazu beigetragen, dass diese Suchtgiftmengen von den dort genannten Abnehmern aus der Slowakei aus und nach Österreich eingeführt werden, weil er wusste, dass die Abnehmer mit dem Suchtgift sofort nach Österreich weiterfahren würden.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit b StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der Mängelrüge zuwider erweist sich das Urteil weder als undeutlich (Z 5 erster Fall; RISJustiz RS0117995) noch als offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall; RISJustiz RS0099413). Denn die Tatrichter brachten darin in Bezug auf für den Schuldspruch und die Subsumtion entscheidende Tatsachen (RISJustiz RS0117264) unmissverständlich zum Ausdruck, dass sie ihre Annahmen zum auf die Überlassung sowie die Ein- und Ausfuhr von einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge an Methamphetamin gerichteten (Additions)Vorsatz aus der (überwiegend) geständigen Verantwortung des Angeklagten, dem äußeren Geschehen sowie der wiederholten und sukzessiven Weitergabe der „genannten Mengen“ an eine Vielzahl von Abnehmern, zu B./ sein Wissen um die von diesen beabsichtigte Verbringung des Suchtgifts nach Österreich überdies aus deren Anreise eigens aus Österreich in Fahrzeugen mit österreichischen Kennzeichen ableiteten (US 14).

Die vom Beschwerdeführer vermissten Konstatierungen (nach dem Vorbringen hier der Sache nach Z 10) zum objektiven Reinheitsgehalt des Suchtgifts befinden sich auf US 8 f („durchschnittlich 60 %“). Weshalb die Feststellungen oder die Begründung zum Vorsatz des Angeklagten explizit auch auf die exakte Vorstellung des Angeklagten vom „tatsächlichen, konkreten“ Reinheitsgehalt eingehen müssten, macht die Beschwerde nicht deutlich. Ebensowenig erklärt sie, inwiefern gerade die ohnehin getroffenen (und wie dargelegt hinreichend begründeten) Feststellungen, wonach es der Angeklagte ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, sukzessiv ein das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (US 15: 10 Gramm) an Methamphethamin (in Summe also 250 Gramm an Reinsubstanz) übersteigendes Suchtgiftquantum zu überlassen, und dass eine solche Menge in der Folge aus der Slowakei aus- und nach Österreich eingeführt werde (US 9 f), den Schuldspruch oder die Subsumtion im Sinn des getroffenen Erkenntnisses (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) nicht zu tragen vermögen.

Bleibt in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass bei der festgestellten Bruttomenge von 6.888,50 Gramm (bzw 6.108,5 Gramm hinsichtlich der Ein und Ausfuhr) die „Übermenge“ (§ 28a Abs 4 Z 3 SMG) von 250 Gramm Reinsubstanz bei der Überlassung (A./) bereits bei einem Reinheitsgehalt von nur 3,7 % überschritten worden wäre, aber auch beim Beitrag zur Ein und Ausfuhr (B./) jedenfalls bei einem Reinheitsgehalt von nur 4,1 %, und dass bereits die Anklageschriften dargelegt hatten, weshalb von einem „durchschnittlichen“ Reinheitsgehalt von 60 % ausgegangen wurde (ON 144 S 9 und ON 6 in ON 150). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit ist der Schluss von einem äußeren Tatgeschehen (hier: wiederholte und sukzessive Überlassung von derart großen [Brutto]Mengen an Methamphethamin an eine Vielzahl von Abnehmern; US 14) auf ein zugrundeliegendes Wissen und Wollen in Bezug auf ein das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigendes Suchtgiftquantum nicht zu beanstanden (RISJustiz RS0116882, RS0098671).

Selbst wenn der aus den in der Hauptverhandlung vorgekommenen Reinheitsgutachten (ON 94, 95, 105 iVm ON 153 S 19) erschlossene durchschnittliche Reinheitsgehalt (US 14; vgl ON 144 S 9) bloß aufgrund von Erfahrungswerten des Gerichts (Gerichtsnotorietät) festgestellt worden wäre, läge bei (wie hier) entsprechendem Hinweis in der Anklageschrift kein Verstoß gegen Art 6 MRK vor (RISJustiz RS0119094; 15 Os 113/07t uva). Dass etwa konkrete Beweisergebnisse der Annahme eines Reinheitsgehalts von durchschnittlich 60 % (oder – im für die Subsumtion entscheidenden Ausmaß – von zumindest 4,1 %) in erörterungsbedürftiger Weise (Z 5 zweiter Fall; RISJustiz RS0116877) entgegengestanden wären (vgl dagegen Zeuge T***** ON 153 S 16), behauptet nicht einmal der Nichtigkeitswerber.

Mit dem Hinweis auf einen „notorisch häufigen Vertrieb gestreckten Suchtgifts“ und das Fehlen von Angaben des Angeklagten selbst zum Reinheitsgehalt unternimmt die Beschwerde bloß den Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld. Mit der Bezugnahme auf den Zweifelsgrundsatz wird zudem kein in der Z 5 bezeichneter Fehler behauptet (RISJustiz RS0117445).

Die Rechtsrüge (nominell Z 9 lit b; im Hinblick auf die zu A./ und B./ angenommene Idealkonkurrenz in Bezug auf eine einzige Tat der Sache nach Z 10; vgl Ratz, WKStPO § 281 Rz 563, 565, 633 f, 637) zielt unter Berufung auf „das Verbot der Doppelbestrafung“ auf eine Ausscheidung des Schuldspruchs zu B./ ab. Sie legt aber nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar (RISJustiz RS0116565), weshalb für das Vorliegen inländischer Gerichtsbarkeit relevante Anknüpfungspunkte (hier: § 64 Abs 1 Z 4 StGB – Verletzung österreichischer Interessen wegen der Bestimmung des im Ausland überlassenen Suchtgifts zur Einfuhr nach Österreich; US 7 f, 10, 15) für die materiellrechtliche Beurteilung einer (einzigen) Tat als Begehung (bloß) einer strafbaren Handlung (A./1./ bis 72./: § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG; zu A./73./ ergibt sich die inländische Gerichtsbarkeit aus § 65 Abs 1 Z 2 StGB; US 15 f) oder allenfalls (idealkonkurrierend) auch von weiteren (B./: § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG) strafbaren Handlungen Bedeutung haben sollen.

Im Zusammenhang mit ihrer Behauptung des Vorliegens bloßer Scheinkonkurrenz zufolge „Subsidiarität von Beitragstäterschaft zur unmittelbaren Täterschaft“ erklärt die Beschwerde auch nicht, weshalb der Gesetzgeber gerade im Verhältnis von Überlassung und gleichzeitigem Beitrag zur anschließenden Aus- und Einfuhr (nach Österreich) durch die Übernehmer stillschweigend Subsidiarität vorausgesetzt haben soll (vgl RISJustiz RS0113812). Ebensowenig legt sie dar, aus welchem Grund der Unrechtsgehalt der Tat angesichts des nach den Urteilsannahmen bereits bei der Überlassung auf die anschließende Aus und Einfuhr durch die Suchtgiftabnehmer gerichteten Vorsatzes (US 7 f, 9 f) schon allein durch die Verurteilung nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./) erfasst sein sollte.

Da ein Feststellungsmangel in Bezug auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Indizien, die allenfalls auf ein Prozesshindernis im Sinn einer wiederholten Strafverfolgung wegen derselben Tat nach bereits rechtswirksam erfolgter Beendigung eines Strafverfahrens gegen den Angeklagten (§ 17 Abs 1 StPO) hinweisen würden, nicht einmal behauptet wird, bleibt letztlich auch die Berufung der Beschwerde auf den Ne-bis-in-idem-Grundsatz des Art 4 7. ZP MRK und auf die bloß auf ein solches Prozesshindernis Bezug nehmende Kommentierung von Ratz in WK2 StGB, Vorbem zu §§ 28–31, Rz 31 unverständlich (vgl dazu Birklbauer, WKStPO § 17 Rz 1–4, 15 f, 49 f, 53 f, 62; Ratz, WKStPO § 281 Rz 638 f; Mayer-Ladewig/Harrendorf/König in Mayer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK4, Protokoll Nr 7 Art 4 Rz 2 ff).

Mit Blick auf § 290 StPO ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass es sich bei § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG einerseits und § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG andererseits um zwei selbständige Grundtatbestände innerhalb eines (großteils) kumulativen Mischdelikts handelt (vgl RISJustiz RS0114037 [T9]; Ratz, WKStPO § 281 Rz 650). Der Unrechtsgehalt des Überlassens betrifft das in der tatsächlichen Einräumung von Gewahrsam am Suchtmittel liegende Gefahrenpotential einer drohenden schädlichen Einwirkung auf die Gesundheit von Menschen, während die Aus und Einfuhr von Suchtgift das besondere Gefahrenmoment eines grenzüberschreitenden Verkehrs mit Suchtmitteln eigenständig und ungeachtet der Weiterleitung des Suchtgifts an potenzielle Abnehmer erfasst (vgl RISJustiz RS0118871). Bloße Scheinkonkurrenz scheidet demnach aus (vgl RISJustiz RS0113811, RS0113812, RS0091179).

Im Übrigen stellt das Überlassen von Suchtgiften mit dem Vorsatz, dass dieses vom Übernehmer „unmittelbar danach“ (US 8) über eine Staatsgrenze gebracht wird, entgegen 14 Os 9/04 auch ohne Hinzutreten weiterer Umstände eine taugliche Beitragshandlung zur Aus und Einfuhr iSd § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG dar, ohne dass es hiefür auf den Schutzzweck des Verbots des Überlassens ankäme, können doch sogar per se sozialadäquate Handlungen – entsprechenden Vorsatz vorausgesetzt – einen Tatbeitrag iSd § 12 dritter Fall StGB darstellen (vgl Fuchs AT I9 33/57 ff; Kienapfel/Höpfel/Kert, AT15 E 5 Rz 9).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00032.17W.0524.000
Schlagworte:
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