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OGH vom 01.12.2004, 13Os84/04

OGH vom 01.12.2004, 13Os84/04

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pablik als Schriftführer in der Strafsache gegen Ing. Manfred W***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom , GZ 12 Hv 1/04s-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, sowie des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Sieghartsleitner zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Ing. Manfred W***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im Juli und August 2003 in Ternberg als Bürgermeister der Marktgemeinde Ternberg, somit als Beamter, "mit dem Vorsatz, dadurch die Gemeinderäte Leopold S*****, Helmut G*****, Konrad G*****, Johann H*****, Hugo K*****, Gerhard M*****, Wilhelm N***** und Kurt R*****, also mehr als ein Viertel der Gemeinderäte des aus 25 Mitgliedern bestehenden Gemeinderates von Ternberg an ihrem Recht auf Einberufung des Gemeinderates gemäß § 45 Abs 2 OÖ Gemeindeordnung zu schädigen", seine Befugnis, im Namen einer Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er es nach Einbringung eines schriftlichen Antrages dieser Gemeinderäte auf Einberufung des Gemeinderates im Zusammenhang mit der Bestellung eines neuen Amtsleiters am entgegen der Bestimmung des § 45 Abs 2 OÖ Gemeindeordnung unterließ, binnen einer Woche eine Sitzung des Gemeinderates einzuberufen und diese Sitzung innerhalb eines Monates anzuberaumen.

Gegen den Schuldspruch richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Sie erweist sich als unberechtigt.

Der Verfahrensrüge aus Z 3 ist nicht zu entnehmen, inwiefern das Erstgericht angesichts der Aktenlage willkürlich oder erheblich bedenklich davon ausgegangen sei, dass der Vernehmungsgegenstand im Zeitpunkt der Befragung des Zeugen Mag. Helmut M***** nicht mehr geheim war (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 310 Rz 5; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 41 ff).

Der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Ablehnung der Anträge auf Vernehmung der Zeugen Dr. S*****, Josef A***** und Johann S***** Verteidigungsrechte nicht geschmälert. Die Anträge zielten auf die Darlegung des nicht erheblichen Umstandes, dass seitens der Aufsichtsbehörde "von der üblichen Vorgangsweise abgewichen wurde", und auf den Nachweis bestimmter Überlegungen des Angeklagten, aus denen zu schließen sei, er habe seine Befugnisse nicht wissentlich missbraucht.

Die Antragstellung ließ nicht erkennen, aus welchen Gründen ein Gelingen der Beweisführung zu erwarten war. Zeugen können nur über ihre Wahrnehmungen aussagen. Weshalb sich Wahrnehmungen der Genannten auf Erwägungen des Angeklagten beim inkriminierten Verhalten bezogen haben könnten, war bei den Anträgen nicht zu ersehen. Dem Einwand, vom Vorsitzenden seien Fragen des Verteidigers an die Zeugen Leopold S***** und Mag. Helmut M***** nicht zugelassen worden, mangelt es an der Voraussetzung eines Zwischenerkenntnisses durch den Schöffensenat (Mayerhofer/Hollaender, StPO5 § 281 Z 4 E 6). Auch die Mängelrüge (Z 5) ist nicht zielführend.

Indem das Erstgericht ausführte, mit Schreiben der Abteilung Gemeinden vom sei dem Angeklagten mitgeteilt worden, dass seine Überlegungen bezüglich der Nichteinberufung rechtlich unerheblich sind, gab es die Textpassage aktengetreu wieder (AS 109 letzter Absatz).

Die Urteilsannahme, dass die Anzeige mit dem Briefkopf "Josef A***** Landesrat" von der Oberösterreichischen Landesregierung als Aufsichtsbehörde erstattet wurde (US 6), entspricht entgegen dem Einwand einer Aktenwidrigkeit dem Inhalt des Schriftstückes und der Beilagen (ON 2).

Soweit der Beschwerdeführer einen Widerspruch zwischen der Konstatierung, er habe vom Eintreffen der Aufforderung zur Einberufung des Gemeinderates bis zur Anzeigeerstattung im August 2003 seine Befugnis missbraucht (US 6 letzter Absatz), und der Argumentation, insbesondere aus der mehrfachen Aufforderung sei das Bewusstsein um die Gesetzwidrigkeit seines Vorgehens abzuleiten, reklamiert, wird die Länge des Tatzeitraumes und damit keine entscheidende Tatsache releviert. Zur subjektiven Tatseite wird vom Erstgericht ausgeführt, dass der Angeklagte zugab, in Kenntnis des § 45 Abs 2 OÖ Gemeindeordnung gewesen zu sein (US 11 oben). Ob die Vorgangsweise von Landesrat A***** unüblich war und ob der Angeklagte die Anzeige als "parteipolitische Aktion" empfand, konnte als unerheblich auf sich beruhen.

Mit Erwägungen des Angeklagten, wonach die Einberufung des Gemeinderates nicht mit einer Bescheiderlassung zusammenhänge, befassten sich die Tatrichter sehr wohl. Sie kamen zum eingehend begründeten Schluss, dass sich der Angeklagte keinesfalls in einem Rechtsirrtum über seine gesetzwidrige Vorgangsweise befand (US 11 erster Absatz).

Die Verantwortung des Angeklagten, er habe ein reibungsloses Verhältnis zwischen Bürgermeister und Amtsleiter herbeiführen wollen, wurde im Urteil sinngemäß zutreffend wiedergegeben (US 11 letzter Absatz).

Dem Beschwerdevorbringen, der Angeklagte habe Schäden vor allem deshalb befürchtet, weil der Kandidat der SPÖ führender Parteifunktionär war, ist zu erwidern, dass er sich nicht derart verantwortet, sondern die gleiche fachliche Qualifikation der Kandidaten bejaht und hiezu lediglich angegeben hat, "da kommt aber natürlich hinzu, dass der Herr S***** ein SPÖ-Parteifunktionär in der Gemeinde ist".

Der im Urteil gezogene Schluss, die behauptete Motivation des Angeklagten, Schaden für die Gemeinde zu verhindern, sei wegen der zugestandenen fachlichen Eignung beider Kandidaten bloß vorgeschoben (US 13 oben), lässt keinen Verstoß gegen die Gesetze folgerichtigen Denkens oder gegen grundlegende Erfahrungssätze erkennen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444).

Dies gilt auch für die Erwägungen der Tatrichter über die Erfahrung des Angeklagten als Bürgermeister im Zusammenhang mit den wiederholten Aufforderungen durch die Gemeindeaufsichtsbehörde und den Schluss auf wissentlichen Befugnismissbrauch (US 11). Die in der Tatsachenrüge (Z 5a) vorgebrachten Einwände vermögen erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofes an der Richtigkeit der dem Schuldspruch zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen nicht zu wecken. Gesetzeskonformes Verhalten bedurfte keiner juristischen Fachkenntnisse. Ein allfälliger parteipolitischer Hintergrund und eine aus der Sicht des Beschwerdeführers verfrühte Anzeigeerstattung haben mit der Tatbildlichkeit des inkriminierten Verhaltens nicht zu tun.

Dem Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a), die Einberufung des Gemeinderates sei kein Hoheitsakt, ist zu erwidern, dass zu den "in Vollziehung der Gesetze" vorzunehmenden Amtsgeschäften im Sinn des § 302 Abs 1 StGB selbst Verrichtungen tatsächlicher Art zählen (vgl nur Mayerhofer/Hollaender, StGB5 § 302 E 16 mwN). Die Tätigkeit des Gemeinderates hängt von der Einberufung durch den Bürgermeister ab, dem auch diesbezüglich Organstellung zukommt. Die für ihn verpflichtende Einberufung und Anberaumung einer Gemeinderatssitzung gemäß § 45 Abs 2 OÖ Gemeindeordnung ist ein Amtsgeschäft, das der Bürgermeister als Gemeindeorgan in Vollziehung der Gesetze vorzunehmen hat.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, der bei Bestreitung der Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens vom Willensbildungsprozess im Gemeinderat ausgeht, übt der Bürgermeister bei Einberufung und Anberaumung von Sitzungen des Gemeinderates als dafür zuständiges Organ eine hoheitliche Funktion aus. Für die vom Angeklagten vertretene gegenteilige Ansicht bietet die im Rechtsmittel genannte Entscheidung des VwGH (Zl 92/01/0909), die keinen der hier in Rede stehenden Vorgänge zum Gegenstand hat, keinen Anhaltspunkt. Die übrige Rechtsrüge (Z 9 lit b) entfernt sich mit der Behauptung, der Angeklagte sei einem nicht vorwerfbaren Verbotsirrtum erlegen, von der konträren Urteilsannahme (US 11). Bei Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes ist aber der festgestellte Sachverhalt heranzuziehen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu erstatteten, inhaltlich auf die Nichtigkeitsbeschwerde verweisenden Äußerung des Verteidigers, zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten unter Anwendung des § 43a Abs 2 StGB zu einer unbedingten Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu 10 Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 150 Tagen) sowie zu einer für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten.

Als erschwerend wertete es keinen Umstand, als mildernd die Unbescholtenheit des Angeklagten.

Gegen den Strafausspruch wendet sich die Berufung des Angeklagten, mit der er unter Anwendung der §§ 41, 37 und 43 Abs 1 StGB die Verhängung einer Geldstrafe und deren bedingte Nachsicht anstrebt. Ausgehend von der Androhung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren (§ 302 Abs 1 StGB) und dem im angefochtenen Urteils hervorgehobenen nicht unbeträchtlichen Mangel des Angeklagten an Wertverbundenheit während des durch längere Zeit gesetzten Tatverhaltens (§ 32 Abs 2 zweiter Satz StGB) sowie dem der Sache nach (vgl § 34 Abs 1 Z 2 StGB) schon vom Erstgericht als mildernd berücksichtigten Umstand, dass die Tat mit dem sonstigen Verhalten des Angeklagten in auffallendem Widerspruch steht, sah sich der Oberste Gerichtshof beim zutreffend gewichteten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht zu einer Milderung der Strafe bestimmt. Die in der Berufung genannte Absicht des Angeklagten, durch den Amtsmissbrauch einen Schaden von der Gemeinde abzuwenden, ist nicht nachvollziehbar.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.