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OGH 11.09.2003, 12Os8/03

OGH 11.09.2003, 12Os8/03

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Habl, Dr. Philipp und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bauer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alois und Renate W***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Alois W***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 29 Hv 30/02s-276, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Alois W***** wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil in dem diesen Angeklagten betreffenden Schuld- und Strafausspruch (I) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Alois W***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Über die (gegen Schuldspruchpunkt II gerichtete) Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Renate W***** wird bei einem mit gesonderter Verfügung anzuordnenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (ua) Alois W***** des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt.

Darnach hat er (zusammengefasst) in den Jahren 1989, 1990 und 1992 (zu ergänzen: in Innsbruck) unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung von Abgaben, nämlich Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 499.310,84 EUR (6,870.667 S) bewirkt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Schuldspruch aus den Gründen der Z 5, 5a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagte Alois W***** kommt Berechtigung zu.

Vorweg ist festzuhalten, dass den gegen den Angeklagten ergangenen (rechtskräftigen) Abgabenbescheiden über die entgültige Abgabenfestsetzung und dem ihnen zugrunde liegenden Abgabenverfahren für das nachfolgende gerichtliche Finanzstrafverfahren nur die Bedeutung einer - allerdings qualifizierten - Vorprüfung der Verdachtslage in Ansehung der objektiven Tatseite des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung zukommt, zu deren eigenständiger Nachprüfung das Gericht mit allen ihm auch sonst nach den Verfahrensvorschriften zu Gebote stehenden Mitteln berechtigt, aber auch verpflichtet ist (14 Os 127/90 [verstärkter Senat] = EvBl 1992/26 = JBl 1992, 656; 13 Os 116/91, 14 Os 61/91 uvm).

Dieser Aufgabe hat sich das Erstgericht bloß hinsichtlich der Verwirklichung der Abgabenhinterziehung durch Alois W***** dem Grunde nach unterzogen. Dazu konstatierte es (ua) folgenden Sachverhalt:

Der Angeklagte Alois W***** war ab 1971 Gesellschafter und Geschäftsführer der A***** GmbH (seit 1980 in Liquidation). Ab 1975 war auch die Zweitangeklagte Renate W***** Gesellschafterin der genannten GmbH. 1977 trat Alois W***** den Großteil seiner Gesellschaftsanteile an einen Linzer Rechtsanwalt ab, ehe er 1979 seine restlichen Gesellschaftsanteile an die Zweitangeklagte weiter gab, die in der Folge auch die restlichen Anteile erwarb und seit 1983 Alleingesellschafterin ist (US 6 f).

1981 kaufte Renate W***** eine holländische Gesellschaft, die 1982 auf A***** BV umbenannte wurde, deren Gegenstand ab 1985 auf "Handel mit Kunst, Antiquitäten und damit zusammenhängende Ausstellungen, Dokumentation und verkaufsfördernde Aktivitäten" erweitert wurde (US 7).

Schließlich erwarb Alois W***** 1985 die Gründerrechte an der M***** Anstalt - einer im Handelsregister des Fürstentums Lichtenstein eingetragenen Anstalt im Sinn der §§ 534 ff des Lichtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts - durch Zession vom Maler Professor Ernst F***** (US 8 f).

Am 12. Oktober (richtig:) 1986 schloss die vom Erstangeklagten vertretene A***** BV als Käuferin mit der Professor-Hilde-G*****-Stiftung einen Kaufvertrag über den künstlerischen Nachlass der Stifterin (ausgenommen jene Werke, über die letztwillig anders verfügt worden war), dessen Kaufpreis mit 1,698.000 S festgesetzt wurde. Am 12./ verkaufte die A***** BV die in Rede stehende Werke zu einem Kaufpreis von 1,7 Mio S an die M***** Anstalt.

Die vom einzelzeichnungsberechtigten Verwaltungsrat Dr. Peter M***** vertretene M*****-Anstalt verkaufte die Bilder am an die vom einzelzeichnungsberechtigten Verwaltungsrat DDr. Herbert B***** vertretene M***** Ltd zu einem Buchwert von 1,7 Mio S, während tatsächlich 2,150.000 SFR an die M***** Anstalt flossen (US 11). Das Schöffengericht nahm als erwiesen an, dass Alois W***** die dargestellten Verkaufstransaktionen allein zum Zweck der Abgabenhinterziehung in Österreich abwickelte und in Wahrheit selbst das Gewerbe eines Kunsthändlers ausübte, ferner dass die dabei erzielten Gewinne ihm zurechnende Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb darstellten (US 16, 20).

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider hat das Schöffengericht all diese Konstatierungen logisch und empirisch einwandfrei begründet:

Das (auch) die M***** Anstalt dem Beschwerdeführer persönlich zuzurechnen war, leiteten die Tatrichter schwerpunktmäßig ua mängelfrei aus der Auffindung eines sehr hohen Bargeldbetrages (150.000 DM, 3.000 SFR und 15.000 S) und eines Nummernsparbuchs mit einer Einlage von 480.000 S anlässlich der am in seiner Wohnung durchgeführten Hausdurchsuchung sowie daraus ab, dass die in Rede stehenden Bilder im dargestellten Zeitraum in der seiner damaligen Ehefrau (der Zweitangeklagten) gehörigen Wohnung in Innsbruck lagerten, Renate W***** erst am eine diese Wohnung betreffenden Mietvertrag mit M***** Ltd, aber keinen derartigen Vertrag mit der M***** Anstalt schloss, sich im Schriftverkehr kein Hinweis fand, dass Alois W***** als Prokurist der A***** BV aufgetreten wäre und er mit seinen Geschäftspartnern stets unter seiner Innsbrucker Adresse und seiner dortigen Telefonnummer in Kontakt trat (US 18 f).

Dass sich der Erstangeklagte als gewerblicher Kunsthändler betätigte, folgerte das Schöffengericht formal einwandfrei aus den urkundlich nachgewiesenen Anstrengungen zum Verkauf der Werke von mehreren (im Urteil bezeichneten) Künstlern, die er stets im eigenen Namen und nie mit dem Hinweis auf die A***** BV unternahm (US 20). Fehl geht auch die Rechtsrüge (Z 9 lit b), wonach durch eine (behauptete) "negative Vorbildwirkung" des unter Aufsicht der Finanzprokuratur ohne Berücksichtigung der Umsatzsteuer abgewickelten und insoweit von der Behörde unbeanstandeten Verkaufs durch die Stiftung an die A***** BV die Annahme eines die Verpflichtung zur Entrichtung der Umsatzsteuer betreffenden entschuldbaren Rechtsirrtums indiziert wäre. Denn der Beschwerdeführer vermag kein Beweisergebnis aufzuzeigen, das Grundlage für die in diesem Zusammenhang entscheidende Tatsachen sein könnte, dass der Beschwerdeführer gegenüber der Finanzprokuratur als gewerblicher Kunsthändler auftrat.

Der Beschwerde ist jedoch darin zuzustimmen, dass das Erstgericht die Bemessungsgrundlagen der laut Anklage verkürzten Abgaben nicht in die Entscheidungsgründe aufgenommen hat und die strafbestimmenden Wertbeträge somit auf Grund der Urteilsannahmen nicht überprüfbar sind.

Insbesondere ist den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen, welche Aufwendungen Berücksichtigung fanden und warum allenfalls (gewinnmindernde) Aufwendungen für die (formal einwandfrei) als Argument für die gewerbliche Tätigkeit herangezogenen (im Urteil zeitlich undeterminierten) Verkaufsanstrengungen hinsichtlich der Werke weiterer Künstler (US 20) unberücksichtigt blieben (vgl 11 Os 142/91).

In diesem Zusammenhang ist auch bemerkenswert, dass die Finanzlandesdirektion für Tirol als Berufungsbehörde mit Bescheid vom , GZ RV 176.96/1-T7/96, die erstinstanzlichen Bescheide zum Teil abgeändert hat und zu anderen (wenn auch für den Beschwerdeführer nicht ausnahmslos günstigeren) Bemessungsgrundlagen gekommen ist (vgl Beilage VIII zum Protokoll über die Hauptverhandlung vom ).

Da der aufgezeigte Begründungsmangel die Kassation des den Beschwerdeführer betreffenden Schuld - und Strafausspruchs (I) unumgänglich macht, erübrigt sich ein Eingehen auf die darüber hinausgehenden Beschwerdepunkte.

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten Alois W***** war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben und dem Erstgericht die Verfahrenserneuerung im Umfang der Aufhebung aufzutragen, weil sich zeigte, dass die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat (§ 285e StPO).

Im weiteren Rechtsgang wird die Beiziehung eines (nicht dem Personalstand der Privatbeteiligten angehörenden) Sachverständigen zur Erarbeitung der Bemessungsgrundlagen, insbesondere zur allfälligen Schätzung des gewinnmindernden Aufwands unumgänglich sein.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Alois W***** auf die Aufhebung des Strafausspruches zu verweisen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Habl, Dr. Philipp und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bauer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alois und Renate W***** wegen des Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Renate W***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 29 Hv 30/02s-276, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Solè zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Renate W***** wird das angefochtene Urteil in dem diese Angeklagte betreffenden Schuld- und Strafausspruch (II) aufgehoben und im Umfang der Aufhebung gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO zu Recht erkannt:

Renate W***** wird von der wider sie erhobenen Anklage, sie habe als Beitragstäterin in den Jahren 1989, 1990 und 1992 vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung von Abgaben in der Höhe von insgesamt 6,870.667 S bewirkt und zwar 1989 Einkommensteuer in der Höhe von 194.058 S, Gewerbesteuer in der Höhe von 79.248 S und Umsatzsteuer in der Höhe von 62.545 S, 1990 Einkommensteuer in der Höhe von 3,790.245 S, Gewerbesteuer in der Höhe von 1,164.798 S und Umsatzsteuer in der Höhe von 1,573.409 S und 1992 Umsatzsteuer in der Höhe von 6.364 S (und dadurch das Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG als Beteiligte nach § 11 dritter Fall FinStrG begangen), gemäß § 214 Abs 1 FinStrG freigesprochen. Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Renate W***** des Finanzvergehens der fahrlässigen Abgabenverkürzung (ergänze: als Beteiligte gemäß § 11 dritter Fall FinStrG) nach § 34 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt, weil sie in den Jahren 1989, 1990 und 1992 fahrlässig (richtig:) zu der vom Mitangeklagten Alois W***** unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht bewirkten Verkürzung von Abgaben, nämlich Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 499.310,84 EUR (6,870.667 S) beigetragen hat.

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen bestand ihr fahrlässig geleisteter Tatbeitrag darin, dass sie ihr vom Erstangeklagten vorgelegte Steuererklärungen, Verträge und Schriftstücke unterfertigte, ohne den Inhalt dieser Urkunden näher zu prüfen, obwohl sie hiezu verpflichtet gewesen wäre (US 17).

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Nichtigkeitsgründe der Z 3, 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, der Berechtigung zukommt:

Zutreffend weist die Beschwerdeführerin in ihrer Rechtsrüge (Z 9 lit a) darauf hin, dass sie bei einem fahrlässig geleisteten Beitrag zur Abgabenhinterziehung nicht der gerichtlichen Zuständigkeit unterliegt.

Denn nach § 53 Abs 4 FinStrG begründet die Zuständigkeit des Gerichtes zur Durchführung des Strafverfahrens gegen einen unmittelbaren Täter auch die Zuständigkeit für die Durchführung des Strafverfahrens gegen die anderen vorsätzlich an der Tat Beteiligten, gleich ob unmittelbare (§ 11 erster Fall FinStrG), Bestimmungs- oder Beitragstäter (§ 11 zweiter und dritter Fall FinStrG). Bei objektiver Konnexität kann demgemäß ein vorsätzlich Beteiligter auch wegen eines an sich bloß finanzstrafbehördlich zu ahndenden Finanzvergehens vom Gericht verurteilt werden.

Für fahrlässig handelnde Beitragstäter ist bei objektiver Konnexität das Gericht nicht zuständig. Die Prüfung, ob die Angeklagte allenfalls das Finanzvergehen nach § 34 Abs 1 FinStrG zu verantworten hat, fällt in den autonomen Zuständigkeitsbereich der Finanzstrafbehörde (13 Os 43/97).

In Stattgebung der Rechtsrüge (Z 9 lit a) war daher - ohne dass auf die weiteren Beschwerdepunkte eingegangen werden musste - spruchgemäß zu entscheiden.

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Rechtsgebiet
Strafrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2003:0120OS00008.03.0911.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAE-15787