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OGH vom 24.02.2022, 12Os5/22k

OGH vom 24.02.2022, 12Os5/22k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kostersitz in der Strafsache gegen * B* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * K* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieses Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 24 Hv 73/21f-95a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten K* werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten K* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Relevanz – der Angeklagte * K* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (C./1./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in I* zwischen Anfang 2015 und vorschriftswidrig Suchtgift in einer insgesamt das 25fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, nämlich zumindest 1.090 g Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 40 % (sohin 436 g reines Cocain, entsprechend 29,06 Grenzmengen) sowie zumindest 5.000 g Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 2 % Delta-9-THC und zumindest 5 % THCA (sohin 100 g Delta-9-THC und 250 g THCA, entsprechend 11,2 Grenzmengen) in mehreren Handlungen durch Verkauf an * S* und * P* (ca 450 g Kokain und ca 4.000 g Cannabiskraut), * Kr* (zumindest 15 g) sowie die Mitangeklagten * E* (ca 1.000 g Cannabiskraut) und * B* (ca 700 g Kokain) und an weitere, unbekannte Abnehmer.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen die Annahme der Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Soweit die Verfahrensrüge (Z 3) das Fehlen der Voraussetzungen für die Vernehmung der Zeugin S* in Abwesenheit des Beschwerdeführers (§ 250 Abs 1 StPO) moniert (ON 95 S 39), macht sie keine Verletzung einer der in § 281 Abs 1 Z 3 StPO taxativ aufgezählten – oder in (nach Inkrafttreten der StPO erlassenen) Nebengesetzen enthaltenen, ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit zu beobachtenden – Bestimmungen geltend (RISJustiz RS0098271 [T3]; vgl RS0099118; RS0099088; Ratz, WKStPO § 281 Rz 193).

[5] Verfügt der Vorsitzende die Vernehmung eines Zeugen (ausnahmsweise) in Abwesenheit des Angeklagten (§ 250 Abs 1 StPO), muss er ihn – nach Wiedereinführung und Vernehmung über den in Abwesenheit verhandelten Gegenstand – von allem in Kenntnis setzen, was der (in Abwesenheit) vernommene Zeuge ausgesagt hat. Urteilsnichtigkeit tritt aber nur ein, wenn diese Mitteilung nicht vor Schluss des Beweisverfahrens (§ 255 Abs 1 erster Satz StPO) nachgetragen wurde (§ 250 Abs 2 StPO; RISJustiz RS0098271 [T4]; zum Ganzen Kirchbacher, WKStPO§ 250 Rz 11 ff).

[6] Mit der bloßen Behauptung, die nach der Vernehmung erfolgte Information des Beschwerdeführers über den Inhalt der Aussage dieser Zeugin (ON 95 S 55) sei einer Vernehmung in seiner Anwesenheit nicht „gleichwertig“, orientiert sich die Beschwerde mangels deutlich und bestimmter Bezeichnung jenes Aussageinhalts, hinsichtlich dessen eine Mitteilung nicht erfolgt sein soll, nicht am Gesetz (RISJustiz RS0110266 [T1]).

[7] Die weitere Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Zeugin S* in Anwesenheit des Beschwerdeführers (ON 95 S 38 f), macht aber mit der unsubstanziierten Behauptung einer Verletzung des Art 6 MRK eine willkürliche Ermessensausübung gar nicht geltend (RISJustiz RS0098271 [T2]; Ratz, WKStPO § 281 Rz 251; vgl zur Grundrechtskonformität eines vorübergehenden Ausschlusses Grabenwarter/Pabel, EMRK7 § 24 Rz 120, 123).

[8] Soweit sich die Rüge auf Vorgänge nach Beschlussfassung bezieht, ist darauf zu verweisen, dass ein mit diesen zu begründender, hier nicht vorliegender (abermaliger) Antrag auf Vernehmung der Zeugin in Anwesenheit des Beschwerdeführers und dessen Nichterledigung oder ein darüber ergangener (neuerlich) abweisender Beschluss des Schöffengerichts Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Geltendmachung von Nichtigkeit aus Z 4 gewesen wäre (vgl RISJustiz RS0099250).

[9] Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall [teils nominell Z 5 erster Fall]) nimmt mit der Kritik offenbar unzureichender Begründung der Feststellung zum (für das Überschreiten der 25fachen Grenzmenge entscheidenden) Überlassen von 700 Gramm Kokain an den Mitangeklagten B* (US 15) prozessordnungswidrig (RISJustiz RS0119370) nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß. Denn die Tatrichter stützten sich dazu auf die Aussagen der Zeugen S* und W*, die enge Freundschaft zwischen dem Beschwerdeführer und B*, das Auffinden des Bruchstücks von zu einem Ziegel gepressten Kokain bei B* und des dazu passenden Verpackungsmaterials beim Beschwerdeführer (US 21 ff) sowie hinsichtlich der Menge auf das von B* an andere überlassene Kokain, des von ihm zugestandenen Eigenkonsums und der Menge des in seiner Wohnung sichergestellten Suchtgifts (US 27 f).

[10] Entgegen der Kritik unvollständiger Begründung dieser Feststellung (Z 5 zweiter Fall) haben die Tatrichter hinsichtlich der Annahme der Glaubwürdigkeit der Zeugin S* die Aussage des Beschwerdeführers über eine psychiatrische Erkrankung der Zeugin erörtert (US 18 f) und als „fruchtlosen Diffamierungsversuch“ beurteilt (US 22; vgl zur mangelhaften Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen RISJustiz RS0119422 [T2, T4]).

[11] Indem die Beschwerde weiters die Unglaubwürdigkeit dieser Zeugin mit der Behauptung widersprüchlichen Aussageverhaltens geltend macht (nominell Z 5 dritter und fünfter Fall), greift sie – außerhalb der Anfechtungskategorien des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes – die Beweiswürdigung der Tatrichter an (vgl aber RIS-Justiz RS0106588 [T3, T8, T11]).

[12] Mit dem Einwand fehlender (nominell Z 5 zweiter Fall) und (an anderer Stelle) offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Überzeugung der Tatrichter von der Unglaubwürdigkeit des Zeugen P* (US 28) bekämpft die Beschwerde abermals bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung. Im Übrigen war das Erstgericht – der weiteren Kritik zuwider (Z 5 zweiter Fall) – nicht dazu verhalten, auf den Inhalt der als nicht glaubhaft beurteilten Aussage dieses Zeugen näher einzugehen (RISJustiz RS0098642).

[13] Indem sich die Tatsachenrüge (Z 5a) ausschließlich gegen die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit der Zeugin S* richtet, verfehlt sie den im Ausspruch über entscheidende Tatsachen gelegenen Bezugspunkt dieses Nichtigkeitsgrundes (RISJustiz RS0117499, RS0099649).

[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten K* folgt (§ 285i StPO).

[15] Auch die nicht ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft war in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, weil sie bei deren Anmeldung nicht erklärt hat, ob sie den Ausspruch über die Strafe oder den diesem gleichgestellten (§ 443 Abs 3 StPO) Verfallsausspruch bekämpft (ON 97; § 296 Abs 2 StPO iVm § 294 Abs 4 StPO; RISJustiz RS0100395, RS0100042; Ratz, WKStPO § 294 Rz 10).

[16] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00005.22K.0224.000

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