OGH vom 09.10.2014, 13Os83/14a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krampl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erich M***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 21 Hv 13/14d 48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen A und D/I, soweit dieser auch die zum Schuldspruch A inkriminierten Taten erfasst, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung und des Ausspruchs über die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erich M***** jeweils mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (B/I und II) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (C/I und II), eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (B/II) sowie mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (D/I und II) schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien
(A) von Spätsommer 2012 bis in zumindest 15 Fällen Florian U*****, indem er ihn an den Armen festhielt und auf ein Bett drückte und gegen dessen Willen den Oralverkehr an ihm durchführte, mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt;
(B) mit unmündigen Personen dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, und zwar
I) von Spätsommer 2012 bis mit dem am geborenen Florian U***** durch das zu Punkt A genannte Verhalten;
II) von 11. bis mit dem am geborenen Joel G*****, indem er wiederholt dadurch Analverkehr an diesem unternahm, dass er mit der Penisspitze in dessen After eindrang, wobei die Taten eine schwere Verletzung des Opfers, nämlich eine emotionale Störung im Sinn einer erheblichen Traumatisierung mit einer krankheitswertigen Gesundheitsschädigung in einem 24 Tage übersteigenden Ausmaß, zur Folge hatten;
(C) geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vorgenommen und von diesen an sich vornehmen lassen, und zwar
I) von Spätsommer 2012 bis mit dem am geborenen Florian U***** in einer nicht mehr feststellbaren Anzahl von Fällen, indem er an diesem Handonanie durchführte, sowie einmal, indem das Opfer über Aufforderung des Erich M***** diesem die Hoden streichelte;
II) von 11. bis mit dem am geborenen Joel G*****, indem er täglich Handonanie an diesem vornahm und von diesem an sich vornehmen ließ;
(D) mit minderjährigen Personen, die seiner Aufsicht unterstanden, unter Ausnützung seiner Stellung diesen gegenüber geschlechtliche Handlungen vorgenommen und an sich vornehmen lassen, und zwar
I) von Spätsommer 2012 bis mit dem am geborenen Florian U***** durch die zu den Punkten A, B/I und C/I beschriebenen Handlungen;
II) von 11. bis mit dem am geborenen Joel G***** durch die zu den Punkten B/II und C/II beschriebenen Handlungen.
Rechtliche Beurteilung
Die aus den Gründen der Z 3, 5, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise berechtigt.
Zutreffend zeigt die Subsumtionsrüge (Z 10) auf, dass das angefochtene Urteil zum Schuldspruch A Feststellungen zu einem sämtliche Tatbildmerkmale erfassenden Vorsatz des Beschwerdeführers vermissen lässt. Dass sich dieser auch auf den (in objektiver Hinsicht) konstatierten Einsatz von Gewalt als Nötigungsmittel bezog, ist den Entscheidungsgründen nämlich nicht zu entnehmen (vgl US 6).
Ebenfalls berechtigt ist die Kritik an den Feststellungen zum Schuldspruch D/I, soweit dieser in Idealkonkurrenz zu den Vergewaltigungen (A) verwirklichte strafbare Handlungen umfasst. Idealkonkurrenz von Vergewaltigung und Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB kommt nämlich nach einheitlicher Rechtsprechung (nur) dann in Betracht, wenn das Autoritätsverhältnis ungeachtet des Einsatzes von Gewalt oder Drohung zur Willensbeeinflussung des Opfers für das Entstehen der Tatsituation oder die Ausführung der Tat zumindest mitbestimmend war (13 Os 134/91 = RZ 1993/53; RIS-Justiz RS0108363 T2; Philipp in WK 2 StGB § 201 Rz 50 und § 212 Rz 15; Hinterhofer SbgK § 212 Rz 60; vgl auch 13 Os 97/13h zu § 212 Abs 1 Z 1 StGB; aM Kienapfel/Schmoller BT III §§ 212-213 Rz 37). Die dazu (ausschließlich) getroffene Konstatierung, der Beschwerdeführer habe gewusst, „dass er mit einem Unmündigen, der unter seiner Aufsicht stand, unter Ausnützung eben dieses Autoritätsverhältnisses, geschlechtliche Handlungen sowie dem Beischlaf gleichzusetzende Handlungen vornahm“ (US 6), bringt den spezifischen Einsatz des Autoritätsverhältnisses (als Mittel zur Erzwingung der dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen) als notwendige Voraussetzung der rechtlichen Annahme von Idealkonkurrenz nicht hinreichend zum Ausdruck.
Die aufgezeigten Rechtsfehler mangels Feststellungen machen eine Aufhebung der davon betroffenen Schuldsprüche A und in dem im Spruch ersichtlichen Umfang D/I bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO), demgemäß auch des Strafausspruchs einschließlich der mit diesem in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden (vgl § 435 Abs 2 StPO) Anordnung eines Tätigkeitsverbotes (vgl zu § 21 Abs 2 StGB RIS Justiz RS0115054; Ratz , WK StPO § 289 Rz 6), unumgänglich. Eine Beantwortung der Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie sich gegen die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes richtet, erübrigt sich daher.
Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Im zweiten Rechtsgang wird im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs wegen Verbrechen der Vergewaltigung zu beachten sein, dass die Untergrenze der Strafdrohung des § 201 Abs 1 StGB mit dem SexualstrafrechtsänderungsG 2013 (BGBl I 2013/116) auf ein Jahr angehoben wurde, somit vorliegend das Tatzeitrecht (§ 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15) günstiger ist.
Die weitere Nichtigkeitsbeschwerde ist hingegen nicht im Recht.
Da das Erstgericht dem Angeklagten mit Hinweis auf die von ihm zuvor ausführlich dargestellten, entgegenstehenden Ergebnisse des Beweisverfahrens (US 8 f) mängelfrei die Glaubwürdigkeit versagt hat (US 10), stellt es der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider keine Unvollständigkeit dar, dass es sich im Urteil mit Einzelheiten seiner Verantwortung nicht argumentativ auseinandergesetzt hat (RIS-Justiz RS0098642).
Der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen (vgl US 9) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden und bei wie hier leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0098671). Der aus diesem Grund erhobene Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite versagt daher.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit in diesem Umfang in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche waren die Akten dem Oberlandesgericht Wien zuzuleiten.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0130OS00083.14A.1009.000