OGH vom 19.11.2013, 13Os92/13y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ostojic als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Karl S***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 FinStrG (idF BGBl I 2010/104) und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 13 Hv 15/13p 26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl S***** von der Anklage freigesprochen, er habe in Wien von Februar 2011 bis
(I) vorsätzlich 256.200 Stück Zigaretten der Marken Chesterfield und Marlboro Light, hinsichtlich welcher „das“ (richtig wohl: mehrere) Finanzvergehen des Schmuggels nach § 35 Abs 1 lit a FinStrG begangen worden war(en), mithin eingangsabgabepflichtige Waren, die von unbekannt gebliebenen Tätern vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden waren, in mehreren Tathandlungen vom nicht ausgeforschten unbekannten Täter „P*****“ gekauft und teilweise verhandelt, wobei es ihm darauf angekommen sei, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßige Begehung; strafbestimmender Wertbetrag: 50.244,77 Euro);
(II) durch den Ankauf der unter I angeführten Zigaretten zur Ausführung strafbarer Handlungen unbekannt gebliebener Täter, welche vorsätzlich in Monopolrechte eingriffen, indem sie zu ihrem Vorteil vorsätzlich die in den Vorschriften über das Tabakmonopol enthaltenen Verbote hinsichtlich des Handels mit Monopolgegenständen (§ 5 TabMG 1996) verletzten, sonst beigetragen (§ 11 dritter Fall FinStrG; Bemessungsgrundlage: 47.487 Euro).
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde verfehlt ihr Ziel.
Gründet das Gericht den Freispruch (wie hier) auf die Verneinung gerichtlicher Strafbarkeit mangels Übersteigens der in § 53 Abs 1 oder 2 FinStrG genannten Beträge, ohne eine Aussage zu sämtlichen (insbesondere den subjektiven) Tatbestandselementen zu treffen, reicht es für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde nicht hin, diese (rechtlichen) Urteilsannahmen zu bekämpfen. Vielmehr ist hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, mit Hinweis auf diese indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel aufzuzeigen (Z 9 lit a; vgl dazu RIS-Justiz RS0118580). Fehlen solche Indizien, ist die Abweisung darauf bezogener Anträge mit Verfahrensrüge (Z 4), bei Verneinung dieser Tatbestandsmerkmale im Urteil ist ein Begründungsmangel (Z 5) geltend zu machen (RIS-Justiz RS0127315). Diesen Anforderungen entspricht die Nichtigkeitsbeschwerde, die den Überlegungen des Erstgerichts zur Höhe des maßgeblichen strafbestimmenden Wertbetrags ausschließlich auf (materiell-)rechtlicher Ebene entgegentritt, nicht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Bleibt mit Blick auf die (verfehlte) Argumentation des Erstgerichts Folgendes anzumerken:
Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 lit a FinStrG setzt eine vollendete Vortat, mithin die Verwirklichung einer der dort genannten Tatbestände des Schmuggels (§ 35 Abs 1 FinStrG), der Verzollungsumgehung (§ 36 Abs 1 FinStrG), der Hinterziehung oder Verkürzung von Verbrauchsteuern (§ 33 Abs 1 und 4, § 34 Abs 1 und 2 FinStrG) oder von Eingangs- oder Ausgangsabgaben (§ 35 Abs 2 und 3, § 36 Abs 2 FinStrG) voraus (13 Os 105/09d).
Geht der Abgabenhehlerei ein Schmuggel voraus, entspricht der in § 37 Abs 2 FinStrG genannte Verkürzungsbetrag dem auf die verhehlte Ware entfallenden Abgabenbetrag im Sinn des § 35 Abs 4 FinStrG (RIS-Justiz RS0086534). Dieser umfasst nach den jeweils maßgebenden abgabenrechtlichen Bestimmungen Zoll und sonstige Eingangsabgaben ( Reger/Nordmeyer/Hacker/Kuroki , FinStrG I 4 § 35 Rz 12 und 120; Lässig in WK 2 FinStrG § 35 Rz 5 und 36).
Bei der Tabaksteuer handelt es sich um eine Verbrauchsteuer (vgl § 1 Abs 1 TabStG; Art 1 Abs 1 und Art 3 Abs 1 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren „Systemrichtlinie“; Doralt/Ruppe , Steuerrecht II 5 Rz 290 ff), die entweder als Eingangsabgabe an die Einfuhr nach Österreich (§ 9 Abs 5 Z 5 iVm § 25 TabStG) oder als Selbstberechnungsabgabe an den Bezug zu gewerblichen Zwecken aus dem freien Verkehr eines (EU-)Mitgliedstaates (§ 27 Abs 1 und 5 TabStG) anknüpft. Im ersten Fall ist die Verkürzung von Tabaksteuer finanzstrafrechtlich von §§ 35 oder 36 FinStrG erfasst, im zweiten Fall von § 33 Abs 1 FinStrG (13 Os 9/08k; 13 Os 27/09h; 13 Os 83/11x). In der Erscheinungsform der Eingangsabgabe richten sich (Ort der) Entstehung und Erhebung der Tabaksteuer nach den Zollvorschriften (§ 25 Abs 3 TabStG, § 2 Abs 1 ZollR-DG). In diesen Fällen entsteht die Tabaksteuerschuld (wie auch die Einfuhrzollschuld) in Österreich, wenn Tabakwaren vorschriftswidrig erstmals in Österreich (also unmittelbar aus einem Drittland) in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden (Art 202 Abs 1 lit a und Art 215 Abs 1 erster Anstrich ZK) oder hier von Bedeutung (vgl US 3, wonach „der genaue Weg der Schmuggelroute nicht mehr feststellbar ist“) in Österreich entdeckt werden und der Ort der erstmaligen Einfuhr in die Europäische Union nicht bestimmt werden kann (Art 215 Abs 1 zweiter Anstrich ZK).
Demnach wäre hier worauf die Beschwerdeführerin an sich zutreffend hinweist die Tabaksteuer als Eingangsabgabe in den Verkürzungsbetrag des § 37 Abs 2 (iVm § 35 Abs 4) FinStrG und den für die gerichtliche Strafbarkeit maßgeblichen Betrag des § 53 Abs 2 lit b FinStrG einzurechnen gewesen. Dass in dieser Bestimmung Verbrauchsteuern nicht erwähnt sind, steht dem der Ansicht des Erstgerichts zuwider nicht entgegen, weil die Verkürzung von Tabaksteuer in der vorliegenden Konstellation bereits vom Anknüpfungstatbestand des Schmuggels erfasst ist. Anderes ist auch der im Urteil zitierten Entscheidung 13 Os 105/09d nicht zu entnehmen, denn die dort getroffene Aussage zu § 53 (Abs 1 und 2) FinStrG nimmt (nach Verneinung einer ausreichenden Sachverhaltsgrundlage für die Annahme von Schmuggel) ausdrücklich auf die Hinterziehung von Verbrauchsteuern (in der Erhebungsform selbst zu berechnender Abgaben) nach § 33 Abs 1 FinStrG Bezug.
Die durch die FinStrG-Novelle 2010 geschaffene Regelung des § 2 Abs 1 lit c FinStrG (iVm §§ 35 Abs 5 und 37 Abs 4 FinStrG) wäre übrigens dann von Bedeutung, wenn das Zollvergehen im Inland entdeckt wird (§ 5 Abs 2 zweiter Satz FinStrG) und die Schmuggelroute sich zumindest in einen anderen Mitgliedstaat zurückverfolgen lässt (vgl Art 215 Abs 2 ZK; vgl Witte in Witte , Zollkodex 5 Art 215 Rz 2 f, 5 und 9 f). Dann wären auch die in dem anderen Mitgliedstaat zu erhebende Einfuhr-Umsatzsteuer und Tabaksteuer Teil des jeweiligen Wertbetrags (vgl Reger/Nordmeyer/Hacker/Kuroki , FinStrG I 4 § 35 Rz 122a; Lässig in WK 2 FinStrG § 35 Rz 2).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2013:0130OS00092.13Y.1119.000