OGH vom 19.08.2015, 13Os83/15b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zechner als Schriftführer in der Strafsache gegen Joy U***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Sixtus N***** sowie die Berufungen der Angeklagten Joy U***** und Benedict I***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 10 Hv 5/15m 80, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten Sixtus N***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen auch unbekämpft gebliebene, gleichartige Schuldsprüche der weiteren Berufungswerber enthaltenden Urteil wurde Sixtus N***** jeweils mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 „zweiter und fünfter“ Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A 3) sowie nach § 28a Abs 1 dritter Fall SMG (B 1) schuldig erkannt.
Danach hat er in G ***** und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift
(A 3) von Mai 2014 bis in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge eingeführt und anderen überlassen, indem er in neun Angriffen insgesamt 26.850 Gramm Cannabiskraut (enthaltend 2.685 Gramm Delta 9 THC) von Italien nach Österreich verbrachte und anschließend an einen Komplizen übergab;
(B 1) um den in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge ausgeführt, indem er 3.500 Gramm Cannabiskraut (enthaltend 175 Gramm Delta 9 THC) von Österreich nach Italien verbrachte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Die Mängelrüge (Z 5) beschränkt sich großteils darauf, lange Passagen aus den Urteilsgründen die sie (ihrerseits begründungslos) als „undeutlich“ (Z 5 erster Fall) und „offenbar unzureichend“ (Z 5 vierter Fall) bezeichnet sowie aus dem Hauptverhandlungsprotokoll wiederzugeben. Im Übrigen erschöpft sie sich in dem Vorwurf, das Erstgericht sei zu Unrecht von „vollinhaltlich“ geständigen Einlassungen der beiden weiteren Angeklagten ausgegangen, der mit Spekulationen über die Aussagemotivation des „Viertangeklagten“ ( I*****) verknüpften - Kritik an der tatrichterlichen Überzeugung von deren Glaubwürdigkeit (siehe aber RIS-Justiz RS0106588) und der ohne Bezugnahme auf entscheidende Tatsachen erhobenen (siehe aber Ratz , WK-StPO § 281 Rz 398) Behauptung angeblich unerörtert (Z 5 zweiter Fall) gebliebener „Widersprüche“ zwischen bestimmten Beweisergebnissen.
Damit wird keiner der in § 281 Abs 1 Z 5 StPO genannten Begründungsmängel prozessförmig aufgezeigt, sondern bloß - im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässig - die Beweiswürdigung des Schöffengerichts bekämpft.
Das Erstgericht ging (zu A 3) von einer mit auf ein das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge überschreitendes Suchtgiftquantum gerichtetem Additionswillen (US 9 f) in neun Angriffen eingeführten und überlassenen Menge von 2.685 Gramm Delta 9 THC aus, die rechtlich gesehen mehr als dem 134 fachen der Grenzmenge entspricht.
Indem sich die Tatsachenrüge (Z 5a) gegen die Feststellung des (im Zuge zweier dieser Angriffe erfolgten) Einführens und des Überlassens von insgesamt 500 Gramm Delta 9 THC wendet, spricht sie daher (schon) keine entscheidende Tatsache an (RIS-Justiz RS0127374 [T1]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Bleibt anzumerken, dass dem Erstgericht vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachte auch die Schuldsprüche der Joy U***** (A 1 und B 2) sowie des Benedict I***** (A 2 und B 2) betreffende Subsumtionsfehler unterlaufen sind:
1. Zu Unrecht wurden die zu A 1 ( U*****) , A 2 ( I***** ) und A 3 ( N*****) beschriebenen Taten zu jeweils einem Schuldspruch wegen mehrerer Verbrechen nach § 28a Abs 1 „zweiter und fünfter“ Fall, Abs 4 Z 3 SMG zusammengefasst: Sind doch der zweite und der dritte Fall (Ein- und Ausfuhr) des § 28a Abs 1 SMG als alternatives , diese beiden Fälle einerseits und der fünfte Fall (Überlassen) der genannten Bestimmung andererseits jedoch als kumulatives Mischdelikt aufzufassen (RIS-Justiz RS0111410 [T8]). Demgemäß werden nach der Rechtsprechung - soweit der Vorsatz des Täters (wie hier) von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt umfasst - mehrere Ein- und Ausfuhr vorgänge (betreffend verschiedene Suchtgiftquantitäten) zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst, mehrere Überlassens vorgänge hingegen zu einer anderen (13 Os 1/07g; 13 Os 24/12x; RIS-Justiz RS0116676 [T8, T 9, T 10]).
2. Die neben der Annahme (jeweils) eines Verbrechens nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A) gesonderte Subsumtion der zu B beschriebenen Taten als (jeweils) eine Mehrzahl von Verbrechen nach § 28a Abs 1 dritter Fall SMG (RIS-Justiz RS0117463) trifft nicht zu. Denn § 28a Abs 4 Z 3 SMG stellt eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz (vergleichbar mit dem für wert- und schadensqualifizierte Delikte geltenden § 29 StGB) dar, sodass derart qualifizierte gleichartige strafbare Handlungen nach § 28a Abs 1 SMG - hier die zu A 1 bis 3 genannten Einfuhren und die zu B 1 und 2 genannte Ausfuhr hinsichtlich jedes Angeklagten nur ein einziges Verbrechen nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG begründen (RIS Justiz RS0117464 [bes T 14]).
Es wäre demnach (hinsichtlich jedes Angeklagten) in Ansehung der von den Schuldsprüchen A und B erfassten Ein- und Ausfuhrvorgänge ein (einziges) Verbrechen nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (bei U***** und I***** teils iVm § 12 zweiter Fall StGB) und in Ansehung der von den Schuldsprüchen A erfassten Überlassensvorgänge ein (weiteres) Verbrechen nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (bei U***** und I***** teils iVm § 12 zweiter Fall StGB) anzunehmen gewesen.
Zu amtswegiger Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) in der unrichtigen Subsumtion gelegener Nichtigkeit (Z 10) sah sich der Oberste Gerichtshof mangels eines konkreten Nachteils für die Angeklagten ( Ratz , WK-StPO § 290 Rz 22 ff) nicht veranlasst. Die Zuständigkeit zur Erledigung der (von allen Angeklagten) gegen den Sanktionsausspruch erhobenen Berufungen kommt somit dem aufgrund dieser Klarstellung an die verfehlte rechtliche Unterstellung nicht gebundenen (RIS-Justiz RS0118870) Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00083.15B.0819.000