OGH vom 03.03.2016, 12Os9/16i

OGH vom 03.03.2016, 12Os9/16i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kühlmayer als Schriftführer in der Strafsache gegen Attila K***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 dritter Fall StGB, AZ 32 Hv 11/15t des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des genannten Gerichts vom , GZ 32 Hv 11/15t 49, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, sowie des Verteidigers Dr. Langeder zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom , GZ 32 Hv 11/15t 49, verletzt, soweit darin der Verfall eines Betrags von 30.700 Euro ausgesprochen wurde, § 20 Abs 1 und Abs 3 StGB sowie § 20a Abs 2 Z 2 StGB.

Dieser Verfallsausspruch wird aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom , GZ 32 Hv 11/15t 49, wurde Attila K***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im Oktober und im November 2014 in W***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit unbekannten Mittätern (§ 12 StGB) und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, im Urteil genannten Personen fremde bewegliche Sachen in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich insgesamt neun Motorräder, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er die auf öffentlichen Verkehrsflächen abgestellten Fahrzeuge in seinen Lieferwagen verlud.

Attila K***** wurde hiefür zu einer Freiheitsstrafe sowie zur Zahlung von (Teil )Schadenersatzbeträgen an die Privatbeteiligten Oleksii P*****, Laryna P*****, Catherine F***** und Mag. Armin Z***** verurteilt.

Überdies wurde er schuldig erkannt, „gemäß § 20 Abs 1 StGB einen Geldbetrag in der dabei eingetretenen unrechtmäßigen Bereicherung in der Höhe von 30.700 Euro zu zahlen“ (US 4).

Diesen Ausspruch gründete das Erstgericht darauf, dass sich „der für verfallen erklärte Betrag von 30.700 Euro aus der Saldierung der Summen der weggenommenen Wertgegenstände und der somit erlangten Bereicherung“ ergebe, berücksichtigte bei der Strafbemessung aber auch ein „teilweises Zustandebringen der Beute“ (US 10).

Der zum Nachteil des Angeklagten erhobenen Strafberufung der Staatsanwaltschaft gab das Oberlandesgericht Wien mit (nicht einjournalisiertem) Urteil vom , AZ 19 Bs 151/15t, Folge und erhöhte die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht der unberührt gebliebene Verfallsausspruch im Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom mit dem Gesetz nicht in Einklang:

Nach § 20 Abs 1 StGB hat das Gericht alle Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, für verfallen zu erklären. Dieser Verfall erstreckt sich nach § 20 Abs 2 StGB auch auf Nutzungen und Ersatzwerte der unter Abs 1 beschriebenen Vermögenswerte. Soweit diese aber nicht sichergestellt oder beschlagnahmt worden sind, hat das Gericht nach § 20 Abs 3 StGB einen Geldbetrag für verfallen zu erklären, der den in § 20 Abs 1 und 2 StGB genannten Vermögenswerten entspricht.

Der Gesetzgeber sieht solcherart grundsätzlich den gegenstandsbezogenen Verfall (§ 20 Abs 1 StGB) vor, welcher sich (zufolge § 20 Abs 2 StGB) auch auf Nutzungen und Ersatzwerte (wie etwa Verkaufserlöse) erstreckt.

§ 20 Abs 3 StGB ermöglicht hingegen den Verfall eines vermögenswertersetzenden Geldbetrags und dient der Lückenschließung für jene Fälle, in denen ein Verfall nach § 20 Abs 1 und 2 StGB nicht durchführbar ist (etwa, weil der Vermögenswert nicht mehr aufgefunden werden kann; vgl ErläutRV 918 BlgNR 24. GP 7 f; Fabrizy , StGB 11 § 20 Rz 4). Diese Bestimmung greift nur Platz, soweit keine Sicherstellung oder Beschlagnahme von Gegenständen (oder Ersatzwerten) erfolgte (vgl Fuchs/Tipold in WK 2 StGB § 20 Rz 36). Wurden verfallsrelevante Vermögenswerte bereits zur Befriedigung oder Sicherstellung zivilrechtlicher Ansprüche aus der Tat herangezogen, ist insofern der Verfall ausgeschlossen (§ 20a Abs 2 Z 2 StGB).

Da das Landesgericht für Strafsachen Wien vorliegend von einem „teilweisen Zustandebringen der Beute“ ausging, jedoch klärende Feststellungen zu treffen verabsäumte, welche konkreten Güter (nicht) aufgefunden werden konnten und weiters, wie mit dem „zustandegebrachten“ Diebesgut verfahren wurde (vgl ON 2 S 37, 63 f und 65 f; ON 24 S 7 f), mangelt es dem nominell auf „§ 20 Abs 1 StGB“ gestützten, inhaltlich iSd § 20 Abs 3 StGB mit einem Betrag von 30.700 Euro bestimmten und aus der Addition der Werte sämtlicher gestohlener Motorräder errechneten Verfallsausspruch an der notwendigen Sachverhaltsgrundlage.

Da ein aus der aufgezeigten Gesetzesverletzung resultierender Nachteil für den Verurteilten nicht ausgeschlossen werden kann, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00009.16I.0303.000