OGH vom 04.03.2019, 12Os8/19x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. MichelKwapinski, Dr. Mann und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rögner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Thomas H***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Jugendschöffengericht vom , GZ 14 Hv 62/17v53, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss gemäß § 50 Abs 1, 52 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Thomas H***** unter Einbeziehung des im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs wegen der Vergehen der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 12 zweiter Fall, 207a Abs 1 Z 1, Abs 4 Z 1, „2“ und 3 [lit b] StGB (vgl 12 Os 100/18z) im
zweiten Rechtsgang des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 2 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er durch Gegenstand des rechtskräftigen Schuldspruchs bildende Tathandlungen, nämlich durch die an die achtjährige, also unmündige, Sarah H***** gerichteten Aufforderungen, sich einen Finger in die Vagina einzuführen, zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden [geschlechtlichen] Handlung an sich selbst verleitet, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 [lit] a StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Inwieweit die ohnehin zugestandene und erwogene (US 8) Intention, durch die inkriminierten Tathandlungen Nacktfotos zu erhalten und die behauptete fehlende Reaktion auf deren Erhalt sowie das zeitnahe Löschen nach deren Ansehen einer zeitlich vorangegangenen, in geschlechtlicher Erregungs- bzw Befriedigungsabsicht erfolgten Bestimmung des unmündigen Tatopfers zur Vornahme dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen an sich selbst erörterungspflichtig entgegenstehen sollte, ist dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) durch Vernachlässigung der diesbezüglichen Verantwortung des Beschwerdeführers im Ermittlungsverfahren (ON 12 S 37) zuwider nicht nachvollziehbar.
Der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wissen oder Wollen ist entgegen dem Vorwurf fehlender oder offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Absicht des Angeklagten, sich oder einen Dritten im Sinn des § 206 Abs 2 zweiter Fall StGB geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, rechtsstaatlich vertretbar und bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (US 10 f; RIS-Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452). Damit und insbesondere unter Berücksichtigung der (vom Rechtsmittel ignorierten) Nachrichten des Angeklagten an das unmündige Tatopfer („Ohhh geil deine Stimme ...“ und „Komm sag: spritz mir in meine geile muschi ...“ [US 11 iVm ON 33 S 17]) hat der Schöffensenat die auf die eigene geschlechtliche Erregung oder Befriedigung gerichtete Absicht des Nichtigkeitswerbers (US 11) logisch und empirisch einwandfrei begründet.
Der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zuwider haben die Tatrichter die zur Tatbildverwirklichung des § 206 Abs 2 zweiter Fall StGB erforderliche Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) explizit festgestellt („kam es ihm darüber hinaus geradezu darauf an, sich oder auch einen Dritten dadurch
– namentlich durch die Verleitung der unmündigen Person zur Vornahme von dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen an sich selbst – geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen“; US 7 iVm US 10 f). Indem die Rüge diese Feststellungen zu bestreiten sucht, verfehlt sie den vom Gesetz geforderten, im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).
Bei ihrer aus dem Vorwurf substanzlosen Gebrauchs der verba legalia entwickelten Forderung „ausreichender Konstatierung dieses für die Verwirklichung der objektiv- und subjektiven Tatseite wesentlichen Tatbestandsmerkmal etwa durch Beschreibung der Erregung oder einer Befriedigungshandlung“ leitet die Beschwerde nicht methodengerecht (RIS-Justiz RS0116565) aus dem Gesetz ab, weshalb eine tatsächlich eingetretene geschlechtliche Erregung oder Befriedigung Tatbildmerkmal des § 206 Abs 2 zweiter Fall StGB sein sollte (vgl 14 Os 44/14y zum diesbezüglich gleichlautenden § 208 Abs 1 StGB).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizierte) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00008.19X.0304.000 |
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