OGH vom 18.02.2015, 15Os1/15h

OGH vom 18.02.2015, 15Os1/15h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Humer als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Bertram G***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom , GZ 13 Hv 98/14b 28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Bertram G***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB abgewiesen.

Nach dem Inhalt des Antrags (ON 16) soll Bertram G***** am in N***** in einem auf einem Delirium tremens beruhenden, die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand

I./ den Eintritt in das Haus des Dr. Mario P***** mit Gewalt und Drohung mit Gewalt zu erzwingen versucht haben, indem er diesen mehrmals aufforderte, er solle die Türe öffnen, ansonsten er diese einschlagen werde, sowie drei Mal einen 22 Kilogramm schweren gusseisernen Kessel gegen die Terrassentüre des Wohnhauses warf, sodass die Glasscheibe der Terrassentüre zu Bruch ging, wobei er gegen die dort befindlichen Mitglieder der Familie P***** oder gegen dort befindliche Sachen Gewalt zu üben beabsichtigte,

II./ Dr. Mario P***** und dessen Familienangehörige durch die im Zuge der zu I./ geschilderten Tathandlung wiederholten Äußerungen, er werde ihn und seine Familie erschlagen, mit dem Tode gefährlich bedroht haben, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen,

und habe er hiedurch mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Taten begangen, die ihm, wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, als die Vergehen des Hausfriedensbruchs nach §§ 15, 109 Abs 3 Z 1 StGB (I./) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (II./) zuzurechnen wären.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Verneinung des Vorliegens einer qualifizierten Anlasstat zu I./ durch die Tatrichter richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft. Sie verfehlt ihr Ziel.

Als Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) rügt die Beschwerdeführerin, das Erstgericht habe bei der Beweiswürdigung übergangen, dass der Betroffene „im Laufe des Geschehens vom wiederholt Gewalt gegen 'echte' Personen und Sachen angewendet hat, obgleich er die ganze Zeit der Meinung war, sein Umfeld gegen Dämonen zu beschützen“, und verweist auf Teile der Aussage des Dr. P***** anlässlich dessen Vernehmung vor der Polizei (ON 2 S 13, 14). Diese blieb jedoch nicht unerörtert (US 3), die Tatrichter erkannten ihr angesichts der von ihnen angenommenen Relativierung dieser Angaben durch den Zeugen in der Hauptverhandlung (ON 27 S 7 f) bloß einen anderen Beweiswert zu.

Soweit die Nichterwähnung der Aussage der Lebensgefährtin des Angeklagten, Regina B*****, vor der Polizei (ON 2 S 17 ff, insbesondere S 21) kritisiert wird, lässt die Beschwerde angesichts des Umstands, dass diese keine Tatzeugin war, offen, inwieweit deren Depositionen die Eignung haben sollten, die dem Gericht durch die Gesamtheit der übrigen Beweisergebnisse vermittelte Einschätzung maßgebend zu beeinflussen (RIS Justiz RS0116877 [T1]), sie somit erörterungsbedürftig wären.

Auch der Verweis auf Ausführungen der Sachverständigen Dr. K***** im Rahmen der Hauptverhandlung, denen zufolge im Inneren des Hauses „jedenfalls mit Beschädigung von Sachen zu rechnen gewesen wäre“ und es dort auch zu einer „Identifizierung“ des Geistes mit Dr. P***** hätte kommen können (ON 27 S 16), lässt außer Acht, dass das Erstgericht diesen Aspekt zwar mitbedacht hat, aber aus der (zeitlich späteren) Möglichkeit des Umschlagens der Wahrnehmung des Betroffenen den Schluss auf einen bestimmten Vorsatz des Täters (bei Eindringen in das Haus) abgelehnt hat (US 3).

Der Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a wird geltend gemacht, indem ausgehend vom konstatierten Sachverhalt ein Rechtsfehler (eine verfehlte rechtliche Konsequenz) oder ein Feststellungsmangel aufgezeigt wird ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 581, 591). Die Darstellung eines Feststellungsmangels erfordert die auf Basis des Urteilssachverhalts vorzunehmende Argumentation, dass sich aus einem nicht durch Feststellungen geklärten, aber durch in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweisergebnisse indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz ergebe, weil das Gericht ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS Justiz RS0118580).

Diese Anfechtungsvoraussetzungen verfehlt die Beschwerdeführerin, die einen Mangel an Feststellungen dahingehend reklamiert, dass „der Betroffene keine reale Unterscheidung hinsichtlich des von ihm bekämpften Geistes einerseits und 'echten' Personen bzw Gegenständen andererseits mehr treffen konnte“ und sein Verhalten von einer „Gewaltanwendungsabsicht“ getragen war. Sie übergeht dabei nämlich die vom Schöffensenat unmissverständlich im entgegengesetzten Sinn getroffenen Konstatierungen (US 2). Auf Basis dieser Urteilsannahmen entbehrt die Reklamation eines (unbeachtlichen) Motivirrtums (error in objecto vel persona; vgl Reindl-Krauskopf in WK 2 StGB § 5 Rz 10 f) einer Sachverhaltsgrundlage.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00001.15H.0218.000