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OGH vom 24.05.2017, 15Os2/17h

OGH vom 24.05.2017, 15Os2/17h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jasminko S***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 15 Hv 57/16x-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Jasminko S***** der Vergehen der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 15 StGB (A./), der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (B./), des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (C./1.), des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und Abs 3 Z 1 StGB (C./2.), der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242 (D./) sowie der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (E./) schuldig erkannt.

Danach hat er in G***** und S*****

A./ nachgenannte Personen vorsätzlich am Körper teils verletzt, teils zu verletzen versucht, und zwar

1. von Sommer 1992 bis in etwa monatlichen Angriffen seine ExGattin Ljiljana S***** durch Schläge mit der flachen Hand und der Faust gegen den Körper und den Kopf, Zubodenstoßen und Tritte gegen die Körperseite sowie durch Bewerfen mit Gegenständen, wodurch sie Hämatome und Abschürfungen erlitt, wobei es teilweise infolge Ausweichens des Tatopfers oder mangels Eintritts von Verletzungen beim Versuch blieb;

2. von 2005 bis seinen Sohn Alexander S***** in wiederholten Angriffen durch Schläge mit der flachen Hand in das Gesicht, Faustschläge gegen den Oberkörper, Tritte und Stöße, wodurch dieser Rötungen und Hämatome erlitt;

3. im Jahr 2010 oder 2011 seine Tochter Adriana S***** durch einen wuchtigen Schlag in das Gesicht, wodurch diese ein Hämatom unter dem Auge erlitt;

B./ nachgenannte Personen mit zumindest einer Verletzung am Körper oder am Vermögen gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1. Ljiljana S*****

a. im August 2014 durch die telefonische Ankündigung, er werde mit einer Axt kommen, alles kaputt schlagen und sie umbringen;

b. über die vorangeführte Drohung hinaus im Zeitraum Sommer 1992 bis sowie im Zeitraum April 2014 bis in monatlichen Angriffen durch die wiederholten Ankündigungen, sie und ihre Familie abzuschlachten oder umzubringen;

2. Alexander S***** im Zeitraum 2005 bis durch die wiederholte Ankündigung, ihn umzubringen, ihn zusammenzuschlagen oder ihm den Kopf abzuschneiden;

C./ „im Zeitraum bis April 2014 in G*****, S***** und D***** mit Ausnahme des Zeitraums Oktober 2012 bis Winter 2012 gegen nachgenannte Personen eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, und zwar:

1. gegen Ljiljana S*****, indem er sie

a. in monatlichen Angriffen durch wiederholte Schläge mit der flachen Hand oder der Faust gegen den Körper und den Kopf, Zubodenstoßen und Tritte gegen die Körperseite sowie durch Bewerfen mit Gegenständen (Hämatome und Abschürfungen) vorsätzlich am Körper teils verletzte, teils misshandelte;

b. durch nachstehende gefährliche Drohungen mit zumindest einer Verletzung am Körper zu nachstehenden Unterlassungen teils nötigte, teils zu nötigen versuchte, und zwar

I. im Zeitraum 2011 bis 2013 durch die wiederholten Ankündigungen, sie umzubringen, sollte sie sich von ihm scheiden lassen, zur Abstandnahme von der Einleitung eines Scheidungsverfahrens;

II. im Juni 2013 durch die Ankündigung, sie umzubringen, wenn sie einen Brief seines Rechtsanwalts ihren Bekannten zeigen würde, zur Abstandnahme der Weiterleitung des Briefs an ihre Bekannten;

III. im Jahr 2014 durch die Ankündigung, eine Axt zu nehmen und sie umzubringen, wenn ein neuer Mann ins Haus komme, zur Abstandnahme von der Eingehung einer neuen Beziehung;

c. gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

I. am durch die durch Würgen bestärkte Ankündigung, er werde sie abschlachten und ihr den Kopf abschneiden, mit dem Tod;

II. über den vorangeführten Angriff hinaus in etwa monatlichen Angriffen durch die wiederholten Ankündigungen, sie und ihre Familie abzuschlachten oder umzubringen, mit zumindest einer Verletzung am Körper;

2. gegen seinen am geborenen Sohn Alexander S*****, indem er ihn

a. vorsätzlich am Körper verletzte, teils zu verletzen versuchte, teils misshandelte, und zwar

I. im Winter 2012 durch Stöße, Ohrfeigen, Faustschläge gegen den Oberkörper und Tritte gegen die Beine (Rötungen im Gesicht, Hämatome am Oberkörper);

II. im Sommer 2013 und im Frühjahr 2014 jeweils durch eine wuchtige Ohrfeige (Rötung im Bereich der Wange);

b. über die vorangeführten Übergriffe hinaus [auch im Zeitraum bis ; US 9] in nahezu wöchentlichen Angriffen durch Schläge gegen das Gesicht, Faustschläge gegen den Oberkörper sowie durch Stöße und Tritte (Rötungen und Hämatome);

c. im Frühjahr/Sommer 2013 durch Einsperren in das im Obergeschoss gelegene Badezimmer widerrechtlich gefangen zu halten versuchte, wobei es infolge Befreiung durch die Schwester des Tatopfers beim Versuch blieb;

d. im Sommer 2013 durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, nämlich durch die Ankündigung, ihn umzubringen, sollte er noch einmal sein Mobiltelefon nehmen, zur Abstandnahme von der Einsichtnahme in sein Mobiltelefon, nötigte;

e. in wiederholten Angriffen [auch im Zeitraum bis ; US 10] durch die Ankündigungen, ihn umzubringen, ihn zusammenzuschlagen oder ihm den Kopf abzuschneiden mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedrohte, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen“;

D./ im Zeitraum Ende 1993 bis Ende 2002 in fünf Angriffen Ljiljana S***** mit Gewalt, nämlich durch Stöße gegen das Bett, Herunterreißen der Kleidung und Fixieren mit seinem Körpergewicht am Bett zur Duldung des vaginalen Geschlechtsverkehrs genötigt;

E./ außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person, nämlich seinem am geborenen Sohn Alexander S***** vorgenommen, indem er im Zeitraum 2005 bis in wiederholten Angriffen dessen Genitalbereich fest ergriff.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf Z 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Sie verfehlt ihr Ziel.

Entgegen dem zu A./1. und 2. erhobenen Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) wurden die Aussagen der Zeuginnen C***** und P***** bei der Beweiswürdigung nicht übergangen; dass die Zeuginnen keine eigenen Wahrnehmungen zu den Tätlichkeiten hatten, wurde vom Erstgericht sogar ausdrücklich festgehalten (US 18 f). Auch die Aussage des Zeugen Mag. K*****, des Klassenvorstands des Alexander S*****, der sich nicht an ein Gespräch mit dem Schüler erinnern konnte, in dem sich dieser ihm hinsichtlich der Übergriffe des Angeklagten anvertraut hätte, wurde von den Tatrichtern berücksichtigt (US 19). Dass diese aus den Beweisergebnissen nicht die vom Beschwerdeführer gewünschten Schlussfolgerungen gezogen haben, stellt den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht her (vgl RISJustiz RS0099599).

Soweit die Rüge die Erklärung des Angeklagten zu den Anschuldigungen (die Ex-Ehefrau versuche damit, ihre Position im Obsorge- und Aufteilungsverfahren zu verbessern) als nicht unwahrscheinlich einstuft und darüber spekuliert, dass Auseinandersetzungen in unmittelbarer Nachbarschaft stets wahrgenommen würden bzw auch nach außen hin (in der Schule) zu Verhaltensauffälligkeiten geführt hätten, bekämpft sie nur die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Berufung wegen Schuld, ohne jedoch ein nichtigkeitsrelevantes Begründungsdefizit aufzeigen zu können.

Welche Aussagen der Zeuginnen R***** und Sp***** die Tatrichter mit Stillschweigen übergangen haben sollen, gibt die Beschwerde nicht an. Weshalb sich das Erstgericht mit der Tatsache hätte auseinander setzen sollen, dass während des Tatzeitraums der Sohn und die Tochter des Ehepaars S***** geboren wurden, bleibt ebenfalls unklar.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b), die (zu C./2.a., C./2.d. und A./3.) den Entschuldigungsgrund des § 115 Abs 3 StGB geltend macht, weil der Angeklagte durch das Verhalten seiner Kinder (Herausziehen eines Stromkabels aus der Steckdose; Wegnahme eines Handys) provoziert worden wäre, leitet nicht aus dem Gesetz ab (vgl aber RISJustiz RS0116565), weshalb dieser Straflosigkeitsgrund entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („... dazu hinreißen lässt, …. zu beschimpfen, zu misshandeln oder mit Misshandlungen zu bedrohen“) auch bei (im Rahmen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung begangenen) Körperverletzungen (§ 83 Abs 1 StGB) und Nötigungen (§ 105 Abs 1 StGB) anwendbar sein sollte. Soweit der Beschwerdeführer meint, das „Vorgehen der beiden damals Minderjährigen“ wäre „jedenfalls aber als mildernder Umstand festzustellen gewesen“, spricht er bloß einen Berufungsgrund an.

Gleichfalls einer argumentativen Ableitung aus dem Gesetz entbehrt die (bloße) Behauptung (zu D./), wonach „eine zweifellos geübte geschlechtliche Beziehung die Verzeihung einer Eheverfehlung darstellt“ und „die Tatsache einer Verzeihung die Erteilung einer Ermächtigung noch dazu nach erfolgter Scheidung ausschließt“ (zum tatsächlichen Vorliegen der Verfolgungsvoraussetzungen s ON 7 S 18, ON 16, ON 22 S 5).

Das weitere Beschwerdevorbringen, die Ehegattin hätte „ihre mangelnde Bereitschaft zu einem Geschlechtsverkehr unter den Tatbestand der Vergewaltigung subsumiert“, entfernt sich vom festgestellten Sachverhalt und entzieht sich so einer inhaltlichen Erwiderung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00002.17H.0524.000
Schlagworte:
Strafrecht

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