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OGH vom 16.02.2017, 15Ns4/17g

OGH vom 16.02.2017, 15Ns4/17g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann im Verfahren zur Übernahme der Strafvollstreckung betreffend Hüseyin G***** in dem zu AZ 196 Ns 2/17y des Landesgerichts für Strafsachen Wien und AZ 5 Ns 1/17k des Landesgerichts für Strafsachen Graz zwischen diesen Gerichten geführten Zuständigkeitsstreit nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Für die Durchführung des Verfahrens ist das Landesgericht für Strafsachen Wien zuständig.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit Schreiben vom ersuchte der in der Justizvollzugsanstalt G***** (Deutschland) inhaftierte österreichische Staatsbürger Hüseyin G***** um Vollstreckung der über ihn (gemeint [vgl ON 5]:) vom Amtsgericht Augsburg am (rechtskräftig seit ) verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten in Österreich, weil seine Lebensgefährtin und sein Sohn in Graz wohnen würden und er vor seiner Verhaftung am ebenfalls dort gewohnt habe (ON 1 S 5 f).

Das Landesgericht für Strafsachen Wien überwies den Antrag unter Hinweis auf den von der betroffenen Person genannten Wohnsitz in Graz gemäß § 40a Abs 3 EU-JZG dem Landesgericht für Strafsachen Graz (ON 6). Dieses verfügte die „Rückabtretung“ des Verfahrens an das zuerst genannte Gericht mit der Begründung, der Genannte sei am aus der Justizanstalt Wien-Simmering geflohen (vgl ON 4), weshalb sich sein letzter bekannter Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichts für Strafsachen Wien befinde, während sich ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Graz nach der Aktenlage (siehe die Auskunft aus dem zentralen Melderegister ON 3) nicht ableiten lasse (ON 8).

Das Landesgericht für Strafsachen Wien legte die Akten dem Obersten Gerichtshof gemäß § 38 StPO (iVm § 1 Abs 2 EU-JZG und § 9 Abs 1 ARHG) zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt unter Hinweis auf den „letzten Wohnsitz bzw Aufenthalt in Graz“ und § 40a Abs 2 EU-JZG „iVm § 67 ARHG“ vor (ON 9).

Gemäß § 40a Abs 2 EUJZG richtet sich die örtliche Zuständigkeit zur Entscheidung über die Vollstreckung einer Entscheidung, mit der von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eine Freiheitsstrafe oder eine mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme ausgesprochen worden ist, nach dem Ort, in dem die verurteilte Person ihren Wohnsitz oder Aufenthalt hat; befindet sie sich in gerichtlicher Haft im Inland, so ist der Haftort maßgebend. Ist nach diesen Bestimmungen die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts nicht feststellbar, so ist das Landesgericht für Strafsachen Wien zuständig.

Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes kann sohin nur ein im Entscheidungszeitpunkt bestehender Wohnsitz, Aufenthalt oder Haftort im Inland Anknüpfungskriterium für die örtliche Zuständigkeit sein. Liegt ein solches nicht vor, ist das Landesgericht für Strafsachen Wien zuständig.

§ 40a Abs 2 EU-JZG regelt demnach die örtliche Zuständigkeit vollständig und abschließend. Für die Annahme einer (planwidrigen) Lücke und daraus folgend der Notwendigkeit der Lückenschließung durch sinngemäße Anwendung des § 67 Abs 1 erster Satz ARHG (§ 1 Abs 2 EUJZG), wonach auch ein Wohnsitz oder Aufenthalt zuständigkeitsbegründend sei, den eine betroffene Person „zuletzt hatte“, besteht kein Raum (aM Wirth/Hinterhofer in WK2 EU-JZG § 40a Rz 6 unter Berufung auf ein aus den EBRV zum EU-JZG-ÄndG 2011 [10, 24] abgeleitetes „legistisches Versehen“).

Mangels aktuellen Wohnsitzes, Aufenthalts oder Haftorts im Inland ist das weitere Verfahren (s § 41a Abs 2 EU-JZG) demgemäß vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu führen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0150NS00004.17G.0216.000
Schlagworte:
3 Alle Os-Entscheidungen

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