OGH vom 20.06.2013, 12Os7/13s

OGH vom 20.06.2013, 12Os7/13s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Müller als Schriftführerin in der Strafsache gegen Zvezdan S***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 2, 130 zweiter und dritter Fall, 15 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Zvezdan S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom , GZ 12 Hv 8/12f 282, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Zvezdan S***** wird das angefochtene, am Gerichtstag vom in Betreff dieses Angeklagten bereits abgeänderte Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Ansehung der Verurteilten Snezana M***** im Schuldspruch zu den von den Punkten A./II./a./1./ und 2./ umfassten Straftaten, in der rechtlichen Unterstellung des Schuldspruchs A./ unter § 128 Abs 1 Z 4, 130 zweiter und dritter Fall StGB und in der zu A./II./ und III./ gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Einziehungserkenntnis betreffend eine goldfärbige Schmuckschatulle aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, Schuld- und Freisprüche betreffend Zvezdan S***** enthaltenden Urteil wurde Snezana M***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 zweiter und dritter Fall, 15 Abs 1 StGB (A./II./ und III./) und des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach haben verkürzt wiedergegeben

A./ Zvezdan S***** und Snezana M***** nachgenannten Personen fremde bewegliche Sachen, Zvezdan S***** in einem 50.000 Euro übersteigenden Gesamtwert und Snezana M***** in einem 3.000 Euro übersteigenden Gesamtwert, mit dem Vorsatz weggenommen oder wegzunehmen versucht, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie die Taten in der Absicht begingen, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Diebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

II./ Zvezdan S***** und Snezana M*****

a./ als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung am im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter mit den abgesondert verfolgten Goran P*****, Jasmina H***** und Mario L*****, wobei Zvezdan S***** und Jasmina H***** jeweils als kaufinteressiertes Pärchen auftraten und Snezana M*****, Mario L***** und Goran P***** arbeitsteilig teils Aufpasserdienste leisteten und sich teils für den Eintritt ins Geschäft zwecks unbemerkten Zugriffs auf die Beute bereithielten, wobei die Tatvollendung jeweils unterblieb,

1./ in B***** Berechtigten des Juweliergeschäfts W***** Schmuck in unbekanntem Wert;

2./ in S***** Berechtigten des Juweliergeschäfts T***** Schmuck in unbekanntem Wert;

b./ in W***** teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken, teils allein im Frühjahr 2011 bis zum Nachteil von nicht näher bekannten Berechtigten von Bekleidungsgeschäften, Parfümerien und Schuhgeschäften in mehreren Angriffen Markenbekleidungsartikel, Markenbrillen, Markenschuhe und hochpreisige Parfüms, wobei nur Zvezdan S***** Waren in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert erbeutete;

III./ Snezana M***** und eine weitere unbekannt gebliebene Person am in W***** der Christine Se***** Bargeld und Wertsachen in unbekanntem Wert, wobei die Tatvollendung trotz kompletter Durchwühlung des Schlafzimmers der Wohnungsinhaberin mangels geeigneter Beute scheiterte;

B./ Zvezdan S***** und Snezana M***** zwischen dem und dem in W***** und an anderen Orten in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, die Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen, nämlich bislang unbekannt gebliebene Personen, die in der Nacht zum in Deutschland, *****, zum Nachteil von Berechtigten des Juweliergeschäfts B***** Schmuckstücke, darunter die im Zuge der Hausdurchsuchungen bei Zvezdan S***** (ein Ring) und Snezana M***** (sieben Ringe) sichergestellten acht Mustertrauringe, erbeuteten, in Kenntnis dieser Umstände nach der Tat beim Verheimlichen der acht Ringe in einem 3.000 Euro nicht übersteigenden Wert unterstützt, indem sie diese in ihren Wohnungen in W***** aufbewahrten.

Am Gerichtstag vom wurde über die Nichtigkeitsbeschwerde des Zvezdan S***** entschieden und dabei aus deren Anlass von Amts wegen (§ 290 Abs 1 StPO) eine diesen Angeklagten betreffende Nichtigkeit des Urteils nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO wahrgenommen. Die amtswegige Wahrnehmung einer die Verurteilten Snezana M***** betreffenden weiteren Gesetzesverletzung blieb einer eigenen Entscheidung vorbehalten (12 Os 7/13s-9).

Aus Anlass dieser Nichtigkeitsbeschwerde war nunmehr im Hinblick auf die vom Schuldspruch umfassten Taten A./II./a./1./ und 2./ gleichfalls eine sich zum Nachteil der Verurteilten Snezana M***** auswirkende Nichtigkeit des Urteils nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO von Amts wegen aufzugreifen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

§ 271 Abs 1 Z 5 StPO ermöglicht es dem Obersten Gerichtshof, sich über den Inhalt eines in der Hauptverhandlung verlesenen Schriftstücks (wie hier: ON 281 S 40) ein Bild zu machen. Solcherart ist er in der Lage, sich vom Fehlen einzelner Spezialitätserfordernisse zu überzeugen ( Ratz , WK-StPO § 290 Rz 17) und einen Feststellungsmangel im Sinne des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO amtswegig aufzugreifen ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 600).

Die Generalstaatsanwaltschaft in Celle (Deutschland) bewilligte am die Übergabe der Verurteilten Snezana M***** zu AZ 31 Ausl A 116/11 (ON 140) zum Zweck der Strafverfolgung nur wegen der im Europäischen Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Leoben vom (ON 88) genannten Straftaten A./6./ und 7./ sowie B./ (entsprechend den Schuldspruchfakten A./II./b./, A./III./ und B./), nicht aber wegen der im Europäischen Haftbefehl unter A./4./1./ und A./4./2./ angeführten Taten (diese entsprechend den Urteilsfakten A./II./a./1./ und 2./), weil aus der Sicht der deutschen Behörden die zuletzt genannten Sachverhalte im Hinblick auf die Täterschaft der Snezana M***** im Europäischen Haftbefehl unklar und undeutlich dargestellt waren und dieses Manko trotz darauf dringenden Ersuchens der deutschen Justiz nicht beseitigt wurde (vgl ON 126 und ON 1 S 68). Die Generalstaatsanwaltschaft in Celle erklärte zur Bewilligung der Übergabe ausdrücklich, dass auf die Beachtung des Grundsatzes der Spezialität nicht verzichtet wird (ON 140 S 5).

Rechtliche Beurteilung

Da keine Bewilligung des übergebenden Staates zur Strafverfolgung wegen der dem Schuldspruch zu A./II./a./1./ und 2./ zugrunde liegenden Taten vorliegt, würde durch deren Einbeziehung in das schuldig sprechende Urteil der Grundsatz der Spezialität missachtet. Im zweiten Rechtsgang werden daher Feststellungen darüber zu treffen sein, inwieweit Gründe für eine Aufhebung der Spezialitätsbindung (§ 31 Abs 2 [insbesondere Z 6] EU-JZG) vorliegen, widrigenfalls im Umfang der betroffen Straftaten mit einem Freispruch vorzugehen sein wird.

Zum Einziehungserkenntnis bleibt anzumerken, dass ein Vorgehen gemäß § 26 Abs 1 StGB nur in Betracht kommt, wenn diese vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit der betroffenen Gegenstände geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Diese Voraussetzungen treffen auf eine Anzahl von im Urteil für verfallen erklärten Gegenständen nicht zu, zumal dazu keine Feststellungen getroffen wurden.

Mit Blick auf das von der Verurteilten Snezana M***** abgegebene Einverständnis (ON 281 S 40) zur Vernichtung der zu 1.1., 1.4., 1.5. und 1.6. der ON 254 (S 8 und S 9) angeführten Gegenstände liegt jedoch diesbezüglich ein Nachteil im Sinne des § 290 Abs 1 StPO nicht vor (RIS Justiz RS0088201 [T11, T 14]).

Demgegenüber hat sie der Einziehung der zu Punkt 1.7. der ON 254 (S 9) angeführten goldfärbigen Schmuckschatulle nicht zugestimmt; vielmehr begehrte sie deren Ausfolgung (ON 281 S 40 f).

Mangels einer Feststellung, dass diese Schmuckschatulle zur Begehung der mit Strafe bedrohten Handlungen verwendet wurde oder dazu bestimmt war, bzw dass dieser Gegenstand durch strafbare Handlungen hervorgebracht wurde, war dieser Punkt des Einziehungserkenntnisses aufzuheben und dem Landesgericht Leoben insoweit die Verfahrensergänzung aufzutragen.