OGH 28.03.1996, 15Os1/96
Rechtssätze
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Normen | |
RS0096839 | Nur ein Verstoß gegen die Verlesungsbeschränkungen und gegen das Umgehungsverbot ist mit Nichtigkeit bedroht, nicht aber im Verstoß gegen § 252 Abs 3 StPO. |
Norm | |
RS0096842 | Das Fehlen eines objektiven Maßstabes für einen Wertvergleich von Leistung und Gegenleistung läßt - unabhängig von der Legalität oder Illegalität ihres Inhalts - mangels Vorliegens des normativen Merkmals eines "auffallenden Mißverhältnisses eine Beurteilung als Sachwucher nach § 155 Abs 1 StGB nicht zu. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Petschnigg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ingrid B***** und andere wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Ingrid B***** und Gerlinde K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 12 e Vr 3671/93-262, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Ingrid B***** und Gerlinde K***** werden zurückgewiesen.
Über die Berufungen dieser Angeklagten sowie über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Dipl.Ing.Luyuan W***** und Feng Mei Z***** wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden, für den sich der Oberste Gerichtshof in Ansehung des die Angeklagte Ingrid B***** betreffenden Strafausspruches eine allfällige Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO vorbehält.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Ingrid B***** und Gerlinde K***** auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch andere Entscheidungen enthält, wurden Ingrid B***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (I) sowie Gerlinde K***** des gleichen Verbrechens, begangen als Bestimmungstäterin gemäß § 12 zweiter Fall StGB (II) schuldig erkannt.
Darnach haben in Wien
zu I Ingrid B***** als Beamtin des Arbeitsamtes für persönliche Dienste und Gastgewerbe und als Sachbearbeiterin in der Gruppe für Ausländer mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich in (richtig: an) ihrem Recht auf Erteilung von Ausländerbeschäftigungsbewilligungen nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem sie zwischen dem und dem in 180 im Urteil einzeln angeführten Fällen als Sachbearbeiterin, deren Vorerledigungen von ihren Vorgesetzten stets ohne weitere Prüfung unterzeichnet wurden, statt mangels der gesetzlichen Voraussetzungen abweisende Bescheide vorzubereiten, unrichtigerweise vorangegangene legale Beschäftigungsverhältnisse in Österreich behauptete und in die (auch EDV-mäßigen) Unterlagen eintrug und solcherart statt richtigerweise als Erstanträge als sogenannte Neuanträge (für einen anderen Arbeitsplatz) bezeichnete, sowie
zu II Gerlinde K***** in den unter Punkt I 1 bis 77 des Ersturteils angeführten Fällen Ingrid B***** dadurch zu den dort bezeichneten Taten bestimmt, daß sie ihr Anträge von Ausländern, welche sämtliche nach ihrem Wissen nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung aufwiesen, entweder überbrachte oder überbringen ließ und sie überredete, entgegen den gesetzlichen Voraussetzungen die Beschäftigungsbewilligungen dennoch zu erteilen oder zur positiven Erteilung durch den entscheidungsbefugten Abteilungsleiter vorzuerledigen.
Rechtliche Beurteilung
Diese Schuldsprüche bekämpfen beide Angeklagten mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden; während die Beschwerde der Angeklagten B***** auf die Gründe des § 281 Abs 1 Z 2, 3, 5, 5 a und 11 StPO gestützt wird, macht die Angeklagte K***** die Nichtigkeitsgründe der Z 3, 5 und 5 a leg cit geltend.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten B*****:
Worin die Beschwerdeführerin den erstgenannten Nichtigkeitsgrund (Z 2) erblickt, ist ihrer Rechtsmittelschrift nicht zu entnehmen. Nach der Aktenlage wurde in der Hauptverhandlung kein Schriftstück über einen nach dem Gesetz nichtigen Vorerhebungs- oder Voruntersuchungsakt trotz Verwahrung der Beschwerdeführerin verlesen.
Was das Beschwerdevorbringen zur Z 3 anlangt, so hat das Erstgericht gegen den Widerspruch der Beschwerdeführerin die Aussagen der Mitangeklagten (und abgesondert verurteilten) Snezana S***** (ersichtlich) vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom und vor dem Untersuchungsrichter (ON 32), mit der Begründung verlesen, daß die Angaben der Genannten in der Hauptverhandlung in wesentlichen Punkten (ohne diese jedoch zu bezeichnen) von ihren früher abgelegten Aussagen abweichen.
Zwar bringt die Beschwerdeführerin zutreffend vor, daß diese erstgerichtliche Argumentation verfehlt sei, weil S***** sowohl vor der Sicherheitsbehörde wie auch vor dem Untersuchungsrichter und letztlich auch in der Hauptverhandlung die Mitwirkung an der mißbräuchlichen Beschaffung von Arbeitsbewilligungen nur in drei bis fünf (S 195 und 353 a, je Band I), fünf oder sechs (S 113/XXVII) sowie drei oder vier (S 115/XXVII) Fällen eingestanden hat; allein ist daraus für sie nichts zu gewinnen. Denn der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 3 StPO kann zum Vorteil der Angeklagten nicht geltend gemacht werden, wenn unzweifelhaft erkennbar ist, daß die Formverletzung auf die Entscheidung keinen auf die Angeklagte nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO). Nach dem Inhalt der Entscheidungsgründe waren aber die (verlesenen) Angaben der Snezana S***** im Vorverfahren für die Widerlegung der Verantwortung der Beschwerdeführerin nicht von Relevanz, weil das Schöffengericht stets nur jenes in der Hauptverhandlung vor der Verfahrenstrennung in Gegenwart der Beschwerdeführerin und ihres Verteidigers abgelegte (mit den Angaben im Vorverfahren im wesentlichen idente) Teilgeständnis der Genannten in den Kreis seiner beweiswürdigenden Erwägungen einbezog (US 30, 31, 32, 33) und den Schuldspruch nicht auf die relevierten verlesenen Aktenteile stützte. Auf das, was in der Hauptverhandlung vorgekommen war, hatte das Gericht gemäß § 258 Abs 1 StPO Rücksicht zu nehmen.
Daß nach dem Beschwerdevorbringen das Erstgericht die Angeklagte nicht befragt hat, ob sie zu den einzelnen Verlesungen etwas zu bemerken hätte, vermag den Nichtigkeitsgrund der Z 3 nicht darzustellen, weil nur ein Verstoß gegen die Verlesungsbeschränkungen und gegen das Umgehungsverbot mit Nichtigkeit bedroht ist (vgl § 252 Abs 1 und 4 StPO iVm 924 der BlgNR 18.GP 33), nicht aber im Verstoß gegen § 252 Abs 3 StPO.
Unter kumulierender Anführung der Nichtigkeitsgründe teils der Z 2 und 3, teils der Z 3, 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO behauptet die Beschwerdeführerin Verstöße gegen § 260 Abs 1 Z 3 und Z 4 StPO, weil das Erstgericht beim Strafausspruch bezüglich der Beschwerdeführerin zwar die §§ 43 a Abs 3 und 37 Abs 1 StGB zitiert sowie gemäß § 43 Abs 1 StGB die Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen habe, jedoch nicht erkennbar sei, wie hoch die tatsächlich verhängte Freiheitsstrafe ausgemessen, welcher Teil davon bedingt oder unbedingt verhängt und welcher Teil unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB in eine Geldstrafe umgewandelt wurde.
Hiezu genügt die Erwiderung, daß dabei § 260 Abs 1 Z 3 StPO nicht verletzt wurde, weil nach dem Urteilsspruch die Angeklagte B***** zu einer Strafe, nämlich zu achtzehn Monaten Freiheitsstrafe (die unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde) und zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit sechs Monate Ersatzfreiheitsstrafe (richtig wäre allerdings: 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe; vgl Foregger/Serini StGB5 § 19 Erl VI) verurteilt wurde.
Ein Verstoß gegen die Z 4 des § 260 Abs 1 StPO hingegen ist nicht mit Nichtigkeit bedroht (SSt 55/76 uam).
Sofern die Beschwerdeführerin mit dem gleichen Vorbringen auch den Nichtigkeitsgrund der Z 11 releviert, wird damit weder eine Überschreitung der Strafbefugnis des Gerichtshofes noch eine offenbar unrichtige Beurteilung der für die Strafbemessung maßgebenden entscheidenden Tatsachen und auch kein unvertretbarer Verstoß gegen die Bestimmungen über die Strafbemessung behauptet. In Wahrheit hat das Erstgericht beim Strafausspruch von der "Strafenkombination" des § 43 a Abs 2 StGB Gebrauch gemacht und eine (unbedingte) Geld- sowie eine (bedingt nachgesehene) Freiheitsstrafe verhängt, wobei es die Bestimmung des § 43 a Abs 3 StGB ersichtlich irrig, jene des § 37 Abs 1 StGB überflüssig anführte.
Die weitwendig und undifferenziert ausgeführte Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 und 5 a) bekämpft zum Teil keine entscheidenden Tatsachen (das sind solche, die für die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz oder für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes von Bedeutung sind) teils versucht sie, in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Schöffengerichts anzufechten.
Nicht entscheidend im obigen Sinn ist die Frage, wann der Arbeitsplatz der Beschwerdeführerin im Arbeitsamt vom dritten in den vierten Stock verlegt wurde. Abgesehen davon steht den wenig präzisen und die Zeitpunkte mit "Circa-Werten" angegebenen Bekundungen der Zeugin H***** in der Hauptverhandlung (S 264/XXVII) ihre eigene Aussage im Vorverfahren (S 99 ff in ON 157 in Bd III), derzufolge sie bis September 1992 mit der Angeklagten in einem Zimmer gesessen ist, sowie die präzise Aussage der Beschwerdeführerin vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom entgegen, wonach sie "im August 1992 in den vierten Stock übersiedeln mußte" (S 467/I), die sie vor dem Untersuchungsrichter aufrecht erhielt (S 495 verso/I).
Nach den erstinstanzlichen Konstatierungen konnten die Antragsteller entweder kein legales Vorbeschäftigungsverhältnis in Österreich nachweisen oder es fehlten ihnen überhaupt die Voraussetzungen eines vorangegangenen legalen Aufenthaltsortes im Bundesgebiet; daß der Zeuge U***** "letztlich" (das heißt: später) auf legalem Wege in Österreich eine Beschäftigungsbewilligung erhielt, steht der Annahme eines gesetzwidrigen Verhaltens der Angeklagten zur Tatzeit nicht entgegen. Angemerkt sei, daß die Nichtigkeitsbeschwerde den Zeugen U***** (Faktum 110) fälschlich dem Faktum 111 (S*****) zuordnet und daran anschließend behauptet, "auch" zum Faktum 110 sei letztlich eine Bewilligung legal erlangt worden.
Daß die falschen Akteneintragungen auf Irrtümern und Flüchtigkeiten beruhten, hat das Schöffengericht beweiswürdigend verneint. Selbst wenn der Zeuge H*****, der Leiter des Arbeitsamtes, aussagte, es sei vorgekommen, daß aus politischen oder sozialen Erwägungen Weisungen zu einer positiven Erledigung eines Antrags erteilt wurden, so befreite diese Weisung den Sachbearbeiter nicht von der Überprüfung der vorgelegten Urkunden oder ermächtigte ihn nicht, in Wahrheit nicht vorgelegene vorangegangene Beschäftigungsverhältnisse des Antragstellers in Österreich in die Akten einzutragen (Zeuge H***** S 275/XXVII). Davon abgesehen hat das Erstgericht schlüssig dargelegt, daß die Beschwerdeführerin in den Fakten I 139, 140 und 166 in der Tat nicht erteilte Weisungen zu einer positiven Erledigung in die Akten vortäuschend eintrug (US 20 unten).
Inwieweit aus dem Umstand, daß zum Faktum I 164 "feststehe, daß die Eintragung nicht von der Nichtigkeitswerberin stamme" (US 21), für die Beschwerdeführerin entlastende Aspekte abzuleiten wären, vermag die Rüge nicht aufzuzeigen, zumal die Tatrichter auch diese Tatsache berücksichtigt und begründet haben (US 21).
Die aus den auf spekulativen bzw hypothetischen Überlegungen aufbauenden "Hochrechnungen" über Geldflüsse, Arbeitsbelastung und mögliche Flüchtigkeitsfehler abgeleiteten Folgerungen stellen ebenso wie die durch kein konkretes Verfahrensergebnis gedeckten Spekulationen über Urkundenfälschungen durch - gesondert abgeurteilte - Mitangeklagte darauf ab, die denkgesetzmöglichen und lebensnahen (Z 5 a) Argumente des Erstgerichtes zur Beweiswürdigung einer Kritik nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung zu unterziehen.
Demnach haften den entscheidenden erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen weder formale Begründungsmängel in der Bedeutung des § 281 Abs 1 Z 5 StPO an, noch ergeben sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen.
Die zur Gänze offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten B***** war daher - entgegen der in der Äußerung dieser Angeklagten vom vertretenen Meinung - gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO schon in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Gerlinde K*****:
Das Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO, das eine Verletzung des § 252 Abs 3 StPO rügt, weil der Angeklagten keine Gelegenheit geboten worden sei, zu den vorgenommenen Verlesungen Stellung zu nehmen, ist auf die Erledigung des gleichen Einwandes der Angeklagten B***** zu verweisen.
Die Mängelrüge (Z 5) vermißt "eine so formal vollständige und klare Tatsachengrundlage", sodaß eine einwandfreie Subsumtion nicht möglich sei; die erstgerichtliche materiellrechtliche Beurteilung sei nicht nachvollziehbar, zumal sich das Schöffengericht "schlicht und einfach der leeren und bloßen" verba legalia bediene; den Konstatierungen zur subjektiven Tatseite lägen keine Anhaltspunkte zugrunde.
Dem ist zu entgegnen, daß die Tatrichter die Feststellungen über die Bestimmung der Angeklagten B***** (§ 12 zweiter Fall StGB) durch die Angeklagte K***** zur Erteilung rechtswidriger Beschäftigungsbewilligungen im Einklang mit den Denkgesetzen und demnach formal mängelfrei aus dem äußeren Tatgeschehen (Vielzahl von Tathandlungen in engem zeitlichem Konnex zugunsten der Firma M*****, langjährige Funktion der Beschwerdeführerin als für Personaleinstellungen allein zuständige und mit den damit zusammenhängenden Behördenkontakten befaßte Angestellte sowie ihr Wissen um die restriktiven Gesetzesmaßnahmen in bezug auf Arbeitsbewilligungen von Ausländern) abgeleitet und sich keineswegs mit der Anführung der "verba legalia" in bezug auf die Annahmen zur inneren Tatseite begnügt haben.
Auch die aus dem amtsmißbräuchlichen Vorgehen der Haupttäterin B***** gezogenen Schlußfolgerungen auf das Wissen der Beschwerdeführerin um die dolose Vorgangsweise der genannten Beamtin erweisen sich nach Lage des Falls unter Hinweis auf das Fehlen der entsprechenden Voraussetzungen für die Erteilung der bezüglichen Beschäftigungsbewilligungen an Ausländer, wie Nachweis von Vorbeschäftigungsverhältnissen und legaler Aufenthalt, im Inland durchaus denkgesetzgemäß begründet.
Die von der Beschwerdeführerin bemängelte Konstatierung über ihre Motivation für ihr strafbares Verhalten wurde vom Erstgericht keineswegs allein im Gewinnstreben, sondern jedenfalls auch in der Wahrnehmung von Interessen des Unternehmens, in dem sie beschäftigt war, erblickt (US 22 f); abgesehen davon betrifft dieser Einwand keinen entscheidenden Umstand im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO.
Auf letztere Erwiderung ist auch das inhaltsgleiche Vorbringen in der Tatsachenrüge (Z 5 a) zu verweisen.
Soweit die Beschwerdeführerin in Relevierung dieses Nichtigkeitsgrundes aus rechtlicher Sicht Feststellungsmängel in bezug auf die Kriterien der Bestimmungstäterschaft in der Bedeutung des § 12 zweiter Fall StGB (der Sache nach: Z 9 lit a) moniert, orientiert sie sich nicht am maßgeblichen Urteilssachverhalt, demzufolge die Angeklagte B***** in Ansehung der Faktengruppe II ausschließlich über vorsätzliches Bedrängen der Angeklagten K***** handelte, wobei diese sämtliche Vorsatzkomponenten des Amtsdeliktes in ihren Tatplan mitaufgenommen hatte (US 22 f); solcherart bringt sie den der Sache nach relevierten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund, der stets einen Vergleich des festgestellten Urteilssachverhaltes mit dem darauf angewendeten Strafgesetz erfordert, nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung.
Demnach war auch die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten K***** schon bei der nichtöffentlichen Beratung - teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO - zurückzuweisen.
Zu den Berufungen der Angeklagten B***** und K*****:
Über diese Rechtsmittel wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden, in dem auch über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der im selben Verfahren Angeklagten Dipl.Ing.Luyuan W***** und Feng Mei Z***** zu entscheiden sein wird.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Waldner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ingrid B***** und andere wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Dipl.Ing. Luyuan W***** und Feng Me Z***** sowie über die Berufungen der Angeklagten Ingrid B***** und Gerlinde K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 12 e Vr 3671/93-262, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr. Hauptmann, der Angeklagten B***** und K***** sowie der Verteidiger Dr. Subarsky, Dr. Vintschgau und Dr. Mühl, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Dipl.Ing. W***** und Z***** zu Recht erkannt:
Spruch
1. Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Dipl.Ing.Luyuan W***** und Feng Mei Z***** werden verworfen.
2. Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird aus deren Anlaß das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen der Angeklagten Dipl.Ing.W***** und Z*****haho wegen des Vergehens des Sachwuchers nach § 155 Abs 1 StGB (III b und IV 2) und demzufolge in den diese beiden Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen sowie weiters im Ausspruch der über die Angeklagte Ingrid B***** verhängten Ersatzfreiheitsstrafe aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Die Angeklagten Dipl.Ing.W***** und Z***** werden von der wider sie erhobenen Anklage, es hätten in Wien
Dipl.Ing.W***** allein im September 1993 gewerbsmäßig die Zwangslage und die Unerfahrenheit anderer dadurch ausgebeutet, daß er sich einen Vermögensvorteil gewähren ließ, der in auffallendem Mißverhältnis zum Wert der eigenen Leistung stand, indem er von Hongbo Ch***** für die Schlepperei laut Punkt III a des Schuldspruches 50.000 S verlangte und kassierte sowie
Dipl.Ing.W***** und Z***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Beteiligte (§ 12 StGB) gewerbsmäßig die Zwangslage und die Unerfahrenheit anderer dadurch ausgebeutet, daß sie sich Vermögensvorteile gewähren ließen, die in auffallendem Mißverhältnis zum Wert der eigenen Leistung standen, und zwar
a) indem sie im Herbst 1992 für die Erschleichung des Sichtvermerkes zu Punkt IV 1 a des Schuldspruches von Hongbo Ch***** 30.000 S verlangten und erhielten,
b) indem sie im Herbst 1992 Hongbo Ch***** den laut Punkt IV 1 b des Schuldspruchs angeführten gefälschten Sichtvermerk nur gegen eine Bezahlung von 25.000 S ausfolgten und
c) Ende November 1992 dadurch, daß sie für die Erlangung einer Beschäftigungsbewilligung von Hongbo Ch***** in ihrem Gasthaus, welche der Genannte für die neuerliche Verlängerung seines Sichtvermerks benötigte, 70.000 S forderten und annahmen,
und hätten hiedurch das Vergehen des Sachwuchers nach § 155 Abs 1 StGB begangen,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Wegen der diesen beiden Angeklagten auf Grund der unberührt gebliebenen Teile des Schuldspruchs weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen, nämlich des beiden Angeklagten angelasteten Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 12 dritter Fall, 223 Abs 2, 224 StGB (IV 1 a und b) und des dem Angeklagten Dipl.Ing.W***** überdies zur Last fallenden Vergehens der Schlepperei nach § 81 Abs 2 FrG (III a) werden über diese Angeklagten Freiheitsstrafen verhängt, und zwar
über Dipl.Ing.W***** nach § 81 Abs 2 FrG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB sowie gemäß den §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom , AZ 15 U 300/95, eine Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres und
über Z***** nach § 224 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten.
Gemäß § 43 Abs 1 StGB werden diese beiden Freiheitsstrafen jeweils unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
In Ansehung der Aufhebung des Ausspruches der über die Angeklagte B***** verhängten Ersatzfreiheitsstrafe wird auf die unter einem ergehende Erledigung der Berufung der Genannten verwiesen.
3. Die Angeklagten Dipl.Ing.W***** und Z*****haho werden mit ihren Berufungen auf die zu 2. getroffene Entscheidung verwiesen.
4. Der Berufung der Angeklagten B*****uchegger wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß unter Ausschaltung des Ausspruches einer Geldstrafe die über sie verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten nunmehr gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird; im übrigen wird ihrer Berufung nicht Folge gegeben.
5. Der Berufung der Angeklagten K***** wird nicht Folge gegeben.
6. Gemäß § 390 a StPO fallen sämtlichen Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch andere Entscheidungen enthaltenden Urteil wurden die chinesischen Staatsangehörigen Dipl.Ing. W***** und Z***** der Vergehen der Fälschung "öffentlicher" (richtig: besonders geschützter) Urkunden nach §§ 12 (dritter Fall), 223 Abs 2, 224 StGB (IV 1) sowie des (zT als Mittäter begangenen) Sachwuchers nach § 155 Abs 1 "erster Fall" StGB (IV 2; hinsichtlich des Erstgenannten auch III b) und Dipl.Ing. W***** zudem des Vergehens der Schlepperei nach § 81 Abs 2 FrG (III a) schuldig erkannt.
Darnach haben sie - zusammengefaßt wiedergegeben - in Wien
(zu IV) als Mittäter (§ 12 StGB)
(1) dazu beigetragen, daß der abgesondert verfolgte Hongbo Ch***** falsche bzw verfälschte Urkunden, nämlich durch Gesetz ("§ 1 PaßG" - richtig: § 39 PaßG, nunmehr - seit § 1 FrG, BGBl Nr 838/1992) inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellte ausländische Reisedokumente zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses bzw einer Tatsache gebrauchte, und zwar:
(a) am durch Übermittlung des chinesischen Reisepasses des Hongbo Ch***** an einen unbekannt gebliebenen Mittelsmann in Sao Paolo/Brasilien, Veranlassen der Eintragung eines Sichtvermerkes beim dortigen österreichischen Generalkonsulat nach Auswechseln des Lichtbildes des Paßinhabers und der Retournierung des Dokumentes nach Rücktausch des Fotos;
(b) am durch Erwirkung der Fälschung einer Verlängerung des Sichtvermerkes durch den abgesondert verfolgten Walter R*****;
(2) gewerbsmäßig die Zwangslage und die Unerfahrenheit des Hongbo Ch***** dadurch ausgebeutet, daß sie sich Vermögensvorteile gewähren ließen, die in auffallendem Mißverhältnis zum (jeweiligen) Wert der eigenen Leistung standen, indem sie
(a) für die Erschleichung des Sichtvermerkes laut Punkt IV 1 a 30.000 S forderten und erhielten;
(b) den laut Punkt IV 1 b angeführten gefälschten Sichtvermerk nur gegen eine Bezahlung von 25.000 S ausfolgten;
(c) Ende November 1992 für die Erlangung einer Beschäftigungsbewilligung für den Genannten, die er für die (neuerliche) Verlängerung des Sichtvermerkes benötigte, 70.000 S forderten und annahmen;
(zu III) Dipl.Ing. W***** zudem allein im September "1993" (richtig: 1992) gewerbsmäßig
(a) Schlepperei begangen, indem er die rechtswidrige Einreise des chinesischen Staatsangehörigen Hongbo Ch***** von Ungarn nach Österreich durch Vornahme des Transportes und Besorgen von Reisepapieren veranlaßte;
(b) die Zwangslage und die Unerfahrenheit des Hongbo Ch***** dadurch ausgebeutet, daß er sich einen Vermögensvorteil gewähren ließ, der in auffallendem Mißverhältnis zum Wert der eigenen Leistung stand, indem er für die in Punkt III a umschriebene Schlepperei 70.000 S forderte und vereinnahmte.
Nach den Urteilsfeststellungen hatte Dipl.Ing. W*****, der gemeinsam mit seiner (geschiedenen) Gattin Z***** Gastronomielokale in Österreich betrieb, im Februar 1990 mit seinem Landsmann Jin J***** eine als "Kooperationsübereinkommen in den Bereichen Arbeitskräfte-Export und Tourismus" bezeichnete - tatsächlich als "Schleppereivertrag" anzusehende - Vereinbarung geschlossen, in der er sich gegen Entgelt zur Durchführung von Schleppereihandlungen, insbesondere Herstellung oder Beschaffung gefälschter oder verfälschter Reisedokumente, zugunsten illegal nach Europa ausreisewilliger chinesischer Staatsangehöriger verpflichtete. Für die Schlepperei nach Österreich war die Bezahlung eines Betrages von
8.930 US-Dollar durch jeden solcherart Einreisenden vorgesehen.
Der Beschwerdeführer Dipl.Ing. W*****, der sein Betätigungsfeld vorwiegend in Ungarn suchte, brachte im September 1992 seinen Landsmann Hongbo Ch*****, den er in einem Budapester Hotel kennengelernt hatte und der über keine gültigen Reise- und Aufenthaltsdokumente für Österreich verfügte, gegen Bezahlung von 70.000 S mit seinem PKW illegal von Ungarn über die österreichische Grenze. Darnach veranlaßte er im Zusammenwirken mit der Mitangeklagten Z***** die Herstellung eines bis gültigen gefälschten Sichtvermerkes im chinesischen Reisepaß des Honbo Ch*****, indem er das Dokument an einen namentlich nicht bekannten chinesischen Mittelsmann in Brasilien sandte, der den Paß nach Austausch des Fotos des Hongbo Ch***** gegen sein eigenes beim österreichischen Generalkonsulat zur Erlangung eines Sichtvermerkes vorlegte, nach dessen Eintragung das Lichtbild wieder gegen jenes des tatsächlichen Paßinhabers auswechselte und das solcherart ausgestattete Reisedokument an den Angeklagten retournierte; erst nach Bezahlung eines Betrages von 30.000 S folgte Z***** das verfälschte Dokument an Hongbo Ch***** aus.
In der Folge vermittelte der Angeklagte Dipl.Ing. W***** mit zustimmendem Wissen seiner geschiedenen Gattin (US 35), die außerdem eine Zusammenkunft des Hongbo Ch***** mit dem (gleichfalls gesondert verfolgten) Xiao Ch***** bewerkstelligte (US 29), zum Zweck der zwischenzeitig erforderlich gewordenen Herstellung des Falsifikats einer Verlängerung des manipulierten Sichtvermerks die Fälschung einer solchen Eintragung durch den gesondert verfolgten R*****, wofür Hongbo Ch***** (zumindest) 25.000 S an den Mittelsmann Xiao Ch***** leisten mußte.
Schließlich verlangte die Angeklagte Z***** im November 1992 im Einverständnis mit Dipl.Ing. W***** von Hongbo Ch***** für die Beschaffung des Nachweises einer Beschäftigung in dem von ihr in V***** betriebenen Lokal (zur beabsichtigten Erlangung einer - weiteren - Verlängerung des Sichtvermerks) einen Betrag von 70.000 S, den Hongbo Ch***** gleichfalls leistete (US 25 ff).
Nach den Feststellungen des Erstgerichts verübte Dipl.Ing. W***** die ihm angelastete Schlepperei (III a) gewerbsmäßig (insbes US 37).
In bezug auf die nach den Urteilsfeststellungen von beiden Angeklagten unter Ausnützung der Zwangslage bzw der Unerfahrenheit des Hongbo Ch*****, der die Abschiebung in seine Heimat befürchtete, ausbeuterisch vorgenommenen Wucherhandlungen (III b und IV 2) traf der Schöffensenat zur Frage des Vorliegens der - strafbegründenden - Merkmale der gewerbsmäßigen Tatbegehung indes keine Konstatierungen. Dieser Umstand kann jedoch im Hinblick auf die (im folgenden dargelegte) Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO auf sich beruhen.
In rechtlicher Hinsicht gelangte der Schöffensenat in Ansehung des Wuchertatbestandes zum Ergebnis, daß die dem Hongbo Ch***** von den Angeklagten gewährten deliktischen Leistungen keinen Geldwert darstellen, dem daher legalerweise keine "äquale" (äquivalente) Gegenleistung gegenübergestellt werden könne, weil die in Rede stehenden (kriminellen) Handlungen objektiv nicht bewertbar seien; dennoch (und gerade deshalb) erachtete das Erstgericht die äußere Tatseite des Sachwuchers für erfüllt (US 30, 37 f).
Rechtliche Beurteilung
Die Angeklagten Dipl.Ing. W***** und Z***** bekämpfen die sie betreffenden Schuldsprüche mit (getrennt ausgeführten, inhaltlich jedoch weitgehend übereinstimmenden) Nichtigkeitsbeschwerden, die sie auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 5 a sowie 9 lit a - Dipl.Ing.Luyuan W***** zudem auf die Z 10 des § 281 Abs 1 StPO - stützen.
Zu den Verfahrensrügen (Z 4) der Angeklagten W***** und Z*****:
Die Beschwerdeführer erachten sich durch die gegen ihren Widerspruch vorgenommene Verlesung der Angaben des Hongbo Ch***** (S 254/XXVII) in ihren Verteidigungsrechten verletzt; dies jedoch zu Unrecht.
In Anbetracht des unbekannten Aufenthaltes des mittlerweile rechtskräftig verurteilten und in seine Heimat (Volksrepublik China) abgeschobenen Hongbo Ch***** (vgl ON 19 und 30 des Aktes 8 c Vr 3446/93 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) lagen die Voraussetzungen des § 252 Abs 1 Z 2 StPO für die Verlesung seiner Angaben vor der Sicherheitsbehörde und vor dem Untersuchungsrichter vor, nämlich ein unbekannter, aber jedenfalls entfernter Aufenthalt des Genannten (vgl 9 Os 57/81 betreffend Aufenthalt in Hongkong); die Verlesung entsprach im übrigen - dem Beschwerdeeinwand zuwider - ohnedies dem Grundsatz der Mündlichkeit (nicht indes dem - durch die Verlesung zulässigerweise durchbrochenen - Unmittelbarkeitsprinzip) (Foregger/Kodek StPO6 § 252 Erl I).
Zur Rüge der Abweisung eines (angeblich) in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Überprüfung der Echtheit der Unterschrift des Ch***** auf einem Meldezettel sind die Beschwerdeführer nicht legitimiert, weil sie einen derartigen Antrag in der Hauptverhandlung in Wahrheit nicht gestellt haben (S 253/XXVII). Sofern sie aber die Ablehnung der in der Hauptverhandlung beantragten Vernehmung des die Anmeldung entgegennehmenden Beamten des Gemeindeamtes V*****, die dartun sollte, daß Hongbo Ch***** im Gegensatz zu seiner Behauptung in seiner Beschuldigtenvernehmung sehr wohl bei diseser Anmeldung tatsächlich in V***** war, auch bei den Angeklagten in dem Lokal in V***** gearbeitet und auch in ihrem Haus gewohnt hat (S 243/XXVII), monieren, sind sie nicht im Recht. Denn nach Lage des Falles wären sie verhalten gewesen, schon im Beweisbegehren darzutun, welche Gründe den Beamten in die Lage versetzt hätten, über die inhaltliche Richtigkeit des - hier maßgeblichen - Beschäftigungsverhältnisses und den tatsächlichen Aufenthalt des Ch***** konkrete Aussagen zu treffen, zumal sich auch aus dem Sachzusammenhang keine Hinweise darauf ergeben, daß der Beamte von diesen Umständen in Kenntnis gesetzt worden sei. So gesehen läuft der Beweisantrag auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus.
Zur Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 und 5 a):
Mit dem zu diesen Nichtigkeitsgründen vorgebrachten Einwand des Fehlens einer Beweisgrundlage für die (zutreffende) Annahme der rechtskräftigen Verurteilung des abgesondert verfolgten Hongbo Ch***** relevieren die Angeklagten - ebenso wie mit der Hervorhebung anderer, sie vermeintlich entlastender Beweisdetails (welche ihre privaten Lebensumstände oder die konkreten Modalitäten der Weiterleitung des Reisepasses des Genannten an Mittelsmänner zum Zwecke der Fälschung des Sichtvermerkes betreffen) - nur unmaßgebliche, für die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes nicht entscheidende Tatsachen. Davon abgesehen hat der frühere Mitangeklagte Xiao Ch***** im Rahmen seiner Vernehmung vor dem erkennenden Gericht zwar in Abrede gestellt, den Angeklagten Dipl.Ing. W***** zu kennen, wohl aber die Empfangnahme des gegenständlichen Reisepasses von einem der beiden Beschwerdeführer nicht ausgeschlossen (S 125 ff/XXVII).
Die Konstatierungen über das dolose arbeitsteilige Zusammenwirken der Angeklagten Z***** mit ihrem geschiedenen Gatten Dipl.Ing. W***** zur Erlangung der gefälschten Eintragungen im inkriminierten Reisepaß haben die Tatrichter dem Beschwerdevorbringen zuwider sehr wohl und überdies aktengetreu und lebensnah unter Hinweis auf die Angaben des Hongbo Ch***** und andere Verfahrensergebnisse wie die Ermittlungen beim österreichischen Generalkonsulat in Sao Paolo (S 55/I) und die Aussagen der abgesondert verfolgten Xiao Ch***** (S 63 ff/III, 124 ff/XXVII) und Walter R***** (S 137 ff III, 155 f/XXVII) begründet (US 34 ff).
Dieses Beschwerdevorbringen vermag auch keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.
Zur Rechtsrüge des Angeklagten Dipl.Ing. W*****:
Sofern dieser Beschwerdeführer Feststellungs- (Z 9 lit a) und Begründungsmängel (diesfalls Z 5) in bezug auf die gewerbsmäßige Begehung des Vergehens der Schlepperei nach § 81 Abs 2 FrG moniert, negiert er die diesbezügliche begründete Urteilsfeststellung insbesondere auch über die Gewerbsmäßigkeit (US 34, 36 f) und bringt solcherart den relevierten Nichtigkeitsgrund, dessen gesetzmäßige Darstellung stets einen Vergleich des Urteilssachverhaltes in seiner Gesamtheit mit dem darauf angewendeten Strafgesetz erfordert, nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.
Ein Eingehen auf die Rechtsrüge gegen die Schuldsprüche wegen des Vergehens des Sachwuchers (III b und IV 2 a bis c) erübrigt sich, weil das Urteil in diesem Umfang mit nicht geltend gemachter, jedoch nach § 290 Abs 1StPO zu beachtender materieller Nichtigkeit (Z 9 lit a) behaftet ist.
Zum Vorgehen gemäß § 290 Abs 1 StPO:
Das Schöffengericht ging von der Auffassung aus, daß die dem Opfer Hongbo Ch***** unter Hilfestellung der Beschwerdeführer zuteil gewordenen kriminellen Leistungen "keinen Geldwert darstellen, dem legalerweise eine Gegenleistung gegenübergestellt werden könne" (US 30 iVm US 37 unten). Diese Prämisse - Fehlen eines objektiven Maßstabs für einen Wertvergleich mit der eigenen Leistung - läßt aber (und zwar unabhängig von der Legalität oder Illegalität ihres Inhaltes) mangels Vorliegens des normativen Merkmals (s Liebscher in WK § 154 Rz 14) eines "auffallenden Mißverhältnisses" einen Schuldspruch nach § 155 Abs 1 StGB von vornherein nicht zu (vgl Mayerhofer/Rieder StGB4 § 155 E 1). Indes kann - der Ansicht des Erstgerichts zuwider - zwar grundsätzlich als notorisch vorausgesetzt werden, daß auch rechtswidrige Leistungen der gegenständlichen Art (Ermöglichen der illegalen Einreise nach Österreich, Fälschen von Reisedokumenten und Fingieren eines Anstellungsverhältnisses) - ungeachtet ihrer zivilrechtlichen Nichtigkeit (vgl Kienapfel BT II3 § 146 RN 136 ff) - am Schwarzmarkt einen Preis erzielen: Sind derartige Maßahmen doch nicht nur mit (meßbaren) Auslagen (Transport über die Grenze, Postwege), sondern auch mit einem hohen (nicht kalkulierbaren) Risiko für den Täter verbunden. Allerdings läßt sich der im (kriminellen) Geschäftsleben für solche - per se strafbare - Leistungen üblicherweise erreichbare Erlös, der für die Beurteilung der Mißverhältniskriterien heranzuziehen ist (Leukauf/Steininger Komm3 § 154 RN 13, § 155 RN 3), - eben wegen ihres kriminellen Charakters - rechnerisch nicht beziffern.
Die Unterstellung des vorliegenden Sachverhalts unter das Tatbild des Sachwuchers scheidet daher mangels Objektivierbarkeit der Wertdifferenz zwischen den von den Tätern dem Opfer gebotenen (strafbaren) Leistungen und der hiefür in Rechnung gestellten Beträge aus, sodaß dieser rechtsirrige Schuldspruch zu kassieren und insoweit mit einem Freispruch vorzugehen war.
Nach einem bereits artikulierten Gesetzesvorhaben betreffend ein StRÄG 1996 sollen Aktivitäten der in Rede stehenden Art allerdings in Zukunft als "ausbeuterische Schlepperei" strafrechtlich erfaßt werden.
Mit ihren, diese Schuldsprüche bekämpfenden Rechtsrügen (nominell Z 9 lit a und 10) waren die beiden Angeklagten hierauf zu verweisen.
Bei der durch diese Kassation erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend beim Angeklagten Dipl.Ing. W***** das Zusammentreffen zweier Vergehen sowie bei beiden Angeklagten die Wiederholung des Urkundendeliktes, als mildernd beim Angeklagten Dipl.Ing. W***** nichts, bei der Angeklagten Z***** die bisherige Unbescholtenheit.
Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgründe entspricht beim Angeklagten Dipl.Ing. W***** eine Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres, bei der Angeklagten Z***** eine solche im Ausmaß von neun Monaten dem Verschulden dieser Angeklagten und dem Unrechtsgehalt ihrer strafbaren Handlungen. Beim Angeklagten Dipl.Ing. W***** war gemäß §§ 31, 40 StGB eine Zusatzstrafe zu verhängen, weil nach diesen Bestimmungen auf das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom , AZ 15 U 300/95, Bedacht zu nehmen war, mit dem der Genannte wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden war.
Schon aus Gründen des Verschlimmerungsverbotes (§ 295 Abs 2 StPO) waren beide Freiheitsstrafen bedingt nachzusehen. Der Verhängung bedingt nachzusehender Geldstrafen stand bei beiden Angeklagten nach Lage des Falls die mangelnde spezialpräventiv erforderliche Effektivität dieser Strafen entgegen; zur allfälligen Verhängung einer nicht bedingt nachgesehenen Geldstrafe ermangelte es an der im Gesetz geforderten Zustimmung dieser Angeklagten.
Hinsichtlich der Angeklagten B***** bestimmte das Schöffengericht die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu verbüßende Ersatzfreiheitsstrafe mit sechs Monaten. Es verstieß damit gegen die Bestimmung des § 19 Abs 3 StGB, wonach ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tagessätzen zu entsprechen hat, was bei einer Ersatzfreiheitsstrafe von sechs Monaten nicht der Fall ist, die je nach dem Tag des Strafantrittes 184 Tage - im günstigsten Fall aber immer noch 181 Tage - dauern können. Dieser die Angeklagte beschwerende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO (Foregger/Kodek StGB5 § 19 Erl VI) war gleichfalls von Amts wegen aufzugreifen und der Ausspruch der Ersatzfreiheitsstrafe zu kassieren.
Eine Strafneubemessung hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe erübrigte sich im Hinblick auf die unter einem ergehende Entscheidung über die Strafberufung der Angeklagten B*****uchegger.
Zu den Berufungen der Angeklagten B***** und K*****:
Mit dem Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom , GZ 15 Os 1/96-5, wurden die Nichtigkeitsbeschwerden dieser Angeklagten zurückgewiesen; die ihnen zur Last liegenden Straftaten sind - zur Vermeidung von Wiederholungen - dieser Entscheidung zu entnehmen.
Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagte B***** nach § 302 Abs 1 StGB, der Sache nach unter Anwendung des § 43 a Abs 2 StGB, eine Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten, die es unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah, sowie eine (unbedingte) Geldstrafe von 360 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit sechs Monate Ersatzfreiheitsstrafe, wobei die Höhe des einzelnen Tagessatzes mit 250 S bestimmt wurde. Die Angeklagte K***** wurde nach § 302 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht bei der Angeklagten B***** als erschwerend die außerordentliche Vielzahl der Tatwiederholungen und die Begehung aus gewinnsüchtiger Absicht, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel und ein geringfügiges Tatsachengeständnis vor der Sicherheitsbehörde; bei der Angeklagten K***** wurde als straferschwerend die Tatwiederholung sowie die Anstiftung der Angeklagten B***** gewertet, als mildernd der bisherige ordentliche Lebenswandel und der Umstand, daß sie die Taten aus falsch verstandener Solidarität zu ihrem Dienstgeber, dem sie eine gute Personalreferentin sein wollte, beging.
Die Angeklagte B***** begehrt eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 41 Abs 1 Z 5 StGB, wobei sie in Abrede stellt, aus gewinnsüchtiger Absicht gehandelt zu haben, und darauf verweist, daß sie seit Februar 1992 sich der Begehung weiterer strafbarer Handlungen enthalten habe; überdies sei auf ihren Familienstand (geschieden) und die alleinige Sorgepflicht für ihre Tochter Bedacht zu nehmen, was die Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe ungerechtfertigt erscheinen lasse. Die Angeklagte K***** begehrt gleichfalls eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe, wobei sie als zusätzlichen Milderungsgrund ihre Arbeitsüberlastung ins Treffen führt und vermeint, ihrem Tatsachengeständnis vor der Sicherheitsbehörde wäre zu geringes Gewicht beigemessen worden.
Während der Berufung der Angeklagten B*****uchegger teilweise Berechtigung zukommt, erweist sich jene der Angeklagten K***** als unbegründet.
Die Tatrichter werteten bei K***** (US 38) und S***** (S 28 in ON 258) die Anstiftung der Angeklagten B***** als erschwerend. Demnach kommt aber der Angeklagten B***** als weiterer Milderungsgrund zustatten, daß sie die Tat unter Einwirkung Dritter (§ 34 Z 4 StGB) begangen hat. Daß sie sich nach beinahe fünfzehn Monate währender Delinquenz durch etwas mehr als ein Jahr wohlverhalten hat, stellt bei einer österreichischen Beamtin, bei der Wohlverhalten und Gesetzestreue von jedem recht und billig Denkenden vorausgesetzt wird, keinen Milderungsgrund dar; abgesehen davon kann der Milderungsgrund des § 34 Z 18 StGB erst nach einem Zeitraum angenommen werden, der etwa der Rückfallsverjährungsfrist von fünf Jahren entspricht (Leukauf/Steininger Komm3 § 34 RN 27).
Unter Abwägung der sonach etwas zum Vorteil der Angeklagten B***** berichtigten Strafzumessungsgründe, bei denen von einem gewichtsmäßigen Überwiegen der Milderungsgründe allerdings keine Rede sein kann, erweist sich nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von achtzehn Monaten tätergerecht und schuldangemessen. Trotz der enormen Faktenanzahl ist bei Bedacht auf die Rechtsfolge des § 27 Abs 1 StGB die Anwendung des § 43 a Abs 2 StGB und damit die Verhängung einer zusätzlichen unbedingten Geldstrafe über die Angeklagte weder aus generalpräventiven, noch aus spezialpräventiven Gründen geboten, zumal das Ausmaß der erhaltenen Zuwendungen vom Erstgericht nicht festgestellt werden konnte. Die Freiheitsstrafe war (nunmehr) gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachzusehen.
Der Berufung der Angeklagten K***** hingegen kommt keine Berechtigung zu, weil auch eine etwaige Arbeitsüberlastung dieser Berufungswerberin ihr Verhalten nicht in milderem Lichte erscheinen läßt. Da diese Berufungswerberin vor der Sicherheitsbehörde kein teilweises Tatsachengeständnis abgelegt hat und ihr das Erstgericht ein solches auch nicht strafmildernd zugestanden hat, kann diesem auch nicht mehr Gewicht beigemessen werden.
Der Tatzeitraum der Delinquenz dieser Berufungswerberin erstreckte sich von Dezember 1990 bis Februar 1992, sohin auf einen Zeitraum von mehr als fünfzehn Monaten. Demnach kann von einem "ganz eingeschränkten" Tatzeitraum nicht gesprochen werden.
Da das Schöffengericht in bezug auf die Angeklagte K***** die besonderen Strafzumessungsgründe nicht nur vollständig angeführt, sondern diese auch zutreffend gewürdigt hat, besteht zu einer Veränderung des Strafmaßes keine Anwendung.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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Rechtsgebiet | Strafrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:1996:0150OS00001.96.0328.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAE-16346