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OGH vom 23.11.2005, 13Os86/05d

OGH vom 23.11.2005, 13Os86/05d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Besenböck als Schriftführer in der Strafsache gegen Sherif H***** wegen Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 12 Hv 87/05w-25, nach Anhörung der Generalprokuratur und Äußerung des Verteidigers (§ 35 Abs 2 StPO) in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben; es wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch A) I. 3. und in der zu A) I. nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG gebildeten Subsumtionseinheit sowie

im Schuldspruch B) und

demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung)

aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftig gewordenen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Sherif H***** zu A) I. der Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, zu A) II. der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG sowie zu B) des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er in Graz sowie weiteren Orten

A) den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift

I. in einer (sowohl die Ein- und Ausfuhr als auch das Inverkehrsetzen betreffenden) „übergroßen Menge" (zumindest das 25-fache der Grenzmenge betragenden Menge, § 28 Abs 6 SMG iVm § 28 Abs 4 Z 3 SMG) in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Taten nach dem Suchtmittelgesetz eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, sowie teilweise als Mitglied einer kriminellen Vereinigung [A) I. 1., 3., 4. und 5.] „teilweise ein- und ausgeführt" [A) I. 1. bis 6.] sowie „teilweise" [A) I. 1., 3., 4., 5. und 7.] in Verkehr gesetzt, indem er

1. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Sommer 2002 im Auftrag des abgesondert verfolgten Said M***** zirka zwei Kilogramm Cannabisharz von Spanien nach Österreich aus- und einführte und dieses Suchtgift in weiterer Folge dem Said M***** übergab, wofür er eine Entlohnung von 3.000 Euro erhielt,

2. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Winter 2002 gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Adnane T***** rund 25 Kilogramm Cannabisharz von Spanien nach Italien aus- und einführte, wobei er für diese Schmuggelfahrt eine Entlohnung von 5.000 Euro erhielt,

3. im April (zu ergänzen:) 2003 gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Adnane T***** rund zehn Kilogramm Cannabisharz von Spanien nach Österreich aus- und einführte und davon eine Menge von sechs bis acht Kilogramm Cannabisharz dem Said M***** übergab,

4. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Frühjahr 2003 gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Adnane T***** rund 50 Kilogramm Cannabisharz von Spanien über Frankreich und Italien nach Österreich aus- und einführte und davon zehn Kilogramm Haschisch an Said M***** übergab und 40 Kilogramm Cannabisharz dem Adnane T***** bzw über diesen einer unbekannten Person weitergab,

5. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Sommer oder Herbst 2003 gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Mohammed A***** zirka sieben bis acht Kilogramm Cannabisharz aus Spanien nach Österreich aus- und einführte und davon zwei Kilogramm Cannabisharz an Said M***** übergab,

6. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt Ende 2003 rund drei Kilogramm Cannabisharz von Spanien nach Österreich aus- und einführte,

7. in zahlreichen Angriffen in der Zeit von Anfang 2004 bis Ende März 2004 von der unter 6. angeführten Menge zirka eineinhalb bis zwei Kilogramm Cannabisharz im Großraum Graz an unbekannt gebliebene Suchtgiftabnehmer mit Gewinnaufschlägen verkaufte, woraus er einen Gewinn von zirka 4.200 Euro erzielte,

II. erworben und besessen, indem er

1. seit zumindest Mai 2001 bis zu seiner Festnahme am in Graz unbekannte Mengen Heroin, Kokain und Cannabis zum Zwecke des Eigenkonsums teils ankaufte und teils unentgeltlich übergeben erhielt,

2. am rund ein Gramm Cannabisharz besaß, welches aus Anlass der Hausdurchsuchung sichergestellt werden konnte,

B) im Zeitraum ab April 2003 bis „Sommer oder Herbst" 2003 sich an

einem auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet war, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung mehrere Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz, namentlich die dem Schuldspruch unter den Fakten A.) I. 3., 4. und 5. zu Grunde liegenden Tathandlungen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG ausgeführt werden, als Mitglied beteiligt, indem er die unter A) I. 3., 4. und 5. dargestellten Tathandlungen, somit strafbare Handlungen im Rahmen der kriminellen Ausrichtung der Vereinigung, beging.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Beschwerdeführer zu A) I. 3., 4. und 5. sowie B) mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch A) I. 3. vermisst zutreffend jegliche Feststellungen in den Entscheidungsgründen. Deren Ersatz durch das bloße Referat der entscheidenden Tatsachen im Spruch des Erkenntnis selbst kommt nicht in Frage (Ratz in WK-StPO § 281 Rz 271). Mangels Überprüfbarkeit der rechtlichen Unterstellung des sich bloß aus A) I. 3. des Urteilsspruches ergebenden Sachverhaltes liegt insoweit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO vor, die - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen eingehen zu müssen - die Aufhebung des Schuldspruches hinsichtlich der unter A) I. 3. beschriebenen Taten und demzufolge auch der nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG gebildeten, durch Teilrechtskraft zerschlagenen (Ratz in WK-StPO § 289 Rz 10) Subsumtionseinheit (sui generis) notwendig macht, wobei letztere im zweiten Rechtsgang mit oder ohne Faktum A) I. 3. neu zu bilden sein wird (Ratz, JBl 2005, 294 ff).

Ebenfalls aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO rügt die Beschwerde zu Schuldspruch B) zutreffend das Fehlen von Feststellungen, die neben seiner Verurteilung nach § 28 Abs 3 zweiter Fall SMG auch eine solche nach § 278 Abs 1 StGB tragen. Wenn nämlich gleichzeitig alle Tatbestandsmerkmale der „Beteiligung" an einer kriminellen Vereinigung lediglich durch die Begehung strafbarer Handlungen im Rahmen der Vereinigung - gegenständlich nach § 28 Abs 3 zweiter Fall SMG - erfüllt sind, so hat die Strafbarkeit nach § 278 Abs 1 (Abs 3 erster Fall) StGB hinter jener des spezielleren und höher bestraften Qualifikationsdeliktes zurückzutreten, schließt dieser Deliktstypus den anderen doch begriffsnotwendig in sich ein (Spezialität, [vgl 12 Os 7/05d]). Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist jedoch aufgrund des aus Schuldspruchpunkt A) ersichtlich längeren Zusammenwirkens des Beschwerdeführers mit anderen Mitgliedern der Suchtgiftszene und der ausdrücklich zugestandenen Zusammenarbeit von zumindest drei Personen durch Said M***** (S 217) ein Zusammenschluss zur Begehung weiterer, noch nicht hinreichend konkretisierter Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz durch zumindest ein Mitglied der Vereinigung oder die (aktive) Beteiligung an sonstigen Aktivitäten ebenso wenig auszuschließen wie das Wissen (§ 5 Abs 3 StGB), dass durch diese Handlungen die Vereinigung oder durch sie zu begehende Straftaten gefördert werden (§ 278 Abs 3 zweiter und dritter Fall StGB); diesfalls wäre der Unrechtgehalt durch die Bestrafung wegen des tatsächlich ausgeführten, durch die Begehung als Vereinigungsmitglied qualifizierten Deliktes alleine noch nicht abgegolten. Eine Urteilsaufhebung auch im Schuldspruchpunkt B) ist daher unumgänglich (12 Os 7/05d).

Im Übrigen ist das Beschwerdevorbringen nicht im Recht:

Die Tatsachenrüge (Z 5a) zu A). I. 5. vermag mit spekulativen Erwägungen über einen angeblichen Racheakt des Said M***** im Hinblick auf die voll geständige Verantwortung des Angeklagten im Vorverfahren in Verbindung mit der Aussage des sich umfassend selbst belastenden Zeugen Said M***** keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken an der Richtigkeit der diesem Schuldspruchpunkt zu Grunde liegenden Feststellungen entscheidender Tatsachen zu erwecken (US 15).

Soweit als Aufklärungsrüge kritisiert wird, im Rahmen des Beweisverfahrens wäre nicht hinterfragt worden, welches Transportfahrzeug der Beschwerdeführer verwendete und wer sein Auftraggeber war, legt sie nicht dar, weshalb der durch einen Verteidiger vertretene Angeklagte gehindert war in der Hauptverhandlung entsprechende Fragen (die im Übrigen keine entscheidenden Tatsachen betreffen) zu stellen.

Fehl gehen die weiteren aus Z 5a, inhaltlich aber auch Z 5 zweiter und vierter Fall erfolgenden Hinweise auf die Aussagen der Zeugen Adnane T*****, dessen Angaben zufolge Gebrauchs vom Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO (S 227) nicht vorkommen durfte, sowie des Zeugen Mohammed A***** (S 229 f), dessen Depositionen von den Tatrichtern mit hinreichender Begründung (US 15 f) für unglaubwürdig erachtet wurden.

Welche (entscheidungswesentlichen) aktenkundigen Verfahrensergebnisse zum Schuldspruchfaktum A) I. 5. außer Acht gelassen worden wären (Z 5 zweiter Fall) führt der Beschwerdeführer nicht an. Soweit er ebenfalls völlig unsubstantiiert nominell auch den zu A) I. 4. ergangenen Schuldspruch anficht, ist das Beschwerdevorbringen jeweils einer sachlichen Erörterung nicht zugänglich.

In Übereinstimmung mit der Meinung der Generalprokuratur war daher das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, bereits bei der nichtöffentlichen Beratung in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde im aufgezeigten Umfang mit Erneuerungsauftrag aufzuheben (§ 285e StPO), im Übrigen jedoch die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen (§ 285d StPO). Im Hinblick auf die Aufhebung auch des Strafausspruchs, worauf der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen war, erübrigt sich auch ein Eingehen auf den auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten, der Sache nach Nichtigkeit nach Z 11 geltend machenden Einwand des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Doppelverwertungsverbot. Lediglich der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Anwendung der §§ 35 bzw 37 SMG in Ansehung des Schuldspruchfaktums A) II. zutreffend unterblieb, da der Privilegierung des verbotenen Erwerbes und Besitzes von (allenfalls) geringen Suchtmittelmengen nach § 35 Abs 1 SMG fallbezogen weitere, nicht nach dieser Gesetzesstelle begünstigte Suchtmitteldelikte nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall SMG entgegenstehen (SSt 59/04, 12 Os 69/04, 12 Os 54/05s).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.