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OGH vom 24.05.2017, 15Os30/17a

OGH vom 24.05.2017, 15Os30/17a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dierk T***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 22 Hv 34/16y des Landesgerichts Innsbruck, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

In dem aufgrund einer am bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck eingelangten Anzeige des Mag. Hans G***** (ON 2) eingeleiteten Strafverfahren wurde Dierk T***** mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom (ON 67) des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wurde das Urteil mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom (AZ 11 Os 149/15v) zum Teil aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

In der Folge wurde der Angeklagte mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom , (nunmehr:) GZ 22 Hv 34/16y93, das auch einen Freispruch enthält, unter Einbeziehung der bereits rechtskräftigen Teile des im ersten Rechtsgang ergangenen Schuldspruchs (Verbrechen des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB) zusätzlich des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Der Schuldspruch wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 11 Os 134/16i, rechtskräftig, der Berufung des Angeklagten, in der er unter anderem den Milderungsgrund der unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer (§ 34 Abs 2 StGB) reklamierte, gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Entscheidung vom , AZ 7 Bs 7/17p, nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Ersichtlich gegen diese Entscheidung wendet sich der Erneuerungsantrag des Verurteilten (§ 363a StPO), mit dem er einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot (§ 9 Abs 1 StPO) und damit eine Verletzung des Art 6 Abs 1 MRK geltend macht. Begründend bringt er dazu vor, „unzählige Verzögerungen“ und „Tätigkeitslücken“ hätten dazu geführt, dass das Verfahren bis zu seiner rechtskräftigen Erledigung „nahezu dreieinhalb Jahre“ gedauert habe. Der Antrag ist nicht berechtigt.

Die vom Erneuerungswerber behaupteten Phasen der Inaktivität der Behörden liegen tatsächlich nicht vor.

Aufgrund mehrerer, strafrechtliche Vorwürfe gegen Dierk T***** enthaltender Sachverhaltsdarstellungen des Mag. Hans G***** (ON 2 und 14) ersuchte die Staatsanwaltschaft Innsbruck am das Bundeskriminalamt, den strittigen Pachtvertrag schriftkundlich zu untersuchen (ON 17). Das Einlangen dieses Untersuchungsberichts (am ; ON 23) wurde – entgegen dem Vorbringen im Erneuerungsantrag – von der Staatsanwaltschaft überwacht und – nach Ablauf der ursprünglich gesetzten Zweimonatsfrist – urgiert (Verfügung vom ; ON 1 S 16). Bis zum Einbringen der mehrere Fakten umfassenden Anklageschrift gegen Dierk T***** beim Landesgericht Innsbruck am (ON 28) hat die Staatsanwaltschaft überdies Ersuchen an die Polizeiinspektion S***** gestellt (ON 1 S 15, ON 21) sowie eine österreichische und eine deutsche Strafregisterauskunft des Beschuldigten eingeholt (ON 24, 26). Zudem musste der Verfahrensstand mit dem Bezirksgericht Kufstein, bei dem die gegenständlichen zivilrechtlichen Verfahren anhängig waren, abgeglichen werden.

Dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtsgang „erst“ für anberaumt wurde, ist nicht auf eine Untätigkeit des Gerichts zurückzuführen. Nach Zustellung der Anklageschrift teilte zunächst der Verteidiger des Angeklagten mit, dass das Vollmachtsverhältnis aufgelöst sei (ON 31). Am beantragte der nunmehr in England lebende Angeklagte die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers (ON 32). Einem Verbesserungsauftrag des Gerichts (ON 34) kam der Angeklagte mit am beim Landesgericht Innsbruck eingelangtem Fax nach (ON 37), worauf das Landesgericht am den Antrag auf Verfahrenshilfe bewilligte (ON 38). Am wies sich der deutsche Rechtsanwalt Hartmut Gi***** als gewählter Verteidiger des Angeklagten aus, benannte einen österreichischen Rechtsanwalt als Einvernehmensanwalt und ersuchte um Akteneinsicht (ON 42 und 44). Über Ersuchen des deutschen Verteidigers des Angeklagten (ON 45) fand am am Landesgericht ein Vorgespräch zur Abklärung möglicher Hauptverhandlungstermine (da der Angeklagte aus Großbritannien anreisen müsse) im Beisein der Verteidiger statt, wobei das Landesgericht Innsbruck mehrere Verhandlungstermine zur Auswahl vorschlug (ON 48 und 51). Der deutsche Verteidiger ersuchte daraufhin, die Hauptverhandlung für anzuberaumen (Schreiben vom 23. April und ; ON 52 und 54), was in der Folge auch geschah (ON 55).

Der Hauptverhandlungstermin im zweiten Rechtsgang wurde nach Einlangen des Akts beim Landesgericht Innsbruck am (ON 82) und Einholung einer Stellungnahme der Staatsanwaltschaft in Betreff der Ausführungen des Obersten Gerichtshofs zum aufhebenden Teil des Erkenntnisses (ON 84) im Einvernehmen mit der Verteidigung und unter Bedachtnahme darauf, dass der Angeklagte in Großbritannien geladen werden musste, auf den anberaumt (ON 85). Aufgrund eines Ersuchens des Angeklagten (ON 89, 90) wurde der Termin schließlich auf den verlegt. Es liegt somit auch hier weder eine Untätigkeit des Gerichts noch eine ungerechtfertigte Verzögerung vor.

Soweit der Antragsteller die Gesamtverfahrensdauer von drei Jahren und rund zweieinhalb Monaten (vgl ON 1 S 3, ON 4; zur Berechnung s RISJustiz RS0124901; Kier, WK-StPO § 9 Rz 17 ff) als unverhältnismäßig lang kritisiert, lässt er außer Acht, dass bei der gebotenen Einzelfallprüfung (vgl zu den Kriterien der Abwägung Grabenwarter/Pabel EMRK6§ 24 Rz 82 f; Kier, WK-StPO § 9 Rz 4 ff, 16) – und ungeachtet der Erforderlichkeit von zwei Rechtsgängen – in Rechnung zu stellen ist, dass mehrere gegenseitige, von Erneuerungswerber und Privatbeteiligtem erhobene Vorwürfe mit zivilrechtlichen Implikationen zu prüfen (ON 2, 12, 14) und die Einholung eines schriftvergleichenden Untersuchungsberichts (ON 23) sowie die Beischaffung eines ausländischen Urteils notwendig waren (ON 47), der Angeklagte mehrfach die Verteidigung wechselte (wobei zwischenzeitig auch Verfahrenshilfe beantragt wurde; ON 32, 37) und er seinen Wohnsitz während des Verfahrens nach Großbritannien verlegte, weshalb die Hauptverhandlungstermine mit ihm abgestimmt wurden (und dennoch ein Termin über seinen Antrag verlegt werden musste; ON 89). Bei Berücksichtigung dieser Verfahrensdaten war unter dem Aspekt der Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer auch zu bedenken, dass in diesem Verfahren keine Haft über ihn verhängt wurde und eine besondere Dringlichkeit weder ersichtlich war noch Entsprechendes von ihm vorgebracht wurde. Unter Abwägung all dieser Umstände aber liegt eine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer noch nicht vor.

Der Erneuerungsantrag war daher bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00030.17A.0524.000
Schlagworte:
Strafrecht

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