OGH vom 27.04.2022, 15Os16/22z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des OKontr. Bodinger als Schriftführer in der Strafsache gegen * F* und eine weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * F* und * K* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Geschworenengericht vom , GZ 40 Hv 24/21i-171, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden * F* und * K* jeweils des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 75 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach haben
A./
* F*am in W* und „zu weiteren nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkten seit in Ungarn und an anderen nicht mehr näher feststellbaren Orten * P* wiederholt sowohl persönlich als auch fernmündlich bzw via WhatsApp und Facebook-Chat dazu zu bestimmen versucht, * R* zu töten, indem er ihn aufforderte, ihm das Rückgrat zu brechen bzw ihn zu erschießen, wobei er ihm geeignete Zeitpunkte bzw mögliche Szenarien nannte, ihm ein Foto mit der Adresse des Opfers übergab und für den Mord die Bezahlung von 5.000 Euro in Aussicht stellte, ihm am von einer Anhöhe, von wo aus er ihn erschießen könne, die Terrasse des Opfers zeigte und sich in weiterer Folge wiederholt bei ihm meldete, um nachzufragen, wie es denn mit dem 'Carport' (als Codewort für den Mord) aussehe, wobei sich * P* letztlich im Februar 2021 an die Polizei wandte, weshalb es beim Versuch geblieben ist“;
B./
* K*am in B* sowie „zu einem oder mehreren weiteren nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkten seit Sommer 2019 an einem oder mehreren weiteren noch festzustellenden Orten * F* dazu bestimmt, einen anderen, nämlich * P* dazu zu bestimmen, * R* zu töten, indem sie ihn dazu aufforderte, wobei sie ihm ein Foto des Opfers zur Verfügung stellte, ihm dessen Adresse nannte, seine Gewohnheiten und Lebensumstände schilderte, ihm am in B* zumindest 5.000 Euro übergab und weitere finanzielle Zuwendungen in Aussicht stellte, wobei * F* in weiterer Folge tatsächlich * P* zu bestimmen versuchte, dieser sich jedoch letztlich im Februar 2021 an die Polizei wandte, weshalb es beim Versuch geblieben ist“.
[3] Die Geschworenen haben die anklagekonform gestellten Hauptfragen bejaht, Eventual- oder Zusatzfragen wurden nicht gestellt.
Rechtliche Beurteilung
[4] Gegen dieses Urteil richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, die * F* auf Z 10a und 11 lit a, * K* auf Z 4, 10a und 11 lit a, je des § 345 Abs 1 StPO stützen. Beiden Rechtsmitteln kommt Berechtigung nicht zu.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des * F*:
[5] Z 10a des § 345 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
[6] Mit dem Vorbringen, aus dem Akteninhalt ließe sich weder die Erteilung eines Mordauftrags am ableiten (vgl aber US 3: „und an anderen nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkten“) noch, dass das Wort „Carport“ ein Codewort für Mord sei, gelingt es der Tatsachenrüge nicht, erhebliche Bedenken beim Obersten Gerichtshof gegen die Feststellung entscheidender Tatsachen im Wahrspruch zu erwecken. Gleiches gilt für den Einwand, es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte dem Zeugen P* weitere geeignete Zeitpunkte und mögliche Szenarien dargelegt hätte.
[7] Soweit die Rechtsrüge (Z 11 lit a) kritisiert, dem Wahrspruch der Geschworenen seien keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu entnehmen, übersieht sie, dass bedingter Vorsatz unterstellt wird, wenn in einem Tatbestand auf der subjektiven Tatseite keine von den Mindesterfordernissen des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB abweichende Vorsatzformen verlangt werden (RIS-Justiz RS0113270).
[8] Die weitere Rechtsrüge argumentiert nicht aus dem Gesetz (§ 15 Abs 2 StGB), warum es für die Strafbarkeit des Bestimmungsversuchs notwendig sein sollte, dass der Bestimmte ein Verhalten setzt, das den „Vorstellungen“ des Bestimmenden entspricht (vgl zum Bestimmungsversuch RIS-Justiz RS0109797, RS0089881, RS0090435; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 72 ff). Ebenso erklärt sie nicht, weshalb das festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers (Aufforderung, ihm das Rückgrat zu brechen bzw ihn zu erschießen; Übergeben eines Fotos mit der Adresse des Opfers; In-Aussicht-Stellen einer Bezahlung von 5.000 Euro; Zeigen eines geeigneten Tatortes) bloß eine „nicht strafbare Vorbereitungshandlung“ sein sollte.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der * K*:
[9] Mit Verfahrensrüge (Z 5) kritisiert die Beschwerdeführerin, das Erstgericht sei ihrem Antrag, „sämtliche elektronische Korrespondenz zwischen den Angeklagten beizuschaffen“ bzw „die von der Angeklagten gelöschte elektronische Korrespondenz wiederherzustellen“, zum Beweis dafür, dass „zwischen den Angeklagten keinerlei Korrespondenz via Handy, E-Mail oder anderen Medien zu einem Mordauftrag geführt wurde“, nicht nachgekommen. Sie übersieht dabei, dass Gegenstand einer erfolgreichen Verfahrensrüge nur ein in der Hauptverhandlung vorgetragener Beweisantrag sein kann. Nach dem ungerügt gebliebenen Hauptverhandlungsprotokoll hat der Verteidiger aber eingangs der Hauptverhandlung am lediglich auf mehrere in einem Schriftsatz (ON 157) gestellte Beweisanträge verwiesen, diese aber nicht mündlich vorgetragen (ON 165 S 3; vgl RIS-Justiz RS0118060 [T2, T6]).
[10] Im Übrigen ließ der Antrag mit Blick darauf, dass der Wahrspruch gar nicht von einer (nur) elektronischen Kommunikation zwischen den Angeklagten ausgeht, nicht erkennen, weshalb das Beweisthema geeignet sein sollte, die zur Wahrheitsfindung führenden Prämissen erfolgversprechend zu bereichern (RISJustiz RS0107445).
[11] Mit Spekulationen über ein Motiv des Zeugen P* für eine Falschaussage, einen möglichen Grund für eine Entschuldigung des Mitangeklagten bei der Beschwerdeführerin sowie mit dem Hinweis auf einzelne Divergenzen in der Aussage des Zeugen P*, der insgesamt sechs Mal vernommen wurde, und Erwägungen zur Aussage der Zeugin N* gelingt es der Tatsachenrüge (Z 10a) nicht, erhebliche Bedenken beim Obersten Gerichtshof gegen die im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Gleiches gilt für Überlegungen zur psychischen Verfasstheit des Zeugen P* (vgl dazu das psychiatrische Sachverständigengutachten ON 143) und Erwägungen zu einem allfälligen Motiv der Rechtsmittelwerberin, zum Testament ihres Mannes und zum Mail-Verkehr mit einem „US-Anwalt“. Schließlich wird auch mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz („in dubio pro reo“) keine Nichtigkeit nach Z 10a aufgezeigt (RIS-Justiz RS0102162).
[12] Weshalb es eine Nichtigkeit nach Z 11 lit a darstellen sollte, wenn im Wahrspruch der Geschworenen bzw im Schuldspruch neben dem Tatort B* auch „von weiteren noch festzustellenden Orten“ die Rede ist, bleibt unerfindlich.
[13] Mit ihrem Vorbringen zum Fehlen von Feststellungen zum Vorsatz der Zweitangeklagten ist die Rechtsrüge (Z 11 lit a) auf die Ausführungen zum Rechtsmittel des Erstangeklagten zu verweisen (vgl neuerlich RIS-Justiz RS0113270).
[14] Dass es für die Strafbarkeit der Zweitangeklagten erforderlich wäre, dass die Bestimmten ein dem „konkreten Tatplan“ entsprechendes Verhalten setzen, behauptet die Rüge bloß, ohne diese Konsequenz argumentativ aus dem Gesetz zu entwickeln (zur Strafbarkeit des Bestimmungsversuchs vgl neuerlich RIS-Justiz RS0109797, RS0089881, RS0090435; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 72 ff).
[15] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen ergibt (§§ 344, 285i StPO).
[16] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00016.22Z.0427.000 |
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