OGH vom 16.03.2022, 13Os93/21g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. SetzHummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Socher, BA in der Strafsache gegen * F* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom , GZ 25 Hv 67/20z102, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch A 1 i sowie in der zum Schuldspruch A gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Wels verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * F* – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach (richtig) §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (A) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in I* und M*
(A) als Geschäftsführer der Mi* GmbH mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und (unter Verwirklichung der Kriterien des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schweren Betrugs (§ 147 Abs 2 StGB, US 9) längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese in dem 300.000 Euro übersteigenden Betrag von 469.076,60 Euro am Vermögen schädigten, und zwar
[3] 1) durch die Vorgabe, dass er eine einzigartige Mikrofaser mit Silberanteil entwickelt habe, die eine keimfreie Reinigung allein mit Wasser ermögliche, und dass er die Einlagen der stillen Gesellschafter für die Produktion und den Vertrieb entsprechender Mikrofasertücher verwenden werde, vom Oktober 2010 bis zum 17 im Urteil namentlich genannte Personen (a bis q) zur Zahlung von insgesamt 452.300 Euro sowie
2) durch die Vorgabe der Zahlungsfähigkeit der Mi* GmbH
a) vom bis zum * K* zur Lieferung von Reinigungstüchern im Wert von insgesamt 15.945 Euro und
b) am den Prokuristen (US 8) der St* GmbH * Ha* zur Reinigung seiner Wohnung im Wert von 831,60 Euro.
Rechtliche Beurteilung
[4] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Sie ist teilweise im Recht.
[5] Zutreffend zeigt die Beschwerde (nominell Z 5a, der Sache nach Z 5 vierter Fall) auf, dass die Feststellungen zum Schuldspruch A 1 i (Betrug zum Nachteil des * W*) unbegründet blieben. Schon dieser Mangel erforderte dessen Aufhebung, sodass auf das weitere darauf bezogene Vorbringen der Beschwerde nicht mehr einzugehen ist.
[6] Daher war das Urteil bereits bei der nichtöffentlichen Beratung wie aus dem Tenor ersichtlich aufzuheben (§ 285e StPO).
[7] Die übrigen Beschwerdeeinwände verfehlen ihr Ziel:
[8] Die Verfahrensrüge (Z 4) zum Schuldspruch A 1 q kritisiert die Vernehmung des Zeugen * M* in der Hauptverhandlung am im Weg einer Zoom-Konferenz (ON 101 S 6 ff). Ein derartiger Vorgang kann aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO jedoch nur aufgrund eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags an das Schöffengericht, die Vernehmung auf diese Weise nicht zuzulassen, erfolgreich bekämpft werden. Ein hier nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung erfolgter Widerspruch gegen eine diesbezügliche prozessleitende Verfügung des Vorsitzenden (ON 101 S 3) genügt hingegen nicht (vgl RISJustiz RS0113408; Ratz, WKStPO § 281 Rz 304 und 314).
[9] Unter dem Aspekt der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) kann ein den Tatrichtern unterlaufenes Fehlzitat im Rahmen der Beweiswürdigung beanstandet, nicht aber geltend gemacht werden, dass aus den Beweisergebnissen andere als die im Urteil gezogenen Schlüsse abzuleiten gewesen wären (RIS-Justiz RS0099431 [T13]). Ein Fehlzitat im aufgezeigten Sinn behauptet die Rüge zum Schuldspruch A 1 o nicht.
[10] Indem sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) mit eigenen beweiswürdigenden Erwägungen gegen die Feststellungen zu einer Täuschung der Opfer über die Entwicklung einer einzigartigen Mikrofaser mit Silberanteil (US 7 f) wendet, verkennt sie den im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).
[11] In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Sitzung zurückzuweisen.
[12] Hinzuzufügen bleibt, dass die Heranziehung der mangelnden Schuldeinsicht des Angeklagten (US 37 f) als eine für die Nichtgewährung bedingter Strafnachsicht mitentscheidende Tatsache einen unvertretbaren Gesetzesverstoß im Sinn des § 281 Abs 1 Z 11 StPO darstellt. Das Recht des Angeklagten, seine Verantwortung frei zu wählen (§§ 49 Z 4, 164 Abs 1 und 4, 245 Abs 2 StPO) und sich nicht selbst zu belasten, ist ein wesentlicher Bestandteil eines fairen Verfahrens (Art 6 Abs 1 MRK [Grabenwarter/Pabel, EMRK7 § 24 Rn 138]). Dieses Recht darf durch den Vorwurf der mangelnden Schuldeinsicht bei der Sanktionsfindung nicht konterkariert werden (RIS-Justiz RS0090897 [T11]).
[13] Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.
[14] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00093.21G.0316.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.