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OGH vom 02.03.2017, 12Os5/17b

OGH vom 02.03.2017, 12Os5/17b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Siegfried K***** wegen des Verbrechens des mit Waffen begangenen gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und Z 2 und Abs 2 Z 2, 130 Abs 1 und Abs 2, 15 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom , GZ 37 Hv 94/16t-124, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,

1./ im Schuldspruch II./ in Ansehung der „ORFKarte“ sowie „mehrere(r) 57aBegutachtungsplaketten“ und

2./ im Schuldspruch IV./,

demzufolge auch im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung und im Einziehungserkenntnis betreffend „die Leuchtpistole samt Einstecklauf“ (US 16) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Siegfried K***** des Verbrechens des (richtig:) mit Waffen begangenen gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und Z 2 und Abs 2 Z 2, 130 Abs 1 und Abs 2, 15 Abs 1 StGB (I./), mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II./), des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 erster Fall StGB (III./) sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (IV./) schuldig erkannt.

Danach hat er

I./ im Zeitraum vom bis in D*****, W*****, P*****, S*****, St. ***** im Su***** und anderen Orten in den zu I./1./ bis I./94./ des Urteilstenors beschriebenen Fällen den dort [US 2 bis 15] namentlich genannten Geschädigten fremde bewegliche Sachen in dem 5.000 Euro übersteigenden Gesamtwert von 267.835,24 Euro, nämlich Bargeld, Elektronikartikel, Werkzeug und andere Wertsachen durch Einbruch in Gebäude und Aufbrechen darin befindlicher Behältnisse mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen bzw wegzunehmen versucht, wobei er „ab dem Faktum I./3./ jeweils“ in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von auch schweren Einbruchsdiebstählen längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges Einkommen zu verschaffen, sowie ab dem Faktum I./4./ unter Einsatz besonderer Fähigkeiten und Mittel handelte, die eine wiederkehrende Begehung nahelegen [nämlich eigens zur Begehung von Einbruchsdiebstählen angefertigten Werkzeugs; US 18], und bereits zwei solche Taten begangen hatte (I./1./ und I./2./) und überdies bei den zu I./92./ und I./94./ angeführten Fakten einen Pfefferspray, somit eine Waffe oder ein anderes Mittel bei sich führte, um den Widerstand einer Person zu überwinden oder zu verhindern;

II./ durch die unter Punkt I./27./, I./38./ und I./87./ dargestellten Tathandlungen Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, indem er „eine ORF-Karte“, zwei Sparbücher und „mehrere § 57a-Begutachtungsplaketten“ an sich nahm;

III./ am in M***** den Polizeibeamten Helmut L***** mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Anhaltung zu hindern versucht, indem er die Tür des Vernehmungszimmers gegen den Rücken des vor ihm gehenden Genannten schlug und diesen dadurch in den Gangbereich drückte, die Tür in weiterer Folge mit dem an der Innenseite steckenden Schlüssel versperrte, sich auf die Fensterbank kniete und versuchte, das Fenster zu öffnen, um zu flüchten, was ihm jedoch nicht gelang, weil L***** in der Folge die Tür auftrat;

IV./ von einem nicht näher bekannten Zeitpunkt bis in S*****, wenn auch nur fahrlässig, eine verbotene Waffe (§ 17 Abs 1 Z 3 WaffG), nämlich „eine Leuchtpistole mit Einstecklauf im Kaliber 12“ besessen, indem er die von ihm erworbene Leuchtpistole mit einem selbst angefertigten Laufeinsatz versah und in seiner Wohnung aufbewahrte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt:

Zu dem in Ansehung einer „ORF-Karte“ ergangenen Schuldspruch nach § 229 Abs 1 StGB (II./) kritisiert die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zutreffend, dass der Schöffensenat jegliche Feststellungen zur konkreten Ausgestaltung dieses in Rede stehenden Tatobjekts unterlassen hat. Dem Urteil ist vielmehr nur die Konstatierung zu entnehmen, dass der Angeklagte im Zuge der unter I./27./ dargestellten Tathandlung auch eine ORF-Karte an sich nahm und es ernsthaft für möglich hielt und sich damit abfand, dass es sich dabei um eine Urkunde handelt, über welche er nicht verfügen durfte (US 19).

Da das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB nur Urkunden im Sinn des § 74 Abs 1 Z 7 StGB, somit Schriften umfasst, die errichtet wurden, um ein Recht oder Rechtsverhältnis zu begründen, abzuändern oder aufzuheben oder eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen (vgl Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 46 ff; Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 223 Rz 8 ff), wären daher für eine rechtsrichtige Subsumtion des Sachverhalts als Urkundenunterdrückung Feststellungen zur Schriftform sowie zum rechtserheblichen Erklärungsinhalt der entwendeten „ORF-Karte“ erforderlich gewesen.

Gleichermaßen im Recht ist die einen Mangel an Feststellungen (vgl RIS-Justiz RS0118580) aufzeigende Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch II./. Denn nur bereits ausgestellte (und in der Regel am Fahrzeug angebrachte) Begutachtungsplaketten nach § 57a KFG entsprechen dem Urkundenbegriff des § 74 Abs 1 Z 7 StGB (Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 53; Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 225 Rz 3; Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 223 Rz 27), während dies auf Blanko-Begutachtungsplaketten – mangels rechtserheblichen Erklärungsinhalts und Erkennbarkeit des Ausstellers – nicht zutrifft (14 Os 61/11v). Feststellungen dazu fehlen allerdings.

Ebenfalls berechtigt ist die zu Schuldspruch IV./ erhobene Kritik (Z 9 lit a) mangelnder sachverhaltsmäßiger Fundierung der Annahme, dass der Angeklagte mit der „Leuchtpistole mit Einstecklauf im Kaliber 12“ eine (iSd § 17 Abs 1 Z 3 WaffG) verbotene Waffe besessen und solcherart das Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG verwirklicht hat. Denn § 50 Abs 1 Z 2 WaffG setzt den unbefugten Besitz einer von der taxativen Aufzählung des § 17 Abs 1 WaffG umfassten (verbotenen) Waffe voraus. Dass die hier in Rede stehende, vom Angeklagten erworbene „Leuchtpistole“, welche er mit einem „Einstecklauf im Kaliber 12“ versehen und in seiner Wohnung aufbewahrt hat (US 15 und 20), als Flinte (Schrotgewehr) mit einer Gesamtlänge von weniger als 90 cm oder mit einer Lauflänge von weniger als 45 cm (§ 17 Abs 1 Z 3 WaffG) einzustufen wäre, entbehrt einer Tatsachenbasis im Urteil.

Da diese Konstatierungsdefizite – wie auch die Generalprokuratur aufzeigt – die abschließende rechtliche Beurteilung der von Schuldspruch II./ umfassten Unterdrückung einer „ORF-Karte“ und „mehrerer § 57a-Begutachtungsplaketten“ ebenso wie jene des Besitzes einer „Leuchtpistole mit Einstecklauf im Kaliber 12“ (IV./) hindern, ist insofern die Verfahrenserneuerung unumgänglich (§ 285e StPO). Ein gesondertes Eingehen auf weitere, insofern vorgetragene Beschwerdepunkte (Z 5) erübrigt sich daher.

Aus der gebotenen Aufhebung der Schuldsprüche II./ (im dargestellten Umfang) und IV./ folgt die Kassation des Strafausspruchs sowie des Einziehungserkenntnisses betreffend „die Leuchtpistole samt Einstecklauf“.

Mit seiner Berufung war der Rechtsmittelwerber auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

Im Übrigen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde keine Berechtigung zu:

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Nichtigkeitswerber durch die Abweisung seines Antrags auf „Beiziehung eines Sachverständigen für Neurologie und Psychiatrie“ zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte zu den angelasteten Tatzeitpunkten unter einer seelischen Störung gelitten hat, die verhindert hat, dass er das Unrecht der Tat einsehen konnte“ (ON 123 S 7), nicht in Verteidigungsrechten verletzt.

Für die Beiziehung eines Sachverständigen in der Hauptverhandlung bedarf es aktenkundiger oder im Verfahren hervorgekommener – nach Ansicht des Schöffengerichts unwiderlegter – tatsächlicher Umstände, die es diesem erlauben könnten, mithilfe des besonderen Fachwissens des Sachverständigen die Frage nach dem Vorliegen entscheidender Tatsachen zu beantworten (vgl 14 Os 6/01; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 347). Solche wurden durch das Antragsvorbringen, der Angeklagte könne „keine klaren Antworten zu allfälligen Tatmotiven geben“ und habe dem Zeugen Alois R***** „immer wieder von der Mafia berichtet“ (ON 123 S 7), nicht dargetan und sind auch durch die Verfahrensergebnisse in keiner Weise indiziert. Die Tatrichter gingen vielmehr ausdrücklich davon aus, es gebe auf Grund der überaus planvollen und akribischen Vorbereitung der einzelnen Tathandlungen, der sinnhaften Verwendung des Diebesguts, der technischen Fähigkeiten des Angeklagten (auch bei der Herstellung des Einbruchswerkzeugs) und der gezielten Auswahl der Tatorte samt Fluchtwegen in Zusammenschau mit der Verantwortung des Angeklagten und der Zeugenaussage des einvernehmenden Beamten Alois R***** keine objektiven Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit von einiger Erheblichkeit (US 22 f). Über die Sachverhaltsgrundlage einer prozessualen Verfügung entscheidet aber das dafür zuständige richterliche Organ – nur nach den Kriterien der Z 5 und 5a überprüfbar – in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO; vgl 12 Os 7/08h).

In der Beschwerdeschrift nachgereichte Argumente zur Antragsfundierung sind prozessual verspätet (RIS-Justiz RS0099618).

Soweit sich die Rüge auf die Ablehnung einer „Inaugenscheinnahme des Laptops des Angeklagten“ zur Einsichtnahme in eine „Sachbeschreibung“ bezieht (ON 123 S 9), ist voranzustellen, dass die Vernehmung des Angeklagten – insbesondere zum eigenen Wissen und Wollen (RIS-Justiz RS0097540 [T21]) – in der Hauptverhandlung mündlich stattfindet (§ 245 Abs 1 StPO), wobei der Verteidigung das Recht eingeräumt ist, ergänzende Fragen zu stellen (§ 249 Abs 1 StPO; vgl ON 123 S 2 ff). Weshalb dies vorliegend nicht ausreichend gewesen sein sollte, sondern sich aus der Einsichtnahme in eine (auf einem Laptop gespeicherte) Datei ergeben sollte, dass der Angeklagte „die Tathandlungen laut Anklageschrift nicht willentlich begangen hat und nicht in der Lage war, seine Entscheidungen frei zu treffen, sohin die Taten in einem [die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden] Zustand begangen wurden“ (ON 123 S 9), ist dem Antragsvorbringen nicht zu entnehmen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zum Schuldspruch II./ steht die Passage der Einlassung des Angeklagten, wonach er in D***** „zwei Sparvereinskästen aufgebrochen“, eine „Geldtasche mitgenommen“ habe und „dort schon zwei Sparbücher drinnen waren“ (ON 123 S 5), dem (betreffend die an sich genommenen Sparbücher) bejahten Gebrauchsverhinderungs-vorsatz (US 19; vgl Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 229 Rz 31) nicht erörterungsbedürftig entgegen.

Die undifferenziert zum Schuldspruch II./ vorgetragene Rechtsrüge (Z 9 lit a), es sei „Konsumtion der Urkundenunterdrückung als straflose Nachtat“ anzunehmen gewesen, zumal „der Unrechtsgehalt einer allfälligen Urkundenunterdrückung vom Unrechtsgehalt der Vermögensdelikte bereits mitumfasst“ werde, zeigt nicht auf, weshalb sich vorliegend Haupt- und

Nachtat nicht nur gegen dieselben Personen, sondern auch gegen dasselbe

Rechtsgut richten sollten (vgl Kienapfel/Schroll in WK2 StGB Vor §§ 223 ff Rz 19; Tipold in Leukauf/Steininger, StGB4§ 28 Rz 51 und Messner in Leukauf/Steininger, StGB4§ 127 Rz 10 lit a; Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 66). Im Übrigen stützt die vom Nichtigkeitswerber zur Untermauerung seiner Darlegung ins Treffen geführte Entscheidung SSt 53/55 seine Auffassung gerade nicht und liegt der ebenfalls angeführten SSt 2008/47 eine andere Konstellation zugrunde.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher – erneut in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO bleibt anzumerken, dass sich der Oberste Gerichtshof zu amtswegigem Vorgehen hinsichtlich der Einziehung (§ 26 StGB) des sichergestellten nicht eigens hergestellten Werkzeugs laut Standblatt ON 117 (US 16, 25) nicht veranlasst sah. Denn nach der Aktenlage liegen insoweit die Voraussetzungen für eine Konfiskation nach § 19a Abs 1 StGB vor, sodass ein Nachteil für den Angeklagten nicht auszumachen ist (vgl 14 Os 114/14t mwN).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00005.17B.0302.000
Schlagworte:
Strafrecht

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