OGH vom 13.09.2017, 10ObS97/17p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Schramm und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Lotz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 43/17k-63, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Kläger war vom bis beim Ö***** beschäftigt. Bis Anfang 2011 war der Kläger als Notfallsanitäter und Einsatzfahrer beschäftigt, wobei nicht mehr strittig ist, dass es sich nach dem Inhalt der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit im konkreten Fall um eine Angestelltentätigkeit handelte. Aus gesundheitlichen Gründen war der Kläger ab Anfang 2011 bis zum in der Verwaltung eingesetzt, wo er ebenfalls Angestelltentätigkeiten (Kanzleitätigkeiten) verrichtete, die jenen der Beschäftigungsgruppe 2 oder 3 des Kollektivvertrags für die Handelsangestellten gleichwertig waren. Der Kläger ist nach den Feststellungen zum Stichtag nicht mehr in der Lage, diese bisher ausgeübten beruflichen Tätigkeiten zu verrichten. Er ist aber noch in der Lage, Tätigkeiten eines Büroangestellten der genannten kollektivvertraglichen Beschäftigungsgruppen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, wobei österreichweit mehr als 100 Arbeitsstellen in dieser Verweisungstätigkeit existieren.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension ab. Eine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach für die Beurteilung der Verweisbarkeit des Klägers von seiner zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübten Tätigkeit in der Verwaltung seines Arbeitgebers auszugehen sei, zeigt der Revisionswerber nicht auf.
Rechtliche Beurteilung
1. Das Verweisungsfeld gemäß § 273 Abs 1 ASVG wird durch den Beruf bestimmt, den der Versicherte zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübt hat (RISJustiz RS0084943). Selbst ein Beruf, der aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben wurde, ist nach der Rechtsprechung dann nicht mehr heranzuziehen, wenn der neue Beruf über längere Zeit hinweg ausgeübt wurde (10 ObS 219/93, SSVNF 8/45; RISJustiz RS0084965). Mit der auch vom Kläger für seinen Standpunkt herangezogenen Entscheidung 10 ObS 186/97v, SSVNF 11/113, hat sich der Oberste Gerichtshof insbesondere in der Entscheidung 10 ObS 74/03k, SSVNF 17/33, auseinandergesetzt und ausgeführt, dass ein Abstellen darauf, ob eine Änderung der Tätigkeit auf gesundheitliche Beeinträchtigungen zurückzuführen sei oder nicht, zu unsachlichen Differenzen führen würde. Maßgeblich ist, ob eine länger dauernde Veränderung der Tätigkeit – mag sie freiwillig oder unfreiwillig erfolgt sein – vorliegt. Denn nach einer längeren Zeit der Ausübung eines anderen Berufs ist davon auszugehen, dass sich der Versicherte mit der neuen Beschäftigung abgefunden hat und nicht mehr in seinen alten Beruf zurückkehren will, andernfalls er bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit beantragen hätte können (10 ObS 219/93; Födermayr in SVKomm [140. Lfg] § 273 ASVG Rz 12).
2. Es hängt daher – unabhängig vom Grund, aus dem eine frühere Beschäftigung aufgegeben wurde – ganz von den Umständen des Einzelfalls ab, wann die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Versicherte, der eine andere als die bisher ausgeübte Tätigkeit aufnimmt, sich vom früher überwiegend ausgeübten Beruf gelöst hat (10 ObS 158/07v). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die zuletzt vom Kläger in der Verwaltung seines Arbeitgebers durch 21 Monate hinweg ausgeübte Tätigkeit nicht nur vorübergehend war, ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vertretbar (als genügend wurde eine neu aufgenommene Tätigkeit von 8 Monaten [10 ObS 315/02z]; 13 Monaten [10 ObS 158/07v]; 16 Monaten [10 ObS 149/92]; oder 18 Monaten [10 ObS 76/93, SSVNF 7/51] angesehen). Entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers ist die Entscheidung 10 ObS 186/97v schon deshalb nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar, weil die damalige Klägerin ihre Berufstätigkeit als Verkäuferin nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgab. Sie löste sich nicht von ihrem Beruf, weil sie lediglich – ohne zusätzliche Ausbildung und nur als Teilzeitbeschäftigte mit relativ geringem Verdienst – als Lernhilfe in einer Kindergruppe tätig war. Demgegenüber übte der Kläger bei seinem bisherigen Arbeitgeber ab Anfang 2011 eine inhaltlich von seiner bisherigen stark unterschiedliche und eigenständig definierte Berufstätigkeit in der Verwaltung aus.
Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision des Klägers daher zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00097.17P.0913.000 |
Schlagworte: | 1 Generalabonnement,12 Sozialrechtssachen |
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