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OGH vom 27.06.2002, 15Os15/02

OGH vom 27.06.2002, 15Os15/02

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kubina als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Andreas G***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht St. Pölten vom , GZ 24 Hv 4/01h-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tiegs, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Lederer zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil aufgehoben und die Sache an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht St. Pölten zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe :

Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurde Andreas G***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 (zweiter Fall) StGB schuldig erkannt, weil er am in Erpersdorf dem Heinrich G***** durch Versetzen von elf Messerstichen eine schwere Körperverletzung absichtlich zufügte, wobei die Tat den Tod des Geschädigten zur Folge hatte.

Die Geschworenen verneinten (mit 4 : 4 Stimmen) die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach Mord, bejahten stimmeneinhellig die Eventualfrage nach absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge und verneinten einstimmig die Zusatzfrage nach Notwehr. Die ihnen des Weiteren vorgelegten Fragen (Eventualfrage nach Körperverletzung mit tödlichem Ausgang und Zusatzfrage nach Notwehrüberschreitung) blieben demnach unbeantwortet.

Mit ihrer auf § 345 Abs 1 Z 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde rügt die Staatsanwaltschaft ua die Ausführungen in der Rechtsbelehrung, wonach "der bedingte Vorsatz gegeben ist, wenn der Täter den Tod ernstlich für möglich hält, für den Fall des Eintrittes desselben damit einverstanden ist und sich mit seiner Verwirklichung abfindet, den Erfolg somit in Kauf genommen hat" (S 191/II), weil diese Darstellung nicht geeignet sei, den Geschworenen eine richtige Vorstellung von den gesetzlichen Anforderungen an den bedingten (Tötungs-)Vorsatz zu vermitteln.

Rechtliche Beurteilung

Der Instruktionsrüge kommt Berechtigung zu.

Die Rechtsbelehrung hat eindeutig zu sein und den Geschworenen eine richtige Vorstellung von der für die Fragebeantwortung bedeutsamen Rechtslage zu vermitteln. Sie darf keine Aussage enthalten, welche aufgrund der den Laienrichtern damit vermittelten sprachlichen Bedeutung eine falsche Rechtsansicht nahezulegen vermag (Mayerhofer StPO4 § 345 Z 8 E 58).

Im vorliegenden Fall war von den Laienrichtern ua zu klären, ob der Taterfolg, nämlich der (durch das Zufügen von elf Messerstichen eingetretene) Tod des Tatopfers, vom Angeklagten (zumindest) bedingt vorsätzlich (oder nur fahrlässig) verschuldet worden war.

Nach der Legaldefinition des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB ist bedingter Vorsatz anzunehmen, wenn der Täter die Tatbildverwirklichung "ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet". Dass er sie innerlich geradezu bejaht oder billigt, ist für die Annahme des Eventualvorsatzes nicht notwendig. Ein solches billigendes Inkaufnehmen des ernstlich für möglich Gehaltenen ist willensmäßig ein Plus gegenüber dem bloßen Abfinden (mit dem Erfolg), das für den bedingten Vorsatz genügt (Leukauf/Steininger Komm3 RN 17; Mayerhofer StGB5 Rz 18b jeweils zu § 5).

Der von der Anklagebehörde bemängelte Passus gibt zwar (auch) im Wesentlichen den (insofern ausreichenden; vgl Mayerhofer aaO E 31a) Gesetzestext wieder ("wenn der Täter den Tod ernstlich für möglich hält ... und sich mit seiner Verwirklichung abfindet"). Darüber hinaus enthält die Belehrung jedoch eine weitere - tatsächlich aber nicht erforderliche - zusätzliche Bedingung, wonach der Täter mit dem Erfolg "einverstanden" sein, also ihn billigen muss. Damit hat aber die Rechtsbelehrung (zum Vorteil des Angeklagten) den Bedeutungsinhalt der verba legalia soweit verändert, dass sie eine strengere Anforderung an den bedingten (Tötungs-)Vorsatz stellt, als dies nach dem Gesetz geboten gewesen wäre.

Die dargestellte Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung zur subjektiven Tatseite zur Hauptfrage war geeignet, die Geschworenen zugunsten des Angeklagten in Irrtum über die Tatbestandserfordernisse des Verbrechens des Mordes zu führen, sodass der Wahrspruch der Geschworenen und das darauf basierende Urteil aufzuheben waren und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht St. Pölten zu verweisen war (§ 349 Abs 1 StPO).

Im zweiten Rechtsgang wird überdies zu beachten sein, dass die den Geschworenen zu erteilende Rechtsbelehrung auch eine Definition des Begriffs der Fahrlässigkeit enthält. Zwar wurde keine Frage nach einem Fahrlässigkeitsdelikt gestellt, doch ist im vorliegenden Fall eine - wenn auch nur in der Wiedergabe des Gesetzestextes des § 6 StGB bestehende - Erläuterung schon deshalb erforderlich, weil bei den gegebenenfalls wiederum zur Beurteilung stehenden Delikten der absichtlichen schweren Körperverletzung bzw der schweren Körperverletzung der (die Ahndung nach einem höheren Strafsatz nach sich ziehende) Taterfolg des Todeseintritts fahrlässig herbeigeführt sein muss.