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OGH vom 12.04.2012, 12Os9/12h

OGH vom 12.04.2012, 12Os9/12h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Michel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wohlmuth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mario M***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Mario M***** und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Jugendschöffengericht vom , GZ 12 Hv 152/10g 33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Mario M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mario M***** des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach §§ 176 Abs 1, 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am in W***** und anderen Orten zur strafbaren Handlung des Steven H*****, der anders als durch eine der in den §§ 169, 171 und 173 StGB mit Strafe bedrohten Handlungen eine Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) einer größeren Zahl von Menschen und fremdes Eigentum in großem Ausmaß herbeiführte, indem er als Lenker den PKW des Mario M***** auf der Südautobahn wendete und über eine Strecke von etwa 8,5 Kilometer die falsche Richtungsfahrbahn bei starkem Verkehrsaufkommen befuhr, durch Zureden, Gutheißen und Auffordern beigetragen.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die ihr Ziel verfehlt.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter und vierter Fall) befassten sich die Tatrichter gar wohl logisch und empirisch einwandfrei mit den Angaben der Angeklagten (US 9 ff). Dass aus den Aussagen auch andere Schlüsse gezogen werden könnten, bedeutet keine Nichtigkeit nach Z 5 (RIS Justiz RS0099455).

Die Glaubwürdigkeit von Zeugen in Frage zu stellen geht ebenso an den Kategorien der Urteilsanfechtung aus dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund vorbei:

Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, mithin sowohl für den Beschwerdeführer als auch das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder auch aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist.

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil genau dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ.

Widersprüchlich sind zwei Aussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen nicht nebeneinander bestehen können. Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander in Widerspruch stehen.

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht.

Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt.

Die Beschwerde spricht mit den vorgebrachten Erwägungen keinen dieser Mängel an, sondern unternimmt einen Angriff auf die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im Verfahren zur Anfechtung kollegialgerichtlicher Urteile in der Strafprozessordnung nicht vorgesehenen Schuldberufung. Eine Urteilsbegründung muss zudem nicht auf logisch zwingenden Ableitungen beruhen (RIS Justiz RS0098471).

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS Justiz RS0118780).

Mit dem Hinweis auf die Vernehmung der beiden Angeklagten werden keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen geweckt.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell auch 9 lit b) sagt nicht, welche Feststellungen zur äußeren und zur inneren Tatseite über die ohnedies getroffenen (US 7 ff, s auch 15 ff) hinaus sie vermisst (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) und geht von der Bestreitung der getroffenen Konstatierungen aus, was nicht an der Prozessordnung orientiert ist, die Festhalten am Urteilssachverhalt verlangt (RIS Justiz RS0099810).

Weshalb eine Subsumtion der festgestellten Tat nach § 89 StGB oder § 177 Abs 1 StGB geboten sein soll, leitet die Subsumtionsrüge (Z 10) nicht aus dem Gesetz ab (13 Os 151/03, JBl 2004, 531 [ Burgstaller ] = SSt 2003/98; Ratz , WK StPO § 281 Rz 588).

Indem die Sanktionsrüge (Z 11) ins Treffen führt, der Angeklagte Mario M***** habe eine untergeordnete Rolle eingenommen, macht sie einen Berufungsgrund geltend.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.