OGH vom 12.04.2018, 15Os29/18f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführerin in der Strafsache gegen Lukas H***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Lukas H*****, Dennis K***** und Firat K***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 115 Hv 134/17v-28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Lukas H*****, Dennis K***** und Firat K***** jeweils des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (I./1./) sowie des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 iVm Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 2 StGB (I./2./), Senad H***** überdies des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffenG (II./1./) sowie Dennis K***** und Firat K***** jeweils des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffenG (II./2./) schuldig erkannt.
Danach haben sie in W*****
I./ in der Nacht von 31. Oktober auf im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) Thomas D***** Bargeld und andere Sachen in einem (bei 2./; US 7) zumindest 5.000 Euro übersteigenden Wert, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
1./ mit Gewalt sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe abzunötigen versucht, indem sie mit Masken verkleidet und im Besitz mehrerer Waffen, nämlich eines geladenen Revolvers, einer ungeladenen Faustfeuerwaffe und eines Schlagrings, welche sie allesamt zur Drohung gebrauchen und zudem D***** niederschlagen wollten, vor dessen Wohnhaus erschienen und an der Klingel läuteten, wobei der Genannte die Türe nicht öffnete;
2./ durch Einbruch in eine Wohnstätte wegzunehmen versucht, indem sie ein Brecheisen an der Wohnungstür ansetzten und mehrere Waffen, nämlich einen geladenen Revolver, eine ungeladene Faustfeuerwaffe und einen Schlagring bei sich führten, um den Widerstand des D***** zu überwinden, wobei sie ein Geräusch aus dem Inneren der Wohnung wahrnahmen und daraufhin die Flucht ergriffen;
II./ anlässlich der zu I./1./ und 2./ genannten Tathandlungen von 31. Oktober bis unbefugt, und zwar
1./ Lukas H***** eine verbotene Waffe, nämlich einen Schlagring, besessen;
2./ eine Schusswaffe der Kategorie B geführt, nämlich
A./ Dennis K***** eine Faustfeuerwaffe;
B./ Firat K***** einen Revolver.
Da der Angeklagte H***** die Nichtigkeitsbeschwerde nicht ausführte und auch bei der Anmeldung dieses Rechtsmittels (ON 32) keine Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnete, war darauf keine Rücksicht zu nehmen (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil von den Angeklagten Dennis K***** und Firat K***** ergriffenen (zwar in getrennten Schriftsätzen, aber weitgehend wortident ausgeführten) und auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit b und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht berechtigt.
Zu I./2./ des Schuldspruchs wenden sich die Mängelrügen gegen die erstgerichtliche Feststellung, wonach die Angeklagten, bevor sie die Türe gewaltsam öffnen konnten, aus dem Inneren der Wohnung Geräusche hörten, worauf sie – überrascht davon, dass sich doch Personen in der Wohnung befanden – die Flucht ergriffen und in den Innenhof des Wohnhauses liefen (US 7). Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelwerber ist die diesbezügliche Urteilsbegründung des Schöffengerichts jedoch weder unvollständig (Z 5 zweiter Fall) noch offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall).
Die Tatrichter haben nämlich die Aussage der Zeugin Katharina N***** sehr wohl berücksichtigt und – was die Rechtsmittelwerber außer Acht lassen – hervorgehoben, dass sie angab, mit D***** in der Wohnung sehr laut geredet und auch beim Polizeinotruf in entsprechender Lautstärke gesprochen zu haben (US 10 f). Die Aussage der genannten Zeugin, sie habe die Angeklagten vor der Wohnungstür nicht gehört, war dabei nicht gesondert erörterungsbedürftig. Es ist kein Begründungsmangel, wenn das Gericht nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt aller Verfahrensergebnisse im Einzelnen erörtert und darauf untersucht, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, und sich nicht mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzt (RISJustiz RS0098377 [T7]). Die Behauptung, es wäre schon nach allgemeiner Lebenserfahrung kaum vorstellbar, dass eine „normale Wohnungstür quasi einseitig schalldurchlässig sein soll“, richtet sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung, ohne einen Nichtigkeitsgrund aufzuzeigen.
Soweit die Mängelrügen in diesem Zusammenhang eine offenbar unzureichende Begründung behaupten, verfehlen sie die prozessordnungskonforme Ausführung, weil sie es unterlassen, die Gesamtheit der Entscheidungsgründe zu berücksichtigen (RISJustiz RS0119370). Das Schöffengericht stützte sich diesbezüglich nämlich nicht nur auf die Aussagen der Zeugen D***** und N*****, sondern auch auf die Angaben des Angeklagten H***** vor der Polizei und vor der Haft und Rechtsschutzrichterin im Ermittlungsverfahren, wo er noch geschildert hatte, sie hätten ein Geräusch aus der Wohnung vernommen und daraufhin wären sie weggelaufen. Diese Angaben hatte der Angeklagte Dennis K***** – im Gegensatz zu seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung – bei seiner Vernehmung durch die Haft und Rechtsschutzrichterin bestätigt (US 10 f).
Inwiefern die erstgerichtliche Urteilsbegründung undeutlich (Z 5 erster Fall) sein sollte, weil nicht festgestellt wurde, welche Geräusche die Angeklagten aus der Wohnung gehört hätten, wird nicht klar (vgl im Übrigen US 10).
Mit dem Vorbringen, das Erstgericht hätte „sämtliche Aussagen, in denen sich die Angeklagten selbst belasteten, 1 : 1 übernommen, bei den wenigen Abweichungen zu anderen Aussagen jedoch anders gewürdigt“, wird keine Widersprüchlichkeit der Urteilsbegründung (Z 5 dritter Fall; vgl RISJustiz RS0117402, RS0119089) aufgezeigt, sondern neuerlich unzulässige Beweiswürdigungskritik geübt.
Das gilt auch für das Vorbringen (Z 5 vierter Fall), es wäre „nach den Denkgesetzen der Logik nicht vorstellbar, dass die Angeklagten einerseits den Polizeinotruf mitbekommen haben sollen, jedoch nach Verlassen der Wohnungstür unstrittig noch mehrere Minuten im Hof des Hauses verblieben sind“. Im Übrigen haben die Tatrichter nicht festgestellt, dass die Angeklagten den Polizeinotruf gehört haben, sondern lediglich, dass sie Geräusche aus der Wohnung wahrnahmen (US 7, 10 f).
Soweit sich die Mängelrügen (Z 5) auf die Konstatierungen beziehen, wonach die Angeklagten noch im Innenhof beratschlagten, wie sie ihren bisherigen Plan adaptieren könnten, um endlich in die Wohnung zu gelangen, als sie wenige Minuten später von der Polizei festgenommen wurden, wird kein entscheidender Umstand angesprochen, weil der Versuch zu diesem Zeitpunkt ohnehin bereits fehlgeschlagen war (vgl Hager/Massauer in WK2§§ 15, 16 Rz 157 ff; RISJustiz RS0090338).
Der „Zweifelsgrundsatz“ (in dubio pro reo) kann niemals Gegenstand der formellen Nichtigkeitsgründe der Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO sein (RISJustiz RS0102162).
Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet. Soweit die Nichtigkeitsbeschwerden erklären, „das zur Nichtigkeit nach Z 5 ausgeführte, wird zur Vermeidung von wörtlichen Wiederholungen auch zur Tatsachenrüge nach § 281 Abs 1 Z 5a StPO erhoben“, entsprechen sie daher nicht der Strafprozessordnung (RISJustiz RS0115902).
Die Rechtsmittelwerber reklamieren für sich zu I./1./ den Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch nach § 16 Abs 1 StGB (Z 9 lit b) und führen aus, dass die Tatplanung der Angeklagten sowohl den Fall umfasste, dass das Opfer zu Hause war, als auch den Fall der Abwesenheit des Opfers, weshalb kein fehlgeschlagener Versuch vorliege. Dabei orientieren sie sich jedoch nicht am Urteilssachverhalt, wonach die Angeklagten nach mehrmaligem Anläuten und einer Wartezeit von ca 15 Minuten „die Ausführung dieses Tatplans“ aufgaben, weil ihnen D***** noch immer nicht geöffnet hatte, und sie daher annahmen, dass eine ihrem ursprünglichen Tatplan entsprechende Tatvollendung in Form eines Raubes durch die äußeren Umstände nicht mehr möglich war, worauf sie den Tatort verließen (US 6). Inwiefern bei dieser Konstellation noch strafbefreiender Rücktritt vom Verbrechen des Raubes in Betracht kommen sollte, wird nicht klar (vgl Hager/Massauer in WK2 StGB §§ 15, 16 Rz 157 ff mwN; RISJustiz RS0090331; RS0090012).
Der Angeklagte Dennis K***** macht auch zu I./2./ den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO geltend und behauptet, ihm komme der Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch nach § 16 StGB zugute, weil er schon vor dem Vernehmen eines Geräusches aus der Wohnung die Tatausführung freiwillig aufgegeben habe. Er verweist dabei auf die erstgerichtliche Konstatierung, wonach er sich nicht traute, die Tür aufzubrechen und das Brecheisen dem Angeklagten Firat K***** übergab (US 7). Die Beschwerde erklärt jedoch nicht, weshalb Straflosigkeit eines Beteiligten nach § 16 StGB vorliegen sollte, wenn dieser bloß „keine weiteren Tathandlungen“ mehr setzt, ohne auch die Vollendung der Straftat durch die anderen zu verhindern (RISJustiz RS0090269, RS0090513).
Entgegen dem Vorbringen der Sanktionsrügen (Z 11 zweiter Fall) hat das Erstgericht zu I./2./ die „mehrfache Deliktsqualifikation“ ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) und daher zu Recht erschwerend gewertet (US 16), weil schon die Annahme einer der Qualifikationen des § 129 Abs 2 StGB die Strafdrohung bestimmt, im vorliegenden Fall aber beide Qualifikationen (Z 1 und Z 2 leg cit) und überdies die Qualifikation nach § 128 Abs 1 Z 5 StGB verwirklicht wurden (vgl RISJustiz RS0116020, RS0091058).
Zu II./ des Schuldspruchs erstatten die Rechtsmittelwerber trotz umfassenden Aufhebungsantrags kein Vorbringen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00029.18F.0412.000 |
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