OGH vom 16.11.2016, 15Os2/16g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Beran als Schriftführer in der Strafsache der Privatanklägerin G***** GmbH Co OG gegen Martin H***** wegen Vergehen nach § 11 Abs 2 UWG und § 91 Abs 1 und Abs 3 UrhG, AZ 23 Hv 146/14y des Landesgerichts Innsbruck, über den Antrag der E***** GmbH und der EC***** GmbH auf Erneuerung des Strafverfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Im Verfahren der Privatanklägerin G***** Co OG gegen Martin H***** wegen der Vergehen nach § 11 Abs 2 UWG und § 91 Abs 1 und Abs 3 UrhG, AZ 23 Hv 146/14y des Landesgerichts Innsbruck, wurden anlässlich der Durchsuchung von Wohnungs bzw Geschäftsräumlichkeiten und Fahrzeugen des Angeklagten sowie der ***** GmbH, der E***** GmbH und der EC***** GmbH zahlreiche Ordner mit Geschäftsunterlagen sowie Datenträger sichergestellt.
Mit Beschluss vom (ON 29) wies der Einzelrichter den Antrag der betroffenen Unternehmen vom (ON 26) „auf Beschränkung der Akteneinsicht“ der Privatanklägerin hinsichtlich der sichergestellten Unterlagen („soweit diese keine der in der Privatanklage genannten Geschäfts und Betriebsgeheimnisse oder urheber und leistungsschutzrechtlich geschützte Werke der Privatanklägerin enthalten“; „in eventu“ einer Vielzahl einzeln bezeichneter Unterlagen) ebenso ab, wie deren „Widerspruch gegen die Sicherstellung“. Dem Einwand der Antragstellerinnen, wonach verschiedene sichergestellte Dateien und Unterlagen ihre Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse enthielten, zu deren Kenntnisnahme die Privatanklägerin nicht berechtigt wäre, hielt der Einzelrichter entgegen, dass sich unter den sichergestellten Unterlagen solche befänden, die ganz offensichtlich aus dem Bestand der Privatanklägerin stammen würden, weshalb nicht auszuschließen sei, dass sich solche von der Privatanklägerin stammende Unterlagen und Dateien auch in den von den Antragstellern angeführten Unterlagen und Datenträgern befänden.
Die den Widerspruch regelnde Bestimmung des § 112 Abs 1 StPO beziehe sich auf gesetzlich anerkannte Rechte auf Verschwiegenheit, die bei sonstiger Nichtigkeit nicht durch Sicherstellung umgangen werden dürften. Solche seien im gegenständlichen Fall nicht berührt.
Der dagegen am eingebrachten Beschwerde der E***** GmbH, der EC***** GmbH und der ***** GmbH (ON 45) gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom , AZ 6 Bs 64/15k (ON 67), nicht Folge, wobei es im Wesentlichen der Rechtsauffassung des Erstgerichts folgte. Dieser Beschluss wurde dem Vertreter der Beschwerdeführerinnen am zugestellt.
In der Zwischenzeit, nämlich am , hatten die betroffenen Unternehmen neuerlich einen Antrag auf Beschränkung der Akteneinsicht der Privatanklägerin hinsichtlich der sichergestellten Unterlagen gestellt und Widerspruch gegen die Sicherstellung erhoben (ON 44); dem diesbezüglichen Schriftsatz waren mehrere Ordner mit den Namen jener Dateien, die von der Akteneinsicht ausgenommen werden sollten, angeschlossen.
Mit Beschluss vom (ON 50) wies der Einzelrichter auch diese Begehren ab. Begründend verwies er im Wesentlichen auf den Beschluss vom , weil sich weder in Ansehung der verlangten Beschränkung der Akteneinsicht noch in Bezug auf den neuerlich erhobenen Widerspruch gegen die Sicherstellung eine Änderung ergeben hätte (BS 6 ff).
Der dagegen gerichteten Beschwerde (ON 52) gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom , AZ 6 Bs 87/15t (ON 79), nicht Folge. Dieser Beschluss wurde dem Vertreter der genannten Unternehmen am zugestellt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen letztgenannten Beschluss richtet sich der am beim Obersten Gerichtshof eingebrachte Antrag der E***** GmbH und der EC***** GmbH auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO; dieser ist verspätet.
Bei einem nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf, für den sinngemäß die gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 MRK gelten. Demnach steht dieser Antrag auch einem Unternehmen zu (Art 34 MRK: „nicht staatliche Organisation oder Personengruppe“) und ist nach Erschöpfung aller (sonstigen) innerstaatlichen Rechtsbehelfe innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach (Zustellung) der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung einzubringen (Art 35 Abs 1 MRK). Als endgültige innerstaatliche Entscheidung kommt nur eine solche in Betracht, die letztinstanzlich in Folge eines effektiven Rechtsbehelfs und in Bezug auf den Beschwerdegegenstand ergeht ( Grabenwarter/Pabel EMRK 6 § 13 Rz 39).
Prozessgegenstand sowohl der Entscheidung des Oberlandesgerichts vom , AZ 6 Bs 64/15k (ON 67), als auch jener vom , AZ 6 Bs 87/15t (ON 79), waren die – von den betroffenen Unternehmen (zweimal) begehrte – Beschränkung der Akteneinsicht der Privatanklägerin in Bezug auf bei der Hausdurchsuchung am sichergestellte Datenträger und Speichermedien bzw Dateien und Ausdrucke („soweit diese keine der in der Privatanklage genannten Geschäfts und Betriebsgeheimnisse oder urheber und leistungsschutzrechlich geschützte Werke der Privatanklägerin enthalten“), sowie der jeweils unter einem erhobene Widerspruch (§ 112 StPO) gegen die Sicherstellung (ON 26 und 45 sowie ON 44 und 52). Dass dieses von denselben Antragstellerinnen aufgrund identen Sachverhalts neuerlich gestellte Begehren im späteren Antrag argumentativ ausgebaut und die von der Akteneinsicht auszunehmenden Dateien im Vergleich zum primären Erstantrag eingeschränkt und vom dort gestellten Eventualantrag teilweise abweichend gesondert bezeichnet wurden, bewirkte keine Änderung des dargestellten Entscheidungsgegenstands.
Somit erging im gegenständlichen Fall die letztinstanzliche Entscheidung der Sache nach bereits mit dem am gefassten und dem Vertreter der Beschwerdeführerinnen am zugestellten Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck zu 6 Bs 64/15k (ON 67). Insoweit erweist sich der erst mehr als sechs Monate nach dem letztgenannten Zeitpunkt eingebrachte Erneuerungsantrag der zwei Betroffenen als verspätet.
Dies unbeschadet dessen, dass die Gerichte über einen weiteren, im Wesentlichen gleichlautenden und dasselbe Begehren betreffenden – ohne Änderung der Verhältnisse gestellten – Antrag und Widerspruch der Genannten jeweils meritorisch entschieden haben. Eine wiederholte, sachlich jedoch gleichgelagerte Antragstellung, mit der immer wieder gerichtliche Entscheidungen veranlasst werden, bewirkt nämlich – ungeachtet dessen, dass keine Zurückweisung wegen „res iudicata“ erfolgte (vgl aber RIS Justiz RS0101270 [T25]) – keine solcherart beliebige Verlängerung der in Art 35 Abs 1 MRK normierten Frist.
Der eine Verletzung von § 1 DSG und Art 8 Abs 1 MRK behauptende Erneuerungsantrag der E***** GmbH und der EC***** GmbH war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu erstatteten Äußerung der Antragstellerinnen – zurückzuweisen (RIS Justiz RS0122736).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00002.16G.1116.000