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OGH vom 14.03.2016, 15Os11/16f

OGH vom 14.03.2016, 15Os11/16f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Fritsche als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rudolf H***** wegen des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 38 Hv 93/15s 42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rudolf H***** (zu 1.) des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB, (zu 2.) des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB, (zu 3.) der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB, (zu 4.) der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und (zu 5.) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in I***** zwischen dem 22. und Marlies M*****

1.) durch Versperren der Wohnungseingangstür, Herunterlassen der Jalousien, Verabreichung von Benzodiazepinen (Praxiten), Wegnahme des Handys und den Befehl, sich beim Aufsuchen der Toilette durch Offenlassen der Tür bzw durch Pfeifen und Klatschen während des Toilettengangs bemerkbar zu machen, über ca 60 Stunden widerrechtlich in seiner Wohnung gefangen gehalten, wobei er unter Aufrechterhaltung dieses Zustands die unter 2.), 3.) und 4.) angeführten strafbaren Handlungen setzte, sohin die Tat auf solche Weise beging, dass sie der Genannten besondere Qualen bereitete;

2.) durch wiederholte Faustschläge, durch Schläge mit einem Stöckelschuh und durch Werfen brennender Zigarettenkippen gegen ihren Oberkörper , Kopf und Gesichtsbereich, vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch sie einen dislozierten Bruch der 7. Rippe, Hämatome und Prellungen im Kopfbereich sowie im Bereich der Halswirbelsäule und eine Platzwunde im oberen Kopfbereich, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufungsunfähigkeit erlitt;

3.) durch die mehrfach getätigten Äußerungen, er werde sie umbringen, bevor er ins Gefängnis müsse, sie werde die Wohnung nicht mehr lebend verlassen, er werde ihr das Gesicht bis zur Unkenntlichkeit zerschneiden, ihr die Haare abrasieren und sie und ihre Brut fertig machen, mit Verletzungen am Körper, mit dem Tode und mit einer auffallenden Verunstaltung gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

4.) durch Gewalt und gefährliche Drohungen, nämlich durch Versetzen von Faustschlägen bzw durch das Androhen von weiteren Schlägen, zu Handlungen, nämlich zur Einnahme von Benzodiazepinen sowie zu einer Duldung, nämlich zum zweimaligen Entleeren seiner Blase auf ihrem Kopf, genötigt;

5.) durch Gewalt, Entziehung der persönlichen Freiheit und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt, indem er sie zwang, sich nur mit Stöckelschuhen, Strapsen und einem BH bekleidet mit dem Gesicht zur Wand auf eine Couch zu knieen, sie verbal beschimpfte, durch mehrfache Schläge gegen den rechten Oberkörperbereich gefügig machte und sodann den Analverkehr an ihr vollzog.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Entgegen dem Vorbringen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde durch Abweisung der in der Hauptverhandlung am gestellten Anträge auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens über den Angeklagten zum Beweis dafür, dass „beim Angeklagten eine Persönlichkeitsstörung vorliegt und in Kombination mit der Einnahme von Praxiten und Alkohol und dem Rauchen von Joints seine Dispositionsfähigkeit zum Tatzeitpunkt eingeschränkt war“, sowie auf zeugenschaftliche Vernehmung der Sabine A*****, der unmittelbaren Nachbarin, zum Beweis dafür, dass „sie gehört habe, dass der Angeklagte irgendjemanden angeschrien habe, weiters verdächtige Wahrnehmungen habe sie nicht wahrnehmen können; sie hat somit als einzige unmittelbare Zeugin die Vorfälle zumindest akustisch wahrnehmen können“ (ON 41 S 17), Verteidigungsrechte nicht geschmälert.

Der Einholung eines psychiatrischen Gutachtens bedurfte es nicht, weil nicht dargelegt wurde, weshalb dies für die Schuld oder Subsumtionsfrage von Bedeutung sein sollte (RIS Justiz RS0118444). Zudem gingen die Tatrichter, basierend auf Ergebnissen aus dem Verfahren AZ 39 Hv 146/05b des Landesgerichts Innsbruck, ohnehin von einer eingeschränkten Dispositionsfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt aus (US 10 f; § 55 Abs 2 Z 3 StPO).

Auch die Ladung und Vernehmung der Zeugin A***** konnte unterbleiben, weil im Antrag nicht dargetan wurde, wieso die Zeugin das Tatgeschehen jedenfalls akustisch hätte wahrnehmen müssen.

Die Aussage der Zeugin M*****, sie habe während der „Situation im Bad“ zum Angeklagten gesagt, „jetzt ist es aber aus“, worauf er von ihr abgelassen habe, war nicht gesondert erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall), steht diese Schilderung eines kurzen Ausschnitts des rund 60 stündigen Gesamtgeschehens doch den erstgerichtlichen Feststellungen zu den dem Schuldspruch zugrunde liegenden Tathandlungen nicht entgegen. Das darauf bezogene Vorbringen der Rüge, der Angeklagte sei danach davon ausgegangen, die Zeugin werde sich „zumindest verbal weigern, den Beischlaf zu vollziehen“, bleibt spekulativ.

Zu 5.) kritisiert die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) eine Undeutlichkeit der Feststellungen (zum Nötigungsvorsatz), weil nicht erkennbar sei, von welchen „tatsächlichen Tatmitteln (Gewalt, Drohung etc.)“ das Erstgericht ausging. Entgegen diesem Einwand haben die Tatrichter die eingesetzten Nötigungsmittel unter Verweis auf die zu 1.) bis 3.) konkret geschilderten Handlungen (Freiheitsentzug, Körperverletzungen und Drohungen) und zusätzlich auf mehrfache Schläge gegen den rechten Oberkörper während des Analverkehrs unmissverständlich dargestellt (US 10; vgl auch US 8: „Dabei schlug der Angeklagte Marlies M***** fortdauernd. Aufgrund der vorangegangenen andauernden Tätlichkeiten, Drohungen und Beeinträchtigung durch Medikamente litt Marlies M***** Todesangst und wagte nicht, sich zur Wehr zu setzen.“).

Mit einer eigenständigen Bewertung der Aussage der Zeugin M***** sowie der Wiederholung der Verantwortung des Angeklagten, der Geschlechtsverkehr sei „aus seiner Sicht einvernehmlich erfolgt“, gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Mit einem Brief, den das Opfer dem Angeklagten nach der Verurteilung geschrieben hat, mussten sich die Tatrichter zufolge des bei Bekämpfung der Feststellungsgrundlage für die Frage der Schuld geltenden Neuerungsverbots (vgl § 288 Abs 2 Z 3 StPO; Ratz , WK StPO Vor §§ 280 296a Rz 14) nicht auseinandersetzen (der Sache nach Z 5 zweiter Fall).

Nach den Urteilsannahmen erzwang der Angeklagte den Analverkehr durch Anwendung körperlicher Gewalt, Entziehung der persönlichen Freiheit und durch Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (im Sinn der zu 1.) bis 3.) geschilderten Tathandlungen; US 6 f), wobei er das Tatopfer zwang, sich mit dem Gesicht zur Wand auf eine Couch zu knieen und sie während der Tat zusätzlich durch mehrfache Schläge gegen den rechten Oberkörper gefügig machte (US 2, 10). Marlies M***** litt aufgrund der vorangegangenen andauernden Tätlichkeiten, Drohungen und Beeinträchtigungen durch Medikamente unter Todesangst und wagte nicht, sich zur Wehr zu setzen (US 8). Welcher weiterer Konstatierungen zu den Nötigungsmitteln und zur „fehlenden Einwilligung“ über jene klar bezeichneten hinaus es zur rechtlichen Beurteilung bedurft hätte, vermag die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht anzugeben. Die entsprechenden Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (zu 5.) befinden sich auf US 10; weshalb diesen ein konkreter Sachverhaltsbezug fehlen sollte, ist nicht ersichtlich.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00011.16F.0314.000