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OGH vom 04.03.2020, 15Os12/20h

OGH vom 04.03.2020, 15Os12/20h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. MichelKwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Dr. Schöll als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef K***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 55 Hv 117/19f27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Einziehungserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Bezirksgericht Liesing verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef K***** mehrerer Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (I./) und des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er am in W***** Halim B*****

I./ mehrfach gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedroht, um diesen in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er das Hals- bzw. Kopfabschneiden andeutete, wobei er sich mit dem Finger quer über den Hals fuhr und in Richtung des B***** blickte und deutete,

II./ eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zugefügt, indem er ihm einen Stich mit einem Messer mit einer Klingenlänge von ca 6,5 cm in den Oberkörper versetzte, wodurch Genannter eine die Brusthöhle eröffnende Stichverletzung auf Höhe der 4. Rippe links, sohin eine schwere Verletzung erlitt.

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3 und 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Aus § 281 Abs 1 Z 3 (iVm § 159 Abs 3 erster Satz) StPO moniert die Beschwerde, § 156 Abs 1 Z 1 StPO sei dadurch verletzt worden, dass dem Zeugen Richard K***** (dem Neffen des Angeklagten) in der Hauptverhandlung ein Entschlagungsrecht zugestanden wurde (ON 26 S 26), obwohl Genannter im Ermittlungsverfahren bereits (unter ausdrücklichem Verzicht auf seine Aussagebefreiung – ON 3 S 93) ausgesagt hatte.

Dieses Vorbringen geht schon deshalb ins Leere, weil die Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO nicht offen steht, wenn der Vorsitzende (vermeintlich) zu Unrecht ein Zeugnisentschlagungsrecht anerkennt. Die Prozessparteien können sich gegen die (vermeintlich) irrige Gewährung eines Entschlagungsrechts nur durch einen zu begründenden Antrag, dem Zeugen kein solches Recht einzuräumen, zur Wehr setzen. Wird einem derartigen Antrag nicht entsprochen, kommt zur Urteilsanfechtung Nichtigkeit aus Z 4 in Betracht (RIS-Justiz RS0113906 [T3]; vgl Kirchbacher, WK-StPO § 159 Rz 28, § 246 Rz 181; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 362). Einen entsprechenden Antrag hat der Angeklagte nach dem unwidersprochen gebliebenen Protokoll über die Hauptverhandlung allerdings nicht gestellt (vgl ON 26 S 26).

Abgesehen davon gilt ein einmal abgegebener Verzicht nicht ohne Weiteres auch für künftige Vernehmungen (Kirchbacher, WK-StPO § 159 Rz 6; vgl auch RIS-Justiz RS0098180, RS0097663). Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang losgelöst vom Schutzbereich des § 159 Abs 3 StPO angesprochene Einschränkung des Rechts eines Zeugen auf Aussageverweigerung nach § 157 Abs 1 Z 1 StPO greift übrigens bloß im Fall einer über die bisher getätigte Aussage hinausgehenden Selbstbelastungsgefahr.

Mangels eines auf Vernehmung des genannten Zeugen gerichteten Antrags in der Hauptverhandlung ist dem Angeklagten von vornherein verwehrt, sich mittels Verfahrensrüge (Z 4) darüber zu beschweren, dass er keine Gelegenheit zu dessen Befragung hatte (RIS-Justiz RS0099112).

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof allerdings von einer nicht geltend gemachten, dem Angeklagten zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit betreffend das Einziehungserkenntnis (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO):

Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB setzt voraus, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (RIS-Justiz RS0121298). Davon kann bei einem Messer mit einer Klingenlänge von 6,5 cm ohne Hinzutreten besonderer Eigenschaften in der Regel nicht die Rede sein (vgl RIS-Justiz RS0082031). Feststellungen dazu als (notwendige) Grundlage der Gefährlichkeitsprognose hat das Erstgericht, das die Maßnahme bloß mit der Gesetzesstelle begründet hat (US 11), nicht getroffen.

Da dem Berufungsgericht zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte die amtswegige Wahrnehmung der die Einziehung betreffenden Nichtigkeit zu Gunsten des Angeklagten verwehrt ist, war diese vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen aufzugreifen (§§ 285e erster Fall, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Die im selbständigen Verfahren mögliche Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einziehung (ON 22 S 1) kommt dem für den Tatort 1230 Wien (ON 3 S 37) zuständigen Bezirksgericht Liesing zu (§§ 445 Abs 3, 288 Abs 2 Z 3 StPO; RIS-Justiz RS0100318 [T6, T 7]).

Zunächst wird das Oberlandesgericht über die Berufung zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00012.20H.0304.000

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