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OGH vom 10.02.2010, 13Os9/10p

OGH vom 10.02.2010, 13Os9/10p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kleibel als Schriftführer in der Strafsache gegen Georgi G***** wegen des Verbrechens des als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangenen gewerbsmäßig schweren Diebstahls nach §§ 12 dritter Fall, 15, 127, 128 Abs 2, 130 zweiter und dritter Fall StGB, AZ 28 Hv 118/09k des Landesgerichts Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom , AZ 6 Bs 680/09i, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Georgi G***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Georgi G***** befand sich vom bis zum (und seit dem wieder) zum Verfahren AZ 28 Hv 118/09k des Landesgerichts Innsbruck aus den Haftgründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO (erstmals) in Untersuchungshaft.

Mit (nicht rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom wurde Georgi G***** im zweiten Rechtsgang dieses Verfahrens (vgl zur Aufhebung des im ersten Rechtsgang am ergangenen Urteils: 13 Os 69/09k) des Verbrechens des als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangenen gewerbsmäßig schweren Diebstahls nach §§ 12 dritter Fall, 15, 127, 128 Abs 2, 130 zweiter und dritter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die erlittene Vorhaft wurde - in der mit Beschluss vom (ON 158) nicht rechtskräftig berichtigten Urteilsfassung - für den Zeitraum 9. März bis auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Nach dem erstinstanzlichen Schuldspruch hat er am in Völs als Mitglied einer kriminellen Vereinigung mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, zum Versuch der (dafür bereits rechtskräftig verurteilten) unmittelbaren Täter, fremde bewegliche Sachen, nämlich Großpackungen von Rasierklingen und Rasierapparaten, im 50.000 Euro übersteigenden Gesamtwert von 86.185,10 Euro, Gewahrsamsträgern der M-***** GmbH, wegzunehmen beigetragen.

Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , AZ 24 Hv 99/08k, rechtskräftig mit (Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom) , wurde Georgi G***** des - bis zum „“ begangenen - Verbrechens des schweren, durch Einbruch begangenen gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 130 erster Fall StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, wovon ein Teil von 16 Monaten gemäß § 43a Abs 3 StGB bedingt nachgesehen wurde. Die zum Verfahren AZ 28 Hv 118/09k erlittene Vorhaft wurde gemäß § 38 Abs 1 Z 2 StGB für den Zeitraum bis (dem Zeitpunkt der Urteilsfällung erster Instanz) auf diese Strafe angerechnet (auch die Zwischenhaft bis Urteilsrechtskraft am ist übrigens Gegenstand der Vorhaftanrechnung nach § 38 Abs 1 Z 2 StGB [§ 400 Abs 1 StPO]).

Wegen des am zu AZ 24 Hv 99/08k des Landesgerichts Innsbruck (vorläufig) angeordneten Vollzugs des (nicht bereits durch Vorhaftanrechnung - im Ausmaß von etwa sechs Monaten und zwei Wochen - verbüßten) unbedingten Teils der Freiheitsstrafe (ON 166) nahm das Landesgericht Innsbruck mit Beschluss vom mit Wirkung per gemäß § 173 Abs 4 StPO von der Aufrechterhaltung der weiteren Untersuchungshaft zum hier gegenständlichen Verfahren Abstand (ON 167).

Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht Innsbruck der Beschwerde des Angeklagten gegen den über seinen Enthaftungsantrag ergangenen Haftbeschluss des Landesgerichts Innsbruck vom (ON 174) nicht Folge und setzte - gestützt auf den sich aus der nicht rechtskräftigen Verurteilung ergebenden dringenden Tatverdacht (BS 5) - die Haft wegen Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit a StPO fort.

Rechtliche Beurteilung

Die unverhältnismäßige Dauer der Untersuchungshaft reklamierende Grundrechtsbeschwerde übersieht, dass nach dem erstmaligen Beginn der Hauptverhandlung liegende Zeiträume nicht zu der von § 178 StPO festgelegten Höchstdauer der Untersuchungshaft zählen (RIS-Justiz RS0098035; Kirchbacher/Rami , WK-StPO § 178 Rz 7).

Soweit sie vorbringt, dass die zum AZ 24 Hv 99/08k des Landesgerichts Innsbruck nach § 38 StGB angerechnete Haftzeit bei der von § 173 Abs 1 zweiter Satz StPO vorgeschriebenen Prüfung in Anschlag zu bringen gewesen wäre, benennt sie keine daraus für ihren Standpunkt ableitbaren Folgerungen. Sie sagt nämlich nicht, weshalb die Gesamtdauer der Untersuchungshaft als Bezugspunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung deren Ergebnis in Frage gestellt hätte.

Das Vorliegen zeitlicher Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung für sich allein zwingt dazu, wie der Vollständigkeit halber angemerkt sei, keineswegs (vgl Kirchbacher/Rami , WK-StPO § 173 Rz 10). Das geht schon aus der § 265 Abs 2 iVm § 498 Abs 2 letzter Satz StPO zugrunde liegenden Wertung des einfachen Gesetzgebers hervor, Beschwerden gegen nach § 265 Abs 1 StPO gefasste Beschlüsse - entgegen der allgemeinen Regel (vgl § 87 Abs 3 StPO) - aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Diese Wertung kann auch bei der von § 173 Abs 1 zweiter Satz StPO verlangten Beurteilung nicht unbeachtet bleiben, bedarf doch die Dauer einer - wie hier aufgrund (wenngleich noch nicht in Rechtskraft erwachsener) erstinstanzlicher Verurteilung - durch Art 5 Abs 1 lit a MRK gerechtfertigten Haft (vgl Grabenwarter EMRK 4 § 21 Rz 12 mwN) keiner Prüfung unter dem Gesichtspunkt von Unverhältnismäßigkeit nach Art 5 MRK (vgl Grabenwarter EMRK 4 § 21 Rz 10; Frowein/Peukert , EMRK 3 Art 5 Rz 113).

Inhaltlich fassbare weitere Argumente führt die Beschwerde nicht ins Treffen (§ 3 Abs 1 erster Satz GRBG), sodass ihr ein Erfolg versagt bleiben muss.

Unklar bleibt, welche Verletzung haftrelevanter Vorschriften mit dem Vorbringen, wonach „die Untersuchungshaft zu einem Zeitpunkt unterbrochen wurde, in dem die acht Monate Freiheitsstrafe schon verbüßt waren“ (BS 2 unten), geltend gemacht werden sollte (vgl im Übrigen 13 Os 122/08b).

Wenngleich für die Erledigung der erhobenen Grundrechtsbeschwerde ohne Bedeutung (§ 1 Abs 2 GRBG; RIS-Justiz RS0123343), sieht sich der Oberste Gerichtshof unter dem Aspekt analoger Anwendung des § 265 Abs 1 StPO durch das erkennende Gericht (RIS-Justiz RS0116527) angesichts vorliegend die Hälfte der in erster Instanz ausgesprochenen Strafe übersteigender Gesamtdauer der (teilweise indes in einem anderen Verfahren nach § 38 StGB angerechneten) Untersuchungshaft zur Klarstellung veranlasst, dass derzeit kein Anlass für eine solche Entscheidung besteht.

Die von 14 Os 141/05z, EvBl 2006/39, 209, verlangte analoge Anwendung des § 265 Abs 1 StPO bedeutet zwar - in Fortentwicklung des von 11 Os 24/02, SSt 64/12, aufgezeigten Schutzzwecks -, dass eine solche Entscheidung nicht stets nur (solcherart aufschiebend) bedingt für den Fall der Rechtskraft geschieht (vgl Lewisch , WK-StPO § 265 Rz 5, 9), sondern bereits aufgrund des erstgerichtlichen Urteils zu erfolgen hat, wenn es allein darum geht, Angeklagte, die das gegen sie ergangene Urteil bekämpfen, gegenüber solchen, die auf Urteilsanfechtung verzichten, nicht zu benachteiligen. In einem solchen Fall spricht nichts dagegen, vom Bezugspunkt einer Strafhaft, die von Rechtskraft des Strafausspruchs (§ 260 Abs 1 Z 3 StPO) und Strafvollzugsanordnung abhängt, auch hinsichtlich der Rechtskraft abzusehen, nachdem vom Erfordernis der Strafvollzugsanordnung bereits von 11 Os 24/02, SSt 64/12, abgesehen wurde. Die von § 265 Abs 2 (§ 498 Abs 2) StPO angeordnete aufschiebende Wirkung der Beschwerde ändert am Beschwerdegegenstand, welcher hier in einer Beurteilung anhand des erstgerichtlichen Strafausspruchs besteht, nichts.

Wird das Urteil jedoch auch zum Nachteil des Angeklagten angefochten, kommt bedingte Entlassung nur (aufschiebend) bedingt für den Fall der Rechtskraft in Betracht.