OGH vom 09.03.2022, 15Os2/22s

OGH vom 09.03.2022, 15Os2/22s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen D* M* wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom , GZ 22 Hv 16/21z-40, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten (wegen des Ausspruchs über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche) und der Staatsanwaltschaft werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde D* M* der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 (A./I./ und A./II./), des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (A./III./), der Vergehen der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB (B./), des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (C./), der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB (D./), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (E./) sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (F./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in L*

A) I* M* mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt sowie zu nötigen versucht, und zwar

I./ am , indem er ihr zunächst eine Ohrfeige versetzte, sie sodann am Oberarm packte und von der Küche ins Badezimmer zerrte, die Badezimmertür versperrte, sich hinter sie stellte und gegen die Waschmaschine drückte, sie anschließend mit einer Hand an der Hüfte festhielt, während er mit der anderen Hand ihre Unterhose zur Seite schob und mit seinem erigierten Penis in ihre Vagina eindrang;

II./ zu einem unbekannten Zeitpunkt im August 2019, indem er ihr mit beiden Händen einen Stoß gegen den Oberkörper versetzte, wodurch sie rücklings auf das Bett fiel, sodann mit seinen Beinen ihre Oberschenkel niederhielt bzw sich auf ihre Oberschenkel setzte und ihre Arme mit seinen Händen über ihrem Kopf festhielt, während er ihr mit der anderen Hand ihre Unterhose auszog und danach ihre Beine über seine Schultern legte und mit seinem Körper(-gewicht) ihre Beine in Richtung ihres Oberkörpers und dadurch auch (auseinander-)drückte, sodass sie sich nicht mehr bewegen konnte, anschließend mit seinem erigierten Penis in ihre Vagina eindrang und den Vaginalverkehr an ihr vollzog, während er einen Kopfpolster auf ihr Gesicht legte und diesen samt ihren Armen links und rechts neben ihrem Kopf festhielt;

III./ am , indem er sie mit beiden Händen an den Schultern erfasste, mit Druck auf die Couch legte und sich dann auf sie legte, wobei es deshalb beim Versuch blieb, weil sie sich zur Wehr setzte und ihn mit ihren Händen wegdrückte;

B./ mit I* M* von Juni 2019 bis gegen ihren Willen und nach vorangegangener Einschüchterung den Beischlaf vorgenommen, indem er trotz ihrer ihm gegenüber wiederholt artikulierten Ablehnung und unter dem Eindruck seines aggressiven Verhaltens ihr gegenüber in mehreren Angriffen einen Vaginalverkehr an ihr durchführte;

C./ von zumindest Mai 2019 bis gegen I* M* durch fortdauernde körperliche Misshandlungen sowie zumindest ab August 2019 täglich stattfindende vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen die Freiheit mit Ausnahme der strafbaren Handlungen nach den §§ 107a, 108 und 110 StGB eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, und zwar insbesondere indem er

I./1./ ihr bei zumindest vier Gelegenheiten eine Ohrfeige versetzte, wodurch sie jeweils Rötungen erlitt;

2./ ihr am , während sie auf einem Sessel saß, zumindest einen Stoß mit der flachen Hand versetzte, wodurch sie nicht verletzt wurde;

3./ am die Couch, auf der sie schlief, umkippte, wodurch sie auf den Boden fiel, dadurch aber nicht verletzt wurde;

4./ ihr am einen Faustschlag auf die rechte Seite ihres Hinterkopfes zu versetzen versuchte, wobei sie dem Schlag durch Bücken ausweichen konnte;

II./ sie durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich der Verständigung der Polizei nötigte bzw zu nötigen versuchte, indem er

1./ zumindest ab August 2019 bis wiederholt sinngemäß äußerte, dass er sie und „die ihren“ (gemeint insbesondere ihre Kinder) umbringen werde, wenn sie mit einem anderen Mann schlafe oder ihn anzeige;

2./ ab Dezember 2019 bis wiederholt ankündigte, dass er Nacktfotos von ihr an ihren Vater, ihren Bruder oder das Jugendamt schicken werde, wenn sie ihn anzeige;

D./ I* M* durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, die besonders wichtige Interessen verletzt, nämlich der Aufrechterhaltung der Beziehung, genötigt, indem er von zumindest August 2019 bis
– neben den unter Punkt C./II./ angeführten strafbaren Handlungen – (zudem) wiederholt äußerte, dass er sie und „die ihren“ (gemeint insbesondere ihre Kinder) umbringen bzw er Nacktfotos von ihr an ihren Vater schicken werde, wenn sie sich von ihm trenne bzw scheiden lasse;

E./ I* M* im März 2019 mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich dem Verbleiben und erneuten Einsteigen ins Auto, genötigt, indem er sie noch im Auto sitzend an der Hand packte, sie festhielt und ihr eine Ohrfeige versetzte, und, nachdem sie sich losreißen, aussteigen und weggehen konnte, an den Händen nahm und zurück zum Auto zerrte und sie ins Auto schob, wobei dies derart heftig erfolgte, dass sie mit dem Kopf gegen die Autotür bzw den Rahmen stieß und zumindest kurzfristig das Bewusstsein verlor;

F./ durch die unter E./ angeführte Tat I* M* in Form von blauen Flecken an den Handgelenken, auf der linken Brustseite zwischen Schlüsselbein und Brustansatz und im unteren Rückenbereich sowie einer zumindest kurzfristigen Bewusstlosigkeit am Körper verletzt bzw an der Gesundheit geschädigt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) behauptet eine Unvollständigkeit der Beweiswürdigung, weil das Erstgericht einen Blutbefund der I* M*, aus welchem sich ergebe, dass diese Cannabis konsumierte, mit Stillschweigen übergangen habe. Da dieser Befund dem Gericht von der Verteidigung allerdings bloß in einem Schriftsatz angeboten (ON 10), nicht aber tatsächlich übermittelt wurde, und daher auch nicht Eingang in das Verfahren finden konnte, bezieht sich das Rechtsmittel nicht auf ein in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweisergebnis (RIS-Justiz RS0098646 [T3 und T4]; RS0118316).

[5] Die Nichterwähnung diesesw Befunds in der Beweiswürdigung (vgl US 19) stellt – der Kritik der Rüge zuwider – keine Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) dar, kann eine solche doch nur in der unrichtigen oder unvollständigen Wiedergabe des Inhalts eines (in der Hauptverhandlung vorgekommenen) Beweismittels liegen (RISJustiz RS0099547; RS0099431; Ratz, WKStPO § 281 Rz 468). Die Erwägungen der Beschwerde zu (angeblichem) Alkohol- und Cannabis-Missbrauch der M*, die deren Glaubwürdigkeit in Zweifel ziehen sollen, erweisen sich somit als bloße Kritik an der Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld.

[6] Entgegen den weiteren Ausführungen wurden auch die Angaben des Zeugen * J* nicht übergangen (US 26 ff), sie wurden von den Tatrichtern aber nicht als beweiskräftig erachtet.

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (vgl § 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (ON 39 S 10, ON 43) – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[8] Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten wegen Strafe und der privatrechtlichen Ansprüche sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft (§ 285i StPO).

[9] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00002.22S.0309.000

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