OGH vom 01.07.2008, 13Os88/08b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Arno R***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 und Abs 2 zweiter Satz StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen, AZ 26 Hv 217/05y des Landesgerichts Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Karl K***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom , AZ 6 Bs 198/08f (ON 2326 der Hv-Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom wurde die über Karl K***** verhängte Untersuchungshaft unter Anwendung gelinderer Mittel (§ 180 Abs 5 StPO aF) aufgehoben (ON 480).
Den Antrag des Angeklagten vom , vom Aufrechterhalten der gelinderen Mittel abzusehen (ON 2295), wies das Landesgericht Innsbruck am ab (ON 2299).
Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht Innsbruck der gegen diesen abweislichen Beschluss erhobenen Beschwerde des Angeklagten (ON 2302) teilweise Folge, indem es eine Weisung aufhob und die Anwendung der übrigen gelinderen Mittel (teils in abgeänderter Form) aufrechthielt.
Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Karl K***** ist unzulässig.
Nach § 1 Abs 1 GRBG steht dem Betroffenen wegen Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit durch eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung nach Erschöpfung des Instanzenzugs die Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof zu, wobei gemäß § 1 Abs 2 GRBG die Verhängung und der Vollzug von Freiheitsstrafen und vorbeugenden Maßnahmen wegen gerichtlich strafbarer Handlungen vom Anwendungsbereich dieses Rechtsbehelfs ausgenommen sind. Das Grundrecht auf persönliche Freiheit ist nach § 2 Abs 1 GRBG insbesondere dann verletzt, wenn die Verhängung oder Aufrechterhaltung einer Haft zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht, die Dauer einer Haft unverhältnismäßig geworden ist, die Voraussetzungen einer Haft, wie Tatverdacht oder Haftgründe, unrichtig beurteilt wurden oder sonst bei einer Festnahme oder Anhaltung das Gesetz unrichtig angewendet wurde.
Ein nach §§ 1 Abs 1, 2 Abs 1 GRBG fassbarer Beschwerdegegenstand setzt somit eine strafgerichtlich angeordnete Freiheitsentziehung voraus. Als solche sind Maßnahmen der staatlichen Gewalt zu verstehen, durch die jemand gegen seinen Willen an einem bestimmten, begrenzten Ort für eine gewisse Dauer festgehalten wird (Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention³ § 21 Rz 5). Von einer Freiheitsentziehung ist also dann auszugehen, wenn in die - durch das Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit und Art 5 MRK garantierte - physische Bewegungsfreiheit des Menschen eingegriffen wird, wobei nicht jede Maßnahme hinreicht, sondern eine Freiheitsbeschränkung in der Bedeutung einer Festnahme oder Anhaltung, zumindest aber Internierung oder Konfinierung vorliegen muss, wie etwa die vorläufige Verwahrung, Beugehaft oder Haft als Ordnungsstrafe bis hin zur zwangsweisen Vorführung (14 Os 32/07y, 13 Os 96/07b).
Hingegen wird die Anwendung gelinderer Mittel iS des § 180 Abs 5 StPO aF (nunmehr § 173 Abs 5 StPO) - als weder für die Verhängung noch für die Aufrechterhaltung der Haft relevant - vom spezifischen Schutzzweck des Grundrechtsbeschwerdegesetzes nicht erfasst (RIS-Justiz RS0060991, RS0115525; Fabrizy, StPO10 § 2 GRBG Rz 1). Solche Entscheidungen sind der Anfechtung mittels Grundrechtsbeschwerde nur dann zugänglich, wenn diese auf die - hier nicht aktuelle - Behauptung gestützt wird, die mit der Anordnung der gelinderen Mittel verknüpfte Entscheidung, die Freiheitsentziehung zu beenden, sei zu spät getroffen worden (§ 2 Abs 2 GRBG). Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.