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OGH vom 23.07.2013, 10ObS96/13k

OGH vom 23.07.2013, 10ObS96/13k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter KR Hermann Furtner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei O*****, vertreten durch Mag. Severin Perschl, Rechtsanwalt in Krems, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich- Hillegeist Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 192/12x 28, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Der Kläger ist rechtskräftig wegen verschiedener Delikte zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Gleichzeitig wurde seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB angeordnet, wo er seit seit angehalten wird.

Mit Bescheid vom anerkannte die beklagte Partei den Anspruch des Klägers auf Invaliditätspension ab unbefristet für die weitere Dauer der Invalidität, sprach jedoch aus, dass der Pensionsanspruch ab dem für die weitere Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe ruht.

Das Erstgericht wies das gegen das Ruhen des Pensionsanspruchs gerichtete Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zurückzuweisen:

1.1. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass gegen die Verfassungsmäßigkeit der Ruhensbestimmung des § 89 Abs 1 Z 1 ASVG, wonach die Leistungsansprüche unter anderem auch in der Pensionsversicherung ruhen, solange der Anspruchsberechtigte eine Freiheitsstrafe verbüßt oder in den Fällen der §§ 21 Abs 2, 22 und 23 des Strafgesetzbuches in einer der dort genannten Anstalten angehalten wird, keine Bedenken bestehen, entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (RIS Justiz RS0085422 [T3]; 10 ObS 54/07z, SSV NF 21/35 mit zustimmender Besprechung von Birklbauer in zuvo 2008/44, 59). Der Gesetzgeber überschreitet den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht, wenn er für eine Zeit die Pensionsleistung sistiert, während der für die Versorgung des Pensionisten bei Unterbringung in Strafhaft aus öffentlichen Mitteln in anderer Weise vorgesorgt wird. Hat ein Pensionist, dessen Leistungsanspruch wegen Verbüßung einer Freiheitsstrafe ruht, Angehörige, die im Fall seines Todes Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen hätten, gebührt diesen Angehörigen gemäß § 89 Abs 5 ASVG in der Reihenfolge Ehegatte, Kinder, Eltern, Geschwister eine Pension in der Höhe der halben ruhenden Pension. Ein der Verfassung widersprechender Eingriff in das Eigentumsrecht oder eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist bei dieser Sachlage nicht erkennbar.

2. Diese für die Strafhaft geltenden Grundsätze treffen in gleicher Weise auch für die Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB zu (10 ObS 11/13k). Die Unterbringung von Personen in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB setzt nämlich voraus, dass der Rechtsbrecher zurechnungsfähig ist, er aber die Tat unter dem Einfluss einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad begangen hat. Weil Zurechnungsfähigkeit vorliegt, ist die Tat auch zu bestrafen; im Urteil sind gleichzeitig Strafe und Einweisung auszusprechen. Der Vollzug beginnt mit der Unterbringung in der Anstalt, die Zeit der Anhaltung ist auf die Strafe anzurechnen ( Fabrizy, StGB 10 § 21 StGB Rz 11). Nach § 164 StVG soll der Vollzug den Untergebrachten nicht nur davon abhalten, unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit mit Strafe bedrohte Handlungen zu begehen (§ 164 Abs 1 StVG), sondern auch den Unwert des der Verurteilung zugrundeliegenden Verhaltens aufzeigen (§ 164 Abs 2 StVG).

3.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs muss der Gesetzgeber nur an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen knüpfen; wesentlich unterschiedliche Tatbestände müssen zu entsprechend unterschiedlichen Regelungen führen (zB VfSlg 13.477; 14.521).

3.2.1 Soweit der Kläger eine sachlich nicht begründbare Ungleichbehandlung darin erblickt, dass in § 89 Abs 1 Z 1 ASVG das Ruhen der Leistungsansprüche ua im Fall des § 21 Abs 2 StGB, nicht aber im Falle des § 21 Abs 1 StGB angeordnet ist, so ist ihm zu entgegnen, dass es sich bei einer Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB um einen sogenannten Maßnahmevollzug bei Straflosigkeit der Anlasstat aufgrund eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands handelt, dem der Strafcharakter fehlt. Der Zweck der Maßnahme liegt allein darin, die Untergebrachten davon abzuhalten, unter dem Einfluss ihrer geistigen oder seelischen Abartigkeit mit Strafe bedrohte Handlungen zu begehen (§ 164 Abs 1 StVG).

3.2.2 Was etwaige Renten oder Pensionsansprüche eines nach § 21 Abs 1 StGB Untergebrachten betrifft, kommt es zum Eintritt einer Legalzession nach § 324 Abs 3 und 4 ASVG. Wird ein Pensionsberechtigter in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB eingewiesen und dort verpflegt, geht für die Zeit der Unterbringung der Anspruch auf (Rente) Pension einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge bis zur Höhe der Verpflegskosten, höchstens jedoch bis zu 80 vH auf den Bund über, der den Betrag unmittelbar an jene Anstalt oder Einrichtung auszahlen kann, in der die (renten-)pensionsberechtigte Person untergebracht ist (§ 324 Abs 3 und 4 ASVG). Auf diese Weise soll vermieden werden, dass der untergebrachte Bezieher einer Rente oder Pension seinen Unterhalt doppelt, nämlich einmal auf Kosten des Bundes in natura und ein zweites Mal in Form einer (Rente) Pension auf Kosten des Sozialversicherungsträgers erhält (ErläutRV 1084 BlgNR 14. GP 49).

3.3. § 21 Abs 1 und Abs 2 StGB stellen somit unterschiedliche Tatbestände dar, an die der Gesetzgeber differenzierende Rechtsfolgen geknüpft hat (Ruhen des Pensionsanspruchs nach § 89 Abs 1 Z 1 ASVG bzw Legalzession nach § 324 Abs 3 und 4 ASVG). Aus welchen Gründen diese unterschiedlichen Rechtsfolgen sachlich ungerechtfertigt sein sollten, zeigt der Revisionswerber aber nicht auf.

Da gegen die maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen im Sinne der bereits vorliegenden ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, war die außerordentliche Revision des Klägers mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2013:010OBS00096.13K.0723.000