OGH vom 23.04.2014, 15Os3/14a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinsiki und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christian Ö***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom , GZ 25 Hv 78/13b 40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, teils aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch (A und B), demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) ebenso wie der Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Strafsache an das Landesgericht Linz verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch ein Einziehungserkenntnis und einen Ausspruch über das Absehen vom Verfall (§ 20 Abs 3 StGB) enthält, wurde Christian Ö***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 3 SMG (A) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall „sowie Abs 4 Z 1“ SMG (B) schuldig erkannt.
Danach hat er im Zeitraum von 2009/2010 bis in Linz und an anderen Orten „über die Urteile AZ 3 U 54/12z des Bezirksgerichts Traun und AZ 27 Hv 41/12z des Landesgerichts Linz sowie das Verfahren AZ 40 BAZ 371/12y der Staatsanwaltschaft Linz hinausgehend“ vorschriftswidrig Suchtgift
A./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen „(gewerbsmäßig)“ überlassen, wobei er „die Straftat“ (nach § 28a Abs 1 SMG) in Bezug auf Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge beging, indem er bei den unter I./, II./ und III./ des Tenors (US 1 f) genannten Lieferanten die dort angeführten Mengen an Cannabiskraut in Teilankäufen „und weitere Cannabismengen“ erwarb und in der Folge abzüglich der für den Eigenkonsum aufgewendeten Mengen insgesamt zumindest 6.870 Gramm Cannabiskraut (US 7) mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 10 % THC (US 10) in zahlreichen, im Urteilstenor zu 1./ bis 21./ detailliert angeführten Angriffen den dort genannten, teils minderjährigen Personen (US 2 ff) überwiegend gewinnbringend überließ;
B./ im Zeitraum von zumindest bis ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar Cannabiskraut bis zum Eigenkonsum.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Im Recht ist die Mängelrüge zu A mit ihrer Kritik an offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der erstgerichtlichen Annahme, dass das vom Angeklagten anderen Personen überlassene Cannabiskraut „durchschnittlich einen Reinheitsgehalt von 10 % THC“ aufwies (US 10 f, 12), weshalb bezogen auf die verkaufte Gesamtmenge von zumindest 6.870 Gramm brutto „von 687 Gramm Reinsubstanz (Delta 9 THC und THCA)“ auszugehen ist, die sich aus 55 Gramm Delta 9 THC (8 %) und 632 Gramm THCA (92 %) zusammensetzen:
Die Tatrichter bezogen sich dazu nämlich auf die kriminaltechnische Auswertung der Qualität einer am in den Wohnräumlichkeiten des Angeklagten sichergestellten Suchtgiftmenge von nur 0,7 Gramm, die einen Reinheitsgehalt von 15,4 (+/- 0,22) % (an Delta 9 THC) aufwies (US 10). Da das Gericht aber zugleich davon ausging, dass dieses Suchtgift vom Lieferanten Mohammad Emal N***** stammte, eine Auswertung von bei diesem sichergestelltem Suchtmittel allerdings einen Reinheitsgehalt von (bloß) 5,9 (+/- 0,11) % (Delta 9 THC; vgl ON 34) ergeben hatte (US 10), bleibt offen, weshalb das gesamte, vom Angeklagten über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren in Teileinkäufen bei zumindest vier verschiedenen Lieferanten bezogene (US 1 f und 7) und sukzessiv in Verkehr gesetzte Cannabiskraut im Durchschnitt den konstatierten Reinheitsgrad von gerade 10 % aufgewiesen haben soll. Der bloße Hinweis auf eine Beschreibung des vom Angeklagten verhandelten Cannabiskrauts als „sehr gut“ (US 10) vermag wie die Beschwerde zutreffend einwendet die „zu Gunsten des Angeklagten“ getroffene Annahme eben dieses (bei notorischen Werten zwischen 0,25 % bis 8 % [vgl RIS Justiz RS0087895, insbesondere T 3 und T 5; RS0111350, insbesondere T 1, T 12 und T 14]) doch weit überdurchschnittlichen (15 Os 147/11y) Reinheitsgehalts von 10 % THC als (rein rechnerische) „Schnittmenge zweier Sicherstellungen“ (US 14) nicht logisch nachvollziehbar zu begründen.
Da der aufgezeigte Begründungsmangel den Reinheitsgrad des vom Angeklagten insgesamt in Verkehr gesetzten Suchtgifts betrifft, ist dem Urteil die Basis für die Annahme einer Straftat nach § 28a SMG entzogen. Muss aber ein Schuldspruch nach § 28a SMG, der eine selbständige Qualifikation des „Grundtatbestands“ nach § 27 Abs 1 SMG darstellt, wegen unzureichender Begründung der subsumtionsrelevanten Feststellungen zum veräußerten Suchtgiftquantum aufgehoben werden, bleiben jene Annahmen, die einen (gar nicht erfolgten) Schuldspruch nach § 27 Abs 1 (allenfalls auch nach Abs 3 und 4 Z 1) SMG stützen würden, gleichfalls nicht bestehen (RIS Justiz RS0115884 [T7 und T 8]; Ratz , WK StPO § 289 Rz 18).
Der vom Nichtigkeitswerber aufgezeigte Begründungsmangel zwingt daher zur Kassation des Schuldspruchs A zur Gänze, weshalb sich ein Eingehen auf die weitere, insofern (aus Z 5, 5a und 10) erhobene Beschwerdeargumentation erübrigt.
Bleibt zu bemerken, dass die Kritik (Z 10), das Erstgericht habe mit seinem Beschluss vom (ON 48) die Urteilsausfertigung in der Weise an das mündlich verkündete Urteil angepasst, dass „nunmehr ohne jede Grundlage der Strafrahmen des § 28a Abs 4 Z 1 SMG angenommen“ wurde, einem Missverständnis unterliegt, zumal sich die angesprochene Urteilsangleichung auf den Schuldspruch B bezieht und eine Subsumtion nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall „sowie Abs 4 Z 1 SMG“ dokumentiert (ON 40 S 5; vgl auch ON 39 S 11).
Allerdings erfolgte die rechtliche Unterstellung der dem Schuldspruch B zu Grunde liegenden Taten (auch) unter § 27 Abs 4 Z 1 SMG zu Unrecht, weil es für die Annahme, dass der Angeklagte gerade dadurch (und nicht etwa durch zu A inkriminierte Teilakte) auch einem Minderjährigen den Gebrauch von Suchtgift ermöglicht hat und dabei selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als der Minderjährige war, an einer Tatsachenbasis im Urteil fehlt (vgl US 5 und 9: „ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen“).
Die insoweit vorliegende nicht geltend gemachte materielle Nichtigkeit (Z 10) ist infolge der Aufhebung des Schuldspruchs A allerdings von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) aufzugreifen. Daran anknüpfend (§ 289 StPO) ist mit Blick auf die Bestimmungen der §§ 35 und 37 SMG aber auch die Aufhebung des Schuldspruchs B im Grundtatbestand nach § 27 Abs 1 Z 1 SMG erforderlich (RIS Justiz RS0119278).
Zufolge Kassation des (gesamten) Schuldspruchs (A und B) und des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) erübrigt sich ein Eingehen auf die Einwände der Sanktionsrüge (Z 11).
Daher waren in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur das Urteil bereits in nichtöffentlicher Sitzung im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 285e StPO) und der Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0150OS00003.14A.0423.000