OGH vom 19.03.2014, 15Os16/14p

OGH vom 19.03.2014, 15Os16/14p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtswärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sebastian F***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Abs 1 Z 2 StGB, AZ 33 Hv 97/10a des Landesgerichts Linz, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz vom , AZ 5 Ns 38/13x, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, und des Verteidigers Dr. Führlinger zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache AZ 33 Hv 97/10a des Landesgerichts Linz verletzt der Beschluss des Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz vom , AZ 5 Ns 38/13x, § 43 Abs 4 StPO.

Dieser Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst erkannt, dass die Richter des Oberlandesgerichts Linz Dr. Günther Winsauer, Mag. Gabriele Hemetsberger und Dr. Andre Starlinger von der Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz vom , GZ 33 Hv 97/10a 93, aus dem Grund der Beschlussfassung vom , AZ 8 Bs 27/12w (ON 54), nicht ausgeschlossen sind.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts Linz vom , GZ 33 Hv 97/10a 23, wurde der Angeklagte Sebastian F***** des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Abs 1 Z 2 StGB schuldig erkannt.

Der dagegen vom Angeklagten erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe (ON 28) gab der zuständige, aus dem Richter Dr. Bergmayr als Vorsitzenden und den Richterinnen Dr. Engljähringer und Mag. Reinberg zusammengesetzte Senat des Oberlandesgerichts Linz mit Urteil vom , AZ 8 Bs 89/11m, im Umfang der Berufung wegen Schuld Folge und sprach Sebastian F***** von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf frei (ON 32).

Mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom (ON 48) wurde dem Antrag der Staatsanwaltschaft Linz auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 355 StPO Folge gegeben und das freisprechende Urteil des Oberlandesgerichts Linz aufgehoben.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss erhob Sebastian F***** Beschwerde (ON 50). Dieser gab das Oberlandesgericht Linz mit Beschluss vom , AZ 8 Bs 27/12w (ON 54), nicht Folge. Als vorsitzender Richter agierte Dr. Günther Winsauer, die weiteren Senatsmitglieder waren Dr. Andre Starlinger und Mag. Gabriele Hemetsberger.

Im wiederaufgenommenen Verfahren wurde Sebastian F***** in der Hauptverhandlung vom neuerlich des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Abs 1 Z 2 StGB schuldig erkannt (ON 93), wogegen sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Berufungen anmeldeten und ausführten.

Der Präsident des Oberlandesgerichts Linz stellte mit Beschluss vom , AZ 5 Ns 34/13h, gemäß § 43 Abs 4 StPO die Ausgeschlossenheit von Dr. Bergmayr und Dr. Engljähringer von der Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft fest, weil sie bereits mit der Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz vom , GZ 33 Hv 97/10a 23, befasst waren.

Mit weiterem Beschluss vom , AZ 5 Ns 38/13x, sprach der Präsident des Oberlandesgerichts Linz darüber hinaus die Ausgeschlossenheit der Richter des Oberlandesgerichts Linz Dr. Winsauer, Mag. Hemetsberger und Dr. Starlinger von der Entscheidung „über die Beschwerde des Sebastian F***** gegen das Urteil des Landesgerichts Linz vom , 33 Hv 97/10a 93“ (richtig: über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das genannte Urteil gemäß § 43 Abs 4 StPO) aus, weil diese zu AZ 8 Bs 27/12w bereits über die Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom , mit welchem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligt worden war, entschieden hatten.

Über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wurde bisher nicht entschieden.

Der Beschluss des Präsidenten des Oberlandesgerichts vom steht wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt mit dem Gesetz nicht im Einklang.

§ 43 Abs 2 bis 4 StPO regelt die Ausgeschlossenheit von Richtern wegen Vorbefassung im selben Verfahren ( Lässig , WK StPO § 43 Rz 16). Gemäß Abs 4 leg cit ist ein Richter von der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme oder einen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a StPO) und von der Mitwirkung und Entscheidung im erneuerten Verfahren ausgeschlossen, wenn er im Verfahren bereits als Richter tätig gewesen ist.

Die Wortfolge „über einen Antrag auf Wiederaufnahme oder einen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a) und von der Mitwirkung und Entscheidung im erneuerten Verfahren“ ist als Einheit zu lesen und regelt die Ausgeschlossenheit von einer dieser Handlungen nur für den Fall einer im früheren Verfahren entfalteten Tätigkeit, was bei der Mitwirkung an einer Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme (§ 357 Abs 2 StPO) gerade nicht der Fall ist. Demnach ist ein Richter, der an der positiven Beschlussfassung über einen solchen Wiederaufnahmeantrag mitgewirkt hat, im darauffolgenden neuen Verfahren nach dieser Gesetzesstelle nicht ausgeschlossen ( Lässig , WK StPO § 43 Rz 33; RIS Justiz RS0125149 [T12]).

Die Richter des Oberlandesgerichts Linz Dr. Winsauer, Dr. Starlinger und Mag. Hemetsberger, die mit Beschluss vom , AZ 8 Bs 27/12w (ON 54), der Beschwerde des Sebastian F***** gegen den die Wiederaufnahme bewilligenden Beschluss des Landesgerichts Linz nicht Folge gegeben haben, sind somit entgegen der Entscheidung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz gemäß § 43 Abs 4 StPO von einer Entscheidung im erneuerten Verfahren auch als Rechtsmittelrichter nicht ausgeschlossen.

Ein Nachteil für den Angeklagten durch den einen Akt der Rechtsprechung darstellenden Beschluss des Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz vom kann nicht ausgeschlossen werden (Art 83 Abs 2 B VG), weshalb sich der Oberste Gerichtshof zur Aufhebung dieses Beschlusses veranlasst sah.

Zur Entscheidung über die Rechtsmittel des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft sind somit die nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter des Oberlandesgerichts Linz berufen (Art 83 Abs 2 B VG).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0150OS00016.14P.0319.000